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Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] daß hierauf die Stadt und Festung Raab besetzt worden sey. Die
Bestätigung ist heute zu erwarten. Das schreibende Hauptquartier
des Marschalls Fürsten Windischgrätz war gestern noch in Karl-
burg. Aus Güns wird vom 19. gemeldet, daß man daselbst den
bekannten magyarischen Chef Perczel erwarte. Aus Oberungarn
fehlen heute neuere Nachrichten.

Wien 23. December. ( St. C. ) Nach einem durch drei Tage
fortgesetzten sehr hitzigen Wahlkampfe entschied sich heute Vormit-
tag der Sieg für den ausgetretenen Reichsminister v. Schmer-
ling.
Er erhielt 54, sein Mitbewerber v. Pillersdorf 32 Stim-
men. Die Denkschrift, welche der Letztere an einem der vorher-
gegangenen Tage bei den Vorberathungen verlas, findet sich heute
vollständig in Kuranda's "Ostdeutscher Post" abgedruckt, welche
auch selbstständig zur Rechtfertigung desselben auftritt. -- Durch
Erlaß des zweiten Armeecorps wurden in Preßburg Ver-
mögensconfiscationen
an folgenden, zum Theil ziemlich
bekannten Personen vorgenommen, welche sich der Rebellion gegen
ihren gesetzmäßigen König theils schuldig, theils verdächtig
gemacht haben: Baron Bayer, unter dem Schriftstellernamen
"Rupertus" bekannt; Filialcassebeamer Klemm; der Präses
des democratischen Cubs, Nic. Zerdahely; Zeitungsredacteur
Noisser; Buchhändler Reißbach; evangelischer Prediger
Razga. Dagegen wurde die von der illegitimen Landesregie-
rung angeordnete Beschlagnahme getreuer Unterthanen, wie des
Grafen Leopold Palffy, aufgehoben. -- Baron Soma-
ruga
ist anstatt des in Ruhestand versetzten Baron Heß zum
ersten Apellationspräsidenten ernannt worden. -- Es ist heute
nun schon der vierte Tag, an welchem uns alle Nachrichten vom
ungarischen Kriegsschauplatze fehlen. Dagegen kamen gestern
mehrere Posten von sehr verspätetem Datum aus Ungarn an. --
Der Verkehr auf der Nordbahn erlitt nun nacheinander
Störungen durch unvorhergesehene Zufälle, die ein verzöger-
tes Anlangen um 12 -- 24 Stunden herbeiführten. Zum Glück
ging hierbei kein Menschenleben verloren. -- Die Stimmung ist
hier fortwährend eine trübe und gedrückte; man sieht zwar in
diesen Tagen nach wie vor Männer und Frauen geschäftig Weih-
nachtsbescheerungen einkaufen; allein der Werth der Einkäufe in
diesem dürfte im Vergleiche mit dem im verflossenen Jahre eine
sehr empfindliche Differenz zum Nachtheile der Verkäufer heraus-
stellen. -- Unsere Akademie der Wissenschaften hat ein schwaches
Lebenszeichen ihrer kümmerlichen Vegetation gegeben, indem sich
auf einen Vortrag ihres Präsidenten, Baron Hammer=Purgstall,
sämmtliche Mitglieder verabredeten, sich der längst abzuschaffenden
Anreden in Bezug auf Wohl= und Hochgeborenschaft zu entschla-
gen ( ! ) . -- Preßburg und das gleichnamige Comitat sind in
Belagerungszustand erklärt. -- Die israelitische Religionsgemeinde
zu Wien beging heute einen feierlichen Gottesdienst aus Anlaß
der Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph. -- Sämmtliche
Minister sind wieder in Wien angelangt und werden bis zur
Wiedereröffnung der Reichstagssitzungen hier verbleiben. --
Durch die vollständige Bewilligung des verlangten Finanzcredits
wird der Austritt des Ministers Kraus nunmehr unwahr-
scheinlich.

Berlin 23. December. Die "Hannoversche Morgenzeitung"
läßt sich berichten: "Daß man in den Hofkreisen mit den Um-
wälzungen und Zuständen Frankreichs nicht zufrieden ist, weil
man sie für die Mutter aller Uebel hält, wird Jeder gern glau-
ben. Dennoch aber ist vielleicht kaum irgendwo eifriger für die
erfolgreiche Candidatur Cavaignacs Partei genommen worden,
als in Potsdam, wo der Sieg Louis Napoleons die größte Nie-
dergeschlagenheit hervorgerufen hat. Seit dieser Zeit glaubt man
an einen bevorstehenden Krieg, der für die Dynastien in Deutsch-
land unter den jetzigen Umständen nichts Erfreuliches hat, für
die deutsche Nation aber gewiß noch viel weniger. Denn kein
Volk rechnet wohl weniger darauf, irgend eine Erobernug zu
machen, keines aber sieht sich von seinen mächtigen Nachbarn im
Osten und Westen so gefährdet und ist dabei im Jnnern so uneins
und zerrissen, wie wir es sind. Es rechtfertigt sich demnach aller-
dings, daß in der Stille alle Anstalten getroffen werden, um in-
nerhalb weniger Wochen das ganze Heer mobil zu machen und
nöthigenfalls 150,000 Mann am Rheine beisammen zu haben.
Daß General Wrangel dort den Oberbefehl übernehmen wird, ist
ein Gerücht, welches schon seit eiuigen Tagen umläuft, schwerlich
aber sich eher bestätigt, bis eine wirkliche Gefahr eintritt. Wran-
gel ist allerdings jetzt der einzige preußische General, der von
Schleswig her einen gewissen Kriegsruhm erhalten hat, welcher
ihm jedoch von verschiedenen Seiten streitig gemacht wird, und
zwar am meisten von Generalstabsofficieren. [ Nun, dem alten
Blücher haben sie auch seinen Ruhm streitig gemacht, der Mar-
schall Vorwärts war auch kein großer Strateg, und doch hat er
die Franzosen zum Lande hinausgetrieben! ] Sollte es wirklich zu
[Spaltenumbruch] kriegerischen Ereignissen am Rheine kommen, so wird General
Wrangel gewiß ein Commando übernehmen, allein den Oberbe
fehl wird jedenfalls der Prinz von Preußen führen. Da man nicht
weiß, wie es in Frankreich wird, so dürfte diese Ungewißheit nicht
ohne Einfluß auf unsere Verfassungsverhältnisse bleiben und die
Krone zur Nachgibigkeit in manchen Dingen bewegen. Man soll
nicht abgeneigt seyn, einen Ministerwechsel eintreten zu lassen,
und hört von erneuten Unterhandlungen mit Herrn Camphau-
sen.
Auch sollen die Artikel der Verfassung, welche den meisten
Anstoß erregen und wodurch das Steuerbewilligungsrecht so
wenig klar bestimmt wird, eine andere genauere Fassung erhal-
ten. Alles wird darauf ankommen, wie die Wahlen ausfallen,
deren Wichtigkeit von allen Seiten eingesehen wird. Daß die ra-
dicale Partei große Erfolge hat, darf nicht angenommen werden,
eben so wenig aber werden die eigentlichen Reactionäre bedeutende
Vortheile erreichen. Die öffentliche Meinung spricht sich vielmehr
immer entschiedener dahin aus, daß man gemäßigte Män-
ner
wählen müsse, welche das Gute in der gegebenen Verfassung
festhalten, dabei aber dahin kräftig wirken sollen, daß die unkla-
ren, einer festen gesicherten Freiheit widersprechenden Artikel
daraus entfernt werden.

Ulm 25. December. Vor einigen Tagen ist der preußische
Artilleriegeneral v. Jenichen hier eingetroffen, um hier ebenso
wie vorher in Rastatt auf Befehl des Reichskriegsministeriums
den Vorsitz bei einer Commission zu führen, welche die von der
hiesigen Artillerie=Ausrüstungs=Direction entworfenen Vorschläge
zur Armirung unserer Reichsfestung prüfen und den darauf zu
gründenden Armirungsplan festsetzen soll. Geschütz und Munition
kommt fortwährend an, und dürfte wohl schon mehr als die Hälfte
des nothwendigen Bedarfes vorhanden seyn.

Mannheim 25. December. ( D. Z. ) So eben theilt man
uns die Geständnisse mit, welche bei dem Schlußverhöre in Wein-
heim zu Tage kamen. Sie sind eigener Art. Ein Bürger hatte
sogar seine Pferde zum Herumfahren der Guillotine ver-
sprochen und die Häuser, vor denen sie halten sollte, waren schon
bezeichnet. Jn Folge dieser Geständnisse sind abermals fünf Ver-
haftungen vorgenommen worden und die Untersuchung, welche
bereits ihrem Ende nahe war, dürfte wieder mehr in die Länge
gezogen werden. -- Heute wird Struve von Rastatt nach Frei-
burg unter Begleitung einer Compagnie Jnfanterie gebracht, um
dort vor das Schwurgericht gestellt zu werden. Seine Frau soll
nach Neujahr freigelassen werden; doch kann ich das nicht bestä-
tigen. Briefe aus Schleswig=Holstein melden, daß es dort einer
Entscheidung nahe sey, indem die Feindseligkeiten einen ernstern
Charakter annehmen; es seyen bereits Reclamationen wegen
Verstärkung der militärischen Kräfte gemacht worden. An ein
Aushalten des bestimmten Waffenstillstandes dürfe nicht mehr ge-
dacht werden.

Oesterreichische Monarchie.

Pesth 13. December. ( Schw. M. ) Bei uns herrscht der
Krieg und der Schrecken. Jeder kampffähige Mann muß die
Waffen führen; die Jüngeren marschiren zur Armee, die Aelte-
ren bleiben zum Schutze der Stadt zurück. Jn derselben herrscht
eine unbeschreibliche Aufregung, die in eine wahre Verwirrung
ausartet. Die Exaltirten -- zwar die geringere, aber doch die
herrschende Zahl -- scheinen mit nichts Wenigerem umzugehen,
als die Stadt in ein Saragossa zu verwandeln. Rings herum
werden um dieselbe Schanzen aufgeworfen, wobei Jung und
Alt, Männer und Weiber arbeiten. Damit ist es aber noch nicht
genug, sondern man trifft auch bereits Anstalten, einzelne Häu-
ser in eine Art von Citadellen zu verwandeln. Wer sich bei allem
dem lässig zeigen oder wohl gar Bedenklichkeiten äußern wollte,
um den wäre es geschehen, denn es üben die Radicalen einen
furchtbaren Terrorismus. Die Wohlhabenden würden gern
auswandern, wenn sie dabei nicht in die größte Gefahr kämen,
weil man Niemanden fortläßt. Zudem wüßte man ja auch nicht
wohin. So muß denn ein Jeder voll Bangigkeit erwarten, was
noch weiter kommen wird. Daß unter diesen Umständen aller
Verkehr aufhört, und daß ein Jeder nur an sich denkt, das glau-
ben Sie wohl leicht. Ein neuer Schrecken durchläuft so eben die
Stadt. Es heißt, man werde sofort zur Erhebung einer bedeu-
tenden Vermögenssteuer schreiten, die sicher mit der größten
Strenge und Schonungslosigkeit eingezogen werden wird. Vom
Lande her gehen aus allen Gegenden die traurigsten Nachrichten
ein. Preßburg kann sich gegen die ungeheueren feindlichen
Streitkräfte nicht halten. So wie es fällt ( es ist gefallen ) , ergießt
sich der Strom der feindlichen Armeen über das ohnehin schon
halb zu Grunde gerichtete Land. Kossuth hat befohlen, dem
Feinde nur eine Wüste zu überlassen, die Dörfer anzuzünden und
die Mundvorräthe zu vernichten. Unsere Armee ist zahlreich ge-
nug ( man schätzt sie auf mehr als 300,000 Streiter ) ; aber sie
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] daß hierauf die Stadt und Festung Raab besetzt worden sey. Die
Bestätigung ist heute zu erwarten. Das schreibende Hauptquartier
des Marschalls Fürsten Windischgrätz war gestern noch in Karl-
burg. Aus Güns wird vom 19. gemeldet, daß man daselbst den
bekannten magyarischen Chef Perczel erwarte. Aus Oberungarn
fehlen heute neuere Nachrichten.

Wien 23. December. ( St. C. ) Nach einem durch drei Tage
fortgesetzten sehr hitzigen Wahlkampfe entschied sich heute Vormit-
tag der Sieg für den ausgetretenen Reichsminister v. Schmer-
ling.
Er erhielt 54, sein Mitbewerber v. Pillersdorf 32 Stim-
men. Die Denkschrift, welche der Letztere an einem der vorher-
gegangenen Tage bei den Vorberathungen verlas, findet sich heute
vollständig in Kuranda's „Ostdeutscher Post“ abgedruckt, welche
auch selbstständig zur Rechtfertigung desselben auftritt. — Durch
Erlaß des zweiten Armeecorps wurden in Preßburg Ver-
mögensconfiscationen
an folgenden, zum Theil ziemlich
bekannten Personen vorgenommen, welche sich der Rebellion gegen
ihren gesetzmäßigen König theils schuldig, theils verdächtig
gemacht haben: Baron Bayer, unter dem Schriftstellernamen
„Rupertus“ bekannt; Filialcassebeamer Klemm; der Präses
des democratischen Cubs, Nic. Zerdahely; Zeitungsredacteur
Noisser; Buchhändler Reißbach; evangelischer Prediger
Razga. Dagegen wurde die von der illegitimen Landesregie-
rung angeordnete Beschlagnahme getreuer Unterthanen, wie des
Grafen Leopold Palffy, aufgehoben. — Baron Soma-
ruga
ist anstatt des in Ruhestand versetzten Baron Heß zum
ersten Apellationspräsidenten ernannt worden. — Es ist heute
nun schon der vierte Tag, an welchem uns alle Nachrichten vom
ungarischen Kriegsschauplatze fehlen. Dagegen kamen gestern
mehrere Posten von sehr verspätetem Datum aus Ungarn an. —
Der Verkehr auf der Nordbahn erlitt nun nacheinander
Störungen durch unvorhergesehene Zufälle, die ein verzöger-
tes Anlangen um 12 — 24 Stunden herbeiführten. Zum Glück
ging hierbei kein Menschenleben verloren. — Die Stimmung ist
hier fortwährend eine trübe und gedrückte; man sieht zwar in
diesen Tagen nach wie vor Männer und Frauen geschäftig Weih-
nachtsbescheerungen einkaufen; allein der Werth der Einkäufe in
diesem dürfte im Vergleiche mit dem im verflossenen Jahre eine
sehr empfindliche Differenz zum Nachtheile der Verkäufer heraus-
stellen. — Unsere Akademie der Wissenschaften hat ein schwaches
Lebenszeichen ihrer kümmerlichen Vegetation gegeben, indem sich
auf einen Vortrag ihres Präsidenten, Baron Hammer=Purgstall,
sämmtliche Mitglieder verabredeten, sich der längst abzuschaffenden
Anreden in Bezug auf Wohl= und Hochgeborenschaft zu entschla-
gen ( ! ) . — Preßburg und das gleichnamige Comitat sind in
Belagerungszustand erklärt. — Die israelitische Religionsgemeinde
zu Wien beging heute einen feierlichen Gottesdienst aus Anlaß
der Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph. — Sämmtliche
Minister sind wieder in Wien angelangt und werden bis zur
Wiedereröffnung der Reichstagssitzungen hier verbleiben. —
Durch die vollständige Bewilligung des verlangten Finanzcredits
wird der Austritt des Ministers Kraus nunmehr unwahr-
scheinlich.

Berlin 23. December. Die „Hannoversche Morgenzeitung“
läßt sich berichten: „Daß man in den Hofkreisen mit den Um-
wälzungen und Zuständen Frankreichs nicht zufrieden ist, weil
man sie für die Mutter aller Uebel hält, wird Jeder gern glau-
ben. Dennoch aber ist vielleicht kaum irgendwo eifriger für die
erfolgreiche Candidatur Cavaignacs Partei genommen worden,
als in Potsdam, wo der Sieg Louis Napoleons die größte Nie-
dergeschlagenheit hervorgerufen hat. Seit dieser Zeit glaubt man
an einen bevorstehenden Krieg, der für die Dynastien in Deutsch-
land unter den jetzigen Umständen nichts Erfreuliches hat, für
die deutsche Nation aber gewiß noch viel weniger. Denn kein
Volk rechnet wohl weniger darauf, irgend eine Erobernug zu
machen, keines aber sieht sich von seinen mächtigen Nachbarn im
Osten und Westen so gefährdet und ist dabei im Jnnern so uneins
und zerrissen, wie wir es sind. Es rechtfertigt sich demnach aller-
dings, daß in der Stille alle Anstalten getroffen werden, um in-
nerhalb weniger Wochen das ganze Heer mobil zu machen und
nöthigenfalls 150,000 Mann am Rheine beisammen zu haben.
Daß General Wrangel dort den Oberbefehl übernehmen wird, ist
ein Gerücht, welches schon seit eiuigen Tagen umläuft, schwerlich
aber sich eher bestätigt, bis eine wirkliche Gefahr eintritt. Wran-
gel ist allerdings jetzt der einzige preußische General, der von
Schleswig her einen gewissen Kriegsruhm erhalten hat, welcher
ihm jedoch von verschiedenen Seiten streitig gemacht wird, und
zwar am meisten von Generalstabsofficieren. [ Nun, dem alten
Blücher haben sie auch seinen Ruhm streitig gemacht, der Mar-
schall Vorwärts war auch kein großer Strateg, und doch hat er
die Franzosen zum Lande hinausgetrieben! ] Sollte es wirklich zu
[Spaltenumbruch] kriegerischen Ereignissen am Rheine kommen, so wird General
Wrangel gewiß ein Commando übernehmen, allein den Oberbe
fehl wird jedenfalls der Prinz von Preußen führen. Da man nicht
weiß, wie es in Frankreich wird, so dürfte diese Ungewißheit nicht
ohne Einfluß auf unsere Verfassungsverhältnisse bleiben und die
Krone zur Nachgibigkeit in manchen Dingen bewegen. Man soll
nicht abgeneigt seyn, einen Ministerwechsel eintreten zu lassen,
und hört von erneuten Unterhandlungen mit Herrn Camphau-
sen.
Auch sollen die Artikel der Verfassung, welche den meisten
Anstoß erregen und wodurch das Steuerbewilligungsrecht so
wenig klar bestimmt wird, eine andere genauere Fassung erhal-
ten. Alles wird darauf ankommen, wie die Wahlen ausfallen,
deren Wichtigkeit von allen Seiten eingesehen wird. Daß die ra-
dicale Partei große Erfolge hat, darf nicht angenommen werden,
eben so wenig aber werden die eigentlichen Reactionäre bedeutende
Vortheile erreichen. Die öffentliche Meinung spricht sich vielmehr
immer entschiedener dahin aus, daß man gemäßigte Män-
ner
wählen müsse, welche das Gute in der gegebenen Verfassung
festhalten, dabei aber dahin kräftig wirken sollen, daß die unkla-
ren, einer festen gesicherten Freiheit widersprechenden Artikel
daraus entfernt werden.

Ulm 25. December. Vor einigen Tagen ist der preußische
Artilleriegeneral v. Jenichen hier eingetroffen, um hier ebenso
wie vorher in Rastatt auf Befehl des Reichskriegsministeriums
den Vorsitz bei einer Commission zu führen, welche die von der
hiesigen Artillerie=Ausrüstungs=Direction entworfenen Vorschläge
zur Armirung unserer Reichsfestung prüfen und den darauf zu
gründenden Armirungsplan festsetzen soll. Geschütz und Munition
kommt fortwährend an, und dürfte wohl schon mehr als die Hälfte
des nothwendigen Bedarfes vorhanden seyn.

Mannheim 25. December. ( D. Z. ) So eben theilt man
uns die Geständnisse mit, welche bei dem Schlußverhöre in Wein-
heim zu Tage kamen. Sie sind eigener Art. Ein Bürger hatte
sogar seine Pferde zum Herumfahren der Guillotine ver-
sprochen und die Häuser, vor denen sie halten sollte, waren schon
bezeichnet. Jn Folge dieser Geständnisse sind abermals fünf Ver-
haftungen vorgenommen worden und die Untersuchung, welche
bereits ihrem Ende nahe war, dürfte wieder mehr in die Länge
gezogen werden. — Heute wird Struve von Rastatt nach Frei-
burg unter Begleitung einer Compagnie Jnfanterie gebracht, um
dort vor das Schwurgericht gestellt zu werden. Seine Frau soll
nach Neujahr freigelassen werden; doch kann ich das nicht bestä-
tigen. Briefe aus Schleswig=Holstein melden, daß es dort einer
Entscheidung nahe sey, indem die Feindseligkeiten einen ernstern
Charakter annehmen; es seyen bereits Reclamationen wegen
Verstärkung der militärischen Kräfte gemacht worden. An ein
Aushalten des bestimmten Waffenstillstandes dürfe nicht mehr ge-
dacht werden.

Oesterreichische Monarchie.

Pesth 13. December. ( Schw. M. ) Bei uns herrscht der
Krieg und der Schrecken. Jeder kampffähige Mann muß die
Waffen führen; die Jüngeren marschiren zur Armee, die Aelte-
ren bleiben zum Schutze der Stadt zurück. Jn derselben herrscht
eine unbeschreibliche Aufregung, die in eine wahre Verwirrung
ausartet. Die Exaltirten — zwar die geringere, aber doch die
herrschende Zahl — scheinen mit nichts Wenigerem umzugehen,
als die Stadt in ein Saragossa zu verwandeln. Rings herum
werden um dieselbe Schanzen aufgeworfen, wobei Jung und
Alt, Männer und Weiber arbeiten. Damit ist es aber noch nicht
genug, sondern man trifft auch bereits Anstalten, einzelne Häu-
ser in eine Art von Citadellen zu verwandeln. Wer sich bei allem
dem lässig zeigen oder wohl gar Bedenklichkeiten äußern wollte,
um den wäre es geschehen, denn es üben die Radicalen einen
furchtbaren Terrorismus. Die Wohlhabenden würden gern
auswandern, wenn sie dabei nicht in die größte Gefahr kämen,
weil man Niemanden fortläßt. Zudem wüßte man ja auch nicht
wohin. So muß denn ein Jeder voll Bangigkeit erwarten, was
noch weiter kommen wird. Daß unter diesen Umständen aller
Verkehr aufhört, und daß ein Jeder nur an sich denkt, das glau-
ben Sie wohl leicht. Ein neuer Schrecken durchläuft so eben die
Stadt. Es heißt, man werde sofort zur Erhebung einer bedeu-
tenden Vermögenssteuer schreiten, die sicher mit der größten
Strenge und Schonungslosigkeit eingezogen werden wird. Vom
Lande her gehen aus allen Gegenden die traurigsten Nachrichten
ein. Preßburg kann sich gegen die ungeheueren feindlichen
Streitkräfte nicht halten. So wie es fällt ( es ist gefallen ) , ergießt
sich der Strom der feindlichen Armeen über das ohnehin schon
halb zu Grunde gerichtete Land. Kossuth hat befohlen, dem
Feinde nur eine Wüste zu überlassen, die Dörfer anzuzünden und
die Mundvorräthe zu vernichten. Unsere Armee ist zahlreich ge-
nug ( man schätzt sie auf mehr als 300,000 Streiter ) ; aber sie
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[0003] daß hierauf die Stadt und Festung Raab besetzt worden sey. Die Bestätigung ist heute zu erwarten. Das schreibende Hauptquartier des Marschalls Fürsten Windischgrätz war gestern noch in Karl- burg. Aus Güns wird vom 19. gemeldet, daß man daselbst den bekannten magyarischen Chef Perczel erwarte. Aus Oberungarn fehlen heute neuere Nachrichten. Wien 23. December. ( St. C. ) Nach einem durch drei Tage fortgesetzten sehr hitzigen Wahlkampfe entschied sich heute Vormit- tag der Sieg für den ausgetretenen Reichsminister v. Schmer- ling. Er erhielt 54, sein Mitbewerber v. Pillersdorf 32 Stim- men. Die Denkschrift, welche der Letztere an einem der vorher- gegangenen Tage bei den Vorberathungen verlas, findet sich heute vollständig in Kuranda's „Ostdeutscher Post“ abgedruckt, welche auch selbstständig zur Rechtfertigung desselben auftritt. — Durch Erlaß des zweiten Armeecorps wurden in Preßburg Ver- mögensconfiscationen an folgenden, zum Theil ziemlich bekannten Personen vorgenommen, welche sich der Rebellion gegen ihren gesetzmäßigen König theils schuldig, theils verdächtig gemacht haben: Baron Bayer, unter dem Schriftstellernamen „Rupertus“ bekannt; Filialcassebeamer Klemm; der Präses des democratischen Cubs, Nic. Zerdahely; Zeitungsredacteur Noisser; Buchhändler Reißbach; evangelischer Prediger Razga. Dagegen wurde die von der illegitimen Landesregie- rung angeordnete Beschlagnahme getreuer Unterthanen, wie des Grafen Leopold Palffy, aufgehoben. — Baron Soma- ruga ist anstatt des in Ruhestand versetzten Baron Heß zum ersten Apellationspräsidenten ernannt worden. — Es ist heute nun schon der vierte Tag, an welchem uns alle Nachrichten vom ungarischen Kriegsschauplatze fehlen. Dagegen kamen gestern mehrere Posten von sehr verspätetem Datum aus Ungarn an. — Der Verkehr auf der Nordbahn erlitt nun nacheinander Störungen durch unvorhergesehene Zufälle, die ein verzöger- tes Anlangen um 12 — 24 Stunden herbeiführten. Zum Glück ging hierbei kein Menschenleben verloren. — Die Stimmung ist hier fortwährend eine trübe und gedrückte; man sieht zwar in diesen Tagen nach wie vor Männer und Frauen geschäftig Weih- nachtsbescheerungen einkaufen; allein der Werth der Einkäufe in diesem dürfte im Vergleiche mit dem im verflossenen Jahre eine sehr empfindliche Differenz zum Nachtheile der Verkäufer heraus- stellen. — Unsere Akademie der Wissenschaften hat ein schwaches Lebenszeichen ihrer kümmerlichen Vegetation gegeben, indem sich auf einen Vortrag ihres Präsidenten, Baron Hammer=Purgstall, sämmtliche Mitglieder verabredeten, sich der längst abzuschaffenden Anreden in Bezug auf Wohl= und Hochgeborenschaft zu entschla- gen ( ! ) . — Preßburg und das gleichnamige Comitat sind in Belagerungszustand erklärt. — Die israelitische Religionsgemeinde zu Wien beging heute einen feierlichen Gottesdienst aus Anlaß der Thronbesteigung des Kaisers Franz Joseph. — Sämmtliche Minister sind wieder in Wien angelangt und werden bis zur Wiedereröffnung der Reichstagssitzungen hier verbleiben. — Durch die vollständige Bewilligung des verlangten Finanzcredits wird der Austritt des Ministers Kraus nunmehr unwahr- scheinlich. Berlin 23. December. Die „Hannoversche Morgenzeitung“ läßt sich berichten: „Daß man in den Hofkreisen mit den Um- wälzungen und Zuständen Frankreichs nicht zufrieden ist, weil man sie für die Mutter aller Uebel hält, wird Jeder gern glau- ben. Dennoch aber ist vielleicht kaum irgendwo eifriger für die erfolgreiche Candidatur Cavaignacs Partei genommen worden, als in Potsdam, wo der Sieg Louis Napoleons die größte Nie- dergeschlagenheit hervorgerufen hat. Seit dieser Zeit glaubt man an einen bevorstehenden Krieg, der für die Dynastien in Deutsch- land unter den jetzigen Umständen nichts Erfreuliches hat, für die deutsche Nation aber gewiß noch viel weniger. Denn kein Volk rechnet wohl weniger darauf, irgend eine Erobernug zu machen, keines aber sieht sich von seinen mächtigen Nachbarn im Osten und Westen so gefährdet und ist dabei im Jnnern so uneins und zerrissen, wie wir es sind. Es rechtfertigt sich demnach aller- dings, daß in der Stille alle Anstalten getroffen werden, um in- nerhalb weniger Wochen das ganze Heer mobil zu machen und nöthigenfalls 150,000 Mann am Rheine beisammen zu haben. Daß General Wrangel dort den Oberbefehl übernehmen wird, ist ein Gerücht, welches schon seit eiuigen Tagen umläuft, schwerlich aber sich eher bestätigt, bis eine wirkliche Gefahr eintritt. Wran- gel ist allerdings jetzt der einzige preußische General, der von Schleswig her einen gewissen Kriegsruhm erhalten hat, welcher ihm jedoch von verschiedenen Seiten streitig gemacht wird, und zwar am meisten von Generalstabsofficieren. [ Nun, dem alten Blücher haben sie auch seinen Ruhm streitig gemacht, der Mar- schall Vorwärts war auch kein großer Strateg, und doch hat er die Franzosen zum Lande hinausgetrieben! ] Sollte es wirklich zu kriegerischen Ereignissen am Rheine kommen, so wird General Wrangel gewiß ein Commando übernehmen, allein den Oberbe fehl wird jedenfalls der Prinz von Preußen führen. Da man nicht weiß, wie es in Frankreich wird, so dürfte diese Ungewißheit nicht ohne Einfluß auf unsere Verfassungsverhältnisse bleiben und die Krone zur Nachgibigkeit in manchen Dingen bewegen. Man soll nicht abgeneigt seyn, einen Ministerwechsel eintreten zu lassen, und hört von erneuten Unterhandlungen mit Herrn Camphau- sen. Auch sollen die Artikel der Verfassung, welche den meisten Anstoß erregen und wodurch das Steuerbewilligungsrecht so wenig klar bestimmt wird, eine andere genauere Fassung erhal- ten. Alles wird darauf ankommen, wie die Wahlen ausfallen, deren Wichtigkeit von allen Seiten eingesehen wird. Daß die ra- dicale Partei große Erfolge hat, darf nicht angenommen werden, eben so wenig aber werden die eigentlichen Reactionäre bedeutende Vortheile erreichen. Die öffentliche Meinung spricht sich vielmehr immer entschiedener dahin aus, daß man gemäßigte Män- ner wählen müsse, welche das Gute in der gegebenen Verfassung festhalten, dabei aber dahin kräftig wirken sollen, daß die unkla- ren, einer festen gesicherten Freiheit widersprechenden Artikel daraus entfernt werden. Ulm 25. December. Vor einigen Tagen ist der preußische Artilleriegeneral v. Jenichen hier eingetroffen, um hier ebenso wie vorher in Rastatt auf Befehl des Reichskriegsministeriums den Vorsitz bei einer Commission zu führen, welche die von der hiesigen Artillerie=Ausrüstungs=Direction entworfenen Vorschläge zur Armirung unserer Reichsfestung prüfen und den darauf zu gründenden Armirungsplan festsetzen soll. Geschütz und Munition kommt fortwährend an, und dürfte wohl schon mehr als die Hälfte des nothwendigen Bedarfes vorhanden seyn. Mannheim 25. December. ( D. Z. ) So eben theilt man uns die Geständnisse mit, welche bei dem Schlußverhöre in Wein- heim zu Tage kamen. Sie sind eigener Art. Ein Bürger hatte sogar seine Pferde zum Herumfahren der Guillotine ver- sprochen und die Häuser, vor denen sie halten sollte, waren schon bezeichnet. Jn Folge dieser Geständnisse sind abermals fünf Ver- haftungen vorgenommen worden und die Untersuchung, welche bereits ihrem Ende nahe war, dürfte wieder mehr in die Länge gezogen werden. — Heute wird Struve von Rastatt nach Frei- burg unter Begleitung einer Compagnie Jnfanterie gebracht, um dort vor das Schwurgericht gestellt zu werden. Seine Frau soll nach Neujahr freigelassen werden; doch kann ich das nicht bestä- tigen. Briefe aus Schleswig=Holstein melden, daß es dort einer Entscheidung nahe sey, indem die Feindseligkeiten einen ernstern Charakter annehmen; es seyen bereits Reclamationen wegen Verstärkung der militärischen Kräfte gemacht worden. An ein Aushalten des bestimmten Waffenstillstandes dürfe nicht mehr ge- dacht werden. Oesterreichische Monarchie. Pesth 13. December. ( Schw. M. ) Bei uns herrscht der Krieg und der Schrecken. Jeder kampffähige Mann muß die Waffen führen; die Jüngeren marschiren zur Armee, die Aelte- ren bleiben zum Schutze der Stadt zurück. Jn derselben herrscht eine unbeschreibliche Aufregung, die in eine wahre Verwirrung ausartet. Die Exaltirten — zwar die geringere, aber doch die herrschende Zahl — scheinen mit nichts Wenigerem umzugehen, als die Stadt in ein Saragossa zu verwandeln. Rings herum werden um dieselbe Schanzen aufgeworfen, wobei Jung und Alt, Männer und Weiber arbeiten. Damit ist es aber noch nicht genug, sondern man trifft auch bereits Anstalten, einzelne Häu- ser in eine Art von Citadellen zu verwandeln. Wer sich bei allem dem lässig zeigen oder wohl gar Bedenklichkeiten äußern wollte, um den wäre es geschehen, denn es üben die Radicalen einen furchtbaren Terrorismus. Die Wohlhabenden würden gern auswandern, wenn sie dabei nicht in die größte Gefahr kämen, weil man Niemanden fortläßt. Zudem wüßte man ja auch nicht wohin. So muß denn ein Jeder voll Bangigkeit erwarten, was noch weiter kommen wird. Daß unter diesen Umständen aller Verkehr aufhört, und daß ein Jeder nur an sich denkt, das glau- ben Sie wohl leicht. Ein neuer Schrecken durchläuft so eben die Stadt. Es heißt, man werde sofort zur Erhebung einer bedeu- tenden Vermögenssteuer schreiten, die sicher mit der größten Strenge und Schonungslosigkeit eingezogen werden wird. Vom Lande her gehen aus allen Gegenden die traurigsten Nachrichten ein. Preßburg kann sich gegen die ungeheueren feindlichen Streitkräfte nicht halten. So wie es fällt ( es ist gefallen ) , ergießt sich der Strom der feindlichen Armeen über das ohnehin schon halb zu Grunde gerichtete Land. Kossuth hat befohlen, dem Feinde nur eine Wüste zu überlassen, die Dörfer anzuzünden und die Mundvorräthe zu vernichten. Unsere Armee ist zahlreich ge- nug ( man schätzt sie auf mehr als 300,000 Streiter ) ; aber sie

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal175_1848/3>, abgerufen am 06.06.2024.