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Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] ist nicht geübt, und es fehlt ihr zum Theil an Waffen. Die
Magyaren sind fanatisirt, und es wird das Blut in Strömen
fließen. -- Jn Niederungarn machen die Serben Fort-
schritte und sind bereits über die Schanzen bei St. Thomas
heraufgerückt. Es sollen österreichische Officiere bei ihnen seyn,
die ihre Operationen leiten. -- Ofen ist gut versehen und kann
Pesth als Stützpunkt dienen, obgleich dieses durch den Feind von
der Ostseite her in einen Schutthaufen verwandelt werden kann,
ohne daß die Festung Ofen es hindern könnte. Viele hoffen
noch auf Unterhandlungen und eine endliche gütliche Ausgleichung.
Wer aber Kossuth und seine Umgebung kennt, der zweifelt daran.
Er wird lieber untergehen, als sich unterwerfen, was auch wohl,
da er sich sein bevorstehendes Loos nicht verhehlen kann, sehr
natürlich ist. Nur Meuterei und Verrath in seiner Umgebung
könnte eine schnelle Wendung herbeiführen, was aber nicht wahr-
scheinlich ist.

Hermannstadt 19. December. Heute haben wir einen Tag
von ernster schwerer Bedeutung gefeiert. Was sich heute hier bege-
ben, trägt den Keim einer solgenreichen Zukunft in sich, folgenreich
für unser Vaterland Siebenbürgen und in unmittelbar fortgehender
Wirkung für den Thron unseres Kaisers und die österr. Gesammt-
monarchie. Se. Exc. der commandirende General von Siebenbür-
gen hat im Jnteresse der constitut. Freiheit, die durch die terroristi-
schen Maßnahmen der ungesetzlichen Schreckensherrschaft in Ofen-
Pesth, auf das Höchste gefährdet ist, zu kräftiger Aufrechthaltung
der Ordnung und Sicherheit in dem jeden Augenblick von dem
Ausbruche des fürchterlichsten Bürgerkrieges -- den die fanatisirte
Magyarenpartei in blinder Wuth schürt -- bedrohten Lande --
die Zügel der Regierung in seine starke Hand genommen
und Siebenbürgen unter das Kriegsgesetz gestellt.
Dieser Beschluß ist in einer feierlichen Proclamation an sämmt-
liche Behörden und Bewohner des Landes ergangen, welche den
Völkern in fester, ins Mark greifender Sprache, wie sie die Macht
der Ueberzeugung und das Gottvertrauen auf die gute Sache nur
den Gerechten eingeben kann, das pflichtgebotene Gesetz der Noth-
wendigkeit offen und laut verkündet. Es wird darin die durch
das Repräsentantenhaus zu Ofen=Pesth sowohl für Ungarn als
Siebenbürgen ausgerufene, fälschlich im Namen Königs Ferdi-
nand V. durch angebliche königliche Commissäre mittelst ungiltiger
Manifeste auch über dieses Großfürstenthum ausgedehnte Regie-
rung unter Kossuths Präsidium für null und nichtig erklärt. Alle
dieser Verordnung sich widersetzenden Commissäre sollen festge-
nommen und an die Militärbehörde zur kriegsrechtlichen Abur-
theilung abgeliefert werden. Die Proclamation sichert übrigens
die constitutionelle Freiheit und Gleichheit aller Nationen zu. Alle
Berichte über den in der dortigen Gegend wüthenden Völkerkrieg
lauten schrecklich!

Schweiz.

Tessin. Laut dem hiesigen "Republicano" hat seit dem Ab-
zuge der eidgenössischen Truppen der Notenwechsel wieder begon-
nen, Radetzky soll sich in einer Note beklagen, daß der Waffen-
handel in diesem Cantone nicht verhindert werde, in einer andern
soll er Flüchtlinge anzeigen, die Feuerwaffen versteckt halten und
endlich beschwere er sich darüber, daß die eidgenössischen Reprä-
sentanten die eidgenössischen Truppen entlassen haben. Der Repu-
blikano findet den Waffenhandel ganz in Ordnung und hofft, die
eidgenössischen Repräsentanten werden Radetzky's Forderungen
entschieden zurückweisen.

Jtalien.

Jn Bologna waren zwei Wahlen in die Deputirtenkammer
vorzunehmen. Gewählt wurde General Zucchi. An die Stelle
des ermordeten Grafen Rossi wurde keine Wahl vorzunehmen
beschlossen, bis eine gerichtliche Untersuchung über dessen Ermor-
dung angeordnet sey. Der Senator von Bologna hat die Wahl
in die von den Kammern eingesetzte provisorische Regierungs-
commission abgelehnt. Bologna beharrt demnach in seinem Wider-
stande gegen Rom.

Frankreich.

* * * Paris 25. December. Die Blätter sind, wie das nach
jeder großen Krisis der Fall ist, so dürftig, daß es sich kaum der
Mühe lohnt sie auszubeuten und wäre die gestrige große Revue
nicht gewesen, so wäre manchem von ihnen der Stoff gewiß aus-
gegangen. Die Parade vor dem neuen Präsidenten sah übrigens
gerade so aus wie alle Paraden, die in Paris gehalten werden
[Spaltenumbruch] und auch die Rufe, die bei derartigen Demonstrationen gewöhn-
lich vernommen werden, variiren je nach der politischen Anschau-
ungsweise der Personen, die sie gehört haben wollen. Einige
sagen, sie hätten den Ruf Vive l'Empereur! gehört, Andere
behaupten, das Vive la Republique! und Vive Napoleon! sey
sehr laut gewesen, auch der Ruf nach Amnestie soll sich hie und
da Bahn gebrochen haben. Jm Allgemeinen war nirgends ein
besonderer Enthusiasmus zu verspüren und die Linientruppen
rührten sich nicht, sie schwiegen ganz still. -- Ein durch und durch
roth gefärbtes Zweckessen der französischen und deutschen sociali-
stischen Demokraten hat gestern zu einem Franc per Kopf stattgefun-
den. Keine politische Notabilität wohnte demselben bei und die
eingeladenen Mitglieder des Berges hatten abgelehnt. Von den
anwesenden Deutschen werden die Bürger Alpühn, Hesse, Paul
Justus,. Kopper und Seiler, lauter unbekannte Größen, als
Redner genannt. Auch ein paar Polen und Jtaliäner waren an-
wesend, welche Deutschland und die allgemeine Republik hoch
leben ließen. Ein Jtaliäner war jedoch so patriotisch, daß er sich
gegen eine französische Jntervention in Jtalien verwahrte, weil
dieses der Untergang der Demokratie seyn würde. -- Der neue
Kriegsminister General Rulliere ( geb. 1787 ) und der neue Po-
lizeipräfect Oberst Rebillot ( geb. 1794 ) sind zwei ganz ausge-
zeichnete Soldaten, die von der Pike auf gedient haben. Oberst
Rebillot hat im Jahre 1814 sein rechtes Auge auf dem Schlacht-
felde verloren.

Marschall Bugeaud hat einen Armeebefehl an das Alpenheer
erlassen, der uns eben keine besonderen Aussichten für den Frieden
zu bieten scheint. Verstehen wir dieses Actenstück recht, so ist sein
Grundgedanke: Ordnung, Ordnung im Jnnern um jeden Preis,
dann binden wir mit dem Auslande an! Wirklich eine hübsche
Zukunft, wo der Krieg wieder zur Befriedigung bloßer Erober-
ungsgelüste dienen und eine ganz ordinäre Menschenschlächterei
werden zu sollen scheint, denn daß es sich nicht mehr um Jdeen
handelt, haben ja die Franzosen eben erst wieder selbst durch die
Wahl ihres neuen Präsidenten bewiesen. "Soldaten der Alpen-
armee, sagt der Marschall, der Präsident der Republik konnte
meine lange Laufbahn nicht schöner ehren, als dadurch, daß er
mich an Eure Spitze stellte. Jch habe dadurch die Gewißheit er-
halten, daß ich Frankreich noch neue und große Dienste leisten
kann, wenn es Eurer Kraft und Eurer Hingebung bedarf. Ein
sechsjähriger Krieg in Afrika hat mir den Beweis geliefert, daß
unsere jungen Heere nicht ausgeartet sind, und daß sie handeln wer-
den, wie die Heere der Republik und des Kaiserreiches gehandelt ha-
ben. Jhr seyd nun freilich zu gute Bürger, als daß Jhr den Krieg
wünschen solltet, allein ihr wollet Alle mit Freuden in denselben ge-
hen, wenn er zum Ausbruche kommt. Für einstweilen werdet
ihr die kräftigen Vertheidiger des Gesetzes seyn. Jhr Alle sehet
ein, daß die Ordnung die sicherste Bürgschaft für die wahre
Freiheit und das öffentliche Wohlseyn, daß die Ordnung den
Massen von Arbeitern noch viel nothwendiger ist, als jenen
Classen, die durch die Arbeit schon zum Wohlstande gelangt sind.
Es gibt nichts so Volksthümliches wie die Ordnung! Jhr seyd,
wir Alle sind die Kinder des Volkes und wir werden ihm daher
jenes unschätzbare Gut zu sichern wissen, ohne welches es keine
der errungenen Freiheiten genießen kann. Wenn meine Gesund-
heit es mir erlaubte, so würde ich mich schon in Euerer Mitte
befinden, denn ich fühle das Bedürfniß die Regimenter kennen
zu lernen, die ich noch nicht gesehen habe, und meine Bekannt-
schaft mit denjenigen zu erneuern, deren Mühen und Ruhm ich
in Afrika getheilt habe. Sobald ich wieder bei Kräften bin,
werde ich zu Euch kommen. Bis dahin vertraue ich vollkommen
auf Eueren guten Geist und den Sinn für Disciplin, der von
jeher bei Euch einheimisch war. Diese Eigenschaften sind unter
Euch sorgfältig gepflegt worden von dem ehrenwerthen und ge-
schickten General, dem ich im Commando der Alpenarmee nach-
folge und von dem Jhr Euch gewiß nur mit Bedauern getrennt
habet." -- Cabet soll endlich nach Nordamerika abgereist seyn,
wo die Communisten sich auf Tod und Leben in den Haaren lie-
gen. Alle socialistischen Experimente, selbst die im kleinsten
Maasstabe unternommenen, sind in der neuen Welt bekanntlich
misglückt, ohne daß die "Brüder" und "Bürger" in der alten
dadurch bescheidener geworden wären. -- Ob es ruhige Zeiten
geben wird oder nicht, ist immer noch die Frage, welche alle Ge-
müther beschäftigt. Die Pariser Zeitungen wenigstens scheinen
darauf zu hoffen, denn fast alle haben wieder ellenlange Feuille-
tons angekündigt, ein Artikel, in welchem bekanntlich die frühere
presse marchande seit der Februarrevolution spottschlechte Ge-
schäfte gemacht hat.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] ist nicht geübt, und es fehlt ihr zum Theil an Waffen. Die
Magyaren sind fanatisirt, und es wird das Blut in Strömen
fließen. — Jn Niederungarn machen die Serben Fort-
schritte und sind bereits über die Schanzen bei St. Thomas
heraufgerückt. Es sollen österreichische Officiere bei ihnen seyn,
die ihre Operationen leiten. — Ofen ist gut versehen und kann
Pesth als Stützpunkt dienen, obgleich dieses durch den Feind von
der Ostseite her in einen Schutthaufen verwandelt werden kann,
ohne daß die Festung Ofen es hindern könnte. Viele hoffen
noch auf Unterhandlungen und eine endliche gütliche Ausgleichung.
Wer aber Kossuth und seine Umgebung kennt, der zweifelt daran.
Er wird lieber untergehen, als sich unterwerfen, was auch wohl,
da er sich sein bevorstehendes Loos nicht verhehlen kann, sehr
natürlich ist. Nur Meuterei und Verrath in seiner Umgebung
könnte eine schnelle Wendung herbeiführen, was aber nicht wahr-
scheinlich ist.

Hermannstadt 19. December. Heute haben wir einen Tag
von ernster schwerer Bedeutung gefeiert. Was sich heute hier bege-
ben, trägt den Keim einer solgenreichen Zukunft in sich, folgenreich
für unser Vaterland Siebenbürgen und in unmittelbar fortgehender
Wirkung für den Thron unseres Kaisers und die österr. Gesammt-
monarchie. Se. Exc. der commandirende General von Siebenbür-
gen hat im Jnteresse der constitut. Freiheit, die durch die terroristi-
schen Maßnahmen der ungesetzlichen Schreckensherrschaft in Ofen-
Pesth, auf das Höchste gefährdet ist, zu kräftiger Aufrechthaltung
der Ordnung und Sicherheit in dem jeden Augenblick von dem
Ausbruche des fürchterlichsten Bürgerkrieges — den die fanatisirte
Magyarenpartei in blinder Wuth schürt — bedrohten Lande —
die Zügel der Regierung in seine starke Hand genommen
und Siebenbürgen unter das Kriegsgesetz gestellt.
Dieser Beschluß ist in einer feierlichen Proclamation an sämmt-
liche Behörden und Bewohner des Landes ergangen, welche den
Völkern in fester, ins Mark greifender Sprache, wie sie die Macht
der Ueberzeugung und das Gottvertrauen auf die gute Sache nur
den Gerechten eingeben kann, das pflichtgebotene Gesetz der Noth-
wendigkeit offen und laut verkündet. Es wird darin die durch
das Repräsentantenhaus zu Ofen=Pesth sowohl für Ungarn als
Siebenbürgen ausgerufene, fälschlich im Namen Königs Ferdi-
nand V. durch angebliche königliche Commissäre mittelst ungiltiger
Manifeste auch über dieses Großfürstenthum ausgedehnte Regie-
rung unter Kossuths Präsidium für null und nichtig erklärt. Alle
dieser Verordnung sich widersetzenden Commissäre sollen festge-
nommen und an die Militärbehörde zur kriegsrechtlichen Abur-
theilung abgeliefert werden. Die Proclamation sichert übrigens
die constitutionelle Freiheit und Gleichheit aller Nationen zu. Alle
Berichte über den in der dortigen Gegend wüthenden Völkerkrieg
lauten schrecklich!

Schweiz.

Tessin. Laut dem hiesigen „Republicano“ hat seit dem Ab-
zuge der eidgenössischen Truppen der Notenwechsel wieder begon-
nen, Radetzky soll sich in einer Note beklagen, daß der Waffen-
handel in diesem Cantone nicht verhindert werde, in einer andern
soll er Flüchtlinge anzeigen, die Feuerwaffen versteckt halten und
endlich beschwere er sich darüber, daß die eidgenössischen Reprä-
sentanten die eidgenössischen Truppen entlassen haben. Der Repu-
blikano findet den Waffenhandel ganz in Ordnung und hofft, die
eidgenössischen Repräsentanten werden Radetzky's Forderungen
entschieden zurückweisen.

Jtalien.

Jn Bologna waren zwei Wahlen in die Deputirtenkammer
vorzunehmen. Gewählt wurde General Zucchi. An die Stelle
des ermordeten Grafen Rossi wurde keine Wahl vorzunehmen
beschlossen, bis eine gerichtliche Untersuchung über dessen Ermor-
dung angeordnet sey. Der Senator von Bologna hat die Wahl
in die von den Kammern eingesetzte provisorische Regierungs-
commission abgelehnt. Bologna beharrt demnach in seinem Wider-
stande gegen Rom.

Frankreich.

* * * Paris 25. December. Die Blätter sind, wie das nach
jeder großen Krisis der Fall ist, so dürftig, daß es sich kaum der
Mühe lohnt sie auszubeuten und wäre die gestrige große Revue
nicht gewesen, so wäre manchem von ihnen der Stoff gewiß aus-
gegangen. Die Parade vor dem neuen Präsidenten sah übrigens
gerade so aus wie alle Paraden, die in Paris gehalten werden
[Spaltenumbruch] und auch die Rufe, die bei derartigen Demonstrationen gewöhn-
lich vernommen werden, variiren je nach der politischen Anschau-
ungsweise der Personen, die sie gehört haben wollen. Einige
sagen, sie hätten den Ruf Vive l'Empereur! gehört, Andere
behaupten, das Vive la République! und Vive Napoléon! sey
sehr laut gewesen, auch der Ruf nach Amnestie soll sich hie und
da Bahn gebrochen haben. Jm Allgemeinen war nirgends ein
besonderer Enthusiasmus zu verspüren und die Linientruppen
rührten sich nicht, sie schwiegen ganz still. — Ein durch und durch
roth gefärbtes Zweckessen der französischen und deutschen sociali-
stischen Demokraten hat gestern zu einem Franc per Kopf stattgefun-
den. Keine politische Notabilität wohnte demselben bei und die
eingeladenen Mitglieder des Berges hatten abgelehnt. Von den
anwesenden Deutschen werden die Bürger Alpühn, Hesse, Paul
Justus,. Kopper und Seiler, lauter unbekannte Größen, als
Redner genannt. Auch ein paar Polen und Jtaliäner waren an-
wesend, welche Deutschland und die allgemeine Republik hoch
leben ließen. Ein Jtaliäner war jedoch so patriotisch, daß er sich
gegen eine französische Jntervention in Jtalien verwahrte, weil
dieses der Untergang der Demokratie seyn würde. — Der neue
Kriegsminister General Rullière ( geb. 1787 ) und der neue Po-
lizeipräfect Oberst Rebillot ( geb. 1794 ) sind zwei ganz ausge-
zeichnete Soldaten, die von der Pike auf gedient haben. Oberst
Rebillot hat im Jahre 1814 sein rechtes Auge auf dem Schlacht-
felde verloren.

Marschall Bugeaud hat einen Armeebefehl an das Alpenheer
erlassen, der uns eben keine besonderen Aussichten für den Frieden
zu bieten scheint. Verstehen wir dieses Actenstück recht, so ist sein
Grundgedanke: Ordnung, Ordnung im Jnnern um jeden Preis,
dann binden wir mit dem Auslande an! Wirklich eine hübsche
Zukunft, wo der Krieg wieder zur Befriedigung bloßer Erober-
ungsgelüste dienen und eine ganz ordinäre Menschenschlächterei
werden zu sollen scheint, denn daß es sich nicht mehr um Jdeen
handelt, haben ja die Franzosen eben erst wieder selbst durch die
Wahl ihres neuen Präsidenten bewiesen. „Soldaten der Alpen-
armee, sagt der Marschall, der Präsident der Republik konnte
meine lange Laufbahn nicht schöner ehren, als dadurch, daß er
mich an Eure Spitze stellte. Jch habe dadurch die Gewißheit er-
halten, daß ich Frankreich noch neue und große Dienste leisten
kann, wenn es Eurer Kraft und Eurer Hingebung bedarf. Ein
sechsjähriger Krieg in Afrika hat mir den Beweis geliefert, daß
unsere jungen Heere nicht ausgeartet sind, und daß sie handeln wer-
den, wie die Heere der Republik und des Kaiserreiches gehandelt ha-
ben. Jhr seyd nun freilich zu gute Bürger, als daß Jhr den Krieg
wünschen solltet, allein ihr wollet Alle mit Freuden in denselben ge-
hen, wenn er zum Ausbruche kommt. Für einstweilen werdet
ihr die kräftigen Vertheidiger des Gesetzes seyn. Jhr Alle sehet
ein, daß die Ordnung die sicherste Bürgschaft für die wahre
Freiheit und das öffentliche Wohlseyn, daß die Ordnung den
Massen von Arbeitern noch viel nothwendiger ist, als jenen
Classen, die durch die Arbeit schon zum Wohlstande gelangt sind.
Es gibt nichts so Volksthümliches wie die Ordnung! Jhr seyd,
wir Alle sind die Kinder des Volkes und wir werden ihm daher
jenes unschätzbare Gut zu sichern wissen, ohne welches es keine
der errungenen Freiheiten genießen kann. Wenn meine Gesund-
heit es mir erlaubte, so würde ich mich schon in Euerer Mitte
befinden, denn ich fühle das Bedürfniß die Regimenter kennen
zu lernen, die ich noch nicht gesehen habe, und meine Bekannt-
schaft mit denjenigen zu erneuern, deren Mühen und Ruhm ich
in Afrika getheilt habe. Sobald ich wieder bei Kräften bin,
werde ich zu Euch kommen. Bis dahin vertraue ich vollkommen
auf Eueren guten Geist und den Sinn für Disciplin, der von
jeher bei Euch einheimisch war. Diese Eigenschaften sind unter
Euch sorgfältig gepflegt worden von dem ehrenwerthen und ge-
schickten General, dem ich im Commando der Alpenarmee nach-
folge und von dem Jhr Euch gewiß nur mit Bedauern getrennt
habet.“ — Cabet soll endlich nach Nordamerika abgereist seyn,
wo die Communisten sich auf Tod und Leben in den Haaren lie-
gen. Alle socialistischen Experimente, selbst die im kleinsten
Maasstabe unternommenen, sind in der neuen Welt bekanntlich
misglückt, ohne daß die „Brüder“ und „Bürger“ in der alten
dadurch bescheidener geworden wären. — Ob es ruhige Zeiten
geben wird oder nicht, ist immer noch die Frage, welche alle Ge-
müther beschäftigt. Die Pariser Zeitungen wenigstens scheinen
darauf zu hoffen, denn fast alle haben wieder ellenlange Feuille-
tons angekündigt, ein Artikel, in welchem bekanntlich die frühere
presse marchande seit der Februarrevolution spottschlechte Ge-
schäfte gemacht hat.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] ist nicht geübt, und es fehlt ihr zum Theil an Waffen. Die Magyaren sind fanatisirt, und es wird das Blut in Strömen fließen. — Jn Niederungarn machen die Serben Fort- schritte und sind bereits über die Schanzen bei St. Thomas heraufgerückt. Es sollen österreichische Officiere bei ihnen seyn, die ihre Operationen leiten. — Ofen ist gut versehen und kann Pesth als Stützpunkt dienen, obgleich dieses durch den Feind von der Ostseite her in einen Schutthaufen verwandelt werden kann, ohne daß die Festung Ofen es hindern könnte. Viele hoffen noch auf Unterhandlungen und eine endliche gütliche Ausgleichung. Wer aber Kossuth und seine Umgebung kennt, der zweifelt daran. Er wird lieber untergehen, als sich unterwerfen, was auch wohl, da er sich sein bevorstehendes Loos nicht verhehlen kann, sehr natürlich ist. Nur Meuterei und Verrath in seiner Umgebung könnte eine schnelle Wendung herbeiführen, was aber nicht wahr- scheinlich ist. Hermannstadt 19. December. Heute haben wir einen Tag von ernster schwerer Bedeutung gefeiert. Was sich heute hier bege- ben, trägt den Keim einer solgenreichen Zukunft in sich, folgenreich für unser Vaterland Siebenbürgen und in unmittelbar fortgehender Wirkung für den Thron unseres Kaisers und die österr. Gesammt- monarchie. Se. Exc. der commandirende General von Siebenbür- gen hat im Jnteresse der constitut. Freiheit, die durch die terroristi- schen Maßnahmen der ungesetzlichen Schreckensherrschaft in Ofen- Pesth, auf das Höchste gefährdet ist, zu kräftiger Aufrechthaltung der Ordnung und Sicherheit in dem jeden Augenblick von dem Ausbruche des fürchterlichsten Bürgerkrieges — den die fanatisirte Magyarenpartei in blinder Wuth schürt — bedrohten Lande — die Zügel der Regierung in seine starke Hand genommen und Siebenbürgen unter das Kriegsgesetz gestellt. Dieser Beschluß ist in einer feierlichen Proclamation an sämmt- liche Behörden und Bewohner des Landes ergangen, welche den Völkern in fester, ins Mark greifender Sprache, wie sie die Macht der Ueberzeugung und das Gottvertrauen auf die gute Sache nur den Gerechten eingeben kann, das pflichtgebotene Gesetz der Noth- wendigkeit offen und laut verkündet. Es wird darin die durch das Repräsentantenhaus zu Ofen=Pesth sowohl für Ungarn als Siebenbürgen ausgerufene, fälschlich im Namen Königs Ferdi- nand V. durch angebliche königliche Commissäre mittelst ungiltiger Manifeste auch über dieses Großfürstenthum ausgedehnte Regie- rung unter Kossuths Präsidium für null und nichtig erklärt. Alle dieser Verordnung sich widersetzenden Commissäre sollen festge- nommen und an die Militärbehörde zur kriegsrechtlichen Abur- theilung abgeliefert werden. Die Proclamation sichert übrigens die constitutionelle Freiheit und Gleichheit aller Nationen zu. Alle Berichte über den in der dortigen Gegend wüthenden Völkerkrieg lauten schrecklich! Schweiz. Tessin. Laut dem hiesigen „Republicano“ hat seit dem Ab- zuge der eidgenössischen Truppen der Notenwechsel wieder begon- nen, Radetzky soll sich in einer Note beklagen, daß der Waffen- handel in diesem Cantone nicht verhindert werde, in einer andern soll er Flüchtlinge anzeigen, die Feuerwaffen versteckt halten und endlich beschwere er sich darüber, daß die eidgenössischen Reprä- sentanten die eidgenössischen Truppen entlassen haben. Der Repu- blikano findet den Waffenhandel ganz in Ordnung und hofft, die eidgenössischen Repräsentanten werden Radetzky's Forderungen entschieden zurückweisen. Jtalien. Jn Bologna waren zwei Wahlen in die Deputirtenkammer vorzunehmen. Gewählt wurde General Zucchi. An die Stelle des ermordeten Grafen Rossi wurde keine Wahl vorzunehmen beschlossen, bis eine gerichtliche Untersuchung über dessen Ermor- dung angeordnet sey. Der Senator von Bologna hat die Wahl in die von den Kammern eingesetzte provisorische Regierungs- commission abgelehnt. Bologna beharrt demnach in seinem Wider- stande gegen Rom. Frankreich. * * * Paris 25. December. Die Blätter sind, wie das nach jeder großen Krisis der Fall ist, so dürftig, daß es sich kaum der Mühe lohnt sie auszubeuten und wäre die gestrige große Revue nicht gewesen, so wäre manchem von ihnen der Stoff gewiß aus- gegangen. Die Parade vor dem neuen Präsidenten sah übrigens gerade so aus wie alle Paraden, die in Paris gehalten werden und auch die Rufe, die bei derartigen Demonstrationen gewöhn- lich vernommen werden, variiren je nach der politischen Anschau- ungsweise der Personen, die sie gehört haben wollen. Einige sagen, sie hätten den Ruf Vive l'Empereur! gehört, Andere behaupten, das Vive la République! und Vive Napoléon! sey sehr laut gewesen, auch der Ruf nach Amnestie soll sich hie und da Bahn gebrochen haben. Jm Allgemeinen war nirgends ein besonderer Enthusiasmus zu verspüren und die Linientruppen rührten sich nicht, sie schwiegen ganz still. — Ein durch und durch roth gefärbtes Zweckessen der französischen und deutschen sociali- stischen Demokraten hat gestern zu einem Franc per Kopf stattgefun- den. Keine politische Notabilität wohnte demselben bei und die eingeladenen Mitglieder des Berges hatten abgelehnt. Von den anwesenden Deutschen werden die Bürger Alpühn, Hesse, Paul Justus,. Kopper und Seiler, lauter unbekannte Größen, als Redner genannt. Auch ein paar Polen und Jtaliäner waren an- wesend, welche Deutschland und die allgemeine Republik hoch leben ließen. Ein Jtaliäner war jedoch so patriotisch, daß er sich gegen eine französische Jntervention in Jtalien verwahrte, weil dieses der Untergang der Demokratie seyn würde. — Der neue Kriegsminister General Rullière ( geb. 1787 ) und der neue Po- lizeipräfect Oberst Rebillot ( geb. 1794 ) sind zwei ganz ausge- zeichnete Soldaten, die von der Pike auf gedient haben. Oberst Rebillot hat im Jahre 1814 sein rechtes Auge auf dem Schlacht- felde verloren. Marschall Bugeaud hat einen Armeebefehl an das Alpenheer erlassen, der uns eben keine besonderen Aussichten für den Frieden zu bieten scheint. Verstehen wir dieses Actenstück recht, so ist sein Grundgedanke: Ordnung, Ordnung im Jnnern um jeden Preis, dann binden wir mit dem Auslande an! Wirklich eine hübsche Zukunft, wo der Krieg wieder zur Befriedigung bloßer Erober- ungsgelüste dienen und eine ganz ordinäre Menschenschlächterei werden zu sollen scheint, denn daß es sich nicht mehr um Jdeen handelt, haben ja die Franzosen eben erst wieder selbst durch die Wahl ihres neuen Präsidenten bewiesen. „Soldaten der Alpen- armee, sagt der Marschall, der Präsident der Republik konnte meine lange Laufbahn nicht schöner ehren, als dadurch, daß er mich an Eure Spitze stellte. Jch habe dadurch die Gewißheit er- halten, daß ich Frankreich noch neue und große Dienste leisten kann, wenn es Eurer Kraft und Eurer Hingebung bedarf. Ein sechsjähriger Krieg in Afrika hat mir den Beweis geliefert, daß unsere jungen Heere nicht ausgeartet sind, und daß sie handeln wer- den, wie die Heere der Republik und des Kaiserreiches gehandelt ha- ben. Jhr seyd nun freilich zu gute Bürger, als daß Jhr den Krieg wünschen solltet, allein ihr wollet Alle mit Freuden in denselben ge- hen, wenn er zum Ausbruche kommt. Für einstweilen werdet ihr die kräftigen Vertheidiger des Gesetzes seyn. Jhr Alle sehet ein, daß die Ordnung die sicherste Bürgschaft für die wahre Freiheit und das öffentliche Wohlseyn, daß die Ordnung den Massen von Arbeitern noch viel nothwendiger ist, als jenen Classen, die durch die Arbeit schon zum Wohlstande gelangt sind. Es gibt nichts so Volksthümliches wie die Ordnung! Jhr seyd, wir Alle sind die Kinder des Volkes und wir werden ihm daher jenes unschätzbare Gut zu sichern wissen, ohne welches es keine der errungenen Freiheiten genießen kann. Wenn meine Gesund- heit es mir erlaubte, so würde ich mich schon in Euerer Mitte befinden, denn ich fühle das Bedürfniß die Regimenter kennen zu lernen, die ich noch nicht gesehen habe, und meine Bekannt- schaft mit denjenigen zu erneuern, deren Mühen und Ruhm ich in Afrika getheilt habe. Sobald ich wieder bei Kräften bin, werde ich zu Euch kommen. Bis dahin vertraue ich vollkommen auf Eueren guten Geist und den Sinn für Disciplin, der von jeher bei Euch einheimisch war. Diese Eigenschaften sind unter Euch sorgfältig gepflegt worden von dem ehrenwerthen und ge- schickten General, dem ich im Commando der Alpenarmee nach- folge und von dem Jhr Euch gewiß nur mit Bedauern getrennt habet.“ — Cabet soll endlich nach Nordamerika abgereist seyn, wo die Communisten sich auf Tod und Leben in den Haaren lie- gen. Alle socialistischen Experimente, selbst die im kleinsten Maasstabe unternommenen, sind in der neuen Welt bekanntlich misglückt, ohne daß die „Brüder“ und „Bürger“ in der alten dadurch bescheidener geworden wären. — Ob es ruhige Zeiten geben wird oder nicht, ist immer noch die Frage, welche alle Ge- müther beschäftigt. Die Pariser Zeitungen wenigstens scheinen darauf zu hoffen, denn fast alle haben wieder ellenlange Feuille- tons angekündigt, ein Artikel, in welchem bekanntlich die frühere presse marchande seit der Februarrevolution spottschlechte Ge- schäfte gemacht hat. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal175_1848/4>, abgerufen am 06.06.2024.