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Mainzer Journal. Nr. 165. Mainz, 15. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Kaisers und die Macht der materiellen Jnteressen, welche, abge-
sehen von allem Anderen, namentlich von der großen geschicht-
lichen Vergangenheit, dieses Oesterreich zusammenhalten. Wie
kann man glauben, solche Bande mit einem einfachen Parlaments-
beschlusse zu sprengen? Jn der Politik gibt es keinen größern
Fehler, als das Unmögliche zu wollen, und auf die gegebenen
Verhältnisse keine Rücksichten zu nehmen. Die gegebenen Ver-
hältnisse, die Natur der Dinge, jene großen politischen Gestal-
tungen, welche die Geschichte Bergen gleich aufgeworfen hat, --
diese sind unüberwindlich und können durch keine abstracten Gesetze
wegdecretirt, durch keine noch so scharfsinnigen Schlußfolgerungen
weg räsonnirt, durch keine noch so begeisterten Reden weg dispu-
tirt werden. Die weitere Entwickelung in einem zweiten Artikel.



Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 14. December.
( Schluß. )

Der Eingang des §. 19.: "Bei Ausübung der der Reichsge-
walt zugewiesenen Befugnisse ist die Uebereinstimmung der Reichs-
regierung und des Reichstages in folgenden Fällen erforder-
lich:" -- ist von dem Verfassungsausschusse in Gemäßheit des
zum Beschlusse erhobenen Fallati'schen Antrages abzuändern.
Desgleichen gehen an den Ausschuß zurück die Absätze 2 -- 4.
Die übrigen Punkte sind angenommen.

1 ) "Wenn es sich um die Erlassung, Auslegung, Aufhebung
oder Abänderung von Reichsgesetzen handelt. 2 ) Wenn der
Reichshaushalt festgestellt wird, wenn Anleihen contrahirt wer-
den, wenn das Reich eine im Budget nicht vorgesehene Ausgabe
übernimmt, oder nicht vorgesehene Steuern oder Matricularbei-
träge erhebt. 3 ) Wenn von Reichs wegen Banken angelegt oder
bewilligt werden. 4 ) Wenn die Steuererhebung der Einzelstaa-
ten von der Zustimmung der Reichsgewalt abhängig gemacht ist.
( Siehe Reichsgewalt §. 37. ) 5 ) Wenn Landesfestungen zu Reichs-
festungen erklärt werden. 6 ) Wenn Handels=, Schifffahrts= und
Auslieferungsverträge mit dem Auslande geschlossen werden, sowie
überhaupt völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten.
7 ) Wenn nichtdeutsche Länder oder Landestheile dem deutschen
Zollgebiete angeschlossen oder einzelne Orte oder Gebietstheile von
der Zolllinie ausgeschlossen werden sollen. 8 ) Wenn deutsche
Landestheile abgetreten oder wenn nichtdeutsche Gebiete dem Reiche
einverleibt oder auf andere Weise mit demselben verdunden wer-
den sollen."

Die Versammlung wendet sich hierauf zur zweiten Lesung
der Grundrechte. Die Berathung steht bei Artikel V., der von
Religions= und Gewissensfreiheit handelt. Die §§. 15. 16. 17.
18. 19. 20. werden ohne Discussion angenommen und nur in
Bezug auf §. 17. wird eine kleine Abweichung von der modi-
ficirten Fassung des Ausschusses beliebt. Die Abstimmung schließt
mit dem §. 21. den ganzen genannten Artikel, worauf sich die
Versammlung vertagt. Der Wortlaut der heute angenommenen
Paragraphen ist folgender: "Art. V. §. 15. Jeder Deutsche ist
unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen
Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei
Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Ge-
setze zu bestrafen. §. 16. Durch das religiöse Bekenntniß wird
der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder
bedingt, noch beschränkt. Der staatsbürgerlichen Pflicht darf
dasselbe keinen Abbruch thun. §. 17. Jede Religionsgesellschaft
ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt
aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Reli-
gionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat;
es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesell-
schaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses
durch den Staat bedarf es nicht. §. 18. Niemand soll zu einer
kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. §. 19.
Die Formel des Eides soll künftig seyn: "So wahr mit Gott
helfe." §. 20. Die bürgerliche Giltigkeit der Ehe ist nur von der
Vollziehung des Civilactes abhängig; die kirchliche Trauung
kann nur nach der Vollziehung des Civilactes stattfinden. Die
Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. §. 21.
Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden ge-
führt." Hiermit ist die Abstimmung über Art. V. der Grundrechte
vollendet. Ruf nach Vertagung. Der Präsident läßt abstim-
men, worauf die Mehrheit der Versammlung für die Vertagung
der Verhandlungen sich entscheidet.



Deutschland.

Wien 10. December. ( St. C. ) Gestern wurde der Be-
zirkschef der Nationalgarde des Schottenviertels -- Leseinsky --
[Spaltenumbruch] zum Strange verurtheilt, was jedoch in zwölfjährigen Festungs-
arrest umgewandelt wurde. Placate mit ehrenrührigen Margi-
nalien machten Scandel und wurden von der Behörde abgerissen.
Ernstere Excesse fanden wiederholt gegen das Militär statt. Zwei-
mal wurde auf Patrouillen und in der Josephstadt von einem
Fenster auf Officiere geschossen, von denen einer auf der Stelle
todt geblieben seyn soll. -- Ministerpräsident Fürst Schwarzen-
berg hat bei Vorstellung der ihm unterstehenden Angestellten seine
Absichten auf durchgreifende Reformen in einer Weise ausge-
sprochen, welche manchen an dem Beibehalten seiner Stelle zweifeln
läßt. Es ist so gut als entschieden, daß der Finanzminister, um
den dringendsten Verlegenheiten abzuhelfen, vorerst wieder seine
Zuflucht zur Nationalbank nehmen und die schwebende Schuld um
20 Millionen vermehren wird. Kommen jedoch die ungarischen An-
gelegenheiten in Ordnung, so zweifelt Niemand an dem Zustande-
kommen eines neuen Anlehens, da die Börseconjuncturen sich im all-
gemeinen günstiger zu gestalten scheinen. -- Dieser Tage wurde
in einem neuen Stücke im Karlstheater das Lied: "Was ist des
Deutschen Vaterland" vom Comiker Scholz [ der Herr wird schon
wohl einmal als "Gast" nach Deutschland kommen! ] auf eine
höchst platte und gemeine Weise persiflirt! Dies brachte großen
Lärm im Theater, Klatschen und Zischen hervor. Nun wurde
statt des deutschen ein böhmisches Lied eingeschaltet, worauf man
applaudirte. -- Jm Handelsdepartement sind tüchtige Männer
angestellt worden: Rueskefer als Unterstaatssecretär, Löwenthal,
Becher, Schmidt, Hock als Ministerialräthe. Uebrigens erwartet
man die Zuziehung des Handelsstandes bei allen wichtigen Fra-
gen, sowie auch bei der bevorstehenden Postreform, wobei natür-
lich auch die Eisenbahndirectionen zu Rathe gezogen werden. --
Banus Jellachich ist heute Nacht zur Armee abgereist.

Berlin 11. December. ( B. H. ) Der Schwerpunkt der neuen
preußischen Verfassung liegt in der ersten oder der Pairskammer
und schon jetzt fangen alle Bemühungen der Parteien an, ihre
Ausmerksamkeit auf sie und die sie betreffenden Wahlen zu richten.
Die Linke hat dies sogleich nach Publication der Verfassung ins
Auge gefaßt und wünscht, alle ihre Führer in die erste Kammer
zu bringen, wie Jacobi, Waldeck Wenn sie dieses Ziel er-
reichen könnte, würde sie wiederum die Leitung der Bewegung in
Händen haben. Das erkennen ebenfalls die Gegner und so wird
der Wahlkampf besonders auf diesem Gebiete sehr heftig entbren-
nen, je mehr durch den vorgeschriebenen Census der Kreis der
Wähler verengt ist. Ueber die Absichten der Regierung gegen die
Opposition der Nationalversammlung ist man noch nicht im Kla-
ren und Manche meinen noch immer, es würden gegen einige
der Hauptwortführer Verfolgungen stattfinden, um ihre Wieder-
wahl für die neuen Kammern zu hindern; etwas Bestimmtes ist
indessen doch nicht darüber bekannt geworden. Die Feststellung
der Wählerliste für die erste Kammer ist in Berlin mit vielen
Schwierigkeiten verbunden und die angenommene Norm von 500
Rthlr. Einkommen wird manchen Streit veranlassen, während die
8 Rthlr. Classensteuer einen weit sicherern Anhalt bietet. Auch wird
die ländliche Bevölkerung selbst für die erste Kammer wegen ihrer
Zahl das Hauptgewicht in die Wagschale werfen und daher be-
sonders den Agitationen der betreffenden Parteien ausgesetzt seyn.
Diesen Gesichtspunkt hält auch die Regierung fest und fährt des-
halb fort in ihren Publicationen durch die Deckersche Druckerei.
Jn dem neuesten Flugblatte: "Warum der König so handeln
mußte und daß er wohlgethan hat, eine Verfassung zu geben,"
kommt am Schlusse folgende, unter den gegenwärtigen Verhältnis-
sen sehr bezeichnende Stelle vor: "Der Waffenstillstand in Däne-
mark läuft zu Ende und wir müssen achtunggebietend dastehen,
wenn ein ehrenvoller Friede dem neuen Kampfe vorbeugen soll.
.... Die Männer, welche wir Preußen und alle anderen deut-
schen Völker nach Frankfurt entsendet haben, waren glücklicher
und weiser und die Verfassung des deutschen Reiches wird in
wenig Wochen vollendet seyn. Wenn dann die Blicke des deut-
schen Volkes spähend umherschauen, wessen Hand die
oberste Gewalt am besten anzuvertrauen sey,
soll
dann Preußen dastehen mit halbgebrochener Kraft, zwischen Ab-
solutismus und Anarchie noch in ungewissem Schwanken?"

( V. Z. ) Unsere localen gewerblichen Verhältnisse, welche sich
seit dem Frühlinge in so schwer gedrückter Lage befanden, fangen
mehr und mehr an, wieder in Aufschwung zu kommen. Mögen
auch die Ansichten über den Rechtsgrund der jüngsten Schritte der
Regierung noch so getheilt seyn, das wird kein Unparteilicher
läugnen können, daß der Erfolg ein segensreicher für die Ver-
kehrsverhältnisse ist. Die gegenwärtige Ruhe und Ordnung hat
das Vertrauen wieder erweckt und die Verfolgung der materiellen
Jnteressen findet wieder einen sicheren Boden. Dieser Erfolg
aber verdient die höchste Beachtung, denn er berührt die wich-
tigste Seite der Gesellschaft, mit welcher alle anderen Wohl-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Kaisers und die Macht der materiellen Jnteressen, welche, abge-
sehen von allem Anderen, namentlich von der großen geschicht-
lichen Vergangenheit, dieses Oesterreich zusammenhalten. Wie
kann man glauben, solche Bande mit einem einfachen Parlaments-
beschlusse zu sprengen? Jn der Politik gibt es keinen größern
Fehler, als das Unmögliche zu wollen, und auf die gegebenen
Verhältnisse keine Rücksichten zu nehmen. Die gegebenen Ver-
hältnisse, die Natur der Dinge, jene großen politischen Gestal-
tungen, welche die Geschichte Bergen gleich aufgeworfen hat, —
diese sind unüberwindlich und können durch keine abstracten Gesetze
wegdecretirt, durch keine noch so scharfsinnigen Schlußfolgerungen
weg räsonnirt, durch keine noch so begeisterten Reden weg dispu-
tirt werden. Die weitere Entwickelung in einem zweiten Artikel.



Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 14. December.
( Schluß. )

Der Eingang des §. 19.: „Bei Ausübung der der Reichsge-
walt zugewiesenen Befugnisse ist die Uebereinstimmung der Reichs-
regierung und des Reichstages in folgenden Fällen erforder-
lich:“ — ist von dem Verfassungsausschusse in Gemäßheit des
zum Beschlusse erhobenen Fallati'schen Antrages abzuändern.
Desgleichen gehen an den Ausschuß zurück die Absätze 2 — 4.
Die übrigen Punkte sind angenommen.

1 ) „Wenn es sich um die Erlassung, Auslegung, Aufhebung
oder Abänderung von Reichsgesetzen handelt. 2 ) Wenn der
Reichshaushalt festgestellt wird, wenn Anleihen contrahirt wer-
den, wenn das Reich eine im Budget nicht vorgesehene Ausgabe
übernimmt, oder nicht vorgesehene Steuern oder Matricularbei-
träge erhebt. 3 ) Wenn von Reichs wegen Banken angelegt oder
bewilligt werden. 4 ) Wenn die Steuererhebung der Einzelstaa-
ten von der Zustimmung der Reichsgewalt abhängig gemacht ist.
( Siehe Reichsgewalt §. 37. ) 5 ) Wenn Landesfestungen zu Reichs-
festungen erklärt werden. 6 ) Wenn Handels=, Schifffahrts= und
Auslieferungsverträge mit dem Auslande geschlossen werden, sowie
überhaupt völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten.
7 ) Wenn nichtdeutsche Länder oder Landestheile dem deutschen
Zollgebiete angeschlossen oder einzelne Orte oder Gebietstheile von
der Zolllinie ausgeschlossen werden sollen. 8 ) Wenn deutsche
Landestheile abgetreten oder wenn nichtdeutsche Gebiete dem Reiche
einverleibt oder auf andere Weise mit demselben verdunden wer-
den sollen.“

Die Versammlung wendet sich hierauf zur zweiten Lesung
der Grundrechte. Die Berathung steht bei Artikel V., der von
Religions= und Gewissensfreiheit handelt. Die §§. 15. 16. 17.
18. 19. 20. werden ohne Discussion angenommen und nur in
Bezug auf §. 17. wird eine kleine Abweichung von der modi-
ficirten Fassung des Ausschusses beliebt. Die Abstimmung schließt
mit dem §. 21. den ganzen genannten Artikel, worauf sich die
Versammlung vertagt. Der Wortlaut der heute angenommenen
Paragraphen ist folgender: „Art. V. §. 15. Jeder Deutsche ist
unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen
Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei
Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Ge-
setze zu bestrafen. §. 16. Durch das religiöse Bekenntniß wird
der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder
bedingt, noch beschränkt. Der staatsbürgerlichen Pflicht darf
dasselbe keinen Abbruch thun. §. 17. Jede Religionsgesellschaft
ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt
aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Reli-
gionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat;
es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesell-
schaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses
durch den Staat bedarf es nicht. §. 18. Niemand soll zu einer
kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. §. 19.
Die Formel des Eides soll künftig seyn: „So wahr mit Gott
helfe.“ §. 20. Die bürgerliche Giltigkeit der Ehe ist nur von der
Vollziehung des Civilactes abhängig; die kirchliche Trauung
kann nur nach der Vollziehung des Civilactes stattfinden. Die
Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. §. 21.
Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden ge-
führt.“ Hiermit ist die Abstimmung über Art. V. der Grundrechte
vollendet. Ruf nach Vertagung. Der Präsident läßt abstim-
men, worauf die Mehrheit der Versammlung für die Vertagung
der Verhandlungen sich entscheidet.



Deutschland.

Wien 10. December. ( St. C. ) Gestern wurde der Be-
zirkschef der Nationalgarde des Schottenviertels — Leseinsky —
[Spaltenumbruch] zum Strange verurtheilt, was jedoch in zwölfjährigen Festungs-
arrest umgewandelt wurde. Placate mit ehrenrührigen Margi-
nalien machten Scandel und wurden von der Behörde abgerissen.
Ernstere Excesse fanden wiederholt gegen das Militär statt. Zwei-
mal wurde auf Patrouillen und in der Josephstadt von einem
Fenster auf Officiere geschossen, von denen einer auf der Stelle
todt geblieben seyn soll. — Ministerpräsident Fürst Schwarzen-
berg hat bei Vorstellung der ihm unterstehenden Angestellten seine
Absichten auf durchgreifende Reformen in einer Weise ausge-
sprochen, welche manchen an dem Beibehalten seiner Stelle zweifeln
läßt. Es ist so gut als entschieden, daß der Finanzminister, um
den dringendsten Verlegenheiten abzuhelfen, vorerst wieder seine
Zuflucht zur Nationalbank nehmen und die schwebende Schuld um
20 Millionen vermehren wird. Kommen jedoch die ungarischen An-
gelegenheiten in Ordnung, so zweifelt Niemand an dem Zustande-
kommen eines neuen Anlehens, da die Börseconjuncturen sich im all-
gemeinen günstiger zu gestalten scheinen. — Dieser Tage wurde
in einem neuen Stücke im Karlstheater das Lied: „Was ist des
Deutschen Vaterland“ vom Comiker Scholz [ der Herr wird schon
wohl einmal als „Gast“ nach Deutschland kommen! ] auf eine
höchst platte und gemeine Weise persiflirt! Dies brachte großen
Lärm im Theater, Klatschen und Zischen hervor. Nun wurde
statt des deutschen ein böhmisches Lied eingeschaltet, worauf man
applaudirte. — Jm Handelsdepartement sind tüchtige Männer
angestellt worden: Rueskefer als Unterstaatssecretär, Löwenthal,
Becher, Schmidt, Hock als Ministerialräthe. Uebrigens erwartet
man die Zuziehung des Handelsstandes bei allen wichtigen Fra-
gen, sowie auch bei der bevorstehenden Postreform, wobei natür-
lich auch die Eisenbahndirectionen zu Rathe gezogen werden. —
Banus Jellachich ist heute Nacht zur Armee abgereist.

Berlin 11. December. ( B. H. ) Der Schwerpunkt der neuen
preußischen Verfassung liegt in der ersten oder der Pairskammer
und schon jetzt fangen alle Bemühungen der Parteien an, ihre
Ausmerksamkeit auf sie und die sie betreffenden Wahlen zu richten.
Die Linke hat dies sogleich nach Publication der Verfassung ins
Auge gefaßt und wünscht, alle ihre Führer in die erste Kammer
zu bringen, wie Jacobi, Waldeck Wenn sie dieses Ziel er-
reichen könnte, würde sie wiederum die Leitung der Bewegung in
Händen haben. Das erkennen ebenfalls die Gegner und so wird
der Wahlkampf besonders auf diesem Gebiete sehr heftig entbren-
nen, je mehr durch den vorgeschriebenen Census der Kreis der
Wähler verengt ist. Ueber die Absichten der Regierung gegen die
Opposition der Nationalversammlung ist man noch nicht im Kla-
ren und Manche meinen noch immer, es würden gegen einige
der Hauptwortführer Verfolgungen stattfinden, um ihre Wieder-
wahl für die neuen Kammern zu hindern; etwas Bestimmtes ist
indessen doch nicht darüber bekannt geworden. Die Feststellung
der Wählerliste für die erste Kammer ist in Berlin mit vielen
Schwierigkeiten verbunden und die angenommene Norm von 500
Rthlr. Einkommen wird manchen Streit veranlassen, während die
8 Rthlr. Classensteuer einen weit sicherern Anhalt bietet. Auch wird
die ländliche Bevölkerung selbst für die erste Kammer wegen ihrer
Zahl das Hauptgewicht in die Wagschale werfen und daher be-
sonders den Agitationen der betreffenden Parteien ausgesetzt seyn.
Diesen Gesichtspunkt hält auch die Regierung fest und fährt des-
halb fort in ihren Publicationen durch die Deckersche Druckerei.
Jn dem neuesten Flugblatte: „Warum der König so handeln
mußte und daß er wohlgethan hat, eine Verfassung zu geben,“
kommt am Schlusse folgende, unter den gegenwärtigen Verhältnis-
sen sehr bezeichnende Stelle vor: „Der Waffenstillstand in Däne-
mark läuft zu Ende und wir müssen achtunggebietend dastehen,
wenn ein ehrenvoller Friede dem neuen Kampfe vorbeugen soll.
.... Die Männer, welche wir Preußen und alle anderen deut-
schen Völker nach Frankfurt entsendet haben, waren glücklicher
und weiser und die Verfassung des deutschen Reiches wird in
wenig Wochen vollendet seyn. Wenn dann die Blicke des deut-
schen Volkes spähend umherschauen, wessen Hand die
oberste Gewalt am besten anzuvertrauen sey,
soll
dann Preußen dastehen mit halbgebrochener Kraft, zwischen Ab-
solutismus und Anarchie noch in ungewissem Schwanken?“

( V. Z. ) Unsere localen gewerblichen Verhältnisse, welche sich
seit dem Frühlinge in so schwer gedrückter Lage befanden, fangen
mehr und mehr an, wieder in Aufschwung zu kommen. Mögen
auch die Ansichten über den Rechtsgrund der jüngsten Schritte der
Regierung noch so getheilt seyn, das wird kein Unparteilicher
läugnen können, daß der Erfolg ein segensreicher für die Ver-
kehrsverhältnisse ist. Die gegenwärtige Ruhe und Ordnung hat
das Vertrauen wieder erweckt und die Verfolgung der materiellen
Jnteressen findet wieder einen sicheren Boden. Dieser Erfolg
aber verdient die höchste Beachtung, denn er berührt die wich-
tigste Seite der Gesellschaft, mit welcher alle anderen Wohl-
[Ende Spaltensatz]

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[0002] Kaisers und die Macht der materiellen Jnteressen, welche, abge- sehen von allem Anderen, namentlich von der großen geschicht- lichen Vergangenheit, dieses Oesterreich zusammenhalten. Wie kann man glauben, solche Bande mit einem einfachen Parlaments- beschlusse zu sprengen? Jn der Politik gibt es keinen größern Fehler, als das Unmögliche zu wollen, und auf die gegebenen Verhältnisse keine Rücksichten zu nehmen. Die gegebenen Ver- hältnisse, die Natur der Dinge, jene großen politischen Gestal- tungen, welche die Geschichte Bergen gleich aufgeworfen hat, — diese sind unüberwindlich und können durch keine abstracten Gesetze wegdecretirt, durch keine noch so scharfsinnigen Schlußfolgerungen weg räsonnirt, durch keine noch so begeisterten Reden weg dispu- tirt werden. Die weitere Entwickelung in einem zweiten Artikel. Verhandlungen der Nationalversammlung. Vom 14. December. ( Schluß. ) Der Eingang des §. 19.: „Bei Ausübung der der Reichsge- walt zugewiesenen Befugnisse ist die Uebereinstimmung der Reichs- regierung und des Reichstages in folgenden Fällen erforder- lich:“ — ist von dem Verfassungsausschusse in Gemäßheit des zum Beschlusse erhobenen Fallati'schen Antrages abzuändern. Desgleichen gehen an den Ausschuß zurück die Absätze 2 — 4. Die übrigen Punkte sind angenommen. 1 ) „Wenn es sich um die Erlassung, Auslegung, Aufhebung oder Abänderung von Reichsgesetzen handelt. 2 ) Wenn der Reichshaushalt festgestellt wird, wenn Anleihen contrahirt wer- den, wenn das Reich eine im Budget nicht vorgesehene Ausgabe übernimmt, oder nicht vorgesehene Steuern oder Matricularbei- träge erhebt. 3 ) Wenn von Reichs wegen Banken angelegt oder bewilligt werden. 4 ) Wenn die Steuererhebung der Einzelstaa- ten von der Zustimmung der Reichsgewalt abhängig gemacht ist. ( Siehe Reichsgewalt §. 37. ) 5 ) Wenn Landesfestungen zu Reichs- festungen erklärt werden. 6 ) Wenn Handels=, Schifffahrts= und Auslieferungsverträge mit dem Auslande geschlossen werden, sowie überhaupt völkerrechtliche Verträge, insofern sie das Reich belasten. 7 ) Wenn nichtdeutsche Länder oder Landestheile dem deutschen Zollgebiete angeschlossen oder einzelne Orte oder Gebietstheile von der Zolllinie ausgeschlossen werden sollen. 8 ) Wenn deutsche Landestheile abgetreten oder wenn nichtdeutsche Gebiete dem Reiche einverleibt oder auf andere Weise mit demselben verdunden wer- den sollen.“ Die Versammlung wendet sich hierauf zur zweiten Lesung der Grundrechte. Die Berathung steht bei Artikel V., der von Religions= und Gewissensfreiheit handelt. Die §§. 15. 16. 17. 18. 19. 20. werden ohne Discussion angenommen und nur in Bezug auf §. 17. wird eine kleine Abweichung von der modi- ficirten Fassung des Ausschusses beliebt. Die Abstimmung schließt mit dem §. 21. den ganzen genannten Artikel, worauf sich die Versammlung vertagt. Der Wortlaut der heute angenommenen Paragraphen ist folgender: „Art. V. §. 15. Jeder Deutsche ist unbeschränkt in der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Uebung seiner Religion. Verbrechen und Vergehen, welche bei Ausübung dieser Freiheit begangen werden, sind nach dem Ge- setze zu bestrafen. §. 16. Durch das religiöse Bekenntniß wird der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingt, noch beschränkt. Der staatsbürgerlichen Pflicht darf dasselbe keinen Abbruch thun. §. 17. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Keine Reli- gionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat; es besteht fernerhin keine Staatskirche. Neue Religionsgesell- schaften dürfen sich bilden; einer Anerkennung ihres Bekenntnisses durch den Staat bedarf es nicht. §. 18. Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden. §. 19. Die Formel des Eides soll künftig seyn: „So wahr mit Gott helfe.“ §. 20. Die bürgerliche Giltigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilactes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach der Vollziehung des Civilactes stattfinden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehinderniß. §. 21. Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden ge- führt.“ Hiermit ist die Abstimmung über Art. V. der Grundrechte vollendet. Ruf nach Vertagung. Der Präsident läßt abstim- men, worauf die Mehrheit der Versammlung für die Vertagung der Verhandlungen sich entscheidet. Deutschland. Wien 10. December. ( St. C. ) Gestern wurde der Be- zirkschef der Nationalgarde des Schottenviertels — Leseinsky — zum Strange verurtheilt, was jedoch in zwölfjährigen Festungs- arrest umgewandelt wurde. Placate mit ehrenrührigen Margi- nalien machten Scandel und wurden von der Behörde abgerissen. Ernstere Excesse fanden wiederholt gegen das Militär statt. Zwei- mal wurde auf Patrouillen und in der Josephstadt von einem Fenster auf Officiere geschossen, von denen einer auf der Stelle todt geblieben seyn soll. — Ministerpräsident Fürst Schwarzen- berg hat bei Vorstellung der ihm unterstehenden Angestellten seine Absichten auf durchgreifende Reformen in einer Weise ausge- sprochen, welche manchen an dem Beibehalten seiner Stelle zweifeln läßt. Es ist so gut als entschieden, daß der Finanzminister, um den dringendsten Verlegenheiten abzuhelfen, vorerst wieder seine Zuflucht zur Nationalbank nehmen und die schwebende Schuld um 20 Millionen vermehren wird. Kommen jedoch die ungarischen An- gelegenheiten in Ordnung, so zweifelt Niemand an dem Zustande- kommen eines neuen Anlehens, da die Börseconjuncturen sich im all- gemeinen günstiger zu gestalten scheinen. — Dieser Tage wurde in einem neuen Stücke im Karlstheater das Lied: „Was ist des Deutschen Vaterland“ vom Comiker Scholz [ der Herr wird schon wohl einmal als „Gast“ nach Deutschland kommen! ] auf eine höchst platte und gemeine Weise persiflirt! Dies brachte großen Lärm im Theater, Klatschen und Zischen hervor. Nun wurde statt des deutschen ein böhmisches Lied eingeschaltet, worauf man applaudirte. — Jm Handelsdepartement sind tüchtige Männer angestellt worden: Rueskefer als Unterstaatssecretär, Löwenthal, Becher, Schmidt, Hock als Ministerialräthe. Uebrigens erwartet man die Zuziehung des Handelsstandes bei allen wichtigen Fra- gen, sowie auch bei der bevorstehenden Postreform, wobei natür- lich auch die Eisenbahndirectionen zu Rathe gezogen werden. — Banus Jellachich ist heute Nacht zur Armee abgereist. Berlin 11. December. ( B. H. ) Der Schwerpunkt der neuen preußischen Verfassung liegt in der ersten oder der Pairskammer und schon jetzt fangen alle Bemühungen der Parteien an, ihre Ausmerksamkeit auf sie und die sie betreffenden Wahlen zu richten. Die Linke hat dies sogleich nach Publication der Verfassung ins Auge gefaßt und wünscht, alle ihre Führer in die erste Kammer zu bringen, wie Jacobi, Waldeck Wenn sie dieses Ziel er- reichen könnte, würde sie wiederum die Leitung der Bewegung in Händen haben. Das erkennen ebenfalls die Gegner und so wird der Wahlkampf besonders auf diesem Gebiete sehr heftig entbren- nen, je mehr durch den vorgeschriebenen Census der Kreis der Wähler verengt ist. Ueber die Absichten der Regierung gegen die Opposition der Nationalversammlung ist man noch nicht im Kla- ren und Manche meinen noch immer, es würden gegen einige der Hauptwortführer Verfolgungen stattfinden, um ihre Wieder- wahl für die neuen Kammern zu hindern; etwas Bestimmtes ist indessen doch nicht darüber bekannt geworden. Die Feststellung der Wählerliste für die erste Kammer ist in Berlin mit vielen Schwierigkeiten verbunden und die angenommene Norm von 500 Rthlr. Einkommen wird manchen Streit veranlassen, während die 8 Rthlr. Classensteuer einen weit sicherern Anhalt bietet. Auch wird die ländliche Bevölkerung selbst für die erste Kammer wegen ihrer Zahl das Hauptgewicht in die Wagschale werfen und daher be- sonders den Agitationen der betreffenden Parteien ausgesetzt seyn. Diesen Gesichtspunkt hält auch die Regierung fest und fährt des- halb fort in ihren Publicationen durch die Deckersche Druckerei. Jn dem neuesten Flugblatte: „Warum der König so handeln mußte und daß er wohlgethan hat, eine Verfassung zu geben,“ kommt am Schlusse folgende, unter den gegenwärtigen Verhältnis- sen sehr bezeichnende Stelle vor: „Der Waffenstillstand in Däne- mark läuft zu Ende und wir müssen achtunggebietend dastehen, wenn ein ehrenvoller Friede dem neuen Kampfe vorbeugen soll. .... Die Männer, welche wir Preußen und alle anderen deut- schen Völker nach Frankfurt entsendet haben, waren glücklicher und weiser und die Verfassung des deutschen Reiches wird in wenig Wochen vollendet seyn. Wenn dann die Blicke des deut- schen Volkes spähend umherschauen, wessen Hand die oberste Gewalt am besten anzuvertrauen sey, soll dann Preußen dastehen mit halbgebrochener Kraft, zwischen Ab- solutismus und Anarchie noch in ungewissem Schwanken?“ ( V. Z. ) Unsere localen gewerblichen Verhältnisse, welche sich seit dem Frühlinge in so schwer gedrückter Lage befanden, fangen mehr und mehr an, wieder in Aufschwung zu kommen. Mögen auch die Ansichten über den Rechtsgrund der jüngsten Schritte der Regierung noch so getheilt seyn, das wird kein Unparteilicher läugnen können, daß der Erfolg ein segensreicher für die Ver- kehrsverhältnisse ist. Die gegenwärtige Ruhe und Ordnung hat das Vertrauen wieder erweckt und die Verfolgung der materiellen Jnteressen findet wieder einen sicheren Boden. Dieser Erfolg aber verdient die höchste Beachtung, denn er berührt die wich- tigste Seite der Gesellschaft, mit welcher alle anderen Wohl-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 165. Mainz, 15. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal165_1848/2>, abgerufen am 23.11.2024.