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Marburger Zeitung. Nr. 41, Marburg, 05.04.1910.

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11--12 Uhr vorm. und von 5--6 Uhr nachm. Postgasse 4.

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Die Einzelnummer kostet 10 Heller.




Nr. 41 Dienstag, 5. April 1910 49. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Zerreißung der Steiermark!
Ein Ministerialerlaß.


In aller Stille vollzog sich ein Ereignis, das
sich als Beginn einer ministeriell geförderten Teilung
der grünen Steiermark und als ein bedeutsamer
Erfolg der windischnationalen Absichten darstellt.
Ein Erlaß des Ministeriums für öffentliche Arbeiten
bestimmt nämlich, daß ein Teil unserer gewerblichen
Fortbildungsschulen, und zwar jener, an dem das
windische Idiom als Unterrichtssprache eingeführt
wurde, dem steirischen Inspektorate entzogen
und dem -- krainerisch-slowenischen zugeteilt wird!
Dieser Erlaß des Ministeriums für öffentliche
Arbeiten ist datiert vom 8. Jänner 1910 (Z. 1495)
und wurde dem hiesigen Stadtrate übermittelt. Wir
entnehmen ihm folgendes: Bisher war der Amtssitz
des Inspektorates für sämtliche gewerbliche Fort-
bildungsschulen des Landes Steiermark in Graz;
der Staatsgewerbeschuldirektor in Graz, Herr Josef
Kutschera, war der Inspektor der gewerblichen Fort-
bildungsschulen für ganz Steiermark und Kärnten.
Der Erlaß des genannten Ministeriums verfügt
nun, daß jene gewerblichen Fortbildungsschulen
Steiermarks, an denen die slowenische Unterrichts-
sprache eingeführt ist, zu einem eigenen Inspektions-
bezirk (IVb) vereinigt, dem Grazer Inspektorate ent-
zogen und dem krainerischen Inspektorate für ge-
werbliche Fortbildungsschulen mit dem Amtssitze in
Laibach (Inspektor der Laibacher Staatsgewerbe-
schuldirektor, J. Subic) zugeteilt werden. Dieser Er-
laß trat bereits mit 1. Februar in Wirksamkeit.
[Spaltenumbruch] Damit also fing man an und wenn nicht alle be-
rufenen Kreise nun noch achtsamer als bisher auf
der Wacht stehen, so kann die durch nichts be-
gründete, nur den südslawischen Zukunftsplänen
dienliche Zerreißung des Steirerlandes ihren traurigen
Fortgang nehmen. Die Präparation des slowenischen
Teiles der Steiermark für den südslawischen Zu-
kunftsgedanken wird ja bereits von einem Mini-
sterium gefördert, welches auch in so manchen
Angelegenheiten schon gezeigt hat, daß es das
augenblickliche Wohlwollen der südslawischen Zukunfts-
politiker höher einschätzt als das politische und
wirtschaftliche Rechtsgefühl der Deutschen. Und nun
betrachten wir uns die Folgen dieser Zuweisung
eines steirischen Landesteiles an ein krainerisch-slowe-
nisches Inspektorat. Durch obigen Ministerialerlaß
werden, dem uns vorliegenden Schematismus nach
zu schließen, die gewerblichen Fortbildungsschulen
nachstehender Orte dem krainerisch-slowenischen In-
spektorate ausgeliefert: Hochenegg, St. Paul bei
Pragwald, Franz, Lichtenwald, Luttenberg, Laufen,
Oberburg, Schönstein, Oberpulsgau und Pöltschach. Ob
die Fortbildungsschule in Saldenhofen (Schulbezirk
Mahrenberg) auch zu jenen mit slowenischer Unter-
richtssprache gehört, darüber läßt uns der Schema-
tismus im Unklaren und wir können dies augen-
blicklich nicht feststellen. Die deutschen Kinder, die
jene Schulen besuchen, sind ohnehin zumeist schon
in den Volksschulen jener Gebiete der Tätigkeit
slowenischnationaler Lehrer ausgesetzt gewesen; nun
kann sich jene Tätigkeit unter dem krainerischen
Inspektorate auch in den gewerblichen Fortbildungs-
schulen noch "freier" als bisher entwickeln; die
[Spaltenumbruch] nationalen Folgen hievon brauchen wir gar nicht
erörtern. Und die aus den slowenischen Volksschulen
gekommene slowenische Jugend wird ebenfalls noch
länger unter dem nun nicht mehr kontrollierten Ein-
flusse der südslawischen Lehreragitatoren stehen, bis
sie ins Jünglingsalter hineingereift ist und den Kopf
voll haben wird von jenen südslawischen Ideen,
welche jene Lehrer verkünden. Mit dem gewiß über-
objektiven Grazer Inspektor verlieren jene Lehrer-
agitatoren das letzte Hemmnis -- die südslawischen
Schulblüten können sich dann frei entfalten und
welche Rückwirkung dies dann wieder auf das Zu-
sammenleben beider Nationen im steirischen Unter-
lande ausüben wird, braucht hierzulande ebenfalls
nicht näher ausgeführt werden. Es werden unter
solchem Schutz und Schirme, der in jenem Ministe-
rialerlasse zutage trat, die windischnationalen ge-
werblichen "Fortbildungs"-Schulen sich bedeutend
vermehren. Die slowenischen Volksschullehrer, die ja
durchwegs nationale Eiferer sind und an jenen
"Fortbildungs"-Schulen Nebenbeschäftigungen er-
halten, werden vom slowenischen Inspektorate die
glänzendsten Qualifikationen als Fortbildungsschul-
lehrer erhalten, bessere als die strenge beurteilten
deutschen Lehrer und werden daher deutsche Lehrer
auch in deutschen Gebieten niederkonkurrieren können.
Der deutsche Lehrer wird diesen auch in deutschen
Gebieten weichen müssen. Eine Beschönigung des
Erlasses durch einen Hinweis auf eine Überlastung
des Grazer Inspektorates wäre schon deshalb hin-
fällig, weil ja Kärnten hätte losgelöst werden können;
es stecken eben nicht sachliche Bedürfnisse, sondern
südslawische Begierden dahinter!




[Spaltenumbruch]
Der erste Badegast.
Novelle von M. Adelmi.

7 (Nachdruck verboten.)

Nachdem sie ihren Anzug beendet, ging sie
hinunter in den Garten, um nach ihren Lieblingen,
einigen Frührosen, zu sehen, welche in den letzten
Tagen kleine Knospenansätze gezeigt. Sie hatte ein
Kännchen voll Wasser mitgebracht und begann die
Pflanzen zu gießen, nachdem sie sich überzeugt, daß
die letzte milde Nacht ihre Blumen wieder wesentlich
gefördert hatte. Die Besorgung des Vorgärtchens
hatte sie sich vorbehalten und dies gehörte mit zu
ihren liebsten Beschäftigungen.

Bei Stockhausens waren noch alle Läden ge-
schlossen, alle Vorhänge herabgelassen. Auch die
Frau Oberamtmann wurde gewöhnlich erst etwas
später sichtbar und ihre Gäste schlummerten gewiß
auch noch. Und wenn nicht, -- was kümmerte es
Elisabeth!

Ein Blick auf das Nachbarhaus zeigte ihr
plötzlich des Sängers Fenster weit geöffnet.
Wenige Minuten später trat er aus der Haustür,
durchschritt den Garten, die Straße. Gerade auf
Elisabeth zugehend, blieb er vor dem niederen
Gitter stehen, welches ihre Besitzung abschloß und
bot dem jungen Mädchen mit freundlichem Gruße
die Hand.

"So früh schon, Fräulein Elisabeth!" rief er
ihr entgegen, "und so fleißig! -- Sie lieben die
[Spaltenumbruch] Blumen, -- natürlich -- eine edle, reine Seele
wie die Ihre hat Freude an allem Schönen, an der
lieblichen Natur! -- Welcher Blume geben Sie
den Vorzug?"

"Der Rose -- sie ist mein Ideal! Ihr Duft
und ihre Schönheit entzücken mich gleich sehr", er-
widerte das junge Mädchen bescheiden.

"Leider kann ich Ihnen noch keine Rose bieten;
aber diese Nelke ist nicht minder schön und duftend.
Ihretwegen bin ich zum Dieb geworden, Fräulein
Elisabeth! Ich sah Sie von meinem Fenster aus,
wünschte, Ihnen einen guten Morgen zu bieten und
Ihnen, als gute Vorbedeutung für den heutigen
Tag, eine kleine Gabe zu reichen. Lange sann ich
vergebens nach, womit Sie zu erfreuen wären, da
fiel mir Frau Stockhausens schöner Nelkenstock ein.
Ich schlich leise in den Salon und pflückte eine Blüte
für Sie. Ich habe offen gebeichtet. Dafür werden
Sie mir gütig Absolution erteilen und meine Gabe
nicht verschmähen."

"Nein", sagte Elisabeth, beglückt zu ihm auf-
schauend. "Ich will sie nehmen und danke Ihnen
herzlich. Und wäre sie selbst weniger schön, der
Wert des Gebers macht sie mir wert."

"Ist das wahr!" versetzte er, sich tief zu ihr
herabbeugend, so daß sein Atem ihre Wangen streifte.
"Bin ich Ihnen wert?"

Ein heißer Glutblick aus seinen unergründlich
dunklen Augen traf sie. Verwirrt, senkte sie die
Wimpern, während ein leises Beben ihren Körper
durchflog.


[Spaltenumbruch]

"Wenn dem so ist, Fräulein Elisabeth", fuhr
er mit leiser Stimme fort, "so erbitte auch ich mir
ein Zeichen Ihrer Gunst zu einer guten Vorbe-
deutung für den heutigen Tag, für mehr vielleicht."

"Was soll ich Ihnen geben?" fragte sie tief
erglühend.

"Was es auch sei, das Geringste wird mir
teuer sein durch den Wert der lieben Geberin", gab
er zurück, ihre Hand ergreifend und an seine Lippen
führend.

Ihre Empfindungen zu verbergen, bückte sie sich
und brach einen Zweig großblumigen Immergrüns.

"Genügt Ihnen dies?" fragte sie mit zittern-
der Stimme.

"Wie sollte es nicht, -- grün ist die Farbe
der Hoffnung, die bläulichen Blüten verkünden die
Treue", versetzte er seltsam erregt und barg den
kleinen Zweig in seiner Brieftasche. Dann ihre Hand
aufs neue fassend, fügte er hinzu: "Sie hätten mir
nichts Lieberes geben können. Aber wissen Sie auch
die Bedeutung der roten Nelke? -- nein! -- soll
ich sie Ihnen sagen, sie lautet:

Und wenn ich jedes Blatt beschriebe,
Und gäbe Duft und Farbe Sinn,
Sie sagten all', daß ich dich liebe!
Und glücklich bin! -- --

"Guten Morgen, Fräulein Elisabeth! Schon
ausgeschlafen?" weckte eine laute Stimme in nächster
Nähe das junge Mädchen aus seinem Wonnetraum.

Erschrocken fuhr sie empor und wandte sich
um. Ihr Blick traf Herrn Valentin Saumer, der


Marburger Zeitung.



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Der Preis des Blattes beträgt: Für Marburg:
Ganzjährig 12 K, halbjährig 6 K, vierteljährig 3 K, monat-
lich 1 K. Bei Zuſtellung ins Haus monatlich 20 h mehr.

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Erſcheint jeden Dienstag, Donnerstag und
Samstag abends.

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11—12 Uhr vorm. und von 5—6 Uhr nachm. Poſtgaſſe 4.

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allen größeren Annoncen-Expeditionen entgegengenommen
und koſtet die fünfmal geſpaltene Kleinzeile 12 h.

Schluß für Einſchaltungen.
Dienstag, Donnerstag, Samstag 10 Uhr vormittags.

Die Einzelnummer koſtet 10 Heller.




Nr. 41 Dienstag, 5. April 1910 49. Jahrgang.


[Spaltenumbruch]
Zerreißung der Steiermark!
Ein Miniſterialerlaß.


In aller Stille vollzog ſich ein Ereignis, das
ſich als Beginn einer miniſteriell geförderten Teilung
der grünen Steiermark und als ein bedeutſamer
Erfolg der windiſchnationalen Abſichten darſtellt.
Ein Erlaß des Miniſteriums für öffentliche Arbeiten
beſtimmt nämlich, daß ein Teil unſerer gewerblichen
Fortbildungsſchulen, und zwar jener, an dem das
windiſche Idiom als Unterrichtsſprache eingeführt
wurde, dem ſteiriſchen Inſpektorate entzogen
und dem — kraineriſch-ſloweniſchen zugeteilt wird!
Dieſer Erlaß des Miniſteriums für öffentliche
Arbeiten iſt datiert vom 8. Jänner 1910 (Z. 1495)
und wurde dem hieſigen Stadtrate übermittelt. Wir
entnehmen ihm folgendes: Bisher war der Amtsſitz
des Inſpektorates für ſämtliche gewerbliche Fort-
bildungsſchulen des Landes Steiermark in Graz;
der Staatsgewerbeſchuldirektor in Graz, Herr Joſef
Kutſchera, war der Inſpektor der gewerblichen Fort-
bildungsſchulen für ganz Steiermark und Kärnten.
Der Erlaß des genannten Miniſteriums verfügt
nun, daß jene gewerblichen Fortbildungsſchulen
Steiermarks, an denen die ſloweniſche Unterrichts-
ſprache eingeführt iſt, zu einem eigenen Inſpektions-
bezirk (IVb) vereinigt, dem Grazer Inſpektorate ent-
zogen und dem kraineriſchen Inſpektorate für ge-
werbliche Fortbildungsſchulen mit dem Amtsſitze in
Laibach (Inſpektor der Laibacher Staatsgewerbe-
ſchuldirektor, J. Subic) zugeteilt werden. Dieſer Er-
laß trat bereits mit 1. Februar in Wirkſamkeit.
[Spaltenumbruch] Damit alſo fing man an und wenn nicht alle be-
rufenen Kreiſe nun noch achtſamer als bisher auf
der Wacht ſtehen, ſo kann die durch nichts be-
gründete, nur den ſüdſlawiſchen Zukunftsplänen
dienliche Zerreißung des Steirerlandes ihren traurigen
Fortgang nehmen. Die Präparation des ſloweniſchen
Teiles der Steiermark für den ſüdſlawiſchen Zu-
kunftsgedanken wird ja bereits von einem Mini-
ſterium gefördert, welches auch in ſo manchen
Angelegenheiten ſchon gezeigt hat, daß es das
augenblickliche Wohlwollen der ſüdſlawiſchen Zukunfts-
politiker höher einſchätzt als das politiſche und
wirtſchaftliche Rechtsgefühl der Deutſchen. Und nun
betrachten wir uns die Folgen dieſer Zuweiſung
eines ſteiriſchen Landesteiles an ein kraineriſch-ſlowe-
niſches Inſpektorat. Durch obigen Miniſterialerlaß
werden, dem uns vorliegenden Schematismus nach
zu ſchließen, die gewerblichen Fortbildungsſchulen
nachſtehender Orte dem kraineriſch-ſloweniſchen In-
ſpektorate ausgeliefert: Hochenegg, St. Paul bei
Pragwald, Franz, Lichtenwald, Luttenberg, Laufen,
Oberburg, Schönſtein, Oberpulsgau und Pöltſchach. Ob
die Fortbildungsſchule in Saldenhofen (Schulbezirk
Mahrenberg) auch zu jenen mit ſloweniſcher Unter-
richtsſprache gehört, darüber läßt uns der Schema-
tismus im Unklaren und wir können dies augen-
blicklich nicht feſtſtellen. Die deutſchen Kinder, die
jene Schulen beſuchen, ſind ohnehin zumeiſt ſchon
in den Volksſchulen jener Gebiete der Tätigkeit
ſloweniſchnationaler Lehrer ausgeſetzt geweſen; nun
kann ſich jene Tätigkeit unter dem kraineriſchen
Inſpektorate auch in den gewerblichen Fortbildungs-
ſchulen noch „freier“ als bisher entwickeln; die
[Spaltenumbruch] nationalen Folgen hievon brauchen wir gar nicht
erörtern. Und die aus den ſloweniſchen Volksſchulen
gekommene ſloweniſche Jugend wird ebenfalls noch
länger unter dem nun nicht mehr kontrollierten Ein-
fluſſe der ſüdſlawiſchen Lehreragitatoren ſtehen, bis
ſie ins Jünglingsalter hineingereift iſt und den Kopf
voll haben wird von jenen ſüdſlawiſchen Ideen,
welche jene Lehrer verkünden. Mit dem gewiß über-
objektiven Grazer Inſpektor verlieren jene Lehrer-
agitatoren das letzte Hemmnis — die ſüdſlawiſchen
Schulblüten können ſich dann frei entfalten und
welche Rückwirkung dies dann wieder auf das Zu-
ſammenleben beider Nationen im ſteiriſchen Unter-
lande ausüben wird, braucht hierzulande ebenfalls
nicht näher ausgeführt werden. Es werden unter
ſolchem Schutz und Schirme, der in jenem Miniſte-
rialerlaſſe zutage trat, die windiſchnationalen ge-
werblichen „Fortbildungs“-Schulen ſich bedeutend
vermehren. Die ſloweniſchen Volksſchullehrer, die ja
durchwegs nationale Eiferer ſind und an jenen
„Fortbildungs“-Schulen Nebenbeſchäftigungen er-
halten, werden vom ſloweniſchen Inſpektorate die
glänzendſten Qualifikationen als Fortbildungsſchul-
lehrer erhalten, beſſere als die ſtrenge beurteilten
deutſchen Lehrer und werden daher deutſche Lehrer
auch in deutſchen Gebieten niederkonkurrieren können.
Der deutſche Lehrer wird dieſen auch in deutſchen
Gebieten weichen müſſen. Eine Beſchönigung des
Erlaſſes durch einen Hinweis auf eine Überlaſtung
des Grazer Inſpektorates wäre ſchon deshalb hin-
fällig, weil ja Kärnten hätte losgelöſt werden können;
es ſtecken eben nicht ſachliche Bedürfniſſe, ſondern
ſüdſlawiſche Begierden dahinter!




[Spaltenumbruch]
Der erſte Badegaſt.
Novelle von M. Adelmi.

7 (Nachdruck verboten.)

Nachdem ſie ihren Anzug beendet, ging ſie
hinunter in den Garten, um nach ihren Lieblingen,
einigen Frühroſen, zu ſehen, welche in den letzten
Tagen kleine Knoſpenanſätze gezeigt. Sie hatte ein
Kännchen voll Waſſer mitgebracht und begann die
Pflanzen zu gießen, nachdem ſie ſich überzeugt, daß
die letzte milde Nacht ihre Blumen wieder weſentlich
gefördert hatte. Die Beſorgung des Vorgärtchens
hatte ſie ſich vorbehalten und dies gehörte mit zu
ihren liebſten Beſchäftigungen.

Bei Stockhauſens waren noch alle Läden ge-
ſchloſſen, alle Vorhänge herabgelaſſen. Auch die
Frau Oberamtmann wurde gewöhnlich erſt etwas
ſpäter ſichtbar und ihre Gäſte ſchlummerten gewiß
auch noch. Und wenn nicht, — was kümmerte es
Eliſabeth!

Ein Blick auf das Nachbarhaus zeigte ihr
plötzlich des Sängers Fenſter weit geöffnet.
Wenige Minuten ſpäter trat er aus der Haustür,
durchſchritt den Garten, die Straße. Gerade auf
Eliſabeth zugehend, blieb er vor dem niederen
Gitter ſtehen, welches ihre Beſitzung abſchloß und
bot dem jungen Mädchen mit freundlichem Gruße
die Hand.

„So früh ſchon, Fräulein Eliſabeth!“ rief er
ihr entgegen, „und ſo fleißig! — Sie lieben die
[Spaltenumbruch] Blumen, — natürlich — eine edle, reine Seele
wie die Ihre hat Freude an allem Schönen, an der
lieblichen Natur! — Welcher Blume geben Sie
den Vorzug?“

„Der Roſe — ſie iſt mein Ideal! Ihr Duft
und ihre Schönheit entzücken mich gleich ſehr“, er-
widerte das junge Mädchen beſcheiden.

„Leider kann ich Ihnen noch keine Roſe bieten;
aber dieſe Nelke iſt nicht minder ſchön und duftend.
Ihretwegen bin ich zum Dieb geworden, Fräulein
Eliſabeth! Ich ſah Sie von meinem Fenſter aus,
wünſchte, Ihnen einen guten Morgen zu bieten und
Ihnen, als gute Vorbedeutung für den heutigen
Tag, eine kleine Gabe zu reichen. Lange ſann ich
vergebens nach, womit Sie zu erfreuen wären, da
fiel mir Frau Stockhauſens ſchöner Nelkenſtock ein.
Ich ſchlich leiſe in den Salon und pflückte eine Blüte
für Sie. Ich habe offen gebeichtet. Dafür werden
Sie mir gütig Abſolution erteilen und meine Gabe
nicht verſchmähen.“

„Nein“, ſagte Eliſabeth, beglückt zu ihm auf-
ſchauend. „Ich will ſie nehmen und danke Ihnen
herzlich. Und wäre ſie ſelbſt weniger ſchön, der
Wert des Gebers macht ſie mir wert.“

„Iſt das wahr!“ verſetzte er, ſich tief zu ihr
herabbeugend, ſo daß ſein Atem ihre Wangen ſtreifte.
„Bin ich Ihnen wert?“

Ein heißer Glutblick aus ſeinen unergründlich
dunklen Augen traf ſie. Verwirrt, ſenkte ſie die
Wimpern, während ein leiſes Beben ihren Körper
durchflog.


[Spaltenumbruch]

„Wenn dem ſo iſt, Fräulein Eliſabeth“, fuhr
er mit leiſer Stimme fort, „ſo erbitte auch ich mir
ein Zeichen Ihrer Gunſt zu einer guten Vorbe-
deutung für den heutigen Tag, für mehr vielleicht.“

„Was ſoll ich Ihnen geben?“ fragte ſie tief
erglühend.

„Was es auch ſei, das Geringſte wird mir
teuer ſein durch den Wert der lieben Geberin“, gab
er zurück, ihre Hand ergreifend und an ſeine Lippen
führend.

Ihre Empfindungen zu verbergen, bückte ſie ſich
und brach einen Zweig großblumigen Immergrüns.

„Genügt Ihnen dies?“ fragte ſie mit zittern-
der Stimme.

„Wie ſollte es nicht, — grün iſt die Farbe
der Hoffnung, die bläulichen Blüten verkünden die
Treue“, verſetzte er ſeltſam erregt und barg den
kleinen Zweig in ſeiner Brieftaſche. Dann ihre Hand
aufs neue faſſend, fügte er hinzu: „Sie hätten mir
nichts Lieberes geben können. Aber wiſſen Sie auch
die Bedeutung der roten Nelke? — nein! — ſoll
ich ſie Ihnen ſagen, ſie lautet:

Und wenn ich jedes Blatt beſchriebe,
Und gäbe Duft und Farbe Sinn,
Sie ſagten all’, daß ich dich liebe!
Und glücklich bin! — —

„Guten Morgen, Fräulein Eliſabeth! Schon
ausgeſchlafen?“ weckte eine laute Stimme in nächſter
Nähe das junge Mädchen aus ſeinem Wonnetraum.

Erſchrocken fuhr ſie empor und wandte ſich
um. Ihr Blick traf Herrn Valentin Saumer, der


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In aller Stille vollzog ſich ein Ereignis, das ſich als Beginn einer miniſteriell geförderten Teilung der grünen Steiermark und als ein bedeutſamer Erfolg der windiſchnationalen Abſichten darſtellt. Ein Erlaß des Miniſteriums für öffentliche Arbeiten beſtimmt nämlich, daß ein Teil unſerer gewerblichen Fortbildungsſchulen, und zwar jener, an dem das windiſche Idiom als Unterrichtsſprache eingeführt wurde, dem ſteiriſchen Inſpektorate entzogen und dem — kraineriſch-ſloweniſchen zugeteilt wird! Dieſer Erlaß des Miniſteriums für öffentliche Arbeiten iſt datiert vom 8. Jänner 1910 (Z. 1495) und wurde dem hieſigen Stadtrate übermittelt. Wir entnehmen ihm folgendes: Bisher war der Amtsſitz des Inſpektorates für ſämtliche gewerbliche Fort- bildungsſchulen des Landes Steiermark in Graz; der Staatsgewerbeſchuldirektor in Graz, Herr Joſef Kutſchera, war der Inſpektor der gewerblichen Fort- bildungsſchulen für ganz Steiermark und Kärnten. 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Ob die Fortbildungsſchule in Saldenhofen (Schulbezirk Mahrenberg) auch zu jenen mit ſloweniſcher Unter- richtsſprache gehört, darüber läßt uns der Schema- tismus im Unklaren und wir können dies augen- blicklich nicht feſtſtellen. Die deutſchen Kinder, die jene Schulen beſuchen, ſind ohnehin zumeiſt ſchon in den Volksſchulen jener Gebiete der Tätigkeit ſloweniſchnationaler Lehrer ausgeſetzt geweſen; nun kann ſich jene Tätigkeit unter dem kraineriſchen Inſpektorate auch in den gewerblichen Fortbildungs- ſchulen noch „freier“ als bisher entwickeln; die nationalen Folgen hievon brauchen wir gar nicht erörtern. Und die aus den ſloweniſchen Volksſchulen gekommene ſloweniſche Jugend wird ebenfalls noch länger unter dem nun nicht mehr kontrollierten Ein- fluſſe der ſüdſlawiſchen Lehreragitatoren ſtehen, bis ſie ins Jünglingsalter hineingereift iſt und den Kopf voll haben wird von jenen ſüdſlawiſchen Ideen, welche jene Lehrer verkünden. Mit dem gewiß über- objektiven Grazer Inſpektor verlieren jene Lehrer- agitatoren das letzte Hemmnis — die ſüdſlawiſchen Schulblüten können ſich dann frei entfalten und welche Rückwirkung dies dann wieder auf das Zu- ſammenleben beider Nationen im ſteiriſchen Unter- lande ausüben wird, braucht hierzulande ebenfalls nicht näher ausgeführt werden. Es werden unter ſolchem Schutz und Schirme, der in jenem Miniſte- rialerlaſſe zutage trat, die windiſchnationalen ge- werblichen „Fortbildungs“-Schulen ſich bedeutend vermehren. Die ſloweniſchen Volksſchullehrer, die ja durchwegs nationale Eiferer ſind und an jenen „Fortbildungs“-Schulen Nebenbeſchäftigungen er- halten, werden vom ſloweniſchen Inſpektorate die glänzendſten Qualifikationen als Fortbildungsſchul- lehrer erhalten, beſſere als die ſtrenge beurteilten deutſchen Lehrer und werden daher deutſche Lehrer auch in deutſchen Gebieten niederkonkurrieren können. Der deutſche Lehrer wird dieſen auch in deutſchen Gebieten weichen müſſen. 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Auch die Frau Oberamtmann wurde gewöhnlich erſt etwas ſpäter ſichtbar und ihre Gäſte ſchlummerten gewiß auch noch. Und wenn nicht, — was kümmerte es Eliſabeth! Ein Blick auf das Nachbarhaus zeigte ihr plötzlich des Sängers Fenſter weit geöffnet. Wenige Minuten ſpäter trat er aus der Haustür, durchſchritt den Garten, die Straße. Gerade auf Eliſabeth zugehend, blieb er vor dem niederen Gitter ſtehen, welches ihre Beſitzung abſchloß und bot dem jungen Mädchen mit freundlichem Gruße die Hand. „So früh ſchon, Fräulein Eliſabeth!“ rief er ihr entgegen, „und ſo fleißig! — Sie lieben die Blumen, — natürlich — eine edle, reine Seele wie die Ihre hat Freude an allem Schönen, an der lieblichen Natur! — Welcher Blume geben Sie den Vorzug?“ „Der Roſe — ſie iſt mein Ideal! Ihr Duft und ihre Schönheit entzücken mich gleich ſehr“, er- widerte das junge Mädchen beſcheiden. „Leider kann ich Ihnen noch keine Roſe bieten; aber dieſe Nelke iſt nicht minder ſchön und duftend. Ihretwegen bin ich zum Dieb geworden, Fräulein Eliſabeth! Ich ſah Sie von meinem Fenſter aus, wünſchte, Ihnen einen guten Morgen zu bieten und Ihnen, als gute Vorbedeutung für den heutigen Tag, eine kleine Gabe zu reichen. Lange ſann ich vergebens nach, womit Sie zu erfreuen wären, da fiel mir Frau Stockhauſens ſchöner Nelkenſtock ein. Ich ſchlich leiſe in den Salon und pflückte eine Blüte für Sie. Ich habe offen gebeichtet. Dafür werden Sie mir gütig Abſolution erteilen und meine Gabe nicht verſchmähen.“ „Nein“, ſagte Eliſabeth, beglückt zu ihm auf- ſchauend. „Ich will ſie nehmen und danke Ihnen herzlich. Und wäre ſie ſelbſt weniger ſchön, der Wert des Gebers macht ſie mir wert.“ „Iſt das wahr!“ verſetzte er, ſich tief zu ihr herabbeugend, ſo daß ſein Atem ihre Wangen ſtreifte. „Bin ich Ihnen wert?“ Ein heißer Glutblick aus ſeinen unergründlich dunklen Augen traf ſie. 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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 41, Marburg, 05.04.1910, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger41_1910/1>, abgerufen am 21.11.2024.