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Mainzer Journal. Nr. 135. Mainz, 10. November 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Nachricht mit, daß 40 Wagen mit Munition wiederum nach Wien
gegangen seyen, so wie daß in Olmütz eine Depesche verlesen
wurde, welcher zufolge der Lemberger Aufstand durchs
Militär sofort unterdrückt worden
ist; bombar-
dirt wurde Lemberg nicht. Windischgrätz
sei noch in
Hetzendorf, Jellachich und Auersperg gegen Pesth gezogen.
Nach Wien zu kommen, halte noch immer sehr schwer.

^ Frankenthal 9. November. Auch die Gemeinde Epp-
stein
wird nun jener von Maikammer nachahmen und sich an die
Stelle eines offen ungläubigen Lehrers einen katholischen anstel-
len. Seit bald einem halben Jahre gehen die Kinder nicht mehr
in die Schule; da die Eltern dieselben lieber ohne Unterricht als
ohne Christenthum sehen wollen. So weit ist es bei uns mit der
Achtung der Gemeinderechte und der religiösen Freiheit schon ge-
kommen! Zwei Gemeinden müssen sich Privatlehrer halten, da
der amtlich als katholisch angestellte Lehrer nicht katholisch
lehrt und von der Regierung geschützt wird. Ueber die Ange-
legenheit in Eppstein erzählt man sich Folgendes, was ich nicht
vorenthalten will, weil es für unsere Verhältnisse zu charakteri-
stisch ist. Es war nämlich wieder eine Deputation der Eppsteiner
in Speier, um endlich doch Recht in ihren Klagen zu finden. Ein
hoher Beamte wies sie mit Verweisen ab. Da soll nun einer der
Bürger gesagt haben: Hr. N. N., noch ein Wort. Sie sind
doch auch Katholik, was würden Sie thun, wenn der Lehrer
Jhrer Kinder die Gottheit Christi und das h. Meßopfer läugnen
würde? Würden Sie ihm noch ferner ihre Kinder schicken? Was
der Herr gedacht habe, weiß ich nicht; die Antwort soll er we-
nigstens schuldig geblieben seyn, und mit dem Hingehen in eine
Fensterbrüstung und Blättern in Acten die Audienz abgeschnitten
haben. Auch gut! -- Freilich, wenn die Wühler die Freiheit so
verstehen, daß sie Unterdrückung der Kirche sey, dann dürfen es
auch die Bureaukraten schon wagen, einer katholischen Gemeinde
einen unkatholischen, von ihr verworfenen Lehrer wenigstens zum
Zahlen aufzudringen, ohne deshalb einer Rechtsverletzung
geziehen zu werden. Sie werden darum von keinem radica-
len Blatte, nicht einmal von der "Speierer Zeitung" einen An-
griff wegen Beeinträchtigung von Recht und Freiheit erleiden,
noch wird ihnen diese Gewissensdespotie ( wie man solche Ein-
griffe in die väterlichen Rechte nennen möchte ) als "Reaction"
ins Sündenregister von dieser Seite eingeschrieben werden.

V Vom Donnersberge 8. November. Jn unserer Gegend
gibt es jetzt curiose Dinge. Jeden Sonntag ist neue Fahnen-
weihe
auf irgend einem Dörflein in der Runde herum. Eine
solche Weihe überbietet aber an lustigem Leben weit die alten Kirch-
weihfeste. Da wird dann der vielrenommirte Pfarrer von E. als
Hauptfestredner eingeladen, neben ihm noch einige andere De-
mokratensprecher der Gegend, bis von Alzei her. Jn welcher
Weise jenes Horn Gottes mit seiner Posaunenstimme unseren
Bauern Vorträge hält, muß man selbst mit angehört haben,
sonst glaubt man es kaum. Uebrigens machen die Demokraten,
so oft und so ungestört man auch Hecker hoch leben läßt und so
viele etwas zweideutige Anhänger auch die deutsche Republik bei
uns zählt -- doch keine unbedingten Fortschritte. Die Gemeinde
St. wollte neulich ihren Lehrer fortjagen, weil er auch Hecker
ein Vivat gebracht hatte, und diese doch keine Heckerlinge von
ihm gezogen haben wollte; nur die Vermittelung des Pfarrers
beschwichtigte sie wieder. Ebenso soll eine im nahen Hessischen
gelegene Gemeinde ihren Lehrer förmlich aus gleichen Gründen
fortgejagt, und die Behörde in Alzei keinen Grund gefunden
haben, ihn desfalls in der Gemeinde aufrecht zu halten. Man
war da klüger als in Speyer, wo man den Kopf verloren
zu haben scheint.

Darmstadt 4. November. ( Schw. M. ) Noch immer dauert
die Ebbe in unserer Hauptstaatscasse fort. Fast an alle
Civilbeamte sind die Besoldungen und Pensionen des dritten
Quartals noch nicht bezahlt, und es stocken hierdurch auch alle
weiteren Zahlungen. Es ist dringend zu wünschen, daß man den
Grundsatz: große Summen fürs Militär zurückzulegen, in sei-
nem Werthe oder Unwerthe nochmals prüfe, oder, wenn man
vorerst auf ihm beharren will, die Ausgabe der zwei Millionen
Rentenscheine endlich beginne. Schon monatelang fabrizirt man
daran. Diese Geldstockungen führen die traurigsten Folgen mit
sich. -- Die Wahlen in hiesiger Stadt zum neuen Jnstitute
des Bezirksrathes sind ihrer Mehrzahl nach in liberalem
Sinne ausgefallen; blos eins von den vier gewählten Mitglie-
dern gehört zur conservativen Partei. Bestimmtere Wahlbe-
strebungen hatten blos von der demokratischen Partei statt, welche
Wahlzettel drucken ließ. Unter ihren Candidaten waren zwei
Constitutionelle, welche auch gewählt wurden; die zwei Anderen,
Unbekannte und vielleicht Demokraten, fielen bei der Wahl durch.

[Spaltenumbruch]
Schweiz.

Luzern. Das "Schwyzer Volksblatt" bringt über die radi-
calen luzernischen Zustände folgende Mittheilung:

Der Große Rath hat sich am 24. Nachmittags versammelt,
und ist des anderen Tages um 3 Uhr schon wieder auseinander
gegangen. Der Verrichtungen desselben sind wenige und unbe-
deutende. Noch immer sitzen die HH. Bossard, Buchmann,
Fischer, Vonmoos und Jost Weber in Verhaft. Seit den sieben
Wochen seiner Gefangensetzung hat Herr Bossard noch niemals
nur erfahren können, warum man ihn eigentlich verhaftet, ob-
wohl er in jedem Verhöre mit aller Entschiedenheit darauf
dringt, daß man ihm doch wenigstens Dieses sage. Man ver-
hört ihn von 14 zu 14 Tagen bei einbrechender Nacht, fragt
ihn, ob er Broschuren geschrieben, die mit seinem Namen un-
terzeichnet sind, will wissen, wie er selbe verbreitet, zieht dann
die Uhr heraus, -- und Adieu für weitere 14 Tage. Schon
unwohl in den Kerker geschleppt, sieht er einer ernstlichen Krank-
heit entgegen; bei einem plötzlichen, sehr heftigen Krankheits-
anfalle läßt er nach seinem mehrjährigen Hausarzte rufen; Stei-
ger verbietet Dies und will ihm den Strafhausarzt aufdringen,
obgleich Bossard kein Sträfling ist, den Arzt selbst bezahlt, den
Freischärlern jeden beliebigen Arzt erlaubte und zu Steiger, als
er nach dem 8. December 1844 gefangen saß, sogar Patienten
gehen ließ, die ihn sprechen wollten. Dr. Räber, der Strafhaus-
arzt, war aber humaner, als Steiger, und erklärte zu keinem
Kranken zu gehen, der ihn nicht wünsche. Bossard befindet sich
im Krankenzimmer bei Falschmünzern, der Nothzucht und des
Diebstahls Beklagten, selbst einmal in Gesellschaft des Mord-
brenners Sutter, dessen Verhörrichter er war.

Herr Karl Vonmoos soll sich ebenfalls unwohl befinden; er
steckt schon Wochen lang im Verhafte, weil er des Verdachtes
verdächtig und ( was thut's zur Sache! ) vielleicht geständig ist,
eine nicht verbotene, von belangbarem Verfasser verfertigte und
mit dem Druckorte versehene Broschüre Bossards verbreitet zu
haben. Buchmann, ein schlichter, greiser Bauersmann, der in
Stadt und Land, selbst bei den vernünftigen Liberalen in Achtung
steht, ist des gleichen Vergehens wegen schon sieben Wochen in
Verwahr. Von Advocat Jost Weber und Alt=Großrath Vin-
cenz Fischer verlautet gar Nichts. Das die getreue Darstellung
der Sache; die Bemerkungen dazu geben sich von selbst. Als
letzter Tage ein Student von hier mit der Post nach Freiburg
( im Breisgau ) abreiste und seine Verwandten und Bekannten
von ihm Abschied nahmen, übergaben sie ihm schließlich einen
Gruß an die deutschen Republikaner, und er möchte ihnen mel-
den, daß, wenn sie nach der Republik gelüsteten, wir mit ihnen
zu tauschen bereit wären.

Freiburg. Als außerordentlicher Polizeicommissär zur Be-
gleitung des Bischofes wurde ein Mann ausersehen, der in neue-
ster Zeit eine heftige Broschure gegen denselben geschrieben hatte,
ein gewisser Gleinoz, ohne Zweifel um ihn noch recht zu ärgern. --
Die mit ihrer Familie im "Vergessungs=" oder vielmehr Er-
pressungsdecrete zu 200,000 Fr. beschlagene achtzigjährige Frau
Maillardoz von Rue floh bei dem Aufstande mit ihrem Sohne
ins Waadland. Hier wurde sie ( o heiliges Asylrecht! ) verhaf-
tet; der Sohn stellte sich, obwohl sich unschuldig fühlend, frei-
willig, damit man nur die achtzigjährige Mutter freilasse; der
Sohn wurde eingekerkert, von Freilassung der Mutter vernimmt
man nichts!

Frankreich.

* * * Paris 7. November. Jn der gestrigen Sitzung der
Nationalversammlung übergab Hr. Baroche Namens der beauf-
tragten Commission den Bericht über den Decret=Entwurf für
Unterdrückung der Preßverbrechen und Preßvergehen; derselbe
lautet, mit Vorbehalt einiger Abänderungen, für Annahme des
Entwurfs. Die Berathung des berichtigten Budgets von 1848
wurde hierauf fortgesetzt. Hr. Ronjat, der gewöhnlich mit
dem Berge stimmt, sprach über den Staatsrath und verlangte,
daß in Zukunft kein Gehalt über 10,000 Fr. hinausgehen solle,
weil jeder Beamte, wer er auch sey, mit dieser Summe ausreichen
könne. Von dem Gesammteinkommen Frankreichs kämen auf den
Kopf nur 200 Fr., also viel weniger als das niedrigste Gehalt be-
trage. Hr. Kerdrel bekämpfte die zu hohen Gehalte der obersten
Justizbeamten, wollte aber jene der Richter und Räthe beibehalten
wissen; schmälere man die Besoldungen gar zu sehr, so würden
nur minder tüchtige Leute sich zu Beamtenstellen hergeben. Herr
E. Leroux beantragte, daß die Versammlung die Gehaltsherab-
setzungen nicht bloß für das Justiz=Departement, sondern für alle
Dienstzweige aussprechen solle. Das Capitel III., welches für den
Staatsrath 712,800 Fr. festsetzt, ward nach kurzer Erörterung mit
398 gegen 289 Stimmen verworfen. Hr. Baroche beantragte,
daß die Bewilligung für den Staatsrath zu 710,000 Fr. festge-
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[Beginn Spaltensatz] Nachricht mit, daß 40 Wagen mit Munition wiederum nach Wien
gegangen seyen, so wie daß in Olmütz eine Depesche verlesen
wurde, welcher zufolge der Lemberger Aufstand durchs
Militär sofort unterdrückt worden
ist; bombar-
dirt wurde Lemberg nicht. Windischgrätz
sei noch in
Hetzendorf, Jellachich und Auersperg gegen Pesth gezogen.
Nach Wien zu kommen, halte noch immer sehr schwer.

△ Frankenthal 9. November. Auch die Gemeinde Epp-
stein
wird nun jener von Maikammer nachahmen und sich an die
Stelle eines offen ungläubigen Lehrers einen katholischen anstel-
len. Seit bald einem halben Jahre gehen die Kinder nicht mehr
in die Schule; da die Eltern dieselben lieber ohne Unterricht als
ohne Christenthum sehen wollen. So weit ist es bei uns mit der
Achtung der Gemeinderechte und der religiösen Freiheit schon ge-
kommen! Zwei Gemeinden müssen sich Privatlehrer halten, da
der amtlich als katholisch angestellte Lehrer nicht katholisch
lehrt und von der Regierung geschützt wird. Ueber die Ange-
legenheit in Eppstein erzählt man sich Folgendes, was ich nicht
vorenthalten will, weil es für unsere Verhältnisse zu charakteri-
stisch ist. Es war nämlich wieder eine Deputation der Eppsteiner
in Speier, um endlich doch Recht in ihren Klagen zu finden. Ein
hoher Beamte wies sie mit Verweisen ab. Da soll nun einer der
Bürger gesagt haben: Hr. N. N., noch ein Wort. Sie sind
doch auch Katholik, was würden Sie thun, wenn der Lehrer
Jhrer Kinder die Gottheit Christi und das h. Meßopfer läugnen
würde? Würden Sie ihm noch ferner ihre Kinder schicken? Was
der Herr gedacht habe, weiß ich nicht; die Antwort soll er we-
nigstens schuldig geblieben seyn, und mit dem Hingehen in eine
Fensterbrüstung und Blättern in Acten die Audienz abgeschnitten
haben. Auch gut! — Freilich, wenn die Wühler die Freiheit so
verstehen, daß sie Unterdrückung der Kirche sey, dann dürfen es
auch die Bureaukraten schon wagen, einer katholischen Gemeinde
einen unkatholischen, von ihr verworfenen Lehrer wenigstens zum
Zahlen aufzudringen, ohne deshalb einer Rechtsverletzung
geziehen zu werden. Sie werden darum von keinem radica-
len Blatte, nicht einmal von der „Speierer Zeitung“ einen An-
griff wegen Beeinträchtigung von Recht und Freiheit erleiden,
noch wird ihnen diese Gewissensdespotie ( wie man solche Ein-
griffe in die väterlichen Rechte nennen möchte ) als „Reaction“
ins Sündenregister von dieser Seite eingeschrieben werden.

V Vom Donnersberge 8. November. Jn unserer Gegend
gibt es jetzt curiose Dinge. Jeden Sonntag ist neue Fahnen-
weihe
auf irgend einem Dörflein in der Runde herum. Eine
solche Weihe überbietet aber an lustigem Leben weit die alten Kirch-
weihfeste. Da wird dann der vielrenommirte Pfarrer von E. als
Hauptfestredner eingeladen, neben ihm noch einige andere De-
mokratensprecher der Gegend, bis von Alzei her. Jn welcher
Weise jenes Horn Gottes mit seiner Posaunenstimme unseren
Bauern Vorträge hält, muß man selbst mit angehört haben,
sonst glaubt man es kaum. Uebrigens machen die Demokraten,
so oft und so ungestört man auch Hecker hoch leben läßt und so
viele etwas zweideutige Anhänger auch die deutsche Republik bei
uns zählt — doch keine unbedingten Fortschritte. Die Gemeinde
St. wollte neulich ihren Lehrer fortjagen, weil er auch Hecker
ein Vivat gebracht hatte, und diese doch keine Heckerlinge von
ihm gezogen haben wollte; nur die Vermittelung des Pfarrers
beschwichtigte sie wieder. Ebenso soll eine im nahen Hessischen
gelegene Gemeinde ihren Lehrer förmlich aus gleichen Gründen
fortgejagt, und die Behörde in Alzei keinen Grund gefunden
haben, ihn desfalls in der Gemeinde aufrecht zu halten. Man
war da klüger als in Speyer, wo man den Kopf verloren
zu haben scheint.

Darmstadt 4. November. ( Schw. M. ) Noch immer dauert
die Ebbe in unserer Hauptstaatscasse fort. Fast an alle
Civilbeamte sind die Besoldungen und Pensionen des dritten
Quartals noch nicht bezahlt, und es stocken hierdurch auch alle
weiteren Zahlungen. Es ist dringend zu wünschen, daß man den
Grundsatz: große Summen fürs Militär zurückzulegen, in sei-
nem Werthe oder Unwerthe nochmals prüfe, oder, wenn man
vorerst auf ihm beharren will, die Ausgabe der zwei Millionen
Rentenscheine endlich beginne. Schon monatelang fabrizirt man
daran. Diese Geldstockungen führen die traurigsten Folgen mit
sich. — Die Wahlen in hiesiger Stadt zum neuen Jnstitute
des Bezirksrathes sind ihrer Mehrzahl nach in liberalem
Sinne ausgefallen; blos eins von den vier gewählten Mitglie-
dern gehört zur conservativen Partei. Bestimmtere Wahlbe-
strebungen hatten blos von der demokratischen Partei statt, welche
Wahlzettel drucken ließ. Unter ihren Candidaten waren zwei
Constitutionelle, welche auch gewählt wurden; die zwei Anderen,
Unbekannte und vielleicht Demokraten, fielen bei der Wahl durch.

[Spaltenumbruch]
Schweiz.

Luzern. Das „Schwyzer Volksblatt“ bringt über die radi-
calen luzernischen Zustände folgende Mittheilung:

Der Große Rath hat sich am 24. Nachmittags versammelt,
und ist des anderen Tages um 3 Uhr schon wieder auseinander
gegangen. Der Verrichtungen desselben sind wenige und unbe-
deutende. Noch immer sitzen die HH. Bossard, Buchmann,
Fischer, Vonmoos und Jost Weber in Verhaft. Seit den sieben
Wochen seiner Gefangensetzung hat Herr Bossard noch niemals
nur erfahren können, warum man ihn eigentlich verhaftet, ob-
wohl er in jedem Verhöre mit aller Entschiedenheit darauf
dringt, daß man ihm doch wenigstens Dieses sage. Man ver-
hört ihn von 14 zu 14 Tagen bei einbrechender Nacht, fragt
ihn, ob er Broschuren geschrieben, die mit seinem Namen un-
terzeichnet sind, will wissen, wie er selbe verbreitet, zieht dann
die Uhr heraus, — und Adieu für weitere 14 Tage. Schon
unwohl in den Kerker geschleppt, sieht er einer ernstlichen Krank-
heit entgegen; bei einem plötzlichen, sehr heftigen Krankheits-
anfalle läßt er nach seinem mehrjährigen Hausarzte rufen; Stei-
ger verbietet Dies und will ihm den Strafhausarzt aufdringen,
obgleich Bossard kein Sträfling ist, den Arzt selbst bezahlt, den
Freischärlern jeden beliebigen Arzt erlaubte und zu Steiger, als
er nach dem 8. December 1844 gefangen saß, sogar Patienten
gehen ließ, die ihn sprechen wollten. Dr. Räber, der Strafhaus-
arzt, war aber humaner, als Steiger, und erklärte zu keinem
Kranken zu gehen, der ihn nicht wünsche. Bossard befindet sich
im Krankenzimmer bei Falschmünzern, der Nothzucht und des
Diebstahls Beklagten, selbst einmal in Gesellschaft des Mord-
brenners Sutter, dessen Verhörrichter er war.

Herr Karl Vonmoos soll sich ebenfalls unwohl befinden; er
steckt schon Wochen lang im Verhafte, weil er des Verdachtes
verdächtig und ( was thut's zur Sache! ) vielleicht geständig ist,
eine nicht verbotene, von belangbarem Verfasser verfertigte und
mit dem Druckorte versehene Broschüre Bossards verbreitet zu
haben. Buchmann, ein schlichter, greiser Bauersmann, der in
Stadt und Land, selbst bei den vernünftigen Liberalen in Achtung
steht, ist des gleichen Vergehens wegen schon sieben Wochen in
Verwahr. Von Advocat Jost Weber und Alt=Großrath Vin-
cenz Fischer verlautet gar Nichts. Das die getreue Darstellung
der Sache; die Bemerkungen dazu geben sich von selbst. Als
letzter Tage ein Student von hier mit der Post nach Freiburg
( im Breisgau ) abreiste und seine Verwandten und Bekannten
von ihm Abschied nahmen, übergaben sie ihm schließlich einen
Gruß an die deutschen Republikaner, und er möchte ihnen mel-
den, daß, wenn sie nach der Republik gelüsteten, wir mit ihnen
zu tauschen bereit wären.

Freiburg. Als außerordentlicher Polizeicommissär zur Be-
gleitung des Bischofes wurde ein Mann ausersehen, der in neue-
ster Zeit eine heftige Broschure gegen denselben geschrieben hatte,
ein gewisser Gleinoz, ohne Zweifel um ihn noch recht zu ärgern. —
Die mit ihrer Familie im „Vergessungs=“ oder vielmehr Er-
pressungsdecrete zu 200,000 Fr. beschlagene achtzigjährige Frau
Maillardoz von Rue floh bei dem Aufstande mit ihrem Sohne
ins Waadland. Hier wurde sie ( o heiliges Asylrecht! ) verhaf-
tet; der Sohn stellte sich, obwohl sich unschuldig fühlend, frei-
willig, damit man nur die achtzigjährige Mutter freilasse; der
Sohn wurde eingekerkert, von Freilassung der Mutter vernimmt
man nichts!

Frankreich.

* * * Paris 7. November. Jn der gestrigen Sitzung der
Nationalversammlung übergab Hr. Baroche Namens der beauf-
tragten Commission den Bericht über den Decret=Entwurf für
Unterdrückung der Preßverbrechen und Preßvergehen; derselbe
lautet, mit Vorbehalt einiger Abänderungen, für Annahme des
Entwurfs. Die Berathung des berichtigten Budgets von 1848
wurde hierauf fortgesetzt. Hr. Ronjat, der gewöhnlich mit
dem Berge stimmt, sprach über den Staatsrath und verlangte,
daß in Zukunft kein Gehalt über 10,000 Fr. hinausgehen solle,
weil jeder Beamte, wer er auch sey, mit dieser Summe ausreichen
könne. Von dem Gesammteinkommen Frankreichs kämen auf den
Kopf nur 200 Fr., also viel weniger als das niedrigste Gehalt be-
trage. Hr. Kerdrel bekämpfte die zu hohen Gehalte der obersten
Justizbeamten, wollte aber jene der Richter und Räthe beibehalten
wissen; schmälere man die Besoldungen gar zu sehr, so würden
nur minder tüchtige Leute sich zu Beamtenstellen hergeben. Herr
E. Leroux beantragte, daß die Versammlung die Gehaltsherab-
setzungen nicht bloß für das Justiz=Departement, sondern für alle
Dienstzweige aussprechen solle. Das Capitel III., welches für den
Staatsrath 712,800 Fr. festsetzt, ward nach kurzer Erörterung mit
398 gegen 289 Stimmen verworfen. Hr. Baroche beantragte,
daß die Bewilligung für den Staatsrath zu 710,000 Fr. festge-
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[0003] Nachricht mit, daß 40 Wagen mit Munition wiederum nach Wien gegangen seyen, so wie daß in Olmütz eine Depesche verlesen wurde, welcher zufolge der Lemberger Aufstand durchs Militär sofort unterdrückt worden ist; bombar- dirt wurde Lemberg nicht. Windischgrätz sei noch in Hetzendorf, Jellachich und Auersperg gegen Pesth gezogen. Nach Wien zu kommen, halte noch immer sehr schwer. △ Frankenthal 9. November. Auch die Gemeinde Epp- stein wird nun jener von Maikammer nachahmen und sich an die Stelle eines offen ungläubigen Lehrers einen katholischen anstel- len. Seit bald einem halben Jahre gehen die Kinder nicht mehr in die Schule; da die Eltern dieselben lieber ohne Unterricht als ohne Christenthum sehen wollen. So weit ist es bei uns mit der Achtung der Gemeinderechte und der religiösen Freiheit schon ge- kommen! Zwei Gemeinden müssen sich Privatlehrer halten, da der amtlich als katholisch angestellte Lehrer nicht katholisch lehrt und von der Regierung geschützt wird. Ueber die Ange- legenheit in Eppstein erzählt man sich Folgendes, was ich nicht vorenthalten will, weil es für unsere Verhältnisse zu charakteri- stisch ist. Es war nämlich wieder eine Deputation der Eppsteiner in Speier, um endlich doch Recht in ihren Klagen zu finden. Ein hoher Beamte wies sie mit Verweisen ab. Da soll nun einer der Bürger gesagt haben: Hr. N. N., noch ein Wort. Sie sind doch auch Katholik, was würden Sie thun, wenn der Lehrer Jhrer Kinder die Gottheit Christi und das h. Meßopfer läugnen würde? Würden Sie ihm noch ferner ihre Kinder schicken? Was der Herr gedacht habe, weiß ich nicht; die Antwort soll er we- nigstens schuldig geblieben seyn, und mit dem Hingehen in eine Fensterbrüstung und Blättern in Acten die Audienz abgeschnitten haben. Auch gut! — Freilich, wenn die Wühler die Freiheit so verstehen, daß sie Unterdrückung der Kirche sey, dann dürfen es auch die Bureaukraten schon wagen, einer katholischen Gemeinde einen unkatholischen, von ihr verworfenen Lehrer wenigstens zum Zahlen aufzudringen, ohne deshalb einer Rechtsverletzung geziehen zu werden. Sie werden darum von keinem radica- len Blatte, nicht einmal von der „Speierer Zeitung“ einen An- griff wegen Beeinträchtigung von Recht und Freiheit erleiden, noch wird ihnen diese Gewissensdespotie ( wie man solche Ein- griffe in die väterlichen Rechte nennen möchte ) als „Reaction“ ins Sündenregister von dieser Seite eingeschrieben werden. V Vom Donnersberge 8. November. Jn unserer Gegend gibt es jetzt curiose Dinge. Jeden Sonntag ist neue Fahnen- weihe auf irgend einem Dörflein in der Runde herum. Eine solche Weihe überbietet aber an lustigem Leben weit die alten Kirch- weihfeste. Da wird dann der vielrenommirte Pfarrer von E. als Hauptfestredner eingeladen, neben ihm noch einige andere De- mokratensprecher der Gegend, bis von Alzei her. Jn welcher Weise jenes Horn Gottes mit seiner Posaunenstimme unseren Bauern Vorträge hält, muß man selbst mit angehört haben, sonst glaubt man es kaum. Uebrigens machen die Demokraten, so oft und so ungestört man auch Hecker hoch leben läßt und so viele etwas zweideutige Anhänger auch die deutsche Republik bei uns zählt — doch keine unbedingten Fortschritte. Die Gemeinde St. wollte neulich ihren Lehrer fortjagen, weil er auch Hecker ein Vivat gebracht hatte, und diese doch keine Heckerlinge von ihm gezogen haben wollte; nur die Vermittelung des Pfarrers beschwichtigte sie wieder. Ebenso soll eine im nahen Hessischen gelegene Gemeinde ihren Lehrer förmlich aus gleichen Gründen fortgejagt, und die Behörde in Alzei keinen Grund gefunden haben, ihn desfalls in der Gemeinde aufrecht zu halten. Man war da klüger als in Speyer, wo man den Kopf verloren zu haben scheint. Darmstadt 4. November. ( Schw. M. ) Noch immer dauert die Ebbe in unserer Hauptstaatscasse fort. Fast an alle Civilbeamte sind die Besoldungen und Pensionen des dritten Quartals noch nicht bezahlt, und es stocken hierdurch auch alle weiteren Zahlungen. Es ist dringend zu wünschen, daß man den Grundsatz: große Summen fürs Militär zurückzulegen, in sei- nem Werthe oder Unwerthe nochmals prüfe, oder, wenn man vorerst auf ihm beharren will, die Ausgabe der zwei Millionen Rentenscheine endlich beginne. Schon monatelang fabrizirt man daran. Diese Geldstockungen führen die traurigsten Folgen mit sich. — Die Wahlen in hiesiger Stadt zum neuen Jnstitute des Bezirksrathes sind ihrer Mehrzahl nach in liberalem Sinne ausgefallen; blos eins von den vier gewählten Mitglie- dern gehört zur conservativen Partei. Bestimmtere Wahlbe- strebungen hatten blos von der demokratischen Partei statt, welche Wahlzettel drucken ließ. Unter ihren Candidaten waren zwei Constitutionelle, welche auch gewählt wurden; die zwei Anderen, Unbekannte und vielleicht Demokraten, fielen bei der Wahl durch. Schweiz. Luzern. Das „Schwyzer Volksblatt“ bringt über die radi- calen luzernischen Zustände folgende Mittheilung: Der Große Rath hat sich am 24. Nachmittags versammelt, und ist des anderen Tages um 3 Uhr schon wieder auseinander gegangen. Der Verrichtungen desselben sind wenige und unbe- deutende. Noch immer sitzen die HH. Bossard, Buchmann, Fischer, Vonmoos und Jost Weber in Verhaft. Seit den sieben Wochen seiner Gefangensetzung hat Herr Bossard noch niemals nur erfahren können, warum man ihn eigentlich verhaftet, ob- wohl er in jedem Verhöre mit aller Entschiedenheit darauf dringt, daß man ihm doch wenigstens Dieses sage. Man ver- hört ihn von 14 zu 14 Tagen bei einbrechender Nacht, fragt ihn, ob er Broschuren geschrieben, die mit seinem Namen un- terzeichnet sind, will wissen, wie er selbe verbreitet, zieht dann die Uhr heraus, — und Adieu für weitere 14 Tage. Schon unwohl in den Kerker geschleppt, sieht er einer ernstlichen Krank- heit entgegen; bei einem plötzlichen, sehr heftigen Krankheits- anfalle läßt er nach seinem mehrjährigen Hausarzte rufen; Stei- ger verbietet Dies und will ihm den Strafhausarzt aufdringen, obgleich Bossard kein Sträfling ist, den Arzt selbst bezahlt, den Freischärlern jeden beliebigen Arzt erlaubte und zu Steiger, als er nach dem 8. December 1844 gefangen saß, sogar Patienten gehen ließ, die ihn sprechen wollten. Dr. Räber, der Strafhaus- arzt, war aber humaner, als Steiger, und erklärte zu keinem Kranken zu gehen, der ihn nicht wünsche. Bossard befindet sich im Krankenzimmer bei Falschmünzern, der Nothzucht und des Diebstahls Beklagten, selbst einmal in Gesellschaft des Mord- brenners Sutter, dessen Verhörrichter er war. Herr Karl Vonmoos soll sich ebenfalls unwohl befinden; er steckt schon Wochen lang im Verhafte, weil er des Verdachtes verdächtig und ( was thut's zur Sache! ) vielleicht geständig ist, eine nicht verbotene, von belangbarem Verfasser verfertigte und mit dem Druckorte versehene Broschüre Bossards verbreitet zu haben. Buchmann, ein schlichter, greiser Bauersmann, der in Stadt und Land, selbst bei den vernünftigen Liberalen in Achtung steht, ist des gleichen Vergehens wegen schon sieben Wochen in Verwahr. Von Advocat Jost Weber und Alt=Großrath Vin- cenz Fischer verlautet gar Nichts. Das die getreue Darstellung der Sache; die Bemerkungen dazu geben sich von selbst. Als letzter Tage ein Student von hier mit der Post nach Freiburg ( im Breisgau ) abreiste und seine Verwandten und Bekannten von ihm Abschied nahmen, übergaben sie ihm schließlich einen Gruß an die deutschen Republikaner, und er möchte ihnen mel- den, daß, wenn sie nach der Republik gelüsteten, wir mit ihnen zu tauschen bereit wären. Freiburg. Als außerordentlicher Polizeicommissär zur Be- gleitung des Bischofes wurde ein Mann ausersehen, der in neue- ster Zeit eine heftige Broschure gegen denselben geschrieben hatte, ein gewisser Gleinoz, ohne Zweifel um ihn noch recht zu ärgern. — Die mit ihrer Familie im „Vergessungs=“ oder vielmehr Er- pressungsdecrete zu 200,000 Fr. beschlagene achtzigjährige Frau Maillardoz von Rue floh bei dem Aufstande mit ihrem Sohne ins Waadland. Hier wurde sie ( o heiliges Asylrecht! ) verhaf- tet; der Sohn stellte sich, obwohl sich unschuldig fühlend, frei- willig, damit man nur die achtzigjährige Mutter freilasse; der Sohn wurde eingekerkert, von Freilassung der Mutter vernimmt man nichts! Frankreich. * * * Paris 7. November. Jn der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung übergab Hr. Baroche Namens der beauf- tragten Commission den Bericht über den Decret=Entwurf für Unterdrückung der Preßverbrechen und Preßvergehen; derselbe lautet, mit Vorbehalt einiger Abänderungen, für Annahme des Entwurfs. Die Berathung des berichtigten Budgets von 1848 wurde hierauf fortgesetzt. Hr. Ronjat, der gewöhnlich mit dem Berge stimmt, sprach über den Staatsrath und verlangte, daß in Zukunft kein Gehalt über 10,000 Fr. hinausgehen solle, weil jeder Beamte, wer er auch sey, mit dieser Summe ausreichen könne. Von dem Gesammteinkommen Frankreichs kämen auf den Kopf nur 200 Fr., also viel weniger als das niedrigste Gehalt be- trage. Hr. Kerdrel bekämpfte die zu hohen Gehalte der obersten Justizbeamten, wollte aber jene der Richter und Räthe beibehalten wissen; schmälere man die Besoldungen gar zu sehr, so würden nur minder tüchtige Leute sich zu Beamtenstellen hergeben. Herr E. Leroux beantragte, daß die Versammlung die Gehaltsherab- setzungen nicht bloß für das Justiz=Departement, sondern für alle Dienstzweige aussprechen solle. Das Capitel III., welches für den Staatsrath 712,800 Fr. festsetzt, ward nach kurzer Erörterung mit 398 gegen 289 Stimmen verworfen. Hr. Baroche beantragte, daß die Bewilligung für den Staatsrath zu 710,000 Fr. festge-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 135. Mainz, 10. November 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal135_1848/3>, abgerufen am 21.11.2024.