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Mainzer Journal. Nr. 256. Mainz, 27. Oktober 1849.

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[Beginn Spaltensatz] sich haben. Auch die Gräfin Bathiany wird nach Hamburg kom-
men und den Winter hier bleiben, und im nächsten Frühjahre
nach Amerika nachfolgen; überhaupt wird die Auswanderung
nach Amerika eine großartige werden.

Hamburg 23. October. ( A. M. ) Heute sind die Quartier-
macher für 3000 Mann Preußen hierselbst angekommen, die
morgen und in den nächsten Tagen eintreffen werden, um weiter
nach dem Schleswigschen zu gehen.

Jtalien.

Venedig 6. October. ( A. Z. ) Von dem heutigen Venedig
Jhnen etwas [unleserliches Material - 9 Zeichen fehlen]Erhebches zu melden, ist für den Augenblick noch
eine etwas schwierige Aufgabe, insofern wir uns hier in einem
Zustande befinden, ähnlich dem Uebergangsprocesse jener Nebel-
bilder und zwar gerade im Punkte, wo eben das schwindelnde
Bild bis zu einem undeutlichen grauen Flecken zusammengeschmol-
zen, aus dem die neue Erscheinung erst mit frischen Farben und
lebendigen Umrissen hervorgehen soll. Vorderhand sieht man eben
nur den Schimmer und hie und da ein schwarzgelbes Schilder-
haus oder die Fittige des kaiserlichen Adlers durchscheinen. Und
doch sind schon diese ersten und wenigen Spuren in Vergleich zu
der Verwirrung in der letzten Zeit erfreulich genug, als die
sicheren Bürgen wiederkehrender Ordnung und Gesetzlichkeit.
Wenn sonst die kaiserlichen Farben in der Lagunenstadt ohne große
Sympathie, vielmehr mit Gleichgiltigkeit gesehen waren, dann
aus einem mit allen Mitteln der gewissenlosen Jntrigue gestachel-
ten Fanatismus geächtet und verbannt wurden, so sind sie jetzt
mit einem Male zu einem Talisman geworden, von dem Beruhi-
gung und Vertrauen nach allen Seiten hin wieder ausgehen, und
es dürfte Wenige geben in Venedig, welche nach so vielen ge-
täuschten Hoffnungen und bitteren Erfahrungen nicht am Ende zu
der Erkenntniß gekommen, den Einzug der k. k. Truppen als eine
Erlösung ansehen und wie eine Befreiung von schwerem Banne
aufnehmen zu müssen. So wechseln die Zeiten!

Von Seiten des k. k. Militärcommando's hat sich die Stadt der
allerschonendsten Behandlung zu erfreuen gehabt. Freilich sind
ihm auch der gutmüthige Sinn der Bevölkerung, die Harmlosig-
keit und Friedfertigkeit der eigentlichen Venetianer zu jeder Zeit
entgegengekommen. Das Drückende des Belagerungszustandes
in Bezug auf die frühe Polizeistunde haben wir nur einen einzigen
Tag empfunden. Die Waffenablieferung ist ohne alle Störung
vor sich gegangen und nicht die mindeste Uebertretung, noch sonst
die geringste Demonstration hat seit jener Zeit Anlaß zu irgend
einer Untersuchung, geschweige denn Verurtheilung gegeben. Bei
allem Dem fehlt es nicht an Klatschschwestern, welche von gehei-
men Erschießungen und dergleichen sich in die Ohren raunen und
gern solche Gerüchte bis ins Weite verbreiten möchten; ich glaube
aber das oben Gesagte wird das Lächerliche solchen Gespenster-
glaubens zur Genüge darthun. Wahr ist es, daß vor einigen
Wochen eine strenge Execution mit Stockschlägen an einer neapo-
litanischen Schiffsmannschaft ausgeübt worden ( auf der Riva
degli Schiavoni, an der Kaserne S. Sepolcro ) . Es war die
Strafe für eine Beschimpfung, welche jene Leute der österreichi-
schen Flagge angethan hatten. Gefängniß oder jede Art von mo-
ralischer Demüthigung hätte in diesem Falle nur einen sehr vor-
übergehenden oder gar keinen Eindruck auf das rohe Volk gemacht.
Die Autorität wird überhaupt hier mit allem Ernste gehandhabt,
aber nur im Einklage mit der allgemeinen Stimmung. Zu wün-
schen ist nur, daß nicht wieder fremde Elemente sich mit Be-
glückungsideen in das venetianische Volk einnisten, denn nur solche
konnten einen 22. März in Venedig hervorrufen.

Die provisorische Aufhebung des Freihafens erhält die Ge-
müther noch immer in ängstlicher Spannung und Ungewißheit.
Die Deputation zur Ueberreichung der Huldigungsacte ist von
Wien vor einigen Tagen zurückgekehrt, ohne irgend eine tröstliche
Antwort auf das dabei vorgetragene Gesuch um Zurücknahme
jenes Decrets mitgebracht zu haben. Dessenungeachtet will man
Anzeichen erkennen, welche noch nicht alle Hoffnung auf eine we-
nigstens zeitweise Verlängerung des sehr peremtorisch gestellten
Termines schwinden lassen. Sehr anerkennenswerth sind die Be-
strebungen des Civil= und Militärgouverneurs Grafen v. Gorz-
kowsky zur Wiederherstellung der über alle Begriffe vernachlässig-
ten Ordnung in dem Administrationswesen, und der Wiederein-
führung einer strengeren Gesundheits=, Straßen= und Markt-
polizei. Verschiedene sehr energische Decrete zum Behufe der
Regulirung der Preise aller nothwendigen Lebensbedürfnisse,
durch Festsetzung sogenannter Calmiere oder Tarife, sowie die
Verschärfung der Vorschriften über die Reinlichkeit in den Gassen,
über die Freihaltung der oft sehr beschränkten Wege und Gänge
von Seiten der öffentlichen Verkäufer und Gewerbsleute, welche
mit der Ausstellung ihrer Waaren sich immer mehr in den Ver-
kehr hineindrängten, haben sich bereits durch den wohlthuendsten
[Spaltenumbruch] Einfluß geltend gemacht, und der Wechsel der Dinge kann auf
diese Weise manche Versöhnung und eine Art Zufriedenheit her-
beiführen, welche leider in den Provinzialstädten und auf dem
Festlande überhaupt noch sehr vermißt werden soll.

Wer jetzt hier an schönen Abenden auf dem Marcusplatze die
auf= und abwogende Menge gerade so wie ehedem an der rau-
schenden Musik, an den Friedenssymphonien der täglich wechseln-
den Militärbanden verschiedener hier liegender Regimenter, an
den Liedern und Possen der wiedererstandenen Troubadoure und
Bänkelsänger sich erbauen und belustigen sieht, der sollte nicht
glauben, daß nur so wenige Wochen dazwischen liegen, wo man
von eben diesem Platze die Bomben in immer weiteren Curven
bedrohlich sich herabsenken sah, wo der Donner der Geschütze und
das Pfeifen und Sausen der Kugeln das geängstigte Volk unter
diese selben Procuratien trieb und man die armen Leute die gan-
zen Nächte an dem Portale der Kirche und an den Stufen jener
Hallen gelagert sah, die jetzt wieder von bunter Gesellschaft und
glänzenden Uniformen gefüllt sind. Das Hungertuch ist wieder
abgeworfen, die Todtenglocke verstummt -- und Venedig in
jugendlicher Frische -- wie nach überstandener schwerer Krankheit
-- athmet freier und leichter -- schwärmerisch bleich noch im
schmeichelnden Lichte des Mondes, aber schön wie immer. Möge
auch die Sonne bald ihre wärmenden Strahlen wieder über sie
ausgießen -- die Sonne einer freimüthigen Politik, und die La-
gunenstadt wird zu einem kräftigen Leben wieder genesen!

Peschiera 10. October. Jn der Citadelle herrscht große Thä-
tigkeit; es werden Vorwerke gebaut, um den Feind an der Be-
setzung der die Festung dominirenden Anhöhen zu hindern.

Rom. Es ist die Rede davon, daß der Papst sich wieder nach
Gaeta begeben werde; doch heißt es, er gedenke daselbst nur
einige Tage zu verweilen. -- Aus der Untersuchung über den
Mord Rossi's soll sich ergeben haben, daß der Mörder gegenwär-
tig die Stadt Augusta in Georgien in den vereinigten Staaten
von Amerika unter dem Namen Rameti bewohnt.

Frankreich.

Paris 25. October. Nächsten Sonntag wird Louis Napoleon
große Heerschau über alle in Paris und seinen Umgebungen neu
angelangten Regimenter halten; es werden dabei etwa 70,000
Mann anwesend seyn.

Die "Estafette" will aus höchster und achtbarster Quelle in
Bezug auf die zwischen Rußland und der Türkei schwebende
Frage Nachrichten erhalten haben, nach denen die dem türkischen
Botschafter vom Kaiser Nikolaus gewordene Aufnahme keinen
Zweifel an dem günstigen Ausgange der Unterhandlungen übrig
zu lassen scheint.

Die Lage des Cabinets wird der "Estafette" zufolge als ge-
fährlich betrachtet und trotz der Freundschaftsbeweise, welche die
Mitglieder des Cabinets und die Führer der Majorität sich täg-
lich geben, ist man überzeugt, daß die Krisis, weit entfernt, been-
digt zu seyn, vielmehr erst begonnen hat. -- Der Unterrichtsmini-
ster Falloux ist nach Paris zurückgekehrt.

Man versichert, daß die hiesige Besatzung auf 100,000 Mann
gebracht werden solle; auch will man die Citadellen in eine Art
Art von Vertheidigungszustand setzen und sie namentlich mit einer
entsprechenden Anzahl von Artilleristen und Pionieren versehen.

Wir können es uns nicht versagen eine Stelle aus der letzten
Rede Montalemberts über die römische Frage hier noch
nachzutragen, die in derselben ausgesprochenen Wahrheiten gelten
für alle Länder. "Wenn die Freiheit in Jtalien nicht Wurzel ge-
schlagen hat, sprach er, wenn das einzige Parlament, welches
noch auf der Halbinsel besteht, täglich seine Unreife bekundet, so.
ist das nicht die Schuld des Befreiers, sondern der Befreiten
Pius IX. hat sich nicht geändert; er glaubt nicht an den Cultus
der Gewalt; er glaubt noch an die Freiheit. Er ist durch die Er-
eignisse nur aufgeklärt worden. Und wenn er sich geändert hätte,
was ich nicht glaube, wäre er etwa der Einzige, welcher sich in
Europa geändert hätte? Man hat gestern von der Abtrünnig-
keit der großen liberalen Partei
gesprochen. Wohlan,
meine Herren, was ist seit einigen Jahren in der Welt vorgegan-
gen? Glauben Sie wirklich, daß die Männer von Einsicht, Herz
und Gewissen heute noch die Freiheit so lieben, an die Freiheit,
an den Fortschritt des Menschengeschlechtes so glauben, wie sie es
vor zwei Jahren thaten? Glauben Sie nicht, daß die kühnsten
Herzen und Jntelligenzen erschüttert worden sind? Glauben Sie
nicht, daß in vielen Gewissen, in vielen Herzen ein blutiges Licht
aufgegangen ist? Und mißtrauet ihr unserem Urtheile, uns alten
alten und überdrüssigen Politikern, so gehet hinab zu den Tiefen
der Nationen, gehet an den bescheidenen Heerd unbekannter, aber
edler und verständiger Patrioten, die stets fern geblieben sind vom
Lärme, vom Ueberdrusse des politischen Kampfes, klopfet an ihre
Pforte und fraget sie, ob sie die Freiheit, den Fortschritt noch mit
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] sich haben. Auch die Gräfin Bathiany wird nach Hamburg kom-
men und den Winter hier bleiben, und im nächsten Frühjahre
nach Amerika nachfolgen; überhaupt wird die Auswanderung
nach Amerika eine großartige werden.

Hamburg 23. October. ( A. M. ) Heute sind die Quartier-
macher für 3000 Mann Preußen hierselbst angekommen, die
morgen und in den nächsten Tagen eintreffen werden, um weiter
nach dem Schleswigschen zu gehen.

Jtalien.

Venedig 6. October. ( A. Z. ) Von dem heutigen Venedig
Jhnen etwas [unleserliches Material – 9 Zeichen fehlen]Erhebches zu melden, ist für den Augenblick noch
eine etwas schwierige Aufgabe, insofern wir uns hier in einem
Zustande befinden, ähnlich dem Uebergangsprocesse jener Nebel-
bilder und zwar gerade im Punkte, wo eben das schwindelnde
Bild bis zu einem undeutlichen grauen Flecken zusammengeschmol-
zen, aus dem die neue Erscheinung erst mit frischen Farben und
lebendigen Umrissen hervorgehen soll. Vorderhand sieht man eben
nur den Schimmer und hie und da ein schwarzgelbes Schilder-
haus oder die Fittige des kaiserlichen Adlers durchscheinen. Und
doch sind schon diese ersten und wenigen Spuren in Vergleich zu
der Verwirrung in der letzten Zeit erfreulich genug, als die
sicheren Bürgen wiederkehrender Ordnung und Gesetzlichkeit.
Wenn sonst die kaiserlichen Farben in der Lagunenstadt ohne große
Sympathie, vielmehr mit Gleichgiltigkeit gesehen waren, dann
aus einem mit allen Mitteln der gewissenlosen Jntrigue gestachel-
ten Fanatismus geächtet und verbannt wurden, so sind sie jetzt
mit einem Male zu einem Talisman geworden, von dem Beruhi-
gung und Vertrauen nach allen Seiten hin wieder ausgehen, und
es dürfte Wenige geben in Venedig, welche nach so vielen ge-
täuschten Hoffnungen und bitteren Erfahrungen nicht am Ende zu
der Erkenntniß gekommen, den Einzug der k. k. Truppen als eine
Erlösung ansehen und wie eine Befreiung von schwerem Banne
aufnehmen zu müssen. So wechseln die Zeiten!

Von Seiten des k. k. Militärcommando's hat sich die Stadt der
allerschonendsten Behandlung zu erfreuen gehabt. Freilich sind
ihm auch der gutmüthige Sinn der Bevölkerung, die Harmlosig-
keit und Friedfertigkeit der eigentlichen Venetianer zu jeder Zeit
entgegengekommen. Das Drückende des Belagerungszustandes
in Bezug auf die frühe Polizeistunde haben wir nur einen einzigen
Tag empfunden. Die Waffenablieferung ist ohne alle Störung
vor sich gegangen und nicht die mindeste Uebertretung, noch sonst
die geringste Demonstration hat seit jener Zeit Anlaß zu irgend
einer Untersuchung, geschweige denn Verurtheilung gegeben. Bei
allem Dem fehlt es nicht an Klatschschwestern, welche von gehei-
men Erschießungen und dergleichen sich in die Ohren raunen und
gern solche Gerüchte bis ins Weite verbreiten möchten; ich glaube
aber das oben Gesagte wird das Lächerliche solchen Gespenster-
glaubens zur Genüge darthun. Wahr ist es, daß vor einigen
Wochen eine strenge Execution mit Stockschlägen an einer neapo-
litanischen Schiffsmannschaft ausgeübt worden ( auf der Riva
degli Schiavoni, an der Kaserne S. Sepolcro ) . Es war die
Strafe für eine Beschimpfung, welche jene Leute der österreichi-
schen Flagge angethan hatten. Gefängniß oder jede Art von mo-
ralischer Demüthigung hätte in diesem Falle nur einen sehr vor-
übergehenden oder gar keinen Eindruck auf das rohe Volk gemacht.
Die Autorität wird überhaupt hier mit allem Ernste gehandhabt,
aber nur im Einklage mit der allgemeinen Stimmung. Zu wün-
schen ist nur, daß nicht wieder fremde Elemente sich mit Be-
glückungsideen in das venetianische Volk einnisten, denn nur solche
konnten einen 22. März in Venedig hervorrufen.

Die provisorische Aufhebung des Freihafens erhält die Ge-
müther noch immer in ängstlicher Spannung und Ungewißheit.
Die Deputation zur Ueberreichung der Huldigungsacte ist von
Wien vor einigen Tagen zurückgekehrt, ohne irgend eine tröstliche
Antwort auf das dabei vorgetragene Gesuch um Zurücknahme
jenes Decrets mitgebracht zu haben. Dessenungeachtet will man
Anzeichen erkennen, welche noch nicht alle Hoffnung auf eine we-
nigstens zeitweise Verlängerung des sehr peremtorisch gestellten
Termines schwinden lassen. Sehr anerkennenswerth sind die Be-
strebungen des Civil= und Militärgouverneurs Grafen v. Gorz-
kowsky zur Wiederherstellung der über alle Begriffe vernachlässig-
ten Ordnung in dem Administrationswesen, und der Wiederein-
führung einer strengeren Gesundheits=, Straßen= und Markt-
polizei. Verschiedene sehr energische Decrete zum Behufe der
Regulirung der Preise aller nothwendigen Lebensbedürfnisse,
durch Festsetzung sogenannter Calmiere oder Tarife, sowie die
Verschärfung der Vorschriften über die Reinlichkeit in den Gassen,
über die Freihaltung der oft sehr beschränkten Wege und Gänge
von Seiten der öffentlichen Verkäufer und Gewerbsleute, welche
mit der Ausstellung ihrer Waaren sich immer mehr in den Ver-
kehr hineindrängten, haben sich bereits durch den wohlthuendsten
[Spaltenumbruch] Einfluß geltend gemacht, und der Wechsel der Dinge kann auf
diese Weise manche Versöhnung und eine Art Zufriedenheit her-
beiführen, welche leider in den Provinzialstädten und auf dem
Festlande überhaupt noch sehr vermißt werden soll.

Wer jetzt hier an schönen Abenden auf dem Marcusplatze die
auf= und abwogende Menge gerade so wie ehedem an der rau-
schenden Musik, an den Friedenssymphonien der täglich wechseln-
den Militärbanden verschiedener hier liegender Regimenter, an
den Liedern und Possen der wiedererstandenen Troubadoure und
Bänkelsänger sich erbauen und belustigen sieht, der sollte nicht
glauben, daß nur so wenige Wochen dazwischen liegen, wo man
von eben diesem Platze die Bomben in immer weiteren Curven
bedrohlich sich herabsenken sah, wo der Donner der Geschütze und
das Pfeifen und Sausen der Kugeln das geängstigte Volk unter
diese selben Procuratien trieb und man die armen Leute die gan-
zen Nächte an dem Portale der Kirche und an den Stufen jener
Hallen gelagert sah, die jetzt wieder von bunter Gesellschaft und
glänzenden Uniformen gefüllt sind. Das Hungertuch ist wieder
abgeworfen, die Todtenglocke verstummt — und Venedig in
jugendlicher Frische — wie nach überstandener schwerer Krankheit
— athmet freier und leichter — schwärmerisch bleich noch im
schmeichelnden Lichte des Mondes, aber schön wie immer. Möge
auch die Sonne bald ihre wärmenden Strahlen wieder über sie
ausgießen — die Sonne einer freimüthigen Politik, und die La-
gunenstadt wird zu einem kräftigen Leben wieder genesen!

Peschiera 10. October. Jn der Citadelle herrscht große Thä-
tigkeit; es werden Vorwerke gebaut, um den Feind an der Be-
setzung der die Festung dominirenden Anhöhen zu hindern.

Rom. Es ist die Rede davon, daß der Papst sich wieder nach
Gaeta begeben werde; doch heißt es, er gedenke daselbst nur
einige Tage zu verweilen. — Aus der Untersuchung über den
Mord Rossi's soll sich ergeben haben, daß der Mörder gegenwär-
tig die Stadt Augusta in Georgien in den vereinigten Staaten
von Amerika unter dem Namen Rameti bewohnt.

Frankreich.

Paris 25. October. Nächsten Sonntag wird Louis Napoleon
große Heerschau über alle in Paris und seinen Umgebungen neu
angelangten Regimenter halten; es werden dabei etwa 70,000
Mann anwesend seyn.

Die „Estafette“ will aus höchster und achtbarster Quelle in
Bezug auf die zwischen Rußland und der Türkei schwebende
Frage Nachrichten erhalten haben, nach denen die dem türkischen
Botschafter vom Kaiser Nikolaus gewordene Aufnahme keinen
Zweifel an dem günstigen Ausgange der Unterhandlungen übrig
zu lassen scheint.

Die Lage des Cabinets wird der „Estafette“ zufolge als ge-
fährlich betrachtet und trotz der Freundschaftsbeweise, welche die
Mitglieder des Cabinets und die Führer der Majorität sich täg-
lich geben, ist man überzeugt, daß die Krisis, weit entfernt, been-
digt zu seyn, vielmehr erst begonnen hat. — Der Unterrichtsmini-
ster Falloux ist nach Paris zurückgekehrt.

Man versichert, daß die hiesige Besatzung auf 100,000 Mann
gebracht werden solle; auch will man die Citadellen in eine Art
Art von Vertheidigungszustand setzen und sie namentlich mit einer
entsprechenden Anzahl von Artilleristen und Pionieren versehen.

Wir können es uns nicht versagen eine Stelle aus der letzten
Rede Montalemberts über die römische Frage hier noch
nachzutragen, die in derselben ausgesprochenen Wahrheiten gelten
für alle Länder. „Wenn die Freiheit in Jtalien nicht Wurzel ge-
schlagen hat, sprach er, wenn das einzige Parlament, welches
noch auf der Halbinsel besteht, täglich seine Unreife bekundet, so.
ist das nicht die Schuld des Befreiers, sondern der Befreiten
Pius IX. hat sich nicht geändert; er glaubt nicht an den Cultus
der Gewalt; er glaubt noch an die Freiheit. Er ist durch die Er-
eignisse nur aufgeklärt worden. Und wenn er sich geändert hätte,
was ich nicht glaube, wäre er etwa der Einzige, welcher sich in
Europa geändert hätte? Man hat gestern von der Abtrünnig-
keit der großen liberalen Partei
gesprochen. Wohlan,
meine Herren, was ist seit einigen Jahren in der Welt vorgegan-
gen? Glauben Sie wirklich, daß die Männer von Einsicht, Herz
und Gewissen heute noch die Freiheit so lieben, an die Freiheit,
an den Fortschritt des Menschengeschlechtes so glauben, wie sie es
vor zwei Jahren thaten? Glauben Sie nicht, daß die kühnsten
Herzen und Jntelligenzen erschüttert worden sind? Glauben Sie
nicht, daß in vielen Gewissen, in vielen Herzen ein blutiges Licht
aufgegangen ist? Und mißtrauet ihr unserem Urtheile, uns alten
alten und überdrüssigen Politikern, so gehet hinab zu den Tiefen
der Nationen, gehet an den bescheidenen Heerd unbekannter, aber
edler und verständiger Patrioten, die stets fern geblieben sind vom
Lärme, vom Ueberdrusse des politischen Kampfes, klopfet an ihre
Pforte und fraget sie, ob sie die Freiheit, den Fortschritt noch mit
[Ende Spaltensatz]

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[0003] sich haben. Auch die Gräfin Bathiany wird nach Hamburg kom- men und den Winter hier bleiben, und im nächsten Frühjahre nach Amerika nachfolgen; überhaupt wird die Auswanderung nach Amerika eine großartige werden. Hamburg 23. October. ( A. M. ) Heute sind die Quartier- macher für 3000 Mann Preußen hierselbst angekommen, die morgen und in den nächsten Tagen eintreffen werden, um weiter nach dem Schleswigschen zu gehen. Jtalien. Venedig 6. October. ( A. Z. ) Von dem heutigen Venedig Jhnen etwas _________Erhebches zu melden, ist für den Augenblick noch eine etwas schwierige Aufgabe, insofern wir uns hier in einem Zustande befinden, ähnlich dem Uebergangsprocesse jener Nebel- bilder und zwar gerade im Punkte, wo eben das schwindelnde Bild bis zu einem undeutlichen grauen Flecken zusammengeschmol- zen, aus dem die neue Erscheinung erst mit frischen Farben und lebendigen Umrissen hervorgehen soll. Vorderhand sieht man eben nur den Schimmer und hie und da ein schwarzgelbes Schilder- haus oder die Fittige des kaiserlichen Adlers durchscheinen. Und doch sind schon diese ersten und wenigen Spuren in Vergleich zu der Verwirrung in der letzten Zeit erfreulich genug, als die sicheren Bürgen wiederkehrender Ordnung und Gesetzlichkeit. Wenn sonst die kaiserlichen Farben in der Lagunenstadt ohne große Sympathie, vielmehr mit Gleichgiltigkeit gesehen waren, dann aus einem mit allen Mitteln der gewissenlosen Jntrigue gestachel- ten Fanatismus geächtet und verbannt wurden, so sind sie jetzt mit einem Male zu einem Talisman geworden, von dem Beruhi- gung und Vertrauen nach allen Seiten hin wieder ausgehen, und es dürfte Wenige geben in Venedig, welche nach so vielen ge- täuschten Hoffnungen und bitteren Erfahrungen nicht am Ende zu der Erkenntniß gekommen, den Einzug der k. k. Truppen als eine Erlösung ansehen und wie eine Befreiung von schwerem Banne aufnehmen zu müssen. So wechseln die Zeiten! Von Seiten des k. k. Militärcommando's hat sich die Stadt der allerschonendsten Behandlung zu erfreuen gehabt. Freilich sind ihm auch der gutmüthige Sinn der Bevölkerung, die Harmlosig- keit und Friedfertigkeit der eigentlichen Venetianer zu jeder Zeit entgegengekommen. Das Drückende des Belagerungszustandes in Bezug auf die frühe Polizeistunde haben wir nur einen einzigen Tag empfunden. Die Waffenablieferung ist ohne alle Störung vor sich gegangen und nicht die mindeste Uebertretung, noch sonst die geringste Demonstration hat seit jener Zeit Anlaß zu irgend einer Untersuchung, geschweige denn Verurtheilung gegeben. Bei allem Dem fehlt es nicht an Klatschschwestern, welche von gehei- men Erschießungen und dergleichen sich in die Ohren raunen und gern solche Gerüchte bis ins Weite verbreiten möchten; ich glaube aber das oben Gesagte wird das Lächerliche solchen Gespenster- glaubens zur Genüge darthun. Wahr ist es, daß vor einigen Wochen eine strenge Execution mit Stockschlägen an einer neapo- litanischen Schiffsmannschaft ausgeübt worden ( auf der Riva degli Schiavoni, an der Kaserne S. Sepolcro ) . Es war die Strafe für eine Beschimpfung, welche jene Leute der österreichi- schen Flagge angethan hatten. Gefängniß oder jede Art von mo- ralischer Demüthigung hätte in diesem Falle nur einen sehr vor- übergehenden oder gar keinen Eindruck auf das rohe Volk gemacht. Die Autorität wird überhaupt hier mit allem Ernste gehandhabt, aber nur im Einklage mit der allgemeinen Stimmung. Zu wün- schen ist nur, daß nicht wieder fremde Elemente sich mit Be- glückungsideen in das venetianische Volk einnisten, denn nur solche konnten einen 22. März in Venedig hervorrufen. Die provisorische Aufhebung des Freihafens erhält die Ge- müther noch immer in ängstlicher Spannung und Ungewißheit. Die Deputation zur Ueberreichung der Huldigungsacte ist von Wien vor einigen Tagen zurückgekehrt, ohne irgend eine tröstliche Antwort auf das dabei vorgetragene Gesuch um Zurücknahme jenes Decrets mitgebracht zu haben. Dessenungeachtet will man Anzeichen erkennen, welche noch nicht alle Hoffnung auf eine we- nigstens zeitweise Verlängerung des sehr peremtorisch gestellten Termines schwinden lassen. Sehr anerkennenswerth sind die Be- strebungen des Civil= und Militärgouverneurs Grafen v. Gorz- kowsky zur Wiederherstellung der über alle Begriffe vernachlässig- ten Ordnung in dem Administrationswesen, und der Wiederein- führung einer strengeren Gesundheits=, Straßen= und Markt- polizei. Verschiedene sehr energische Decrete zum Behufe der Regulirung der Preise aller nothwendigen Lebensbedürfnisse, durch Festsetzung sogenannter Calmiere oder Tarife, sowie die Verschärfung der Vorschriften über die Reinlichkeit in den Gassen, über die Freihaltung der oft sehr beschränkten Wege und Gänge von Seiten der öffentlichen Verkäufer und Gewerbsleute, welche mit der Ausstellung ihrer Waaren sich immer mehr in den Ver- kehr hineindrängten, haben sich bereits durch den wohlthuendsten Einfluß geltend gemacht, und der Wechsel der Dinge kann auf diese Weise manche Versöhnung und eine Art Zufriedenheit her- beiführen, welche leider in den Provinzialstädten und auf dem Festlande überhaupt noch sehr vermißt werden soll. Wer jetzt hier an schönen Abenden auf dem Marcusplatze die auf= und abwogende Menge gerade so wie ehedem an der rau- schenden Musik, an den Friedenssymphonien der täglich wechseln- den Militärbanden verschiedener hier liegender Regimenter, an den Liedern und Possen der wiedererstandenen Troubadoure und Bänkelsänger sich erbauen und belustigen sieht, der sollte nicht glauben, daß nur so wenige Wochen dazwischen liegen, wo man von eben diesem Platze die Bomben in immer weiteren Curven bedrohlich sich herabsenken sah, wo der Donner der Geschütze und das Pfeifen und Sausen der Kugeln das geängstigte Volk unter diese selben Procuratien trieb und man die armen Leute die gan- zen Nächte an dem Portale der Kirche und an den Stufen jener Hallen gelagert sah, die jetzt wieder von bunter Gesellschaft und glänzenden Uniformen gefüllt sind. Das Hungertuch ist wieder abgeworfen, die Todtenglocke verstummt — und Venedig in jugendlicher Frische — wie nach überstandener schwerer Krankheit — athmet freier und leichter — schwärmerisch bleich noch im schmeichelnden Lichte des Mondes, aber schön wie immer. Möge auch die Sonne bald ihre wärmenden Strahlen wieder über sie ausgießen — die Sonne einer freimüthigen Politik, und die La- gunenstadt wird zu einem kräftigen Leben wieder genesen! Peschiera 10. October. Jn der Citadelle herrscht große Thä- tigkeit; es werden Vorwerke gebaut, um den Feind an der Be- setzung der die Festung dominirenden Anhöhen zu hindern. Rom. Es ist die Rede davon, daß der Papst sich wieder nach Gaeta begeben werde; doch heißt es, er gedenke daselbst nur einige Tage zu verweilen. — Aus der Untersuchung über den Mord Rossi's soll sich ergeben haben, daß der Mörder gegenwär- tig die Stadt Augusta in Georgien in den vereinigten Staaten von Amerika unter dem Namen Rameti bewohnt. Frankreich. Paris 25. October. Nächsten Sonntag wird Louis Napoleon große Heerschau über alle in Paris und seinen Umgebungen neu angelangten Regimenter halten; es werden dabei etwa 70,000 Mann anwesend seyn. Die „Estafette“ will aus höchster und achtbarster Quelle in Bezug auf die zwischen Rußland und der Türkei schwebende Frage Nachrichten erhalten haben, nach denen die dem türkischen Botschafter vom Kaiser Nikolaus gewordene Aufnahme keinen Zweifel an dem günstigen Ausgange der Unterhandlungen übrig zu lassen scheint. Die Lage des Cabinets wird der „Estafette“ zufolge als ge- fährlich betrachtet und trotz der Freundschaftsbeweise, welche die Mitglieder des Cabinets und die Führer der Majorität sich täg- lich geben, ist man überzeugt, daß die Krisis, weit entfernt, been- digt zu seyn, vielmehr erst begonnen hat. — Der Unterrichtsmini- ster Falloux ist nach Paris zurückgekehrt. Man versichert, daß die hiesige Besatzung auf 100,000 Mann gebracht werden solle; auch will man die Citadellen in eine Art Art von Vertheidigungszustand setzen und sie namentlich mit einer entsprechenden Anzahl von Artilleristen und Pionieren versehen. Wir können es uns nicht versagen eine Stelle aus der letzten Rede Montalemberts über die römische Frage hier noch nachzutragen, die in derselben ausgesprochenen Wahrheiten gelten für alle Länder. „Wenn die Freiheit in Jtalien nicht Wurzel ge- schlagen hat, sprach er, wenn das einzige Parlament, welches noch auf der Halbinsel besteht, täglich seine Unreife bekundet, so. ist das nicht die Schuld des Befreiers, sondern der Befreiten Pius IX. hat sich nicht geändert; er glaubt nicht an den Cultus der Gewalt; er glaubt noch an die Freiheit. Er ist durch die Er- eignisse nur aufgeklärt worden. Und wenn er sich geändert hätte, was ich nicht glaube, wäre er etwa der Einzige, welcher sich in Europa geändert hätte? Man hat gestern von der Abtrünnig- keit der großen liberalen Partei gesprochen. Wohlan, meine Herren, was ist seit einigen Jahren in der Welt vorgegan- gen? Glauben Sie wirklich, daß die Männer von Einsicht, Herz und Gewissen heute noch die Freiheit so lieben, an die Freiheit, an den Fortschritt des Menschengeschlechtes so glauben, wie sie es vor zwei Jahren thaten? Glauben Sie nicht, daß die kühnsten Herzen und Jntelligenzen erschüttert worden sind? Glauben Sie nicht, daß in vielen Gewissen, in vielen Herzen ein blutiges Licht aufgegangen ist? Und mißtrauet ihr unserem Urtheile, uns alten alten und überdrüssigen Politikern, so gehet hinab zu den Tiefen der Nationen, gehet an den bescheidenen Heerd unbekannter, aber edler und verständiger Patrioten, die stets fern geblieben sind vom Lärme, vom Ueberdrusse des politischen Kampfes, klopfet an ihre Pforte und fraget sie, ob sie die Freiheit, den Fortschritt noch mit

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 256. Mainz, 27. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal256_1849/3>, abgerufen am 28.11.2024.