Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 46. Stuttgart/Tübingen, 16. November 1856.Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 46. 16. November 1856. -- Scribendi recte sapere est et principium et fons.Horaz: Goethe [Beginn Spaltensatz]
von Emerson. Jn Nr. 12 und 13 d. J. haben wir mitgetheilt, was Die kleine Abhandlung über Goethe ist wohl noch Die Weltordnung bietet dem Schriftsteller oder Die Natur will wiedergegeben seyn. Jedes Ding Diese Selbstregistrirung währt in der Natur fort Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 46. 16. November 1856. — Scribendi recte sapere est et principium et fons.Horaz: Goethe [Beginn Spaltensatz]
von Emerson. Jn Nr. 12 und 13 d. J. haben wir mitgetheilt, was Die kleine Abhandlung über Goethe ist wohl noch Die Weltordnung bietet dem Schriftsteller oder Die Natur will wiedergegeben seyn. Jedes Ding Diese Selbstregistrirung währt in der Natur fort <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1081]"/> <titlePage type="heading"> <docTitle> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b #fr #g #larger">Morgenblatt</hi><lb/> <space dim="vertical"/> <hi rendition="#smaller">für</hi><lb/> <space dim="vertical"/> <hi rendition="#b #fr #g"><hi rendition="#g">gebildete Leser</hi>.</hi> </titlePart> </docTitle><lb/> <space dim="vertical"/> <docImprint> <hi rendition="#fr">Nr. 46.</hi> <docDate> <hi rendition="#right">16. November 1856.</hi> </docDate> </docImprint><lb/> </titlePage> <space dim="vertical"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </front> <body> <div n="1"> <epigraph> <cit> <quote><space dim="horizontal"/> — <hi rendition="#aq">Scribendi recte sapere est et principium et fons.</hi> </quote> <bibl> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Horaz</hi>:</hi> </bibl> </cit> </epigraph> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="1"> <head><hi rendition="#fr">Goethe</hi><lb/> von<lb/><hi rendition="#g">Emerson</hi>.</head><lb/> <cb type="start"/> <p>Jn Nr. 12 und 13 d. J. haben wir mitgetheilt, was<lb/> der Amerikaner Emerson über Shakespeare sagt, der ihm<lb/> in seiner Galerie von <hi rendition="#aq">representative men</hi> der Typus des<lb/> Dichters ist. Wir geben nun im Folgenden den Artikel<lb/> über <hi rendition="#g">Goethe,</hi> den <hi rendition="#g">Schriftsteller</hi> <hi rendition="#aq">par excellence</hi>, und<lb/> verweisen auf das bei jener Gelegenheit über Emerson<lb/> Gesagte. </p><lb/> <p>Die kleine Abhandlung über Goethe ist wohl noch<lb/> merkwürdiger als die über Shakespeare, wenn auch hie<lb/> und da eben so dunkel und orakelmäßig. Es scheint uns<lb/> aber der Mühe werth, sich dadurch nicht abschrecken zu<lb/> lassen und dem geistvollen Amerikaner auf seinem oft et-<lb/> was seltsamen amerikanischen Gedankengange zu folgen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Die Weltordnung bietet dem Schriftsteller oder<lb/> Schriftführer, der die Wirkungen des wunderbaren,<lb/> überall pochenden und schaffenden Lebensgeistes zu ver-<lb/> zeichnen hat, eine Fülle von Stoff dar. Sein Amt ist<lb/> es, die Thatsachen in seinem Geist aufzunehmen und<lb/> sodann eine Auswahl der hervorragenden, charakteristi-<lb/> stischen Eindrücke zu treffen.</p><lb/> <cb n="2"/> <p>Die Natur <hi rendition="#g">will</hi> wiedergegeben seyn. Jedes Ding<lb/> schreibt selbst seine Geschichte. Von seinem Schatten<lb/> begleitet, rollt Planet und Kiesel, der stürzende Fels<lb/> hinterläßt seinen Riß im Berg, der Fluß sein Rinn-<lb/> sal im Boden, das Thier seine Knochen in der Schicht,<lb/> Farrenkraut und Laub ihre bescheidene Grabschrift in<lb/> der Kohle. Der fallende Tropfen gräbt seine Spur in<lb/> Sand und Stein. Kein Fuß tritt in den Schnee oder<lb/> bewegt sich über den Grund hin, ohne daß nachher aus<lb/> den Abdrücken der Sohle die Richtung seines Weges in<lb/> mehr oder weniger dauernden Zügen zu lesen wäre.<lb/> Jede Handlung des Menschen schreibt sich in das Ge-<lb/> dächtniß seiner Genossen und in sein eigenes Wesen und<lb/> Angesicht. Die Luft ist voller Klänge, der Himmel<lb/> voller Merkmale, der Erdboden ganz Erinnerung und<lb/> Kennzeichen, und jeder Gegenstand ist mit Andeutungen<lb/> bedeckt, die zu dem Verständigen sprechen.</p><lb/> <p>Diese Selbstregistrirung währt in der Natur fort<lb/> und fort, und dieser Bericht ist ein Siegelabdruck;<lb/> er vergrößert weder, noch verkürzt er das Geschehene.<lb/> Aber die Natur strebt aufwärts und im Jnnern des<lb/> Menschen gestaltet sich das Wiedergeben zu etwas<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [[1081]/0001]
Morgenblatt
für
gebildete Leser.
Nr. 46. 16. November 1856.
— Scribendi recte sapere est et principium et fons. Horaz:
Goethe
von
Emerson.
Jn Nr. 12 und 13 d. J. haben wir mitgetheilt, was
der Amerikaner Emerson über Shakespeare sagt, der ihm
in seiner Galerie von representative men der Typus des
Dichters ist. Wir geben nun im Folgenden den Artikel
über Goethe, den Schriftsteller par excellence, und
verweisen auf das bei jener Gelegenheit über Emerson
Gesagte.
Die kleine Abhandlung über Goethe ist wohl noch
merkwürdiger als die über Shakespeare, wenn auch hie
und da eben so dunkel und orakelmäßig. Es scheint uns
aber der Mühe werth, sich dadurch nicht abschrecken zu
lassen und dem geistvollen Amerikaner auf seinem oft et-
was seltsamen amerikanischen Gedankengange zu folgen.
Die Weltordnung bietet dem Schriftsteller oder
Schriftführer, der die Wirkungen des wunderbaren,
überall pochenden und schaffenden Lebensgeistes zu ver-
zeichnen hat, eine Fülle von Stoff dar. Sein Amt ist
es, die Thatsachen in seinem Geist aufzunehmen und
sodann eine Auswahl der hervorragenden, charakteristi-
stischen Eindrücke zu treffen.
Die Natur will wiedergegeben seyn. Jedes Ding
schreibt selbst seine Geschichte. Von seinem Schatten
begleitet, rollt Planet und Kiesel, der stürzende Fels
hinterläßt seinen Riß im Berg, der Fluß sein Rinn-
sal im Boden, das Thier seine Knochen in der Schicht,
Farrenkraut und Laub ihre bescheidene Grabschrift in
der Kohle. Der fallende Tropfen gräbt seine Spur in
Sand und Stein. Kein Fuß tritt in den Schnee oder
bewegt sich über den Grund hin, ohne daß nachher aus
den Abdrücken der Sohle die Richtung seines Weges in
mehr oder weniger dauernden Zügen zu lesen wäre.
Jede Handlung des Menschen schreibt sich in das Ge-
dächtniß seiner Genossen und in sein eigenes Wesen und
Angesicht. Die Luft ist voller Klänge, der Himmel
voller Merkmale, der Erdboden ganz Erinnerung und
Kennzeichen, und jeder Gegenstand ist mit Andeutungen
bedeckt, die zu dem Verständigen sprechen.
Diese Selbstregistrirung währt in der Natur fort
und fort, und dieser Bericht ist ein Siegelabdruck;
er vergrößert weder, noch verkürzt er das Geschehene.
Aber die Natur strebt aufwärts und im Jnnern des
Menschen gestaltet sich das Wiedergeben zu etwas
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