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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 47. Stuttgart/Tübingen, 23. November 1856.

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[Beginn Spaltensatz]
" Wo sich aufthürmt manch rauher Bergesrand,
Jn furchtbar'n Reihen riesig aufgeschichtet,
Vergleichbar nicht dem Werk von Menschenhand,
Und auch von ird'schen Kräften nicht errichtet,
Dort stand der Britten heiliger Altar,
Geweiht dem Götzen, den sie Tauran nannten,
Jm Maimond brachten sie ihm Opfer dar,
Jndeß im Kreise helle Feuer brannten,
Und dort einbrachen mordend Hengift's Schaaren,
Als einst die Britten still beim Rath versammelt waren.
"Auf einer jener Bergeskuppen stand
Die thurmbekränzte Stadt und sah hernieder
Mit königlichem Blick auf's platte Land,
Der braunen Heide langgestreckte Glieder.
Jn dieser Stadt ersah das Lebenslicht
Herward, der Sproß von hochgeehrtem Stamm;
Es fand im Reich sich Seinesgleichen nicht,
Der wie ein Segen auf die Erde kam.
Nun braust er, stahlbedeckt, hin durch die Schlacht,
Und ganze Schaaren schickt er hin in's Reich der Nacht.
"Wie wenn der finstre Herbst mit bleicher Hand
Vom nackten Baum den grünen Mantel nimmt,
Und fluchtgeschart umher auf gelbem Sand
Das welke Laub im Hauch des Sturmes schwimmt,
So macht zum Schlachthaus er das ganze Feld,
So schweben Todtenseelen über'm Blut --
Von Ort zu Ort stürmt rasch der hohe Held,
Jhn flieht der Feind, als trieb' ihn wilde Fluth;
Der Tod hängt ihm am Arm und mancher Held
Sinkt sterbend vor ihm hin, von seinem Schwert gefällt."

Der Ritter schwieg und las für sich das epische
Gedicht zu Ende. Fast zugleich mit ihm wurde auch
die Schauspielerin fertig.

"Die Bristoltragödie Ella," sagte sie zu Walpole,
"hat mich nicht minder befriedigt als Sie die Hastings-
schlacht. Sie ist ganz im Styl der alten Stücke, welche
man jetzt wieder neu macht, kräftig und wild, verwor-
ren, reich an Handlung, allein voll von poetischen
Motiven und einzelnen Schönheiten, in einer über-
schwänglichen, prachtvollen Sprache. Ella, der sächsische
Held Bristols, kommt vom Altar zurück, an welchem
ihm seine geliebte Bertha angetraut worden ist. Da
ertönt, statt des Hochzeitreigens, der Sturmruf, ein
dänischer Einfall ist gelandet; Ella an der Spitze, eilen
die Krieger hinaus. Die Dänen werden geschlagen,
Ella soll am nächsten Tag in die Arme der harrenden
Gattin eilen, allein in der Nacht vorher tritt der Ver-
räther zu ihr hin, Celmonde, der erste Krieger nach
Ella, der in heimlicher Liebe für Bertha erglüht, mit
dem erlogenen Auftrag, sie sogleich in's Feld zu Ella
zu bringen. Arglos folgt sie ihm, allein im Wald an-
[Spaltenumbruch] gekommen, tritt Celmonde mit seinen Absichten der
Verführung hervor, und nur die Jntervention einer ver-
sprengten dänischen Schaar rettet sie aus seinen Hän-
den. Deren edelherziger Führer wird sie dem Sachsen
zurück geben, welcher auch gegen die Dänen Großmuth
gezeigt hat; allein ein tödtlicher Verdacht umfängt in-
dessen Ella; welcher die plötzliche nächtliche Abreise
Berthas von Bristol erfahren und falsch gedeutet hat.
Er tödtet sich und die gerade erscheinende Braut wird
ihm in's Grab folgen. Dieß der Stoff. Die poetischen
Schönheiten dieser Arbeit zählen sich nicht, die Perle
davon ist aber ein sentimentales Lied, welches der Neu-
vermählten während Ellas Abwesenheit vorgetragen wird."

"Sie werden uns ein hohes Entzücken bereiten,
talentvolle Freundin," fiel Walpole ein, "wenn Sie
uns dasselbe mit jener wehmüthigen Erhabenheit dekla-
miren wollten, mit welcher Sie Jhre Heldinnen auf
der Drurylanebühne reden lassen."

Kitty ließ sich nicht lange bitten, sie ergriff das
Manuscript und las mit klangvoller Stimme und gu-
tem, mitunter etwas zu pathetischem Ausdruck folgen-
des Lied ab:

" O, stimmt in meine Klagen ein,
Und laßt die bittern Thränen fließen,
Tanzt nicht mehr frohen Festtagsreihn,
Denn Nacht soll unsre Lust beschließen!
Mein Lieb ist todt,
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.
"Schwarz war sein Haar wie Winternacht,
Weiß sein Gesicht wie Schnee im Lenze
Und rosig wie des Morgens Pracht.
Das Grab nahm seiner Anmuth Kränze.
Mein Lieb
"Süß war sein Mund wie Drosselsang,
Sein Tanz so flüchtig wie Gedanken,
Wenn hell sein Tambourin erklang.
Nun halten ihn des Grabes Schranken.
Mein Lieb
"Horch, wie des Raben Fittich schwirrt
Dort unten in des Thales Krümme,
Die Nachtmahr still durch's Dunkel irrt,
Doch schrille heult des Uhu Stimme!
Mein Lieb
"O sieh! wie weiß des Monds Gesicht,
Doch weißer als sein Sargtuch nimmer,
Das weißer als des Morgens Licht
Und weißer als des Abends Schimmer.
Mein Lieb
[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]
„ Wo sich aufthürmt manch rauher Bergesrand,
Jn furchtbar'n Reihen riesig aufgeschichtet,
Vergleichbar nicht dem Werk von Menschenhand,
Und auch von ird'schen Kräften nicht errichtet,
Dort stand der Britten heiliger Altar,
Geweiht dem Götzen, den sie Tauran nannten,
Jm Maimond brachten sie ihm Opfer dar,
Jndeß im Kreise helle Feuer brannten,
Und dort einbrachen mordend Hengift's Schaaren,
Als einst die Britten still beim Rath versammelt waren.
„Auf einer jener Bergeskuppen stand
Die thurmbekränzte Stadt und sah hernieder
Mit königlichem Blick auf's platte Land,
Der braunen Heide langgestreckte Glieder.
Jn dieser Stadt ersah das Lebenslicht
Herward, der Sproß von hochgeehrtem Stamm;
Es fand im Reich sich Seinesgleichen nicht,
Der wie ein Segen auf die Erde kam.
Nun braust er, stahlbedeckt, hin durch die Schlacht,
Und ganze Schaaren schickt er hin in's Reich der Nacht.
„Wie wenn der finstre Herbst mit bleicher Hand
Vom nackten Baum den grünen Mantel nimmt,
Und fluchtgeschart umher auf gelbem Sand
Das welke Laub im Hauch des Sturmes schwimmt,
So macht zum Schlachthaus er das ganze Feld,
So schweben Todtenseelen über'm Blut —
Von Ort zu Ort stürmt rasch der hohe Held,
Jhn flieht der Feind, als trieb' ihn wilde Fluth;
Der Tod hängt ihm am Arm und mancher Held
Sinkt sterbend vor ihm hin, von seinem Schwert gefällt.“

Der Ritter schwieg und las für sich das epische
Gedicht zu Ende. Fast zugleich mit ihm wurde auch
die Schauspielerin fertig.

„Die Bristoltragödie Ella,“ sagte sie zu Walpole,
„hat mich nicht minder befriedigt als Sie die Hastings-
schlacht. Sie ist ganz im Styl der alten Stücke, welche
man jetzt wieder neu macht, kräftig und wild, verwor-
ren, reich an Handlung, allein voll von poetischen
Motiven und einzelnen Schönheiten, in einer über-
schwänglichen, prachtvollen Sprache. Ella, der sächsische
Held Bristols, kommt vom Altar zurück, an welchem
ihm seine geliebte Bertha angetraut worden ist. Da
ertönt, statt des Hochzeitreigens, der Sturmruf, ein
dänischer Einfall ist gelandet; Ella an der Spitze, eilen
die Krieger hinaus. Die Dänen werden geschlagen,
Ella soll am nächsten Tag in die Arme der harrenden
Gattin eilen, allein in der Nacht vorher tritt der Ver-
räther zu ihr hin, Celmonde, der erste Krieger nach
Ella, der in heimlicher Liebe für Bertha erglüht, mit
dem erlogenen Auftrag, sie sogleich in's Feld zu Ella
zu bringen. Arglos folgt sie ihm, allein im Wald an-
[Spaltenumbruch] gekommen, tritt Celmonde mit seinen Absichten der
Verführung hervor, und nur die Jntervention einer ver-
sprengten dänischen Schaar rettet sie aus seinen Hän-
den. Deren edelherziger Führer wird sie dem Sachsen
zurück geben, welcher auch gegen die Dänen Großmuth
gezeigt hat; allein ein tödtlicher Verdacht umfängt in-
dessen Ella; welcher die plötzliche nächtliche Abreise
Berthas von Bristol erfahren und falsch gedeutet hat.
Er tödtet sich und die gerade erscheinende Braut wird
ihm in's Grab folgen. Dieß der Stoff. Die poetischen
Schönheiten dieser Arbeit zählen sich nicht, die Perle
davon ist aber ein sentimentales Lied, welches der Neu-
vermählten während Ellas Abwesenheit vorgetragen wird.“

„Sie werden uns ein hohes Entzücken bereiten,
talentvolle Freundin,“ fiel Walpole ein, „wenn Sie
uns dasselbe mit jener wehmüthigen Erhabenheit dekla-
miren wollten, mit welcher Sie Jhre Heldinnen auf
der Drurylanebühne reden lassen.“

Kitty ließ sich nicht lange bitten, sie ergriff das
Manuscript und las mit klangvoller Stimme und gu-
tem, mitunter etwas zu pathetischem Ausdruck folgen-
des Lied ab:

„ O, stimmt in meine Klagen ein,
Und laßt die bittern Thränen fließen,
Tanzt nicht mehr frohen Festtagsreihn,
Denn Nacht soll unsre Lust beschließen!
Mein Lieb ist todt,
Liegt frei von Noth
Dort unter dem Weidenbaum.
„Schwarz war sein Haar wie Winternacht,
Weiß sein Gesicht wie Schnee im Lenze
Und rosig wie des Morgens Pracht.
Das Grab nahm seiner Anmuth Kränze.
Mein Lieb
„Süß war sein Mund wie Drosselsang,
Sein Tanz so flüchtig wie Gedanken,
Wenn hell sein Tambourin erklang.
Nun halten ihn des Grabes Schranken.
Mein Lieb
„Horch, wie des Raben Fittich schwirrt
Dort unten in des Thales Krümme,
Die Nachtmahr still durch's Dunkel irrt,
Doch schrille heult des Uhu Stimme!
Mein Lieb
„O sieh! wie weiß des Monds Gesicht,
Doch weißer als sein Sargtuch nimmer,
Das weißer als des Morgens Licht
Und weißer als des Abends Schimmer.
Mein Lieb
[Ende Spaltensatz]
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[1114/0010] 1114 „ Wo sich aufthürmt manch rauher Bergesrand, Jn furchtbar'n Reihen riesig aufgeschichtet, Vergleichbar nicht dem Werk von Menschenhand, Und auch von ird'schen Kräften nicht errichtet, Dort stand der Britten heiliger Altar, Geweiht dem Götzen, den sie Tauran nannten, Jm Maimond brachten sie ihm Opfer dar, Jndeß im Kreise helle Feuer brannten, Und dort einbrachen mordend Hengift's Schaaren, Als einst die Britten still beim Rath versammelt waren. „Auf einer jener Bergeskuppen stand Die thurmbekränzte Stadt und sah hernieder Mit königlichem Blick auf's platte Land, Der braunen Heide langgestreckte Glieder. Jn dieser Stadt ersah das Lebenslicht Herward, der Sproß von hochgeehrtem Stamm; Es fand im Reich sich Seinesgleichen nicht, Der wie ein Segen auf die Erde kam. Nun braust er, stahlbedeckt, hin durch die Schlacht, Und ganze Schaaren schickt er hin in's Reich der Nacht. „Wie wenn der finstre Herbst mit bleicher Hand Vom nackten Baum den grünen Mantel nimmt, Und fluchtgeschart umher auf gelbem Sand Das welke Laub im Hauch des Sturmes schwimmt, So macht zum Schlachthaus er das ganze Feld, So schweben Todtenseelen über'm Blut — Von Ort zu Ort stürmt rasch der hohe Held, Jhn flieht der Feind, als trieb' ihn wilde Fluth; Der Tod hängt ihm am Arm und mancher Held Sinkt sterbend vor ihm hin, von seinem Schwert gefällt.“ Der Ritter schwieg und las für sich das epische Gedicht zu Ende. Fast zugleich mit ihm wurde auch die Schauspielerin fertig. „Die Bristoltragödie Ella,“ sagte sie zu Walpole, „hat mich nicht minder befriedigt als Sie die Hastings- schlacht. Sie ist ganz im Styl der alten Stücke, welche man jetzt wieder neu macht, kräftig und wild, verwor- ren, reich an Handlung, allein voll von poetischen Motiven und einzelnen Schönheiten, in einer über- schwänglichen, prachtvollen Sprache. Ella, der sächsische Held Bristols, kommt vom Altar zurück, an welchem ihm seine geliebte Bertha angetraut worden ist. Da ertönt, statt des Hochzeitreigens, der Sturmruf, ein dänischer Einfall ist gelandet; Ella an der Spitze, eilen die Krieger hinaus. Die Dänen werden geschlagen, Ella soll am nächsten Tag in die Arme der harrenden Gattin eilen, allein in der Nacht vorher tritt der Ver- räther zu ihr hin, Celmonde, der erste Krieger nach Ella, der in heimlicher Liebe für Bertha erglüht, mit dem erlogenen Auftrag, sie sogleich in's Feld zu Ella zu bringen. Arglos folgt sie ihm, allein im Wald an- gekommen, tritt Celmonde mit seinen Absichten der Verführung hervor, und nur die Jntervention einer ver- sprengten dänischen Schaar rettet sie aus seinen Hän- den. Deren edelherziger Führer wird sie dem Sachsen zurück geben, welcher auch gegen die Dänen Großmuth gezeigt hat; allein ein tödtlicher Verdacht umfängt in- dessen Ella; welcher die plötzliche nächtliche Abreise Berthas von Bristol erfahren und falsch gedeutet hat. Er tödtet sich und die gerade erscheinende Braut wird ihm in's Grab folgen. Dieß der Stoff. Die poetischen Schönheiten dieser Arbeit zählen sich nicht, die Perle davon ist aber ein sentimentales Lied, welches der Neu- vermählten während Ellas Abwesenheit vorgetragen wird.“ „Sie werden uns ein hohes Entzücken bereiten, talentvolle Freundin,“ fiel Walpole ein, „wenn Sie uns dasselbe mit jener wehmüthigen Erhabenheit dekla- miren wollten, mit welcher Sie Jhre Heldinnen auf der Drurylanebühne reden lassen.“ Kitty ließ sich nicht lange bitten, sie ergriff das Manuscript und las mit klangvoller Stimme und gu- tem, mitunter etwas zu pathetischem Ausdruck folgen- des Lied ab: „ O, stimmt in meine Klagen ein, Und laßt die bittern Thränen fließen, Tanzt nicht mehr frohen Festtagsreihn, Denn Nacht soll unsre Lust beschließen! Mein Lieb ist todt, Liegt frei von Noth Dort unter dem Weidenbaum. „Schwarz war sein Haar wie Winternacht, Weiß sein Gesicht wie Schnee im Lenze Und rosig wie des Morgens Pracht. Das Grab nahm seiner Anmuth Kränze. Mein Lieb „Süß war sein Mund wie Drosselsang, Sein Tanz so flüchtig wie Gedanken, Wenn hell sein Tambourin erklang. Nun halten ihn des Grabes Schranken. Mein Lieb „Horch, wie des Raben Fittich schwirrt Dort unten in des Thales Krümme, Die Nachtmahr still durch's Dunkel irrt, Doch schrille heult des Uhu Stimme! Mein Lieb „O sieh! wie weiß des Monds Gesicht, Doch weißer als sein Sargtuch nimmer, Das weißer als des Morgens Licht Und weißer als des Abends Schimmer. Mein Lieb

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 47. Stuttgart/Tübingen, 23. November 1856, S. 1114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt47_1856/10>, abgerufen am 15.06.2024.