Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 47. Stuttgart/Tübingen, 23. November 1856.[Beginn Spaltensatz]
entfaltet, ohne zu spiegeln. Bei dieser Weise al fresco Das naheliegende Beispiel eines Mißgriffs sind in ( Schluß folgt. ) Der Wunderknabe von Bristol. [Beginn Spaltensatz]
Novelle. ( Fortsetzung. ) Nach Ablauf einer halben Stunde, während wel- "Großen Dank, mein schöner junger Herr," ent- [Beginn Spaltensatz]
entfaltet, ohne zu spiegeln. Bei dieser Weise al fresco Das naheliegende Beispiel eines Mißgriffs sind in ( Schluß folgt. ) Der Wunderknabe von Bristol. [Beginn Spaltensatz]
Novelle. ( Fortsetzung. ) Nach Ablauf einer halben Stunde, während wel- „Großen Dank, mein schöner junger Herr,“ ent- <TEI> <text> <body> <div type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0008" n="1112"/><fw type="pageNum" place="top">1112</fw><cb type="start"/> entfaltet, ohne zu spiegeln. Bei dieser Weise <hi rendition="#aq">al fresco</hi><lb/> werden die Farben auf den frischen, glattgestrichenen<lb/> Mörtel aufgetragen und an der Oberfläche dann festge-<lb/> halten durch eine dünne Schichte kohlensauren Kalks,<lb/> der sich durch Anziehen der Kohlensäure aus der Luft<lb/> bildet. Die künftige Wirkung des getrockneten Bildes<lb/> muß hier erschlossen werden; ist sie mangelhaft, so bleibt<lb/> alles Nachbessern versagt, das Ungenügende muß her-<lb/> abgeschlagen und völlig neu gemalt werden. Jeder Tag<lb/> verlangt die Vollendung eines in sich begrenzten kleinen<lb/> Ganzen, an das die Arbeit des folgenden Tages sich<lb/> ansetzen kann. Diese Raschheit der Ausführung, diese<lb/> Unmöglichkeit des Nachbesserns führt dann von selber<lb/> den Künstler dazu, auf das Erstreben feinster Farben-<lb/> reize, auf kleines Detail zu verzichten, das Gewicht<lb/> auf die Composition, auf das große Ganze, auf die<lb/> geistvolle Charakteristik durch die Form zu legen, und<lb/> so den architektonischen Aufbau des Bildes, die plastische<lb/> Größe der Einzelgestalten vor dem musikalischen Element<lb/> der Farbenharmonie zu betonen. Die Technik leitet zu<lb/> dem monumentalen Gepräge, welches das dem Bau fest<lb/> verbundene Gemälde auch dieser seiner Natur nach ver-<lb/> langt. Die Architektur wirkt durch Massenhaftigkeit,<lb/> der umfassende Raum, den sie bietet, soll durch große<lb/> Dimensionen ausgefüllt werden; diese widersprechen aber<lb/> den kleinen Gegenständen des gewöhnlichen Lebens, sie<lb/> widersprechen einer genrehaften Auffassung, einer hu-<lb/> moristischen, mit dem Stoff spielenden Behandlung.</p><lb/> <p>Das naheliegende Beispiel eines Mißgriffs sind in<lb/> dieser Hinsicht die Fresken Kaulbachs an der neuen<lb/><cb n="2"/> Pinakothek in München. Daß hier die zeitgenössische<lb/> Kunstgeschichte nicht mit feierlichem Pathos glorificirt,<lb/> daß in satirischen Anspielungen auch Mängel und Ver-<lb/> kehrtheiten hereingezogen worden, hat bei einzelnen Ge-<lb/> troffenen und bei solchen Kritikern Anstoß erregt, die<lb/> dem Großen gegenüber dem Scherz kein Recht gestatten<lb/> wollen, während die Nachwelt unsere Zeit, wenn sie<lb/> sich selbst mit Grandezza den Kranz auf's Haupt setzt,<lb/> gar leicht der Eitelkeit bezichtigen, der Geistesfreiheit<lb/> des Meisters aber sich erfreuen wird, der, was er und<lb/> seine Genossen gethan, auch mit Humor zu behandeln<lb/> den Muth und die Bescheidenheit hatte. Hier liegt für<lb/> mich kein begründeter Tadel, sondern ein Lob, und ich<lb/> freue mich der Skizzen von Kaulbachs Hand, die einen<lb/> Seitensaal im Jnnern schmücken, ich würde mich einer<lb/> Ausführung derselben etwa als Treppenfries gefreut<lb/> haben; aber der colossalen Größe der Bilder an der<lb/> Außenwand widerspricht — abgesehen von dem Mittel-<lb/> bild und der Bekämpfung des Zopfs, und selbst auch<lb/> hier etwas — die genremäßige Auffassung, die herein-<lb/> spielende Komik. Andererseits ist die Selbstbespiegelung<lb/> der Kunst eine mißliche Aufgabe, die wieder die Jronie<lb/> heraus fordert. Man soll eben malen und dichten,<lb/> wie man handelt und lebt, nicht wie man malt und<lb/> dichtet. Begebenheiten aus dem Leben der Maler mit<lb/> einer symbolischen und durch den Styl sie nachbilden-<lb/> den Bezeichnung einer Kunstperiode, wie das Cornelius<lb/> in den Pinakotheksloggien in kleinerem Maßstabe that,<lb/> das ist eine andere Sache, als das bloße Malen, Bauen,<lb/> Bildhauen wieder zu conterfeien.</p><lb/> <cb type="end"/> <p> <hi rendition="#c">( Schluß folgt. )</hi> </p> </div><lb/> <space dim="vertical"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <space dim="vertical"/> <div xml:id="Nov3" type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">Der Wunderknabe von Bristol.</hi><lb/> <hi rendition="#g">Novelle.</hi><lb/> <ref target="nn_morgenblatt46_1856#Nov2">( Fortsetzung. )</ref> </head><lb/> <cb type="start"/> <p>Nach Ablauf einer halben Stunde, während wel-<lb/> cher Walpole seinen schönen Gast mit seinen Beziehungen<lb/> zu dem Bristoler Archäologen bekannt machte, wurde<lb/> William Smith gemeldet, welcher seinerseits mit Chat-<lb/> terton verabredet hatte, über Stellung und Persönlich-<lb/> keit des letzteren vorerst nichts Näheres zu äußern, fon-<lb/> dern vor allen Dingen den Eindruck der vorzulegenden<lb/> Gedichte abzuwarten. Als der junge Maler eintrat,<lb/><cb n="2"/> richtete er zuerst eine tiefe Verbeugung an den Ritter<lb/> und einen dankenden Gruß an die Schauspielerin, dann<lb/> überreichte er dem ersteren eine Rolle von Papieren<lb/> mit den Worten: „Von Jhrem Correspondenten in<lb/> Bristol, gnädiger Herr!“</p><lb/> <p>„Großen Dank, mein schöner junger Herr,“ ent-<lb/> gegnete Walpole freundlich und die Papiere entrollend.<lb/> „Sie würden uns noch mehr verbinden, wenn Sie uns<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [1112/0008]
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entfaltet, ohne zu spiegeln. Bei dieser Weise al fresco
werden die Farben auf den frischen, glattgestrichenen
Mörtel aufgetragen und an der Oberfläche dann festge-
halten durch eine dünne Schichte kohlensauren Kalks,
der sich durch Anziehen der Kohlensäure aus der Luft
bildet. Die künftige Wirkung des getrockneten Bildes
muß hier erschlossen werden; ist sie mangelhaft, so bleibt
alles Nachbessern versagt, das Ungenügende muß her-
abgeschlagen und völlig neu gemalt werden. Jeder Tag
verlangt die Vollendung eines in sich begrenzten kleinen
Ganzen, an das die Arbeit des folgenden Tages sich
ansetzen kann. Diese Raschheit der Ausführung, diese
Unmöglichkeit des Nachbesserns führt dann von selber
den Künstler dazu, auf das Erstreben feinster Farben-
reize, auf kleines Detail zu verzichten, das Gewicht
auf die Composition, auf das große Ganze, auf die
geistvolle Charakteristik durch die Form zu legen, und
so den architektonischen Aufbau des Bildes, die plastische
Größe der Einzelgestalten vor dem musikalischen Element
der Farbenharmonie zu betonen. Die Technik leitet zu
dem monumentalen Gepräge, welches das dem Bau fest
verbundene Gemälde auch dieser seiner Natur nach ver-
langt. Die Architektur wirkt durch Massenhaftigkeit,
der umfassende Raum, den sie bietet, soll durch große
Dimensionen ausgefüllt werden; diese widersprechen aber
den kleinen Gegenständen des gewöhnlichen Lebens, sie
widersprechen einer genrehaften Auffassung, einer hu-
moristischen, mit dem Stoff spielenden Behandlung.
Das naheliegende Beispiel eines Mißgriffs sind in
dieser Hinsicht die Fresken Kaulbachs an der neuen
Pinakothek in München. Daß hier die zeitgenössische
Kunstgeschichte nicht mit feierlichem Pathos glorificirt,
daß in satirischen Anspielungen auch Mängel und Ver-
kehrtheiten hereingezogen worden, hat bei einzelnen Ge-
troffenen und bei solchen Kritikern Anstoß erregt, die
dem Großen gegenüber dem Scherz kein Recht gestatten
wollen, während die Nachwelt unsere Zeit, wenn sie
sich selbst mit Grandezza den Kranz auf's Haupt setzt,
gar leicht der Eitelkeit bezichtigen, der Geistesfreiheit
des Meisters aber sich erfreuen wird, der, was er und
seine Genossen gethan, auch mit Humor zu behandeln
den Muth und die Bescheidenheit hatte. Hier liegt für
mich kein begründeter Tadel, sondern ein Lob, und ich
freue mich der Skizzen von Kaulbachs Hand, die einen
Seitensaal im Jnnern schmücken, ich würde mich einer
Ausführung derselben etwa als Treppenfries gefreut
haben; aber der colossalen Größe der Bilder an der
Außenwand widerspricht — abgesehen von dem Mittel-
bild und der Bekämpfung des Zopfs, und selbst auch
hier etwas — die genremäßige Auffassung, die herein-
spielende Komik. Andererseits ist die Selbstbespiegelung
der Kunst eine mißliche Aufgabe, die wieder die Jronie
heraus fordert. Man soll eben malen und dichten,
wie man handelt und lebt, nicht wie man malt und
dichtet. Begebenheiten aus dem Leben der Maler mit
einer symbolischen und durch den Styl sie nachbilden-
den Bezeichnung einer Kunstperiode, wie das Cornelius
in den Pinakotheksloggien in kleinerem Maßstabe that,
das ist eine andere Sache, als das bloße Malen, Bauen,
Bildhauen wieder zu conterfeien.
( Schluß folgt. )
Der Wunderknabe von Bristol.
Novelle.
( Fortsetzung. )
Nach Ablauf einer halben Stunde, während wel-
cher Walpole seinen schönen Gast mit seinen Beziehungen
zu dem Bristoler Archäologen bekannt machte, wurde
William Smith gemeldet, welcher seinerseits mit Chat-
terton verabredet hatte, über Stellung und Persönlich-
keit des letzteren vorerst nichts Näheres zu äußern, fon-
dern vor allen Dingen den Eindruck der vorzulegenden
Gedichte abzuwarten. Als der junge Maler eintrat,
richtete er zuerst eine tiefe Verbeugung an den Ritter
und einen dankenden Gruß an die Schauspielerin, dann
überreichte er dem ersteren eine Rolle von Papieren
mit den Worten: „Von Jhrem Correspondenten in
Bristol, gnädiger Herr!“
„Großen Dank, mein schöner junger Herr,“ ent-
gegnete Walpole freundlich und die Papiere entrollend.
„Sie würden uns noch mehr verbinden, wenn Sie uns
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