Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mainzer Journal. Nr. 174. Mainz, 27. Dezember 1848.

Bild:
<< vorherige Seite
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 174. Donnerstag, den 28. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 16. December. ( D. Z. ) Ueber unsere Zustände kann
ich im Allgemeinen Besseres sagen, als seit lange. Der junge
Kaiser geht mit wahrem Ernste und feinstem Verständnisse an
seine große Aufgabe, so daß sein Verfahren überall den günstigsten
Eindruck erzeugt, namentlich auf die Minister, wie aus Stadions
und Bachs Munde vielfach zu vernehmen ist. Der junge Mon-
arch will sein Wort, "kein besonderes Cabinet zu haben" in
Wahrheit erfüllen. Die verantwortlichen Minister sollen nicht
allein seine Regierung, sondern auch sein Cabinet bilden. Diese
Wechselbeziehung in innigster Weise zu erhalten, streben die Mi-
nister mit aller Anstrengung ihrer Kräfte an, da es ihnen nicht
geringe Opfer auch nur an Zeit kostet, jede Woche zwei Tage
in Olmütz zuzubringen, die übrigen Tage aber vom Reichstage
in Kremsier und den nothwendigen Fahrten nach Wien in Anspruch
genommen zu werden. Für die eigentliche Regierungsthätigkeit,
besonders mit Rücksicht auf die großen im Zuge befindlichen Orga-
nisationsarbeiten, bleibt ihnen ein unverhältnißmäßig beschränk-
ter Raum. Stadion beabsichtigt deshalb, sich fortan nur die Cor-
respondenz mit den Gouverneurs unmittelbar vorzubehalten, die
übrigen Ministerialgeschäfte, mit Ausnahme der Organisations-
fragen, den Secretären des Ministeriums zu überlassen. Aehnliche
Einrichtungen müssen die übrigen Minister treffen, wenn die be-
ständigen Actennachsendungen nicht peinliche Verwirrung und
fortwährende Geschäftshemmungen herbeiführen sollen. Das Mi-
nisterium ist einer nicht unbedeutenden Mehrheit in der Kammer
so sicher, als man es bei einer von den verschiedenartigsten Jn-
teressen und Leidenschaften beherrschten, wenig Capicitäten und
noch weniger Charaktere zählenden Versammlung seyn kann. Es
erhält übrigens Vertrauensadressen von allen Seiten, und wie ge-
wöhnlich bei dem Mangel politischen Sinnes im Volke, das dem
Zeitungsurtheile blindlings nachgeht, werfen die günstigen Ur-
theile der fremden Presse, insbesondere der englischen und franzö-
sischen, ein großes Gewicht in die Wagschale. Sehr zweckmäßig
ist das ganze Streben die politische Verwaltung auch in den un-
tersten Jnstanzen nur mit Leuten des neuen Systemes zu besetzen,
und nicht das ganze alte Schreibervolk inventarisch zu überneh-
men. Ebenso freilich werden diejenigen politischen Beamten,
welche der Octoberfreiheit nicht blos gezwungen, sondern aus
Neigung huldigten, entlassen.

Mit Welden, der rauh aber kräftig die Gouvernements-
zügel in dem gebändigten, aber noch lange nicht gesicherten Wien
führt, sind die Minister sehr zufrieden und wohl im Herzens-
grunde froh, daß der eiserne Feldmarschall Windischgrätz seinen
Kriegszug gegen Ungarn begonnen. Der letztere wird, dem glück-
lichen Anfange gemäß zu urtheilen, nicht lange währen. Wie
frech aber in Ungarn die Lüge herrscht und wie Kossuth weder die
Fälschung noch die Unterdrückung der Wahrheit scheut, geht auch aus
Folgendem hervor. Oberst K. kam heute früh 4 Uhr aus dem Haupt-
quartier des Fürsten Windischgrätz. Er hatte dort eine Menge Offi-
ciere, die sich von den Ungarn loszumachen gewußt, angetroffen und
noch immer vermehrte sich ihre Zahl. Sie versicherten von den
kaiserlichen Proclamationen in Ungarn kein Blättchen gesehen und
kein Wort gehört zu haben. Dagegen zeigte einer jener Officiere
eine falsche Wiener Zeitung vor, worin Windischgrätz und
der Ban Jellachich vom Kaiser wegen des Bombardements von
Wien für Verräther erklärt wurden!

Berlin 23. December. ( K. Z. ) Was ich Jhnen in meinem
jüngsten Briefe von den unveränderten Beziehungen zu Frankreich
sagte, bestätigt sich vollkommen. Wenn Truppen am Rheine con-
centrirt werden, so ist daraus kein irgend welcher Schluß auf
drohenden Friedensbruch zu ziehen. Diplomatisch=officiöse Erklä-
rungen, die in dieser Hinsicht von einer auswärtigen Macht ge-
wünscht wurden, sind in einer Weise gegeben, welche die Freunde
des Status quo in Europa ( deren gibt es freilich in geringerer
Anzahl, als früher ) völlig beruhigen dürfen. Bei dem Diner,
das gestern Wrangel dem Minister Arago zu Ehren gegeben hat,
ward dieser von dem Generale sehr freundlich behandelt. Die
Antwort endlich, welche der König einer Deputation ertheilt und
die so kriegerisch gelautet haben soll, ist durchaus mißverstanden
worden. Dies alles dürfen wir entschieden verbürgen. -- Die
Gerüchte über eine Ministerkrisis scheinen voreilig zu seyn.

Frankfurt 27. December. ( O. P. A. Z. ) So eben erhalten
wir die zuverlässige Nachricht, daß Herr v. Schmerling auf seiner
[Spaltenumbruch] Reise nach Olmütz in Leipzig durch einen nach Frankfurt gehen-
den Courier der österreichischen Regierung eine Zuschrift des öster-
reichischen Ministeriums erhielt, wodurch er zum österreichischen
Bevollmächtigten bei der Centralgewalt ernannt wurde. Wir
glauben nicht zu irren, wenn wir hierin einen Beweis erblicken,
wie sehr die österreichische Regierung von der Wichtigkeit der
deutschen Frage durchdrungen ist, und wenn wir darin einen
Fingerzeig über die Ansicht zu erkennen glauben, welche das öster-
reichische Ministerium von dem Gagernschen Programme hegt.

Jtalien.

Rom 16. December. ( O. P. A. Z. ) Die Ruhe fängt an,
zu unnatürlich zu werden, als daß sie nicht Verdacht erwecken
müßte. Namentlich fällt es auf, daß die Kammern seit einigen
Tagen keine Sitzungen mehr halten. Der Weg der scheinbaren
Gesetzlichkeit ist zu Ende, und man ist nicht zum Ziele gelangt.
Alles ist rath= und thatlos. Die Regierungsjunta soll sich zum
Antritte ihres Amtes nur in sofern bereit erklärt haben, als ihr
von Seiten des Papstes eine Bestätigung zu Theil werde. Von
Pius aber soll ein Ultimatum eingetroffen seyn, das im wesent-
lichsten Auflösung der Bürgergarde, Beschränkung der Clubs
und der Presse, Bestrafung der Mörder Rossi's verlange. Wer
aber, selbst wenn die Regierung nachgeben wollte, hätte jetzt
die Kraft, diese Befehle auszuführen? Clubs und Presse haben
die Macht in Händen und verlangen "ganze" Maßregeln nach
der andern Seite hin. General Ferrari führt aus Venedig
Truppen herbei, um "die Freiheiten des Volkes" zu vertheidigen.
Das größte Unheil aber droht, wenn nicht bald Hilfe kommt,
Garibaldi, der mit seinem Adjutanten Massini seit einigen
Tagen hier verweilt. Man erwartete schon am Abende nach sei-
ner Ankunft Conflicte; starke Patrouillen erhielten jedoch Ruhe;
und überhaupt recognoscirt dieser Häuptling für den Augenblick
nur das Terrain. Seine Schaaren, einige hunderte des auser-
lesensten Gesindels aller Nationen ( nach dem eigenen Geständnisse
der Führer ) , werden nächstens erwartet, um den Kampf haupt-
sächlich gegen Fürsten und Geistlichkeit, d. h. gegen den Besitz
zu beginnen.

Rom 18. December. Gestern, Sonntag, wo die Leute nichts
zu thun haben, wurde Abends wieder eine Demonstration veran-
staltet. Ein ziemlich großer Volkshaufe, wohl größtentheils aus
Neugierigen bestehend, zog von Porto del Popolo nach der Woh-
nung Garibaldis, um diesem ein Hoch zu bringen, sodann zu den
Ministern, um sie zu kräftigerm Vorschreiten anzufeuern ( " violen-
tarlo
", wie es Garibaldi in Florenz genannt hat ) . Man war
deshalb für die öffentliche Ruhe besorgt; die Civica war auf den
Hauptplätzen aufgestellt; bis jetzt jedoch ( 2 Uhr Nachmittags )
herrscht Ruhe und die Aufregung scheint nachzulassen. Das Mi-
nisterium hat eine Proclamation veröffentlicht, in der es heißt, daß
es nicht von ihm abhänge, die Forderungen des Volkes zu ver-
wirklichen. Man möge sich an die Kammer wenden auf gesetzlichem
Wege, d. h. durch schriftliche Petitionen, nicht durch drohende Be-
zeugungen. Schlimm, daß das Ministerium selbst aus einer sol-
chen Bezeugung hervorgegangen ist, und noch nicht Ordnung
zu erhalten im Stande ist. Auch gestern hatte sich eine gute Zahl
Carabinieri bei dem Aufzuge betheiligt. -- Die Regierungscom-
mission scheint vom Papste aufgegeben zu seyn. Statt derselben
circulirt eine vollständige Ministerliste, theilweise aus denselben
Namen bestehend, worunter Cardinal Antonelli, Rosmini, Zucchi,
Montanari ( Minister unter Rossi ) , Bevilacqua, Pizzoli ( zwei
Bologneser Deputirten ) , Ricci ( Deputirter von Macerata ) . Sie
scheint mit dem Ultimatum zugleich eingetroffen zu seyn, das zu
den früher gemeldeten Bedingungen auch noch Rücktritt des Mi-
nisteriums und Auflösung der Kammer hinzufügt. Auch dieses
Actenstück will man hier nicht anerkennen. Ueber die weiteren
Absichten des Papstes sind viele Gerüchte im Umlauf, z. B. er
werde nach Civita Vecchia kommen, wo 500 Franzosen und Eng-
länder als Ehrenwache mit ihm ans Land steigen und ein ver-
einigtes Geschwader vor dem Hafen liegen bleiben würde. Zucchi,
Bevilacqua ( und wahrscheinlich Ricci ) sind nach Gaeta gegangen,
jedoch nicht, wie toscanische Blätter melden, über Florenz und
das radicale Livorno. Dieses Gerücht war künstlich gemacht,
um der Deputation eine ruhige Reise durch die Marken zu sichern,
die dem Papste zum größten Theile zugethan sind. Zucchi ist in
Bologna fast einstimmig zum Deputirten gewählt worden.

[Ende Spaltensatz]
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 174. Donnerstag, den 28. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 16. December. ( D. Z. ) Ueber unsere Zustände kann
ich im Allgemeinen Besseres sagen, als seit lange. Der junge
Kaiser geht mit wahrem Ernste und feinstem Verständnisse an
seine große Aufgabe, so daß sein Verfahren überall den günstigsten
Eindruck erzeugt, namentlich auf die Minister, wie aus Stadions
und Bachs Munde vielfach zu vernehmen ist. Der junge Mon-
arch will sein Wort, „kein besonderes Cabinet zu haben“ in
Wahrheit erfüllen. Die verantwortlichen Minister sollen nicht
allein seine Regierung, sondern auch sein Cabinet bilden. Diese
Wechselbeziehung in innigster Weise zu erhalten, streben die Mi-
nister mit aller Anstrengung ihrer Kräfte an, da es ihnen nicht
geringe Opfer auch nur an Zeit kostet, jede Woche zwei Tage
in Olmütz zuzubringen, die übrigen Tage aber vom Reichstage
in Kremsier und den nothwendigen Fahrten nach Wien in Anspruch
genommen zu werden. Für die eigentliche Regierungsthätigkeit,
besonders mit Rücksicht auf die großen im Zuge befindlichen Orga-
nisationsarbeiten, bleibt ihnen ein unverhältnißmäßig beschränk-
ter Raum. Stadion beabsichtigt deshalb, sich fortan nur die Cor-
respondenz mit den Gouverneurs unmittelbar vorzubehalten, die
übrigen Ministerialgeschäfte, mit Ausnahme der Organisations-
fragen, den Secretären des Ministeriums zu überlassen. Aehnliche
Einrichtungen müssen die übrigen Minister treffen, wenn die be-
ständigen Actennachsendungen nicht peinliche Verwirrung und
fortwährende Geschäftshemmungen herbeiführen sollen. Das Mi-
nisterium ist einer nicht unbedeutenden Mehrheit in der Kammer
so sicher, als man es bei einer von den verschiedenartigsten Jn-
teressen und Leidenschaften beherrschten, wenig Capicitäten und
noch weniger Charaktere zählenden Versammlung seyn kann. Es
erhält übrigens Vertrauensadressen von allen Seiten, und wie ge-
wöhnlich bei dem Mangel politischen Sinnes im Volke, das dem
Zeitungsurtheile blindlings nachgeht, werfen die günstigen Ur-
theile der fremden Presse, insbesondere der englischen und franzö-
sischen, ein großes Gewicht in die Wagschale. Sehr zweckmäßig
ist das ganze Streben die politische Verwaltung auch in den un-
tersten Jnstanzen nur mit Leuten des neuen Systemes zu besetzen,
und nicht das ganze alte Schreibervolk inventarisch zu überneh-
men. Ebenso freilich werden diejenigen politischen Beamten,
welche der Octoberfreiheit nicht blos gezwungen, sondern aus
Neigung huldigten, entlassen.

Mit Welden, der rauh aber kräftig die Gouvernements-
zügel in dem gebändigten, aber noch lange nicht gesicherten Wien
führt, sind die Minister sehr zufrieden und wohl im Herzens-
grunde froh, daß der eiserne Feldmarschall Windischgrätz seinen
Kriegszug gegen Ungarn begonnen. Der letztere wird, dem glück-
lichen Anfange gemäß zu urtheilen, nicht lange währen. Wie
frech aber in Ungarn die Lüge herrscht und wie Kossuth weder die
Fälschung noch die Unterdrückung der Wahrheit scheut, geht auch aus
Folgendem hervor. Oberst K. kam heute früh 4 Uhr aus dem Haupt-
quartier des Fürsten Windischgrätz. Er hatte dort eine Menge Offi-
ciere, die sich von den Ungarn loszumachen gewußt, angetroffen und
noch immer vermehrte sich ihre Zahl. Sie versicherten von den
kaiserlichen Proclamationen in Ungarn kein Blättchen gesehen und
kein Wort gehört zu haben. Dagegen zeigte einer jener Officiere
eine falsche Wiener Zeitung vor, worin Windischgrätz und
der Ban Jellachich vom Kaiser wegen des Bombardements von
Wien für Verräther erklärt wurden!

Berlin 23. December. ( K. Z. ) Was ich Jhnen in meinem
jüngsten Briefe von den unveränderten Beziehungen zu Frankreich
sagte, bestätigt sich vollkommen. Wenn Truppen am Rheine con-
centrirt werden, so ist daraus kein irgend welcher Schluß auf
drohenden Friedensbruch zu ziehen. Diplomatisch=officiöse Erklä-
rungen, die in dieser Hinsicht von einer auswärtigen Macht ge-
wünscht wurden, sind in einer Weise gegeben, welche die Freunde
des Status quo in Europa ( deren gibt es freilich in geringerer
Anzahl, als früher ) völlig beruhigen dürfen. Bei dem Diner,
das gestern Wrangel dem Minister Arago zu Ehren gegeben hat,
ward dieser von dem Generale sehr freundlich behandelt. Die
Antwort endlich, welche der König einer Deputation ertheilt und
die so kriegerisch gelautet haben soll, ist durchaus mißverstanden
worden. Dies alles dürfen wir entschieden verbürgen. — Die
Gerüchte über eine Ministerkrisis scheinen voreilig zu seyn.

Frankfurt 27. December. ( O. P. A. Z. ) So eben erhalten
wir die zuverlässige Nachricht, daß Herr v. Schmerling auf seiner
[Spaltenumbruch] Reise nach Olmütz in Leipzig durch einen nach Frankfurt gehen-
den Courier der österreichischen Regierung eine Zuschrift des öster-
reichischen Ministeriums erhielt, wodurch er zum österreichischen
Bevollmächtigten bei der Centralgewalt ernannt wurde. Wir
glauben nicht zu irren, wenn wir hierin einen Beweis erblicken,
wie sehr die österreichische Regierung von der Wichtigkeit der
deutschen Frage durchdrungen ist, und wenn wir darin einen
Fingerzeig über die Ansicht zu erkennen glauben, welche das öster-
reichische Ministerium von dem Gagernschen Programme hegt.

Jtalien.

Rom 16. December. ( O. P. A. Z. ) Die Ruhe fängt an,
zu unnatürlich zu werden, als daß sie nicht Verdacht erwecken
müßte. Namentlich fällt es auf, daß die Kammern seit einigen
Tagen keine Sitzungen mehr halten. Der Weg der scheinbaren
Gesetzlichkeit ist zu Ende, und man ist nicht zum Ziele gelangt.
Alles ist rath= und thatlos. Die Regierungsjunta soll sich zum
Antritte ihres Amtes nur in sofern bereit erklärt haben, als ihr
von Seiten des Papstes eine Bestätigung zu Theil werde. Von
Pius aber soll ein Ultimatum eingetroffen seyn, das im wesent-
lichsten Auflösung der Bürgergarde, Beschränkung der Clubs
und der Presse, Bestrafung der Mörder Rossi's verlange. Wer
aber, selbst wenn die Regierung nachgeben wollte, hätte jetzt
die Kraft, diese Befehle auszuführen? Clubs und Presse haben
die Macht in Händen und verlangen „ganze“ Maßregeln nach
der andern Seite hin. General Ferrari führt aus Venedig
Truppen herbei, um „die Freiheiten des Volkes“ zu vertheidigen.
Das größte Unheil aber droht, wenn nicht bald Hilfe kommt,
Garibaldi, der mit seinem Adjutanten Massini seit einigen
Tagen hier verweilt. Man erwartete schon am Abende nach sei-
ner Ankunft Conflicte; starke Patrouillen erhielten jedoch Ruhe;
und überhaupt recognoscirt dieser Häuptling für den Augenblick
nur das Terrain. Seine Schaaren, einige hunderte des auser-
lesensten Gesindels aller Nationen ( nach dem eigenen Geständnisse
der Führer ) , werden nächstens erwartet, um den Kampf haupt-
sächlich gegen Fürsten und Geistlichkeit, d. h. gegen den Besitz
zu beginnen.

Rom 18. December. Gestern, Sonntag, wo die Leute nichts
zu thun haben, wurde Abends wieder eine Demonstration veran-
staltet. Ein ziemlich großer Volkshaufe, wohl größtentheils aus
Neugierigen bestehend, zog von Porto del Popolo nach der Woh-
nung Garibaldis, um diesem ein Hoch zu bringen, sodann zu den
Ministern, um sie zu kräftigerm Vorschreiten anzufeuern ( „ violen-
tarlo
“, wie es Garibaldi in Florenz genannt hat ) . Man war
deshalb für die öffentliche Ruhe besorgt; die Civica war auf den
Hauptplätzen aufgestellt; bis jetzt jedoch ( 2 Uhr Nachmittags )
herrscht Ruhe und die Aufregung scheint nachzulassen. Das Mi-
nisterium hat eine Proclamation veröffentlicht, in der es heißt, daß
es nicht von ihm abhänge, die Forderungen des Volkes zu ver-
wirklichen. Man möge sich an die Kammer wenden auf gesetzlichem
Wege, d. h. durch schriftliche Petitionen, nicht durch drohende Be-
zeugungen. Schlimm, daß das Ministerium selbst aus einer sol-
chen Bezeugung hervorgegangen ist, und noch nicht Ordnung
zu erhalten im Stande ist. Auch gestern hatte sich eine gute Zahl
Carabinieri bei dem Aufzuge betheiligt. — Die Regierungscom-
mission scheint vom Papste aufgegeben zu seyn. Statt derselben
circulirt eine vollständige Ministerliste, theilweise aus denselben
Namen bestehend, worunter Cardinal Antonelli, Rosmini, Zucchi,
Montanari ( Minister unter Rossi ) , Bevilacqua, Pizzoli ( zwei
Bologneser Deputirten ) , Ricci ( Deputirter von Macerata ) . Sie
scheint mit dem Ultimatum zugleich eingetroffen zu seyn, das zu
den früher gemeldeten Bedingungen auch noch Rücktritt des Mi-
nisteriums und Auflösung der Kammer hinzufügt. Auch dieses
Actenstück will man hier nicht anerkennen. Ueber die weiteren
Absichten des Papstes sind viele Gerüchte im Umlauf, z. B. er
werde nach Civita Vecchia kommen, wo 500 Franzosen und Eng-
länder als Ehrenwache mit ihm ans Land steigen und ein ver-
einigtes Geschwader vor dem Hafen liegen bleiben würde. Zucchi,
Bevilacqua ( und wahrscheinlich Ricci ) sind nach Gaeta gegangen,
jedoch nicht, wie toscanische Blätter melden, über Florenz und
das radicale Livorno. Dieses Gerücht war künstlich gemacht,
um der Deputation eine ruhige Reise durch die Marken zu sichern,
die dem Papste zum größten Theile zugethan sind. Zucchi ist in
Bologna fast einstimmig zum Deputirten gewählt worden.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <back>
      <pb facs="#f0005"/>
      <div>
        <floatingText>
          <front>
            <titlePage type="heading">
              <docTitle>
                <titlePart type="main"> <hi rendition="#fr">Beilage zum Mainzer Journal.</hi> </titlePart>
              </docTitle><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <docImprint>N<hi rendition="#sup">ro</hi> 174.   <docDate><hi rendition="#c">Donnerstag, den 28. December.</hi><hi rendition="#right">1848.</hi></docDate></docImprint><lb/>
            </titlePage>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </front>
          <body>
            <cb type="start"/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head> <hi rendition="#g">Deutschland.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Wien 16. December. ( D. Z. ) Ueber unsere Zustände kann<lb/>
ich im Allgemeinen Besseres sagen, als seit lange. Der junge<lb/>
Kaiser geht mit wahrem Ernste und feinstem Verständnisse an<lb/>
seine große Aufgabe, so daß sein Verfahren überall den günstigsten<lb/>
Eindruck erzeugt, namentlich auf die Minister, wie aus Stadions<lb/>
und Bachs Munde vielfach zu vernehmen ist. Der junge Mon-<lb/>
arch will sein Wort, &#x201E;kein besonderes Cabinet zu haben&#x201C; in<lb/>
Wahrheit erfüllen. Die verantwortlichen Minister sollen nicht<lb/>
allein seine Regierung, sondern auch sein Cabinet bilden. Diese<lb/>
Wechselbeziehung in innigster Weise zu erhalten, streben die Mi-<lb/>
nister mit aller Anstrengung ihrer Kräfte an, da es ihnen nicht<lb/>
geringe Opfer auch nur an Zeit kostet, jede Woche zwei Tage<lb/>
in Olmütz zuzubringen, die übrigen Tage aber vom Reichstage<lb/>
in Kremsier und den nothwendigen Fahrten nach Wien in Anspruch<lb/>
genommen zu werden. Für die eigentliche Regierungsthätigkeit,<lb/>
besonders mit Rücksicht auf die großen im Zuge befindlichen Orga-<lb/>
nisationsarbeiten, bleibt ihnen ein unverhältnißmäßig beschränk-<lb/>
ter Raum. Stadion beabsichtigt deshalb, sich fortan nur die Cor-<lb/>
respondenz mit den Gouverneurs unmittelbar vorzubehalten, die<lb/>
übrigen Ministerialgeschäfte, mit Ausnahme der Organisations-<lb/>
fragen, den Secretären des Ministeriums zu überlassen. Aehnliche<lb/>
Einrichtungen müssen die übrigen Minister treffen, wenn die be-<lb/>
ständigen Actennachsendungen nicht peinliche Verwirrung und<lb/>
fortwährende Geschäftshemmungen herbeiführen sollen. Das Mi-<lb/>
nisterium ist einer nicht unbedeutenden Mehrheit in der Kammer<lb/>
so sicher, als man es bei einer von den verschiedenartigsten Jn-<lb/>
teressen und Leidenschaften beherrschten, wenig Capicitäten und<lb/>
noch weniger Charaktere zählenden Versammlung seyn kann. Es<lb/>
erhält übrigens Vertrauensadressen von allen Seiten, und wie ge-<lb/>
wöhnlich bei dem Mangel politischen Sinnes im Volke, das dem<lb/>
Zeitungsurtheile blindlings nachgeht, werfen die günstigen Ur-<lb/>
theile der fremden Presse, insbesondere der englischen und franzö-<lb/>
sischen, ein großes Gewicht in die Wagschale. Sehr zweckmäßig<lb/>
ist das ganze Streben die politische Verwaltung auch in den un-<lb/>
tersten Jnstanzen nur mit Leuten des neuen Systemes zu besetzen,<lb/>
und nicht das ganze alte Schreibervolk inventarisch zu überneh-<lb/>
men. Ebenso freilich werden diejenigen politischen Beamten,<lb/>
welche der Octoberfreiheit nicht blos gezwungen, sondern aus<lb/>
Neigung huldigten, entlassen.</p><lb/>
                <p>Mit <hi rendition="#g">Welden,</hi> der rauh aber kräftig die Gouvernements-<lb/>
zügel in dem gebändigten, aber noch lange nicht gesicherten Wien<lb/>
führt, sind die Minister sehr zufrieden und wohl im Herzens-<lb/>
grunde froh, daß der eiserne Feldmarschall Windischgrätz seinen<lb/>
Kriegszug gegen Ungarn begonnen. Der letztere wird, dem glück-<lb/>
lichen Anfange gemäß zu urtheilen, nicht lange währen. Wie<lb/>
frech aber in Ungarn die Lüge herrscht und wie Kossuth weder die<lb/>
Fälschung noch die Unterdrückung der Wahrheit scheut, geht auch aus<lb/>
Folgendem hervor. Oberst K. kam heute früh 4 Uhr aus dem Haupt-<lb/>
quartier des Fürsten Windischgrätz. Er hatte dort eine Menge Offi-<lb/>
ciere, die sich von den Ungarn loszumachen gewußt, angetroffen und<lb/>
noch immer vermehrte sich ihre Zahl. Sie versicherten von den<lb/>
kaiserlichen Proclamationen in Ungarn kein Blättchen gesehen und<lb/>
kein Wort gehört zu haben. Dagegen zeigte einer jener Officiere<lb/>
eine <hi rendition="#g">falsche Wiener Zeitung</hi> vor, worin Windischgrätz und<lb/>
der Ban Jellachich vom Kaiser wegen des Bombardements von<lb/>
Wien für Verräther erklärt wurden!</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Berlin 23. December. ( K. Z. ) Was ich Jhnen in meinem<lb/>
jüngsten Briefe von den unveränderten Beziehungen zu Frankreich<lb/>
sagte, bestätigt sich vollkommen. Wenn Truppen am Rheine con-<lb/>
centrirt werden, so ist daraus kein irgend welcher Schluß auf<lb/>
drohenden Friedensbruch zu ziehen. Diplomatisch=officiöse Erklä-<lb/>
rungen, die in dieser Hinsicht von einer auswärtigen Macht ge-<lb/>
wünscht wurden, sind in einer Weise gegeben, welche die Freunde<lb/>
des <hi rendition="#aq">Status quo</hi> in Europa ( deren gibt es freilich in geringerer<lb/>
Anzahl, als früher ) völlig beruhigen dürfen. Bei dem Diner,<lb/>
das gestern Wrangel dem Minister Arago zu Ehren gegeben hat,<lb/>
ward dieser von dem Generale sehr freundlich behandelt. Die<lb/>
Antwort endlich, welche der König einer Deputation ertheilt und<lb/>
die so kriegerisch gelautet haben soll, ist durchaus mißverstanden<lb/>
worden. Dies alles dürfen wir entschieden verbürgen. &#x2014; Die<lb/>
Gerüchte über eine Ministerkrisis scheinen voreilig zu seyn.</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Frankfurt 27. December. ( O. P. A. Z. ) So eben erhalten<lb/>
wir die zuverlässige Nachricht, daß Herr v. Schmerling auf seiner<lb/><cb n="2"/>
Reise nach Olmütz in Leipzig durch einen nach Frankfurt gehen-<lb/>
den Courier der österreichischen Regierung eine Zuschrift des öster-<lb/>
reichischen Ministeriums erhielt, wodurch er zum österreichischen<lb/>
Bevollmächtigten bei der Centralgewalt ernannt wurde. Wir<lb/>
glauben nicht zu irren, wenn wir hierin einen Beweis erblicken,<lb/>
wie sehr die österreichische Regierung von der Wichtigkeit der<lb/>
deutschen Frage durchdrungen ist, und wenn wir darin einen<lb/>
Fingerzeig über die Ansicht zu erkennen glauben, welche das öster-<lb/>
reichische Ministerium von dem Gagernschen Programme hegt.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <div type="jPoliticalNews" n="1">
              <head> <hi rendition="#g">Jtalien.</hi> </head><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Rom 16. December. ( O. P. A. Z. ) Die Ruhe fängt an,<lb/>
zu unnatürlich zu werden, als daß sie nicht Verdacht erwecken<lb/>
müßte. Namentlich fällt es auf, daß die Kammern seit einigen<lb/>
Tagen keine Sitzungen mehr halten. Der Weg der scheinbaren<lb/>
Gesetzlichkeit ist zu Ende, und man ist <hi rendition="#g">nicht</hi> zum Ziele gelangt.<lb/>
Alles ist rath= und thatlos. Die Regierungsjunta soll sich zum<lb/>
Antritte ihres Amtes nur in sofern bereit erklärt haben, als ihr<lb/>
von Seiten des Papstes eine Bestätigung zu Theil werde. Von<lb/>
Pius aber soll ein Ultimatum eingetroffen seyn, das im wesent-<lb/>
lichsten Auflösung der Bürgergarde, Beschränkung der Clubs<lb/>
und der Presse, Bestrafung der Mörder Rossi's verlange. Wer<lb/>
aber, selbst wenn die Regierung nachgeben wollte, hätte jetzt<lb/>
die Kraft, diese Befehle auszuführen? Clubs und Presse haben<lb/>
die Macht in Händen und verlangen &#x201E;ganze&#x201C; Maßregeln nach<lb/>
der andern Seite hin. General Ferrari führt aus Venedig<lb/>
Truppen herbei, um &#x201E;die Freiheiten des Volkes&#x201C; zu vertheidigen.<lb/>
Das größte Unheil aber droht, wenn nicht bald Hilfe kommt,<lb/><hi rendition="#g">Garibaldi,</hi> der mit seinem Adjutanten Massini seit einigen<lb/>
Tagen hier verweilt. Man erwartete schon am Abende nach sei-<lb/>
ner Ankunft Conflicte; starke Patrouillen erhielten jedoch Ruhe;<lb/>
und überhaupt recognoscirt dieser Häuptling für den Augenblick<lb/>
nur das Terrain. Seine Schaaren, einige hunderte des auser-<lb/>
lesensten Gesindels aller Nationen ( nach dem eigenen Geständnisse<lb/>
der Führer ) , werden nächstens erwartet, um den Kampf haupt-<lb/>
sächlich gegen Fürsten und Geistlichkeit, d. h. gegen den Besitz<lb/>
zu beginnen.</p>
              </div><lb/>
              <div type="jArticle" n="2">
                <p>Rom 18. December. Gestern, Sonntag, wo die Leute nichts<lb/>
zu thun haben, wurde Abends wieder eine Demonstration veran-<lb/>
staltet. Ein ziemlich großer Volkshaufe, wohl größtentheils aus<lb/>
Neugierigen bestehend, zog von Porto del Popolo nach der Woh-<lb/>
nung Garibaldis, um diesem ein Hoch zu bringen, sodann zu den<lb/>
Ministern, um sie zu kräftigerm Vorschreiten anzufeuern ( &#x201E; <hi rendition="#aq">violen-<lb/>
tarlo</hi> &#x201C;, wie es Garibaldi in Florenz genannt hat ) . Man war<lb/>
deshalb für die öffentliche Ruhe besorgt; die Civica war auf den<lb/>
Hauptplätzen aufgestellt; bis jetzt jedoch ( 2 Uhr Nachmittags )<lb/>
herrscht Ruhe und die Aufregung scheint nachzulassen. Das Mi-<lb/>
nisterium hat eine Proclamation veröffentlicht, in der es heißt, daß<lb/>
es nicht von ihm abhänge, die Forderungen des Volkes zu ver-<lb/>
wirklichen. Man möge sich an die Kammer wenden auf gesetzlichem<lb/>
Wege, d. h. durch schriftliche Petitionen, nicht durch drohende Be-<lb/>
zeugungen. Schlimm, daß das Ministerium selbst aus einer sol-<lb/>
chen Bezeugung hervorgegangen ist, und noch nicht Ordnung<lb/>
zu erhalten im Stande ist. Auch gestern hatte sich eine gute Zahl<lb/>
Carabinieri bei dem Aufzuge betheiligt. &#x2014; Die Regierungscom-<lb/>
mission scheint vom Papste aufgegeben zu seyn. Statt derselben<lb/>
circulirt eine vollständige Ministerliste, theilweise aus denselben<lb/>
Namen bestehend, worunter Cardinal Antonelli, Rosmini, Zucchi,<lb/>
Montanari ( Minister unter Rossi ) , Bevilacqua, Pizzoli ( zwei<lb/>
Bologneser Deputirten ) , Ricci ( Deputirter von Macerata ) . Sie<lb/>
scheint mit dem Ultimatum zugleich eingetroffen zu seyn, das zu<lb/>
den früher gemeldeten Bedingungen auch noch Rücktritt des Mi-<lb/>
nisteriums und Auflösung der Kammer hinzufügt. Auch dieses<lb/>
Actenstück will man hier nicht anerkennen. Ueber die weiteren<lb/>
Absichten des Papstes sind viele Gerüchte im Umlauf, z. B. er<lb/>
werde nach Civita Vecchia kommen, wo 500 Franzosen und Eng-<lb/>
länder als Ehrenwache mit ihm ans Land steigen und ein ver-<lb/>
einigtes Geschwader vor dem Hafen liegen bleiben würde. Zucchi,<lb/>
Bevilacqua ( und wahrscheinlich Ricci ) sind nach Gaeta gegangen,<lb/>
jedoch nicht, wie toscanische Blätter melden, über Florenz und<lb/>
das radicale Livorno. Dieses Gerücht war künstlich gemacht,<lb/>
um der Deputation eine ruhige Reise durch die Marken zu sichern,<lb/>
die dem Papste zum größten Theile zugethan sind. Zucchi ist in<lb/>
Bologna fast einstimmig zum Deputirten gewählt worden.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <cb type="end"/>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 174. Donnerstag, den 28. December. 1848. Deutschland. Wien 16. December. ( D. Z. ) Ueber unsere Zustände kann ich im Allgemeinen Besseres sagen, als seit lange. Der junge Kaiser geht mit wahrem Ernste und feinstem Verständnisse an seine große Aufgabe, so daß sein Verfahren überall den günstigsten Eindruck erzeugt, namentlich auf die Minister, wie aus Stadions und Bachs Munde vielfach zu vernehmen ist. Der junge Mon- arch will sein Wort, „kein besonderes Cabinet zu haben“ in Wahrheit erfüllen. Die verantwortlichen Minister sollen nicht allein seine Regierung, sondern auch sein Cabinet bilden. Diese Wechselbeziehung in innigster Weise zu erhalten, streben die Mi- nister mit aller Anstrengung ihrer Kräfte an, da es ihnen nicht geringe Opfer auch nur an Zeit kostet, jede Woche zwei Tage in Olmütz zuzubringen, die übrigen Tage aber vom Reichstage in Kremsier und den nothwendigen Fahrten nach Wien in Anspruch genommen zu werden. Für die eigentliche Regierungsthätigkeit, besonders mit Rücksicht auf die großen im Zuge befindlichen Orga- nisationsarbeiten, bleibt ihnen ein unverhältnißmäßig beschränk- ter Raum. Stadion beabsichtigt deshalb, sich fortan nur die Cor- respondenz mit den Gouverneurs unmittelbar vorzubehalten, die übrigen Ministerialgeschäfte, mit Ausnahme der Organisations- fragen, den Secretären des Ministeriums zu überlassen. Aehnliche Einrichtungen müssen die übrigen Minister treffen, wenn die be- ständigen Actennachsendungen nicht peinliche Verwirrung und fortwährende Geschäftshemmungen herbeiführen sollen. Das Mi- nisterium ist einer nicht unbedeutenden Mehrheit in der Kammer so sicher, als man es bei einer von den verschiedenartigsten Jn- teressen und Leidenschaften beherrschten, wenig Capicitäten und noch weniger Charaktere zählenden Versammlung seyn kann. Es erhält übrigens Vertrauensadressen von allen Seiten, und wie ge- wöhnlich bei dem Mangel politischen Sinnes im Volke, das dem Zeitungsurtheile blindlings nachgeht, werfen die günstigen Ur- theile der fremden Presse, insbesondere der englischen und franzö- sischen, ein großes Gewicht in die Wagschale. Sehr zweckmäßig ist das ganze Streben die politische Verwaltung auch in den un- tersten Jnstanzen nur mit Leuten des neuen Systemes zu besetzen, und nicht das ganze alte Schreibervolk inventarisch zu überneh- men. Ebenso freilich werden diejenigen politischen Beamten, welche der Octoberfreiheit nicht blos gezwungen, sondern aus Neigung huldigten, entlassen. Mit Welden, der rauh aber kräftig die Gouvernements- zügel in dem gebändigten, aber noch lange nicht gesicherten Wien führt, sind die Minister sehr zufrieden und wohl im Herzens- grunde froh, daß der eiserne Feldmarschall Windischgrätz seinen Kriegszug gegen Ungarn begonnen. Der letztere wird, dem glück- lichen Anfange gemäß zu urtheilen, nicht lange währen. Wie frech aber in Ungarn die Lüge herrscht und wie Kossuth weder die Fälschung noch die Unterdrückung der Wahrheit scheut, geht auch aus Folgendem hervor. Oberst K. kam heute früh 4 Uhr aus dem Haupt- quartier des Fürsten Windischgrätz. Er hatte dort eine Menge Offi- ciere, die sich von den Ungarn loszumachen gewußt, angetroffen und noch immer vermehrte sich ihre Zahl. Sie versicherten von den kaiserlichen Proclamationen in Ungarn kein Blättchen gesehen und kein Wort gehört zu haben. Dagegen zeigte einer jener Officiere eine falsche Wiener Zeitung vor, worin Windischgrätz und der Ban Jellachich vom Kaiser wegen des Bombardements von Wien für Verräther erklärt wurden! Berlin 23. December. ( K. Z. ) Was ich Jhnen in meinem jüngsten Briefe von den unveränderten Beziehungen zu Frankreich sagte, bestätigt sich vollkommen. Wenn Truppen am Rheine con- centrirt werden, so ist daraus kein irgend welcher Schluß auf drohenden Friedensbruch zu ziehen. Diplomatisch=officiöse Erklä- rungen, die in dieser Hinsicht von einer auswärtigen Macht ge- wünscht wurden, sind in einer Weise gegeben, welche die Freunde des Status quo in Europa ( deren gibt es freilich in geringerer Anzahl, als früher ) völlig beruhigen dürfen. Bei dem Diner, das gestern Wrangel dem Minister Arago zu Ehren gegeben hat, ward dieser von dem Generale sehr freundlich behandelt. Die Antwort endlich, welche der König einer Deputation ertheilt und die so kriegerisch gelautet haben soll, ist durchaus mißverstanden worden. Dies alles dürfen wir entschieden verbürgen. — Die Gerüchte über eine Ministerkrisis scheinen voreilig zu seyn. Frankfurt 27. December. ( O. P. A. Z. ) So eben erhalten wir die zuverlässige Nachricht, daß Herr v. Schmerling auf seiner Reise nach Olmütz in Leipzig durch einen nach Frankfurt gehen- den Courier der österreichischen Regierung eine Zuschrift des öster- reichischen Ministeriums erhielt, wodurch er zum österreichischen Bevollmächtigten bei der Centralgewalt ernannt wurde. Wir glauben nicht zu irren, wenn wir hierin einen Beweis erblicken, wie sehr die österreichische Regierung von der Wichtigkeit der deutschen Frage durchdrungen ist, und wenn wir darin einen Fingerzeig über die Ansicht zu erkennen glauben, welche das öster- reichische Ministerium von dem Gagernschen Programme hegt. Jtalien. Rom 16. December. ( O. P. A. Z. ) Die Ruhe fängt an, zu unnatürlich zu werden, als daß sie nicht Verdacht erwecken müßte. Namentlich fällt es auf, daß die Kammern seit einigen Tagen keine Sitzungen mehr halten. Der Weg der scheinbaren Gesetzlichkeit ist zu Ende, und man ist nicht zum Ziele gelangt. Alles ist rath= und thatlos. Die Regierungsjunta soll sich zum Antritte ihres Amtes nur in sofern bereit erklärt haben, als ihr von Seiten des Papstes eine Bestätigung zu Theil werde. Von Pius aber soll ein Ultimatum eingetroffen seyn, das im wesent- lichsten Auflösung der Bürgergarde, Beschränkung der Clubs und der Presse, Bestrafung der Mörder Rossi's verlange. Wer aber, selbst wenn die Regierung nachgeben wollte, hätte jetzt die Kraft, diese Befehle auszuführen? Clubs und Presse haben die Macht in Händen und verlangen „ganze“ Maßregeln nach der andern Seite hin. General Ferrari führt aus Venedig Truppen herbei, um „die Freiheiten des Volkes“ zu vertheidigen. Das größte Unheil aber droht, wenn nicht bald Hilfe kommt, Garibaldi, der mit seinem Adjutanten Massini seit einigen Tagen hier verweilt. Man erwartete schon am Abende nach sei- ner Ankunft Conflicte; starke Patrouillen erhielten jedoch Ruhe; und überhaupt recognoscirt dieser Häuptling für den Augenblick nur das Terrain. Seine Schaaren, einige hunderte des auser- lesensten Gesindels aller Nationen ( nach dem eigenen Geständnisse der Führer ) , werden nächstens erwartet, um den Kampf haupt- sächlich gegen Fürsten und Geistlichkeit, d. h. gegen den Besitz zu beginnen. Rom 18. December. Gestern, Sonntag, wo die Leute nichts zu thun haben, wurde Abends wieder eine Demonstration veran- staltet. Ein ziemlich großer Volkshaufe, wohl größtentheils aus Neugierigen bestehend, zog von Porto del Popolo nach der Woh- nung Garibaldis, um diesem ein Hoch zu bringen, sodann zu den Ministern, um sie zu kräftigerm Vorschreiten anzufeuern ( „ violen- tarlo “, wie es Garibaldi in Florenz genannt hat ) . Man war deshalb für die öffentliche Ruhe besorgt; die Civica war auf den Hauptplätzen aufgestellt; bis jetzt jedoch ( 2 Uhr Nachmittags ) herrscht Ruhe und die Aufregung scheint nachzulassen. Das Mi- nisterium hat eine Proclamation veröffentlicht, in der es heißt, daß es nicht von ihm abhänge, die Forderungen des Volkes zu ver- wirklichen. Man möge sich an die Kammer wenden auf gesetzlichem Wege, d. h. durch schriftliche Petitionen, nicht durch drohende Be- zeugungen. Schlimm, daß das Ministerium selbst aus einer sol- chen Bezeugung hervorgegangen ist, und noch nicht Ordnung zu erhalten im Stande ist. Auch gestern hatte sich eine gute Zahl Carabinieri bei dem Aufzuge betheiligt. — Die Regierungscom- mission scheint vom Papste aufgegeben zu seyn. Statt derselben circulirt eine vollständige Ministerliste, theilweise aus denselben Namen bestehend, worunter Cardinal Antonelli, Rosmini, Zucchi, Montanari ( Minister unter Rossi ) , Bevilacqua, Pizzoli ( zwei Bologneser Deputirten ) , Ricci ( Deputirter von Macerata ) . Sie scheint mit dem Ultimatum zugleich eingetroffen zu seyn, das zu den früher gemeldeten Bedingungen auch noch Rücktritt des Mi- nisteriums und Auflösung der Kammer hinzufügt. Auch dieses Actenstück will man hier nicht anerkennen. Ueber die weiteren Absichten des Papstes sind viele Gerüchte im Umlauf, z. B. er werde nach Civita Vecchia kommen, wo 500 Franzosen und Eng- länder als Ehrenwache mit ihm ans Land steigen und ein ver- einigtes Geschwader vor dem Hafen liegen bleiben würde. Zucchi, Bevilacqua ( und wahrscheinlich Ricci ) sind nach Gaeta gegangen, jedoch nicht, wie toscanische Blätter melden, über Florenz und das radicale Livorno. Dieses Gerücht war künstlich gemacht, um der Deputation eine ruhige Reise durch die Marken zu sichern, die dem Papste zum größten Theile zugethan sind. Zucchi ist in Bologna fast einstimmig zum Deputirten gewählt worden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal174_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal174_1848/5
Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 174. Mainz, 27. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal174_1848/5>, abgerufen am 16.07.2024.