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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 34. Stuttgart/Tübingen, 24. August 1856.

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[Beginn Spaltensatz] Mehr nur wird sie Satan quälen
Wenn sie flehn zu Gott um Gnade;
Ob sie heulen, ewig brennen
Müssen sie im Flammenbade.

Dieses Feuer hat entzündet
Gottes Zorn, der niederrollte
Wie der Blitz; er selber kann es
Nimmer löschen, wenn er wollte.
Niemals raucht es, nie verzehrt es
Seine Gluthen, seine dichten,
Ewig wird's die Seelen brennen,
Ohne je sie zu vernichten.


Zur Zeit unseres Besuchs in Plogoff sah es in
dem Dorfe aus, als ob sämmtliche männliche Bewoh-
ner eben auf einer Fahrt in's Paradies oder in die
Hölle begriffen gewesen wären. Nichts als Weiber zu
sehen, in der Kirche wie auf der Heide rings um; die
Männer alle fort, entweder auf weiter Fahrt, oder in
den Golfen und in der Nähe der Küsten, auf dem
Sardinenfang. Was hier in diesem Winkel Frankreichs
geboren wird, ist zum voraus der See bestimmt. Alle
die Dörfer der großen Landgrenze sind von Fischern
und Seeleuten bewohnt, oder vielmehr nur von ihren
Weibern und Töchtern. Die Männer schwimmen auf
offener See. Der Sardinenfang mag ein trauriges
Gewerbe seyn, denn aus allen Fenstern und Augen
dieser Gegend blickt die niederschlagendste Armuth.
Wenn ein Sardinenfänger in den Monaten August
und September, der Blüthenzeit seines Gewerbes,
sechzig Franken gewinnt, nennt er das Jahr ein glück-
liches. Der große Gewinn fließt den Kaufleuten von
Douarnenez und Nantes in die Taschen, die aller-
dings auch jedes Jahr bei dem sehr gewagten Handel,
der ungeheure Kosten verursacht, ihr halbes Vermögen
auf's Spiel setzen. Mit den sechzig Franken, mit klei-
nen Nebengewinnsten, die ihm manchmal als Piloten
abfallen, und mit den Frutti di mare, Fischen, Krab-
ben, Hummern, Muschelthieren schlägt sich der
Fischer dieser Gegend mit seiner Familie durch die
Sorgen des Jahrs; er lebt in ewigem Kampfe mit
den Elementen und der Noth. Die wenigen und schlech-
ten Felder der steinigen Hochebene gehören besonders
[Spaltenumbruch] Begünstigten, die nach langen Fahrten aus fernsten
Meeren mit einigem Geld heimgekehrt sind. Bei einem
solchen Glücklichen, der sich eine angenehme Häuslich-
keit eingerichtet hatte, waren wir eingekehrt. Der
Mann, der alle Meere der Erde gesehen und sich
freute, wieder in seinem Dorfe vor Anker zu liegen,
schien ganz das Bewußtseyn seines Glücks zu haben.
Dieß ging mir nicht nur aus seinem Gespräch hervor,
das verriethen mir auch die Byronschen Verse auf der
Tasse, in welcher er mir Kaffee kredenzte.

The tear.
The man doom'd tosail
With the blast of the gale
Through billows Atlantic to steer,
As he bends o'er the wave,
Which may soon be his grave,
Remembers his home with a tear.

Monsieur Normand wußte nichts von Byron und hatte
nur unvollständig englisch gelernt; aber er fand die
Verse überaus wahr und schön.

Weiter durch öde Heide, zwischen ärmlichem Kraut
und nacktem Gestein, nicht die geringste Abwechslung.
Nur ein kleines Kirchlein unterbrach die Einförmigkeit,
das unbedeutend wie es auch ist, und neben den schö-
nen Kirchen des Landes kaum der Erwähnung werth,
doch bei den Bewohnern in sehr großem Ansehen steht
und jedes Jahr hunderte, ja vielleicht tausende von
Pilgern empfängt; denn kein Matrose wird zu See ge-
hen, ohne erst hier seine Andacht verrichtet zu haben.
Während seiner Abwesenheit kommt auch seine Mutter,
sein Weib oder seine Braut hieher, um ihm von der
Madonna eine glückliche Reise zu erflehen. Nach dieser
Madonna hieß das Kirchlein ursprünglich: " Notre
Dame de bon voyage
;" der Abkürzung halber nannte
man es dann La chapelle du bon voyage, und so noch
heute La chapelle du St. Bon Voyage, und das Land-
volk hat nun vergessen, daß die Kapelle eigentlich der
heil. Jungfrau geweiht ist, und glaubt darin einen
Heiligen, Namens Bon Voyage versteckt. So entstehen
neue Heilige. Auf diese Art sind ja auch St. Elmo
und die heil. Veronica entstanden.

[Ende Spaltensatz]

( Schluß folgt. )




[Beginn Spaltensatz] Mehr nur wird sie Satan quälen
Wenn sie flehn zu Gott um Gnade;
Ob sie heulen, ewig brennen
Müssen sie im Flammenbade.

Dieses Feuer hat entzündet
Gottes Zorn, der niederrollte
Wie der Blitz; er selber kann es
Nimmer löschen, wenn er wollte.
Niemals raucht es, nie verzehrt es
Seine Gluthen, seine dichten,
Ewig wird's die Seelen brennen,
Ohne je sie zu vernichten.


Zur Zeit unseres Besuchs in Plogoff sah es in
dem Dorfe aus, als ob sämmtliche männliche Bewoh-
ner eben auf einer Fahrt in's Paradies oder in die
Hölle begriffen gewesen wären. Nichts als Weiber zu
sehen, in der Kirche wie auf der Heide rings um; die
Männer alle fort, entweder auf weiter Fahrt, oder in
den Golfen und in der Nähe der Küsten, auf dem
Sardinenfang. Was hier in diesem Winkel Frankreichs
geboren wird, ist zum voraus der See bestimmt. Alle
die Dörfer der großen Landgrenze sind von Fischern
und Seeleuten bewohnt, oder vielmehr nur von ihren
Weibern und Töchtern. Die Männer schwimmen auf
offener See. Der Sardinenfang mag ein trauriges
Gewerbe seyn, denn aus allen Fenstern und Augen
dieser Gegend blickt die niederschlagendste Armuth.
Wenn ein Sardinenfänger in den Monaten August
und September, der Blüthenzeit seines Gewerbes,
sechzig Franken gewinnt, nennt er das Jahr ein glück-
liches. Der große Gewinn fließt den Kaufleuten von
Douarnenez und Nantes in die Taschen, die aller-
dings auch jedes Jahr bei dem sehr gewagten Handel,
der ungeheure Kosten verursacht, ihr halbes Vermögen
auf's Spiel setzen. Mit den sechzig Franken, mit klei-
nen Nebengewinnsten, die ihm manchmal als Piloten
abfallen, und mit den Frutti di mare, Fischen, Krab-
ben, Hummern, Muschelthieren schlägt sich der
Fischer dieser Gegend mit seiner Familie durch die
Sorgen des Jahrs; er lebt in ewigem Kampfe mit
den Elementen und der Noth. Die wenigen und schlech-
ten Felder der steinigen Hochebene gehören besonders
[Spaltenumbruch] Begünstigten, die nach langen Fahrten aus fernsten
Meeren mit einigem Geld heimgekehrt sind. Bei einem
solchen Glücklichen, der sich eine angenehme Häuslich-
keit eingerichtet hatte, waren wir eingekehrt. Der
Mann, der alle Meere der Erde gesehen und sich
freute, wieder in seinem Dorfe vor Anker zu liegen,
schien ganz das Bewußtseyn seines Glücks zu haben.
Dieß ging mir nicht nur aus seinem Gespräch hervor,
das verriethen mir auch die Byronschen Verse auf der
Tasse, in welcher er mir Kaffee kredenzte.

The tear.
The man doom'd tosail
With the blast of the gale
Through billows Atlantic to steer,
As he bends o'er the wave,
Which may soon be his grave,
Remembers his home with a tear.

Monsieur Normand wußte nichts von Byron und hatte
nur unvollständig englisch gelernt; aber er fand die
Verse überaus wahr und schön.

Weiter durch öde Heide, zwischen ärmlichem Kraut
und nacktem Gestein, nicht die geringste Abwechslung.
Nur ein kleines Kirchlein unterbrach die Einförmigkeit,
das unbedeutend wie es auch ist, und neben den schö-
nen Kirchen des Landes kaum der Erwähnung werth,
doch bei den Bewohnern in sehr großem Ansehen steht
und jedes Jahr hunderte, ja vielleicht tausende von
Pilgern empfängt; denn kein Matrose wird zu See ge-
hen, ohne erst hier seine Andacht verrichtet zu haben.
Während seiner Abwesenheit kommt auch seine Mutter,
sein Weib oder seine Braut hieher, um ihm von der
Madonna eine glückliche Reise zu erflehen. Nach dieser
Madonna hieß das Kirchlein ursprünglich: » Notre
Dame de bon voyage
;« der Abkürzung halber nannte
man es dann La chapelle du bon voyage, und so noch
heute La chapelle du St. Bon Voyage, und das Land-
volk hat nun vergessen, daß die Kapelle eigentlich der
heil. Jungfrau geweiht ist, und glaubt darin einen
Heiligen, Namens Bon Voyage versteckt. So entstehen
neue Heilige. Auf diese Art sind ja auch St. Elmo
und die heil. Veronica entstanden.

[Ende Spaltensatz]

( Schluß folgt. )




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[808/0016] 808 Mehr nur wird sie Satan quälen Wenn sie flehn zu Gott um Gnade; Ob sie heulen, ewig brennen Müssen sie im Flammenbade. Dieses Feuer hat entzündet Gottes Zorn, der niederrollte Wie der Blitz; er selber kann es Nimmer löschen, wenn er wollte. Niemals raucht es, nie verzehrt es Seine Gluthen, seine dichten, Ewig wird's die Seelen brennen, Ohne je sie zu vernichten. Zur Zeit unseres Besuchs in Plogoff sah es in dem Dorfe aus, als ob sämmtliche männliche Bewoh- ner eben auf einer Fahrt in's Paradies oder in die Hölle begriffen gewesen wären. Nichts als Weiber zu sehen, in der Kirche wie auf der Heide rings um; die Männer alle fort, entweder auf weiter Fahrt, oder in den Golfen und in der Nähe der Küsten, auf dem Sardinenfang. Was hier in diesem Winkel Frankreichs geboren wird, ist zum voraus der See bestimmt. Alle die Dörfer der großen Landgrenze sind von Fischern und Seeleuten bewohnt, oder vielmehr nur von ihren Weibern und Töchtern. Die Männer schwimmen auf offener See. Der Sardinenfang mag ein trauriges Gewerbe seyn, denn aus allen Fenstern und Augen dieser Gegend blickt die niederschlagendste Armuth. Wenn ein Sardinenfänger in den Monaten August und September, der Blüthenzeit seines Gewerbes, sechzig Franken gewinnt, nennt er das Jahr ein glück- liches. Der große Gewinn fließt den Kaufleuten von Douarnenez und Nantes in die Taschen, die aller- dings auch jedes Jahr bei dem sehr gewagten Handel, der ungeheure Kosten verursacht, ihr halbes Vermögen auf's Spiel setzen. Mit den sechzig Franken, mit klei- nen Nebengewinnsten, die ihm manchmal als Piloten abfallen, und mit den Frutti di mare, Fischen, Krab- ben, Hummern, Muschelthieren schlägt sich der Fischer dieser Gegend mit seiner Familie durch die Sorgen des Jahrs; er lebt in ewigem Kampfe mit den Elementen und der Noth. Die wenigen und schlech- ten Felder der steinigen Hochebene gehören besonders Begünstigten, die nach langen Fahrten aus fernsten Meeren mit einigem Geld heimgekehrt sind. Bei einem solchen Glücklichen, der sich eine angenehme Häuslich- keit eingerichtet hatte, waren wir eingekehrt. Der Mann, der alle Meere der Erde gesehen und sich freute, wieder in seinem Dorfe vor Anker zu liegen, schien ganz das Bewußtseyn seines Glücks zu haben. Dieß ging mir nicht nur aus seinem Gespräch hervor, das verriethen mir auch die Byronschen Verse auf der Tasse, in welcher er mir Kaffee kredenzte. The tear. The man doom'd tosail With the blast of the gale Through billows Atlantic to steer, As he bends o'er the wave, Which may soon be his grave, Remembers his home with a tear. Monsieur Normand wußte nichts von Byron und hatte nur unvollständig englisch gelernt; aber er fand die Verse überaus wahr und schön. Weiter durch öde Heide, zwischen ärmlichem Kraut und nacktem Gestein, nicht die geringste Abwechslung. Nur ein kleines Kirchlein unterbrach die Einförmigkeit, das unbedeutend wie es auch ist, und neben den schö- nen Kirchen des Landes kaum der Erwähnung werth, doch bei den Bewohnern in sehr großem Ansehen steht und jedes Jahr hunderte, ja vielleicht tausende von Pilgern empfängt; denn kein Matrose wird zu See ge- hen, ohne erst hier seine Andacht verrichtet zu haben. Während seiner Abwesenheit kommt auch seine Mutter, sein Weib oder seine Braut hieher, um ihm von der Madonna eine glückliche Reise zu erflehen. Nach dieser Madonna hieß das Kirchlein ursprünglich: » Notre Dame de bon voyage;« der Abkürzung halber nannte man es dann La chapelle du bon voyage, und so noch heute La chapelle du St. Bon Voyage, und das Land- volk hat nun vergessen, daß die Kapelle eigentlich der heil. Jungfrau geweiht ist, und glaubt darin einen Heiligen, Namens Bon Voyage versteckt. So entstehen neue Heilige. Auf diese Art sind ja auch St. Elmo und die heil. Veronica entstanden. ( Schluß folgt. )

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 34. Stuttgart/Tübingen, 24. August 1856, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt34_1856/16>, abgerufen am 17.07.2024.