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Mainzer Journal. Nr. 267. Mainz, 10. November 1849.

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[Beginn Spaltensatz]

München 7. November. Der heute morgen schon erwähnte
von der Kammer gefaßte Beschluß in der deutschen Frage
lautet vollständig wie folgt: Jn Erwägung: daß der Grundge-
danke und das Ziel der deutschen Bewegung des Jahres 1848
sowie die Aufgabe der deutschen Nationalversammlung die politi-
sche und materielle Einigung aller deutschen Stämme gewesen ist;
-- daß einzig und allein die Erreichung dieses Zieles den Anfor-
derungen des Nationalwillens zu genügen vermag, und daß sie
daher so lange angestrebt werden muß, als nicht die letzte Hoff-
nung verschwunden ist, dasselbe zu erringen; daß aber diese
Absicht durch [unleserliches Material - 2 Zeichen fehlen]dn [unleserliches Material] von Preußen ausgegangenen Ver-
fassungsentwurf nicht erreicht wird,
indem derselbe
den Bestimmungen des Bundesvertrages widerspricht und Deutsch-
land durch den Ausschluß Oesterreichs zerreißt; daß die von dem
Staatsminister des Aeußern theils der Kammer vorgelegten, theils
dem Ausschusse vertraulich mitgetheilten Actenstücke darthun, der-
selbe habe nicht versäumt, in richtiger Auffassung der Stellung
Bayerns einerseits Oesterreich zu einer Aenderung seiner bisheri-
gen zuwartenden und ablehnenden Politik und zu einem engeren
staatlichen Verbande mit dem übri en Deutschland unter den, der
öffentlichen Meinung und den Bedürfnissen des Volkes entspre-
chenden Formen und Bürgschaften zu vermögen, und andererseits
Preußen gegenüber die Beseitigung der Hindernisse zu erwirken,
welche jenem Anschlusse im Wege stehen; daß mithin das
Staatsministerium
durch sein Bestreben, den Grundgedan-
ken des nationalen Aufschwunges festzuhalten und zu verwirklichen,
den Jnteressen Deutschlands und Bayerns ent-
sprechend gehandelt hat:
aus diesen Gründen geht die
Kammer zur motivirten Tagesordnung über. ( Antrag des Aus-
schusses. ) Jn Erwägung, daß unter den bestehenden Verhält-
nissen, bei der Zerrissenheit des Vaterlandes die Bildung einer
neuen provisorischen Centralgewalt an sich, sowohl hinsichtlich
der Sicherung und Stellung Deutschlands gegenüber dem Aus-
lande, als hinsichtlich der Besorgung seiner noch bestehenden inne-
ren gemeinschaftlichen Angelegenheiten ein politisches und prakti-
sches Bedürfniß war; in Erwägung, daß, wenn auch der Vertrag
vom 30. September d. J., die Bildung einer provisorischen Bun-
descentralcommission betreffend, so wie er geschlossen, eben so den
bisherigen Bundesrechten der Einzelstaaten entgegensteht, als er
nicht geeignet erscheint, in dem deutschen Volke Vertrauen auf die
Gestaltung seiner Zukunft zu erwecken, es gleichwohl bei der
Dringlichkeit des Bedürfnisses nicht mehr ausführbar erscheint,
ein anderes Organ an die Stelle dieser provisorischen Centralge-
walt zu setzen: beschließt die Kammer, indem sie jede Verlänge-
rung der Dauer dieses Provisoriums für unzulässig erklärt und
indem sie für jetzt Umgang von der Erörterung der Frage nimmt,
ob von Seite der königl. Staatsregierung ihre Zustimmung zur
Genehmigung des erwähnten Vertrages zu erholen gewesen wäre,
auch über diese Mittheilung des k. Ministeriums zur motivirten
Tagesordnung überzugehen. ( Paur=Weiß'scher Antrag. ) Jn Er-
wägung jedoch, daß die Ungewißheit über das zukünftige Schick-
sal des Vaterlandes nicht nur eine bedenkliche Aufregung erhält,
sondern auch die materiellen Jnteressen des Volkes aufs Schwerste
beeinträchtigt und gefährdet; daß der trostlos schleppende Gang
der Unterhandlungen und das überwiegende Hervortreten dyna-
stischer Bestrebungen jene Uebelstände ins Unbestimmte zu verlän-
gern drohen; daß aber gerade jetzt bei dem Mangel einer allge-
meinen Vertretung des deutschen Volkes es um so dringendere
Pflicht der Regierungen ist, mit Entschiedenheit, Offenheit und
Selbstverleugnung das schleunige Zustandekommen einer ganz
Deutschland umfassenden Einigung anzustreben, welche durch Her-
stellung seiner ungetheilten Macht gegen Außen, durch kräftige
Förderung seiner materiellen Jnteressen im Jnnern, durch voll-
ständige Entwickelung und unverkümmerte Geltung des constitu-
tionellen Princips den gerechten Wünschen des deutschen Volkes
Genüge zu leisten vermag; daß übrigens die Gründe, welche
Oesterreichs bisherige Haltung bedingen mochten, nunmehr in den
Hintergrund getreten sind, daher sein Anschluß wesentlich erleich-
tert erscheint; aus diesen Gründen erwartet die Kammer: das
Ministerium werde bei den Verhandlungen in der deutschen Frage
den Grundgedanken der Einigung des gesammten Deutschlands
festhalten und für das Zustandekommen einer definitiven Verfas-
sung in diesem Geiste [ "mit einer wahrhaft unverkümmerten
Volksvertretung" -- Forndranscher Antrag ] nothwenige Opfer
nicht scheuen und der Kammer die Ergebnisse der Verhandlungen
zur Kenntniß und zur Zustimmung vorlegen. ( Ausschußantrag. )
Die Kammer gibt sich der Ueberzeugung hin, die bayrische Regie-
rung werde nicht versäumen, dahin zu wirken, daß, unbeschadet
dieser Aufgabe, vor Allem die industriellen und handelspolitischen
Verhältnisse und Bedürfnisse aller deutschen Staaten unter geeig-
neter Betheiligung des Volkes gemeinsam geregelt werden.
( Forndran'scher Antrag. )

[Spaltenumbruch]

Hannover 7. November. Morgen werden die Kammern er-
öffnet. Schon treffen von allen Seiten die Abgeordneten ein.
Spannung, große Spannung hat Jedermann ergriffen, welcher
Verlauf der ständischen Verhandlungen eintreten wird.

Karlsruhe 7. November. ( O. P. A. Z. ) Jn einer hiesigen Bier-
wirthschaft kam es gestern Abend zu unruhigen Auftritten, und
zwar waren es preußische Soldaten vom 30. Regiment, welche
jene Excesse begingen, indem sie Heckerlieder sangen und abwech-
selnd Hecker und Struve leben ließen. Der Vorgang hatte übri-
gens keine weiteren Folgen, als daß einige von den Tumultuan-
ten verhaftet wurden, die nun ihrer Bestrafung entgegensehen.
Unser Stadtcommandant, Herr v. Brandenstein, ist nicht der
Mann, der in solchen Dingen mit sich spaßen läßt. Allein die
Sache hat noch eine andere Seite. Von selbst sind die betreffen-
den Soldaten, die, wie begreiflich, im Zustande der Trunkenheit
sich befanden, nicht auf den Einfall gekommen, Excesse zu bege-
hen; es liegt also hier abermals ein Fall vor, der darauf hin
deutet, daß die Wühlereien nach wie vor fortdauern und daß
was früher an den badischen Soldaten mit so günstigem Erfolge
versucht wurde, jetzt den preußischen gegenüber fortgesetzt wird.
Die Untersuchung muß wohl herausstellen, wer diesmal die Ver-
führer waren und wir zweifeln nicht, daß sie den gebührenden
Lohn erhalten werden; ein trauriges Zeichen ist es, daß jene
Bemühungen überhaupt noch fortdauern.

Rastatt 8. November. Die Arbeiten an der Festung sind der
Hauptsache nach der Jahreszeit wegen eingestellt, und Alles in
das Bauwesen Einschlagende wird dergestalt geordnet, daß es der
von der neuen Centralgewalt einzusetzenden Geniedirection über-
geben werden kann. Es wird versichert, daß dieselbe einem öster-
reichischen, von früher her mit den hiesigen Bauverhältnissen be-
kannten Genieoffiziere übertragen und ihm ein österreichischer,
sowie einige von den badischen Genieoffizieren beigegeben werden.

Die "Deutsche Zeitung" berichtigt heute: Nachträglich theile
ich Jhnen mit, daß der vorgestern durch einen Schuß in den Ca-
sematten Getödtete von einem Schrotkorne getroffen wurde, das
ihm in das Gehirn drang. Sämmtliche andere Verwundete ha-
ben gleichfalls nur Schrotwunden. Ob das Gewehr nur mit
Schrot oder auch mit einer Kugel geladen war, wird die Unter-
suchung, die hoffentlich eingeleitet werden wird, ergeben. -- Trotz
der strengsten Maßregeln sind gestrige Nacht wieder zwei Kriegs-
gefangene aus dem Lazareth entsprungen.

Frankfurt 9. November. ( D. Z. ) Auf der Mainbrücke und
an verschiedenen Häusern von Sachsenhausen waren heute Mor-
gen schwarze Fahnen ausgesteckt: es ist der Tag, an welchem
Robert Blum in der Brigittenau endete. Die Polizei hat indessen
dieser öffentlichen Betrübniß bald ein Ende gemacht: die
Fahnen waren schon vor Mittag verschwunden.

Jtalien.

Rom 29. October. Man spricht von einer Aenderung in der
Regierungscommission, indem Bernetti und Lambruschini be-
stimmt seyen, die Cardinäle Genga und Vanicelli zu ersetzen.

Frankreich.

* * * Paris 8. November. Die Nationalversammlung be-
schäftigte sich in ihrer heutigen Sitzung mit Eisenbahnsachen von
blos localem Jnteresse. Auch sonst ist nichts von Bedeutung zu
melden als etwa, daß die Regierung ein Dampfschiff abgeschickt
haben soll, um den Papst über Civita=Vecchia in seine Staaten
zurückzuführen, eine Neuigkeit, die noch sehr der Bestätigung be-
darf.

Fortwährend circuliren die buntesten Gerüchte, ebenso schnell
auftauchend als verschwindend. Nur Eines findet Glauben: daß
der gegenwärtige Stand der Dinge nicht von Dauer ist. Uebri-
gens darf ich es Jhnen nicht verhehlen, daß die Botschaft des
Präsidenten im größten Theile des Landes mit Beifall aufgenom-
men worden ist. Die Leute sagen: der Präsident will die Ord-
nung handhaben, nun so soll er auch die Autorität haben, welche
dazu nothwendig ist! Aber auch nichts mehr! Eine solche
Stimmung der Bevölkerung ist, wie Sie sehen, für Staatsstreiche
nicht günstig.

Es geht das Gerücht, daß Louis Napoleon gegen den Rath
seiner besten Freunde darauf bestehe, seine Entlassung zu geben
und eine Berufung an das Volk ergehen zu lassen. Die Hauptur-
sache dieses unwahrscheinlichen Geredes liegt wohl darin, daß die
Meisten hinter dem jüngsten Auftreten des Präsidenten weiter ge-
hende Pläne vermuthen und namentlich das jetzige Cabinet nicht
als ernst gemeint betrachten. Deshalb spricht man auch schon von
dem Rücktritte dreier Minister und bezeichnet insbesondere Leon
Faucher als Nachfolger F. Barrot's. Jnzwischen hat der neue
Arbeitsminister Bineau in einer Rede an seine Untergebenen so
gesprochen, als ob er ewig im Amte zu bleiben gedächte. Er äu-
ßerte darin auch, daß er die Centralisation der Verwaltung gegen
die von den Provinzen her wider sie gerichteten Angriffe kräftig in
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

München 7. November. Der heute morgen schon erwähnte
von der Kammer gefaßte Beschluß in der deutschen Frage
lautet vollständig wie folgt: Jn Erwägung: daß der Grundge-
danke und das Ziel der deutschen Bewegung des Jahres 1848
sowie die Aufgabe der deutschen Nationalversammlung die politi-
sche und materielle Einigung aller deutschen Stämme gewesen ist;
— daß einzig und allein die Erreichung dieses Zieles den Anfor-
derungen des Nationalwillens zu genügen vermag, und daß sie
daher so lange angestrebt werden muß, als nicht die letzte Hoff-
nung verschwunden ist, dasselbe zu erringen; daß aber diese
Absicht durch [unleserliches Material – 2 Zeichen fehlen]dn [unleserliches Material] von Preußen ausgegangenen Ver-
fassungsentwurf nicht erreicht wird,
indem derselbe
den Bestimmungen des Bundesvertrages widerspricht und Deutsch-
land durch den Ausschluß Oesterreichs zerreißt; daß die von dem
Staatsminister des Aeußern theils der Kammer vorgelegten, theils
dem Ausschusse vertraulich mitgetheilten Actenstücke darthun, der-
selbe habe nicht versäumt, in richtiger Auffassung der Stellung
Bayerns einerseits Oesterreich zu einer Aenderung seiner bisheri-
gen zuwartenden und ablehnenden Politik und zu einem engeren
staatlichen Verbande mit dem übri en Deutschland unter den, der
öffentlichen Meinung und den Bedürfnissen des Volkes entspre-
chenden Formen und Bürgschaften zu vermögen, und andererseits
Preußen gegenüber die Beseitigung der Hindernisse zu erwirken,
welche jenem Anschlusse im Wege stehen; daß mithin das
Staatsministerium
durch sein Bestreben, den Grundgedan-
ken des nationalen Aufschwunges festzuhalten und zu verwirklichen,
den Jnteressen Deutschlands und Bayerns ent-
sprechend gehandelt hat:
aus diesen Gründen geht die
Kammer zur motivirten Tagesordnung über. ( Antrag des Aus-
schusses. ) Jn Erwägung, daß unter den bestehenden Verhält-
nissen, bei der Zerrissenheit des Vaterlandes die Bildung einer
neuen provisorischen Centralgewalt an sich, sowohl hinsichtlich
der Sicherung und Stellung Deutschlands gegenüber dem Aus-
lande, als hinsichtlich der Besorgung seiner noch bestehenden inne-
ren gemeinschaftlichen Angelegenheiten ein politisches und prakti-
sches Bedürfniß war; in Erwägung, daß, wenn auch der Vertrag
vom 30. September d. J., die Bildung einer provisorischen Bun-
descentralcommission betreffend, so wie er geschlossen, eben so den
bisherigen Bundesrechten der Einzelstaaten entgegensteht, als er
nicht geeignet erscheint, in dem deutschen Volke Vertrauen auf die
Gestaltung seiner Zukunft zu erwecken, es gleichwohl bei der
Dringlichkeit des Bedürfnisses nicht mehr ausführbar erscheint,
ein anderes Organ an die Stelle dieser provisorischen Centralge-
walt zu setzen: beschließt die Kammer, indem sie jede Verlänge-
rung der Dauer dieses Provisoriums für unzulässig erklärt und
indem sie für jetzt Umgang von der Erörterung der Frage nimmt,
ob von Seite der königl. Staatsregierung ihre Zustimmung zur
Genehmigung des erwähnten Vertrages zu erholen gewesen wäre,
auch über diese Mittheilung des k. Ministeriums zur motivirten
Tagesordnung überzugehen. ( Paur=Weiß'scher Antrag. ) Jn Er-
wägung jedoch, daß die Ungewißheit über das zukünftige Schick-
sal des Vaterlandes nicht nur eine bedenkliche Aufregung erhält,
sondern auch die materiellen Jnteressen des Volkes aufs Schwerste
beeinträchtigt und gefährdet; daß der trostlos schleppende Gang
der Unterhandlungen und das überwiegende Hervortreten dyna-
stischer Bestrebungen jene Uebelstände ins Unbestimmte zu verlän-
gern drohen; daß aber gerade jetzt bei dem Mangel einer allge-
meinen Vertretung des deutschen Volkes es um so dringendere
Pflicht der Regierungen ist, mit Entschiedenheit, Offenheit und
Selbstverleugnung das schleunige Zustandekommen einer ganz
Deutschland umfassenden Einigung anzustreben, welche durch Her-
stellung seiner ungetheilten Macht gegen Außen, durch kräftige
Förderung seiner materiellen Jnteressen im Jnnern, durch voll-
ständige Entwickelung und unverkümmerte Geltung des constitu-
tionellen Princips den gerechten Wünschen des deutschen Volkes
Genüge zu leisten vermag; daß übrigens die Gründe, welche
Oesterreichs bisherige Haltung bedingen mochten, nunmehr in den
Hintergrund getreten sind, daher sein Anschluß wesentlich erleich-
tert erscheint; aus diesen Gründen erwartet die Kammer: das
Ministerium werde bei den Verhandlungen in der deutschen Frage
den Grundgedanken der Einigung des gesammten Deutschlands
festhalten und für das Zustandekommen einer definitiven Verfas-
sung in diesem Geiste [ „mit einer wahrhaft unverkümmerten
Volksvertretung“ — Forndranscher Antrag ] nothwenige Opfer
nicht scheuen und der Kammer die Ergebnisse der Verhandlungen
zur Kenntniß und zur Zustimmung vorlegen. ( Ausschußantrag. )
Die Kammer gibt sich der Ueberzeugung hin, die bayrische Regie-
rung werde nicht versäumen, dahin zu wirken, daß, unbeschadet
dieser Aufgabe, vor Allem die industriellen und handelspolitischen
Verhältnisse und Bedürfnisse aller deutschen Staaten unter geeig-
neter Betheiligung des Volkes gemeinsam geregelt werden.
( Forndran'scher Antrag. )

[Spaltenumbruch]

Hannover 7. November. Morgen werden die Kammern er-
öffnet. Schon treffen von allen Seiten die Abgeordneten ein.
Spannung, große Spannung hat Jedermann ergriffen, welcher
Verlauf der ständischen Verhandlungen eintreten wird.

Karlsruhe 7. November. ( O. P. A. Z. ) Jn einer hiesigen Bier-
wirthschaft kam es gestern Abend zu unruhigen Auftritten, und
zwar waren es preußische Soldaten vom 30. Regiment, welche
jene Excesse begingen, indem sie Heckerlieder sangen und abwech-
selnd Hecker und Struve leben ließen. Der Vorgang hatte übri-
gens keine weiteren Folgen, als daß einige von den Tumultuan-
ten verhaftet wurden, die nun ihrer Bestrafung entgegensehen.
Unser Stadtcommandant, Herr v. Brandenstein, ist nicht der
Mann, der in solchen Dingen mit sich spaßen läßt. Allein die
Sache hat noch eine andere Seite. Von selbst sind die betreffen-
den Soldaten, die, wie begreiflich, im Zustande der Trunkenheit
sich befanden, nicht auf den Einfall gekommen, Excesse zu bege-
hen; es liegt also hier abermals ein Fall vor, der darauf hin
deutet, daß die Wühlereien nach wie vor fortdauern und daß
was früher an den badischen Soldaten mit so günstigem Erfolge
versucht wurde, jetzt den preußischen gegenüber fortgesetzt wird.
Die Untersuchung muß wohl herausstellen, wer diesmal die Ver-
führer waren und wir zweifeln nicht, daß sie den gebührenden
Lohn erhalten werden; ein trauriges Zeichen ist es, daß jene
Bemühungen überhaupt noch fortdauern.

Rastatt 8. November. Die Arbeiten an der Festung sind der
Hauptsache nach der Jahreszeit wegen eingestellt, und Alles in
das Bauwesen Einschlagende wird dergestalt geordnet, daß es der
von der neuen Centralgewalt einzusetzenden Geniedirection über-
geben werden kann. Es wird versichert, daß dieselbe einem öster-
reichischen, von früher her mit den hiesigen Bauverhältnissen be-
kannten Genieoffiziere übertragen und ihm ein österreichischer,
sowie einige von den badischen Genieoffizieren beigegeben werden.

Die „Deutsche Zeitung“ berichtigt heute: Nachträglich theile
ich Jhnen mit, daß der vorgestern durch einen Schuß in den Ca-
sematten Getödtete von einem Schrotkorne getroffen wurde, das
ihm in das Gehirn drang. Sämmtliche andere Verwundete ha-
ben gleichfalls nur Schrotwunden. Ob das Gewehr nur mit
Schrot oder auch mit einer Kugel geladen war, wird die Unter-
suchung, die hoffentlich eingeleitet werden wird, ergeben. — Trotz
der strengsten Maßregeln sind gestrige Nacht wieder zwei Kriegs-
gefangene aus dem Lazareth entsprungen.

Frankfurt 9. November. ( D. Z. ) Auf der Mainbrücke und
an verschiedenen Häusern von Sachsenhausen waren heute Mor-
gen schwarze Fahnen ausgesteckt: es ist der Tag, an welchem
Robert Blum in der Brigittenau endete. Die Polizei hat indessen
dieser öffentlichen Betrübniß bald ein Ende gemacht: die
Fahnen waren schon vor Mittag verschwunden.

Jtalien.

Rom 29. October. Man spricht von einer Aenderung in der
Regierungscommission, indem Bernetti und Lambruschini be-
stimmt seyen, die Cardinäle Genga und Vanicelli zu ersetzen.

Frankreich.

* * * Paris 8. November. Die Nationalversammlung be-
schäftigte sich in ihrer heutigen Sitzung mit Eisenbahnsachen von
blos localem Jnteresse. Auch sonst ist nichts von Bedeutung zu
melden als etwa, daß die Regierung ein Dampfschiff abgeschickt
haben soll, um den Papst über Civita=Vecchia in seine Staaten
zurückzuführen, eine Neuigkeit, die noch sehr der Bestätigung be-
darf.

Fortwährend circuliren die buntesten Gerüchte, ebenso schnell
auftauchend als verschwindend. Nur Eines findet Glauben: daß
der gegenwärtige Stand der Dinge nicht von Dauer ist. Uebri-
gens darf ich es Jhnen nicht verhehlen, daß die Botschaft des
Präsidenten im größten Theile des Landes mit Beifall aufgenom-
men worden ist. Die Leute sagen: der Präsident will die Ord-
nung handhaben, nun so soll er auch die Autorität haben, welche
dazu nothwendig ist! Aber auch nichts mehr! Eine solche
Stimmung der Bevölkerung ist, wie Sie sehen, für Staatsstreiche
nicht günstig.

Es geht das Gerücht, daß Louis Napoleon gegen den Rath
seiner besten Freunde darauf bestehe, seine Entlassung zu geben
und eine Berufung an das Volk ergehen zu lassen. Die Hauptur-
sache dieses unwahrscheinlichen Geredes liegt wohl darin, daß die
Meisten hinter dem jüngsten Auftreten des Präsidenten weiter ge-
hende Pläne vermuthen und namentlich das jetzige Cabinet nicht
als ernst gemeint betrachten. Deshalb spricht man auch schon von
dem Rücktritte dreier Minister und bezeichnet insbesondere Leon
Faucher als Nachfolger F. Barrot's. Jnzwischen hat der neue
Arbeitsminister Bineau in einer Rede an seine Untergebenen so
gesprochen, als ob er ewig im Amte zu bleiben gedächte. Er äu-
ßerte darin auch, daß er die Centralisation der Verwaltung gegen
die von den Provinzen her wider sie gerichteten Angriffe kräftig in
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[0003] München 7. November. Der heute morgen schon erwähnte von der Kammer gefaßte Beschluß in der deutschen Frage lautet vollständig wie folgt: Jn Erwägung: daß der Grundge- danke und das Ziel der deutschen Bewegung des Jahres 1848 sowie die Aufgabe der deutschen Nationalversammlung die politi- sche und materielle Einigung aller deutschen Stämme gewesen ist; — daß einzig und allein die Erreichung dieses Zieles den Anfor- derungen des Nationalwillens zu genügen vermag, und daß sie daher so lange angestrebt werden muß, als nicht die letzte Hoff- nung verschwunden ist, dasselbe zu erringen; daß aber diese Absicht durch __dn _ von Preußen ausgegangenen Ver- fassungsentwurf nicht erreicht wird, indem derselbe den Bestimmungen des Bundesvertrages widerspricht und Deutsch- land durch den Ausschluß Oesterreichs zerreißt; daß die von dem Staatsminister des Aeußern theils der Kammer vorgelegten, theils dem Ausschusse vertraulich mitgetheilten Actenstücke darthun, der- selbe habe nicht versäumt, in richtiger Auffassung der Stellung Bayerns einerseits Oesterreich zu einer Aenderung seiner bisheri- gen zuwartenden und ablehnenden Politik und zu einem engeren staatlichen Verbande mit dem übri en Deutschland unter den, der öffentlichen Meinung und den Bedürfnissen des Volkes entspre- chenden Formen und Bürgschaften zu vermögen, und andererseits Preußen gegenüber die Beseitigung der Hindernisse zu erwirken, welche jenem Anschlusse im Wege stehen; daß mithin das Staatsministerium durch sein Bestreben, den Grundgedan- ken des nationalen Aufschwunges festzuhalten und zu verwirklichen, den Jnteressen Deutschlands und Bayerns ent- sprechend gehandelt hat: aus diesen Gründen geht die Kammer zur motivirten Tagesordnung über. ( Antrag des Aus- schusses. ) Jn Erwägung, daß unter den bestehenden Verhält- nissen, bei der Zerrissenheit des Vaterlandes die Bildung einer neuen provisorischen Centralgewalt an sich, sowohl hinsichtlich der Sicherung und Stellung Deutschlands gegenüber dem Aus- lande, als hinsichtlich der Besorgung seiner noch bestehenden inne- ren gemeinschaftlichen Angelegenheiten ein politisches und prakti- sches Bedürfniß war; in Erwägung, daß, wenn auch der Vertrag vom 30. September d. J., die Bildung einer provisorischen Bun- descentralcommission betreffend, so wie er geschlossen, eben so den bisherigen Bundesrechten der Einzelstaaten entgegensteht, als er nicht geeignet erscheint, in dem deutschen Volke Vertrauen auf die Gestaltung seiner Zukunft zu erwecken, es gleichwohl bei der Dringlichkeit des Bedürfnisses nicht mehr ausführbar erscheint, ein anderes Organ an die Stelle dieser provisorischen Centralge- walt zu setzen: beschließt die Kammer, indem sie jede Verlänge- rung der Dauer dieses Provisoriums für unzulässig erklärt und indem sie für jetzt Umgang von der Erörterung der Frage nimmt, ob von Seite der königl. Staatsregierung ihre Zustimmung zur Genehmigung des erwähnten Vertrages zu erholen gewesen wäre, auch über diese Mittheilung des k. Ministeriums zur motivirten Tagesordnung überzugehen. ( Paur=Weiß'scher Antrag. ) Jn Er- wägung jedoch, daß die Ungewißheit über das zukünftige Schick- sal des Vaterlandes nicht nur eine bedenkliche Aufregung erhält, sondern auch die materiellen Jnteressen des Volkes aufs Schwerste beeinträchtigt und gefährdet; daß der trostlos schleppende Gang der Unterhandlungen und das überwiegende Hervortreten dyna- stischer Bestrebungen jene Uebelstände ins Unbestimmte zu verlän- gern drohen; daß aber gerade jetzt bei dem Mangel einer allge- meinen Vertretung des deutschen Volkes es um so dringendere Pflicht der Regierungen ist, mit Entschiedenheit, Offenheit und Selbstverleugnung das schleunige Zustandekommen einer ganz Deutschland umfassenden Einigung anzustreben, welche durch Her- stellung seiner ungetheilten Macht gegen Außen, durch kräftige Förderung seiner materiellen Jnteressen im Jnnern, durch voll- ständige Entwickelung und unverkümmerte Geltung des constitu- tionellen Princips den gerechten Wünschen des deutschen Volkes Genüge zu leisten vermag; daß übrigens die Gründe, welche Oesterreichs bisherige Haltung bedingen mochten, nunmehr in den Hintergrund getreten sind, daher sein Anschluß wesentlich erleich- tert erscheint; aus diesen Gründen erwartet die Kammer: das Ministerium werde bei den Verhandlungen in der deutschen Frage den Grundgedanken der Einigung des gesammten Deutschlands festhalten und für das Zustandekommen einer definitiven Verfas- sung in diesem Geiste [ „mit einer wahrhaft unverkümmerten Volksvertretung“ — Forndranscher Antrag ] nothwenige Opfer nicht scheuen und der Kammer die Ergebnisse der Verhandlungen zur Kenntniß und zur Zustimmung vorlegen. ( Ausschußantrag. ) Die Kammer gibt sich der Ueberzeugung hin, die bayrische Regie- rung werde nicht versäumen, dahin zu wirken, daß, unbeschadet dieser Aufgabe, vor Allem die industriellen und handelspolitischen Verhältnisse und Bedürfnisse aller deutschen Staaten unter geeig- neter Betheiligung des Volkes gemeinsam geregelt werden. ( Forndran'scher Antrag. ) Hannover 7. November. Morgen werden die Kammern er- öffnet. Schon treffen von allen Seiten die Abgeordneten ein. Spannung, große Spannung hat Jedermann ergriffen, welcher Verlauf der ständischen Verhandlungen eintreten wird. Karlsruhe 7. November. ( O. P. A. Z. ) Jn einer hiesigen Bier- wirthschaft kam es gestern Abend zu unruhigen Auftritten, und zwar waren es preußische Soldaten vom 30. Regiment, welche jene Excesse begingen, indem sie Heckerlieder sangen und abwech- selnd Hecker und Struve leben ließen. Der Vorgang hatte übri- gens keine weiteren Folgen, als daß einige von den Tumultuan- ten verhaftet wurden, die nun ihrer Bestrafung entgegensehen. Unser Stadtcommandant, Herr v. Brandenstein, ist nicht der Mann, der in solchen Dingen mit sich spaßen läßt. Allein die Sache hat noch eine andere Seite. Von selbst sind die betreffen- den Soldaten, die, wie begreiflich, im Zustande der Trunkenheit sich befanden, nicht auf den Einfall gekommen, Excesse zu bege- hen; es liegt also hier abermals ein Fall vor, der darauf hin deutet, daß die Wühlereien nach wie vor fortdauern und daß was früher an den badischen Soldaten mit so günstigem Erfolge versucht wurde, jetzt den preußischen gegenüber fortgesetzt wird. Die Untersuchung muß wohl herausstellen, wer diesmal die Ver- führer waren und wir zweifeln nicht, daß sie den gebührenden Lohn erhalten werden; ein trauriges Zeichen ist es, daß jene Bemühungen überhaupt noch fortdauern. Rastatt 8. November. Die Arbeiten an der Festung sind der Hauptsache nach der Jahreszeit wegen eingestellt, und Alles in das Bauwesen Einschlagende wird dergestalt geordnet, daß es der von der neuen Centralgewalt einzusetzenden Geniedirection über- geben werden kann. Es wird versichert, daß dieselbe einem öster- reichischen, von früher her mit den hiesigen Bauverhältnissen be- kannten Genieoffiziere übertragen und ihm ein österreichischer, sowie einige von den badischen Genieoffizieren beigegeben werden. Die „Deutsche Zeitung“ berichtigt heute: Nachträglich theile ich Jhnen mit, daß der vorgestern durch einen Schuß in den Ca- sematten Getödtete von einem Schrotkorne getroffen wurde, das ihm in das Gehirn drang. Sämmtliche andere Verwundete ha- ben gleichfalls nur Schrotwunden. Ob das Gewehr nur mit Schrot oder auch mit einer Kugel geladen war, wird die Unter- suchung, die hoffentlich eingeleitet werden wird, ergeben. — Trotz der strengsten Maßregeln sind gestrige Nacht wieder zwei Kriegs- gefangene aus dem Lazareth entsprungen. Frankfurt 9. November. ( D. Z. ) Auf der Mainbrücke und an verschiedenen Häusern von Sachsenhausen waren heute Mor- gen schwarze Fahnen ausgesteckt: es ist der Tag, an welchem Robert Blum in der Brigittenau endete. Die Polizei hat indessen dieser öffentlichen Betrübniß bald ein Ende gemacht: die Fahnen waren schon vor Mittag verschwunden. Jtalien. Rom 29. October. Man spricht von einer Aenderung in der Regierungscommission, indem Bernetti und Lambruschini be- stimmt seyen, die Cardinäle Genga und Vanicelli zu ersetzen. Frankreich. * * * Paris 8. November. Die Nationalversammlung be- schäftigte sich in ihrer heutigen Sitzung mit Eisenbahnsachen von blos localem Jnteresse. Auch sonst ist nichts von Bedeutung zu melden als etwa, daß die Regierung ein Dampfschiff abgeschickt haben soll, um den Papst über Civita=Vecchia in seine Staaten zurückzuführen, eine Neuigkeit, die noch sehr der Bestätigung be- darf. Fortwährend circuliren die buntesten Gerüchte, ebenso schnell auftauchend als verschwindend. Nur Eines findet Glauben: daß der gegenwärtige Stand der Dinge nicht von Dauer ist. Uebri- gens darf ich es Jhnen nicht verhehlen, daß die Botschaft des Präsidenten im größten Theile des Landes mit Beifall aufgenom- men worden ist. Die Leute sagen: der Präsident will die Ord- nung handhaben, nun so soll er auch die Autorität haben, welche dazu nothwendig ist! Aber auch nichts mehr! Eine solche Stimmung der Bevölkerung ist, wie Sie sehen, für Staatsstreiche nicht günstig. Es geht das Gerücht, daß Louis Napoleon gegen den Rath seiner besten Freunde darauf bestehe, seine Entlassung zu geben und eine Berufung an das Volk ergehen zu lassen. Die Hauptur- sache dieses unwahrscheinlichen Geredes liegt wohl darin, daß die Meisten hinter dem jüngsten Auftreten des Präsidenten weiter ge- hende Pläne vermuthen und namentlich das jetzige Cabinet nicht als ernst gemeint betrachten. Deshalb spricht man auch schon von dem Rücktritte dreier Minister und bezeichnet insbesondere Leon Faucher als Nachfolger F. Barrot's. Jnzwischen hat der neue Arbeitsminister Bineau in einer Rede an seine Untergebenen so gesprochen, als ob er ewig im Amte zu bleiben gedächte. Er äu- ßerte darin auch, daß er die Centralisation der Verwaltung gegen die von den Provinzen her wider sie gerichteten Angriffe kräftig in

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 267. Mainz, 10. November 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal267_1849/3>, abgerufen am 21.11.2024.