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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 34. Stuttgart/Tübingen, 24. August 1856.

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[Beginn Spaltensatz] die Privatkasse der reichen Engländer ganz anders zu be-
lohnen versteht. Laßt euch daher wohl seyn, ihr braven
Soldaten, raucht die besten Cigarren und vertauscht die
Kasernenkost mit der Speisekarte der Restaurants. Wenn
eure Börse erschöpft ist und eure Pension nicht mehr aus-
reicht, dann könnt ihr euch immer wieder an die Börse
der Männer und die Herzen der Weiber wenden, die euch
mit solchem Enthusiasmus empfangen haben und die es
euch gewiß nie an Cigarren und guter Kost fehlen lassen
werden. Und wer noch länger an diesen freigebigen Ge-
sinnungen der Engländer zweifeln kann, den verweisen wir
auf folgenden Artikel, der tagtäglich in allen Journalen
zu lesen ist.

" Adresse der Königin an die Armee": "Stolz auf eure
Tapferkeit und mich glücklich preisend, euch in Gesundheit
und Kraft zurückkehren zu sehen, ihr, die ihr euch so
muthvoll in den Waffen, so anhänglich an eure Königin
und so ergeben für die Sache eures Vaterlandes bewährt
habt, ihr habt in jeder Hinsicht die begeisterte Aufnahme
verdient, die euch so eben zu Theil geworden. Jhr könnt
versichert seyn, daß eure Landsleute jede Gelegenheit er-
greifen werden, um ihre Dankbarkeit für eure Dienste an
den Tag zu legen und euch mit den zum Leben nothwen-
digen Gegenständen und Comforts zu versehen, welche in
reichlichem Maaße zu beschaffen ihre Beharrlichkeit im
Handel und in der Jndustrie sie in den Stand setzt. Jm
Fache der Kleidung werdet ihr die außerordentlichen und
mit Erfolg gekrönten Anstrengungen von "Moses und Sohn"
nicht vergessen, die euch mit den besten Artikeln für den
auswärtigen Dienst versehen haben und die nun bereit
sind, euch und alle andern mit den besten, der Saison
und den Umständen angemessenen Kleidungsstücken zu die-
nen. Hüte, Schuhe, Stiefeln -- alles findet ihr in ihren
Magazinen, fix und fertig. Soldat, Matrose, Kaufmann
und Reisender, junge und alte Leute, Alle können hier
ihre Wahl treffen. Die Preise sind dabei so gering, daß
wir dieses Etablissement nicht genug empfehlen können
( Gezeichnet ) Moses and Son."

Wir brauchen nicht zu sagen, daß dieser Artikel sich
auf der vierten Seite der Journale, d. h. in dem Theile
befindet, der den Anzeigen vorbehalten ist. Was officiell
darin ist, d. h. die drei oder vier ersten Zeilen, ist so
künstlich, so schlau mit dem nicht officiellen Theile ver-
schmolzen, daß man im ersten Augenblick und bei der
Lektion nicht merkt, wo die Adresse der Königin aufhört
und die Ansprache von Moses und Sohn beginnt. Diese
möchten die ganze Anzeige als die wirklich von der Köni-
gin erlassene Adresse an die Truppen gelten lassen. Der
Firma Moses und Sohn zufolge ist es die Königin, welche
den heimkehrenden Soldaten die Kleiderbude der Juden
empfiehlt, indem sie ihnen sagt, wie sie bloß zu Moses
und Sohn hinzugehen brauchen, um die besten Civilklei-
der, deren sie für ihren Rücktritt in's bürgerliche Leben
bedürfen, fast für nichts, für einen Spottpreis zu erhalten,
gerade wie sie früher im "auswärtigen Dienste" die besten
[Spaltenumbruch] Militärkleider für nichts, d. h. auf Staatskosten erhalten
hatten. Also spart nicht die wenigen Groschen, die ihr
aus der Krimm mitbringt; raucht Cigarren und kauft
euch die besten Kleidungsstücke, die euch alle Moses Eng-
lands zu so billigen Preisen abzulassen bereit sind. Das
ist nicht der Moment, mit dem Geld zu knausern. Geld?
Kann es euch je daran gebrechen? Stehen euch nicht zu
jeder Zeit die Herzen der Weiber und die Kassen der
Männer offen? Seht nur, mit welchem Enthusiasmus sie
euch empfangen, und seht nur die guten Dinge an, die
eure Landsleute eigens zu eurem Gebrauche durch ihren
Handel und ihre Jndustrie zu beschaffen wußten, während
ihr damit beschäftigt wart, die europäischen Streithändel
für sie auszufechten.

Das ist die Art und Weise, wie die Moses Englands
und die englischen Handelsleute im Allgemeinen den En-
thusiasmus für die heimkehrenden Truppen und die Be-
endigung des Kriegs verstehen und auszubeuten suchen.
Die Soldaten meinen es ernstlich mit diesem Enthusias-
mus; sie rauchen die besten Cigarren und zahlen auf die
willfährigste und großmüthigste Weise von der Welt für
alles, was ihre Landsleute ihnen zu so billigen Preisen an-
zubieten sich beeilen. Jst ihr Geld erschöpft, oder reicht die
schmale jährliche Pension, die dem einen und dem andern
zu Theil wird, nicht hin, so verkaufen sie dieselbe gegen
eine gewisse Summe, die ihnen gleich baar bezahlt wird,
und es fehlt keineswegs an ehrlichen Moses, die sich ein
Geschäft daraus machen, den braven Soldaten diese Dienste
gegen guten Profit zu leisten. Aber was brauchen die
Soldaten auf's Geld zu sehen, so lange sie Alma und
Jnkermann auf ihrer Brust geschrieben haben? Das sind
Ehrenzeichen, die sie zu jeder Zeit escomptiren können,
so lange ihnen die Herzen der Weiber und die Kassen der
Männer offen bleiben. Und können die Soldaten glauben,
daß ihnen diese ergiebige Quelle je verschlossen werden
wird? Seht nur, wie man sich ordentlich darum streitet,
eines wahren "Krimmäers," der Alma=Jnkermann und
die "Trenchen" gesehen hat, habhaft zu werden! Kein
Belustigungsort, kein Tanzsaal oder Concert ist complet,
wenn nicht ein Krimmäer exhibirt wird. Die Wirthe
beeifern sich, ihre Schenken allen Krüppeln ohne Beine
oder Arme gratis zu öffnen und ihnen so viel Bier zu
verabreichen, als sie trinken mögen, vorausgesetzt, daß
sie recht viel von Laufgräben, Jnkermann, Schrappnells
und Russen zu erzählen wissen. Ein ächter Krimmäer,
ein Soldat ohne Beine und Arme, ist eine Ausstellung,
die jetzt gerade so zieht, wie früher ein Wesen mit zwei
Köpfen, oder ein verkrüppelter Zwerg, ein General Tom
Pouce. Freilich ist's nicht der Krüppel, sondern der Aus-
steller, der Wirth, der, wie Moses, den größten Profit
von diesem Enthusiasmus zieht, wenn man die Neugierde
so nennen darf. Jndessen fallen doch auch nicht wenige
Pence für den Krimmäer ab, der Cigarren, des Tabaks
und des Biers nicht zu gedenken, das ihm gratis
verabreicht wird. Können wir es demnach den armen
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] die Privatkasse der reichen Engländer ganz anders zu be-
lohnen versteht. Laßt euch daher wohl seyn, ihr braven
Soldaten, raucht die besten Cigarren und vertauscht die
Kasernenkost mit der Speisekarte der Restaurants. Wenn
eure Börse erschöpft ist und eure Pension nicht mehr aus-
reicht, dann könnt ihr euch immer wieder an die Börse
der Männer und die Herzen der Weiber wenden, die euch
mit solchem Enthusiasmus empfangen haben und die es
euch gewiß nie an Cigarren und guter Kost fehlen lassen
werden. Und wer noch länger an diesen freigebigen Ge-
sinnungen der Engländer zweifeln kann, den verweisen wir
auf folgenden Artikel, der tagtäglich in allen Journalen
zu lesen ist.

„ Adresse der Königin an die Armee“: „Stolz auf eure
Tapferkeit und mich glücklich preisend, euch in Gesundheit
und Kraft zurückkehren zu sehen, ihr, die ihr euch so
muthvoll in den Waffen, so anhänglich an eure Königin
und so ergeben für die Sache eures Vaterlandes bewährt
habt, ihr habt in jeder Hinsicht die begeisterte Aufnahme
verdient, die euch so eben zu Theil geworden. Jhr könnt
versichert seyn, daß eure Landsleute jede Gelegenheit er-
greifen werden, um ihre Dankbarkeit für eure Dienste an
den Tag zu legen und euch mit den zum Leben nothwen-
digen Gegenständen und Comforts zu versehen, welche in
reichlichem Maaße zu beschaffen ihre Beharrlichkeit im
Handel und in der Jndustrie sie in den Stand setzt. Jm
Fache der Kleidung werdet ihr die außerordentlichen und
mit Erfolg gekrönten Anstrengungen von „Moses und Sohn“
nicht vergessen, die euch mit den besten Artikeln für den
auswärtigen Dienst versehen haben und die nun bereit
sind, euch und alle andern mit den besten, der Saison
und den Umständen angemessenen Kleidungsstücken zu die-
nen. Hüte, Schuhe, Stiefeln — alles findet ihr in ihren
Magazinen, fix und fertig. Soldat, Matrose, Kaufmann
und Reisender, junge und alte Leute, Alle können hier
ihre Wahl treffen. Die Preise sind dabei so gering, daß
wir dieses Etablissement nicht genug empfehlen können
( Gezeichnet ) Moses and Son

Wir brauchen nicht zu sagen, daß dieser Artikel sich
auf der vierten Seite der Journale, d. h. in dem Theile
befindet, der den Anzeigen vorbehalten ist. Was officiell
darin ist, d. h. die drei oder vier ersten Zeilen, ist so
künstlich, so schlau mit dem nicht officiellen Theile ver-
schmolzen, daß man im ersten Augenblick und bei der
Lektion nicht merkt, wo die Adresse der Königin aufhört
und die Ansprache von Moses und Sohn beginnt. Diese
möchten die ganze Anzeige als die wirklich von der Köni-
gin erlassene Adresse an die Truppen gelten lassen. Der
Firma Moses und Sohn zufolge ist es die Königin, welche
den heimkehrenden Soldaten die Kleiderbude der Juden
empfiehlt, indem sie ihnen sagt, wie sie bloß zu Moses
und Sohn hinzugehen brauchen, um die besten Civilklei-
der, deren sie für ihren Rücktritt in's bürgerliche Leben
bedürfen, fast für nichts, für einen Spottpreis zu erhalten,
gerade wie sie früher im „auswärtigen Dienste“ die besten
[Spaltenumbruch] Militärkleider für nichts, d. h. auf Staatskosten erhalten
hatten. Also spart nicht die wenigen Groschen, die ihr
aus der Krimm mitbringt; raucht Cigarren und kauft
euch die besten Kleidungsstücke, die euch alle Moses Eng-
lands zu so billigen Preisen abzulassen bereit sind. Das
ist nicht der Moment, mit dem Geld zu knausern. Geld?
Kann es euch je daran gebrechen? Stehen euch nicht zu
jeder Zeit die Herzen der Weiber und die Kassen der
Männer offen? Seht nur, mit welchem Enthusiasmus sie
euch empfangen, und seht nur die guten Dinge an, die
eure Landsleute eigens zu eurem Gebrauche durch ihren
Handel und ihre Jndustrie zu beschaffen wußten, während
ihr damit beschäftigt wart, die europäischen Streithändel
für sie auszufechten.

Das ist die Art und Weise, wie die Moses Englands
und die englischen Handelsleute im Allgemeinen den En-
thusiasmus für die heimkehrenden Truppen und die Be-
endigung des Kriegs verstehen und auszubeuten suchen.
Die Soldaten meinen es ernstlich mit diesem Enthusias-
mus; sie rauchen die besten Cigarren und zahlen auf die
willfährigste und großmüthigste Weise von der Welt für
alles, was ihre Landsleute ihnen zu so billigen Preisen an-
zubieten sich beeilen. Jst ihr Geld erschöpft, oder reicht die
schmale jährliche Pension, die dem einen und dem andern
zu Theil wird, nicht hin, so verkaufen sie dieselbe gegen
eine gewisse Summe, die ihnen gleich baar bezahlt wird,
und es fehlt keineswegs an ehrlichen Moses, die sich ein
Geschäft daraus machen, den braven Soldaten diese Dienste
gegen guten Profit zu leisten. Aber was brauchen die
Soldaten auf's Geld zu sehen, so lange sie Alma und
Jnkermann auf ihrer Brust geschrieben haben? Das sind
Ehrenzeichen, die sie zu jeder Zeit escomptiren können,
so lange ihnen die Herzen der Weiber und die Kassen der
Männer offen bleiben. Und können die Soldaten glauben,
daß ihnen diese ergiebige Quelle je verschlossen werden
wird? Seht nur, wie man sich ordentlich darum streitet,
eines wahren „Krimmäers,“ der Alma=Jnkermann und
die „Trenchen“ gesehen hat, habhaft zu werden! Kein
Belustigungsort, kein Tanzsaal oder Concert ist complet,
wenn nicht ein Krimmäer exhibirt wird. Die Wirthe
beeifern sich, ihre Schenken allen Krüppeln ohne Beine
oder Arme gratis zu öffnen und ihnen so viel Bier zu
verabreichen, als sie trinken mögen, vorausgesetzt, daß
sie recht viel von Laufgräben, Jnkermann, Schrappnells
und Russen zu erzählen wissen. Ein ächter Krimmäer,
ein Soldat ohne Beine und Arme, ist eine Ausstellung,
die jetzt gerade so zieht, wie früher ein Wesen mit zwei
Köpfen, oder ein verkrüppelter Zwerg, ein General Tom
Pouce. Freilich ist's nicht der Krüppel, sondern der Aus-
steller, der Wirth, der, wie Moses, den größten Profit
von diesem Enthusiasmus zieht, wenn man die Neugierde
so nennen darf. Jndessen fallen doch auch nicht wenige
Pence für den Krimmäer ab, der Cigarren, des Tabaks
und des Biers nicht zu gedenken, das ihm gratis
verabreicht wird. Können wir es demnach den armen
[Ende Spaltensatz]

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Jndessen fallen doch auch nicht wenige Pence für den Krimmäer ab, der Cigarren, des Tabaks und des Biers nicht zu gedenken, das ihm gratis verabreicht wird. Können wir es demnach den armen

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 34. Stuttgart/Tübingen, 24. August 1856, S. 812. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt34_1856/20>, abgerufen am 22.11.2024.