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Mainzer Journal. Nr. 110. Mainz, 12. Oktober 1848.

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[Beginn Spaltensatz] wir seine Auffassung der Vergangenheit als eben so falsch bezeichnen
wie seine Auffassung der Gegenwart; er meint nämlich, die Herrsch-
sucht der katholischen Partei sey in ihrem Verhalten in der Schul-
sache zum Durchbruch gekommen. Was hat denn die katholische
sogenannte Partei verlangt und was verlangt sie? Antwort:
volle Freiheit! Sie will, daß nicht einseitig die Regierung
über die Schule verfüge, sondern daß die Erziehung und der Un-
terricht abhängen soll von dem Willen und der Ueberzeugung der
Eltern, welche ihre Kinder in die Schule schicken, der Gemeinden,
welche die Schulen bezahlen, insbesondere verlangt sie für die
Katholiken, daß es ihnen gestattet sey, katholische Schulen zu ha-
ben und ihre katholischen Schulen zu behalten. Nicht mehr und
nicht weniger; was darunter oder darüber, ist vom Uebel, ist des-
potisch. Was wir nicht wollen, ist ein uniformes, religi-
ons- und farbloses Staatsschulwesen;
was wir
nicht wollen ist, daß wir unsere Kinder Lehrern anvertrauen müs-
sen, deren religiöse Grundsätze und deren hieraus fließende Er-
ziehungsmaximen in unseren Augen höchst verderblich sind. Also nicht
Herrschaft, sondern nur Freiheit fordern wir in der Schul-
sache für uns, gestehen aber dieselbe Freiheit jedem
Anderen zu.
Endlich behauptet der Verfasser, noch in den letz-
ten Zeiten seyen unter dem siegreichen Einfluß der katholischen
Kirche mehrere Staatsverfassungen, welche den Geist der Unduld-
samkeit gegen Andersdenkende und des Geistesdruckes athmen, zu
Stande gekommen. Wir haben uns vergeblich besonnen, auch
nur Ein solches Beispiel zu entdecken. Das katholische Belgien
ist bekanntlich das einzige europäische Land, in dem die Religions-
freiheit vollkommen realisirt ist!

Aus allem diesem wird nun geschlossen, daß "die Partei
des wahren politischen Fortschritts" die Piusvereine so lange
mit Mißtrauen betrachten müsse, bis dieselben bewiesen, daß sie
die Freiheit und Herrschaft auch dann nicht verwechseln werden,
wenn die Kirche die ihr gebührende Freiheit erlangt haben wird.
Mißtrauen ist aber eine üble Eigenschaft, Mißtrauen erregen kein
löbliches Geschäft. Allein gut, wir sollen beweisen, daß wir nicht
Herrschaft, sondern nur Freiheit wollen. Allein sagt uns nur
einmal, wie wir uns anstellen sollen, um diesen Beweis zu er-
bringen? Da liegen unsere Beschlüsse, unsere Statuten; nicht, wie
unsere Gegner so gern thun, in zweideutigen Ausdrücken, son-
dern in scharfen klaren Zügen, feierlichst ausgesprochen vor ganz
Europa. Jst in ihnen etwas zu finden, was nach Herrschsucht
schmeckt, so zeiget es auf; sind sie aber in alleweg den Grund-
sätzen der Freiheit und Gerechtigkeit gemäß, warum glaubet ihr
uns nicht? Oder sind wir je durch eine Handlung mit diesen un-
seren Grundsätzen in Widerspruch gerathen? haben wir dieselben
nicht vom ersten Augenblick an befolgt? sind wir nicht alle ein-
müthig darin? Haben unsere Brüder in England, in Frankreich,
in Nordamerika -- in ähnlichen Verhältnissen, wie jetzt die
deutschen Verhältnisse sind, je sich dagegen verfehlt? Je mehr
wir den Satz bedenken, um so widersinniger kommt er uns
vor: wir sollen beweisen, daß wir nicht Herrschaft, sondern
Freiheit wollen, auch dann, wenn unserer Kirche die gebührende
Freiheit geworden! Ei, wie sollen wir denn den Beweis führen
können, wenn uns die Freiheit vorenthalten wird? Wollet ihr
aber warten, ehe ihr offen und ohne Arg uns Freiheit und Ge-
rechtigkeit gönnet, bis dem Mißtrauischen kein Mißtrauen mehr
möglich ist, so wird das in Ewigkeit nicht der Fall seyn.

Wir haben öffentlich getagt, und selbst zu unseren Ausschuß-
sitzungen war Fremden der Zutritt nicht verwehrt -- unser Stre-
ben und unser Plan liegt offen. Wir wollen volle Freiheit für das
katholische Wort, für das katholische Leben, für die katholische
That, -- wir wollen die Grundsätze der Rede=, der Preß=, der
Vereins= und Versammlungsfreiheit ehrlich, ganz, unbeschränkt,
ohne Präventivpolizei und Mißtrauen für Alle angewendet ha-
ben. Das ist das Eine. -- Und dann haben wir den schwarzen
Plan gefaßt, durch Wissenschaft und Lehre, ganz besonders aber
durch Wohlthun, die ganze Welt von der Güte und Wahrheit
unseres Glaubens und unserer Kirche zu überzeugen. Ja das ist
der große Entschluß, den wir gefaßt haben, frisch Hand anzule-
gen an die socialen Leiden der Gegenwart, welche die Bureaukra-
tie nicht heben kann, welche keine Constitution und keine Republik
heben kann, welche der unchristliche Communismus und Socialis-
mus nicht heben kann, um sie zu heben oder doch zu lindern durch die
Hülfsmittel, die Heilkräfte, die Liebesanstalten des Christ enthums,
des Katholicismus. Gehet hin und thuet deßgleichen; wer zuerst
das Ziel erreicht, trägt den Preis davon, wer die Leiden des
Volkes in der That hebt und lindert, der führt die Braut heim.
Der Verfasser gesteht zu, daß seit der christlichen Aera keine kirch-
liche Gesellschaft ein so lebensstarkes Element der menschlichen
Civilisation in sich getragen, als die katholische, -- nun wohlan,
wir wollen es beweisen, daß es nicht blos so war, sondern
[Spaltenumbruch] daß es noch so ist.
Die moderne Philosophie hat die Geister in
Jrrsale und in Verzweiflung geführt, die auf diese Philosophie
gebaute unchristliche Bildung hat die Sitten verderbt, der moderne
Vernunftstaat, der, wie es im Artikel mit einem alten kantischen
Ausdruck heißt, das einzige Postulat der Vernunft seyn soll, hat
das Volk an den Rand des Verderbens geführt, so daß in dem-
selben Maß, als durch Jndustrie und Handel die Quellen des
Reichthums sich mehrten, die Verarmung überhand genommen
hat; nun denn -- so laßet einmal das alte Christenthum frei und
sehet zu, ob es nicht wiederum die Gemüther versöhnen, die Gei-
ster erleuchten, die Sitten reinigen und heiligen, das Volk wär-
men, nähren und beglücken, den Segen des Himmels auf die Er-
de zurückbringen wird. Die edle Kampfbahn ist eröffnet! Ringet
mit uns um denselben Preis, aber hindert uns nicht. Wenn ihr
aber glaubet, nur durch Unterdrückung den Sieg uns ent-
reißen zu können, so habet ihr euch selbst gerichtet. Wir wollen
nicht unterdrücken, unser Gewissen leidet es nicht, auch wenn es
möglich wäre, was nicht ist; wohl aber wollen wir siegen, aber
nur durch Wahrheit und nur durch Liebe. Dem Redacteur des
Mainzer Zeitungsblattes aber grollen wir nicht, wir bedauern
nur, wenn er uns nicht recht versteht. Christenthum und Pan-
theismus, das sind die Parteien. Wir sind bereit auf dem
Boden gleicher Freiheit den Kampf durchzuführen und hoffen, daß
wir bald gar manchem redlichen Manne versöhnt die Hand
drücken werden, den jetzt noch ein unglückseliges Mißverständniß
von uns trennt.



Deutschland.

Wien. Die "Allgemeine Zeitung" faßt ihre neuesten Wiener
Berichte in folgender Weise zusammen: Ein Pack von Briefen
aus Wien vom 6. und 7. liegt vor uns, die auf schreckliche Weise
das gestrige Ausbleiben der Post vom 6. enthüllen. Das Resultat
läßt sich kurz zusammenfassen. Ein Theil des nach Ungarn be-
stimmten Militärs, das auf der Eisenbahn abfahren sollte, soll
von ungarischem Geld und den demagogischen Clubs ( in denen
Schütte eine Hauptrolle spielte ) so bearbeitet worden seyn, daß
es den herbeigeströmten Volksmassen, die jene Abfahrt hindern
wollten, gern nachgab. Die zur Verstärkung geschickte Mannschaft
( vom Regimente Nassau ) war unzureichend; aber sie feuerte auf
die bewaffneten Angreifer, und so entzündete sich, von der Tabor-
brücke aus, ein blutiger Aufstand durch die ganze Stadt und alle
ihre Vorstädte. Noch vermögen wir den Gang desselben nicht ge-
nau zu verfolgen; den Truppen scheint jede einheitliche und energ-
ische Leitung, den Nationalgarden der Stadt, gegenüber den
Volksmassen der Vorstädte und dem Pöbel, Kopf und Entschluß
gefehlt zu haben. Aus allem geht hervor, daß die Truppen im All-
gemeinen aufs schonendste zu Werk gehen sollten; dennoch kam es an
vielen Orten zu lebhaftem Schießen, so auf dem Graben, vor, ja in
der Stephanskirche, deren Altäre mit Blut bespritzt wurden. Es
hieß General Bredy, Oberstlieutenant Klein, Obrist Jablonowsky
seyen geblieben; doch lauten diese Angaben, und andere, die ei-
nige weitere Namen nennen, noch unsicher. Wüthende Volkshau-
fen riefen: Latour muß hängen. Und sie hatten ihren Willen!
Ein Nationalgardist soll den alten Kriegsminister, den seine Stabs-
officiere aufs schmählichste im Stiche ließen, erstochen, und an den
Füßen aus dem Kriegshotel herausgeschleppt haben, worauf der
Pöbel an dem Leichnam seine scheußliche Lust übte, und ihn endlich
unter brüllendem Jubel an dem Gaskandelaber des Ministerial-
gebäudes aufhenkte. Es liegen uns darüber die Schilderungen ei-
nes Augenzeugen vor: sind die von ihm erzählten Thatsachen ge-
nau, so darf der Wiener Pöbel sich rühmen hinter den Mördern
Lichnowsky's und Lambergs zum mindesten nicht zurückzustehen.
Und Graf Latour war ein Mann, der in der Kriegsgeschichte Oe-
sterreichs den ehrenvollsten Namen sich erworben hatte, was ihn
schützen mußte, selbst gegenüber von denen, die sein Benehmen in
dem kroatisch=ungarischen Streite noch so sehr tadeln mochten.
Was der Reichstag that, während in den Straßen Wiens der
Bürgerkrieg und der Mord wüthete -- auch Schwarzer,
Bach, Wessenberg
sollten hängen! -- das erzählen
mehrere Briefe. Nur heben sie, wie aus anderen Mittheilun-
gen hervorgeht, nicht genug hervor, wie vom Reichstag selbst
die den Aufruhr ermunternden Forderungen auf Straflosigkeit der
Mörder Latour's, allgemeine Amnestie -- natürlich mit Garantie
der "Errungenschaften" unterstützt wurden. Doch enthalten wir
uns dießfalls eines Urtheils, bis wir das Ganze mit Ruhe ge-
prüft; nur das ergiebt sich schon heute: das Reichsministerium
und die Nationalversammlung in Frankfurt haben sich anders be-
nommen und der Revolution ein entschlosseneres Antlitz gezeigt,
als die Minister und der Reichstag von Wien, obwohl man an
der Donau die Sturmwolken längere Zeit sich hatte zusammen-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] wir seine Auffassung der Vergangenheit als eben so falsch bezeichnen
wie seine Auffassung der Gegenwart; er meint nämlich, die Herrsch-
sucht der katholischen Partei sey in ihrem Verhalten in der Schul-
sache zum Durchbruch gekommen. Was hat denn die katholische
sogenannte Partei verlangt und was verlangt sie? Antwort:
volle Freiheit! Sie will, daß nicht einseitig die Regierung
über die Schule verfüge, sondern daß die Erziehung und der Un-
terricht abhängen soll von dem Willen und der Ueberzeugung der
Eltern, welche ihre Kinder in die Schule schicken, der Gemeinden,
welche die Schulen bezahlen, insbesondere verlangt sie für die
Katholiken, daß es ihnen gestattet sey, katholische Schulen zu ha-
ben und ihre katholischen Schulen zu behalten. Nicht mehr und
nicht weniger; was darunter oder darüber, ist vom Uebel, ist des-
potisch. Was wir nicht wollen, ist ein uniformes, religi-
ons- und farbloses Staatsschulwesen;
was wir
nicht wollen ist, daß wir unsere Kinder Lehrern anvertrauen müs-
sen, deren religiöse Grundsätze und deren hieraus fließende Er-
ziehungsmaximen in unseren Augen höchst verderblich sind. Also nicht
Herrschaft, sondern nur Freiheit fordern wir in der Schul-
sache für uns, gestehen aber dieselbe Freiheit jedem
Anderen zu.
Endlich behauptet der Verfasser, noch in den letz-
ten Zeiten seyen unter dem siegreichen Einfluß der katholischen
Kirche mehrere Staatsverfassungen, welche den Geist der Unduld-
samkeit gegen Andersdenkende und des Geistesdruckes athmen, zu
Stande gekommen. Wir haben uns vergeblich besonnen, auch
nur Ein solches Beispiel zu entdecken. Das katholische Belgien
ist bekanntlich das einzige europäische Land, in dem die Religions-
freiheit vollkommen realisirt ist!

Aus allem diesem wird nun geschlossen, daß „die Partei
des wahren politischen Fortschritts“ die Piusvereine so lange
mit Mißtrauen betrachten müsse, bis dieselben bewiesen, daß sie
die Freiheit und Herrschaft auch dann nicht verwechseln werden,
wenn die Kirche die ihr gebührende Freiheit erlangt haben wird.
Mißtrauen ist aber eine üble Eigenschaft, Mißtrauen erregen kein
löbliches Geschäft. Allein gut, wir sollen beweisen, daß wir nicht
Herrschaft, sondern nur Freiheit wollen. Allein sagt uns nur
einmal, wie wir uns anstellen sollen, um diesen Beweis zu er-
bringen? Da liegen unsere Beschlüsse, unsere Statuten; nicht, wie
unsere Gegner so gern thun, in zweideutigen Ausdrücken, son-
dern in scharfen klaren Zügen, feierlichst ausgesprochen vor ganz
Europa. Jst in ihnen etwas zu finden, was nach Herrschsucht
schmeckt, so zeiget es auf; sind sie aber in alleweg den Grund-
sätzen der Freiheit und Gerechtigkeit gemäß, warum glaubet ihr
uns nicht? Oder sind wir je durch eine Handlung mit diesen un-
seren Grundsätzen in Widerspruch gerathen? haben wir dieselben
nicht vom ersten Augenblick an befolgt? sind wir nicht alle ein-
müthig darin? Haben unsere Brüder in England, in Frankreich,
in Nordamerika — in ähnlichen Verhältnissen, wie jetzt die
deutschen Verhältnisse sind, je sich dagegen verfehlt? Je mehr
wir den Satz bedenken, um so widersinniger kommt er uns
vor: wir sollen beweisen, daß wir nicht Herrschaft, sondern
Freiheit wollen, auch dann, wenn unserer Kirche die gebührende
Freiheit geworden! Ei, wie sollen wir denn den Beweis führen
können, wenn uns die Freiheit vorenthalten wird? Wollet ihr
aber warten, ehe ihr offen und ohne Arg uns Freiheit und Ge-
rechtigkeit gönnet, bis dem Mißtrauischen kein Mißtrauen mehr
möglich ist, so wird das in Ewigkeit nicht der Fall seyn.

Wir haben öffentlich getagt, und selbst zu unseren Ausschuß-
sitzungen war Fremden der Zutritt nicht verwehrt — unser Stre-
ben und unser Plan liegt offen. Wir wollen volle Freiheit für das
katholische Wort, für das katholische Leben, für die katholische
That, — wir wollen die Grundsätze der Rede=, der Preß=, der
Vereins= und Versammlungsfreiheit ehrlich, ganz, unbeschränkt,
ohne Präventivpolizei und Mißtrauen für Alle angewendet ha-
ben. Das ist das Eine. — Und dann haben wir den schwarzen
Plan gefaßt, durch Wissenschaft und Lehre, ganz besonders aber
durch Wohlthun, die ganze Welt von der Güte und Wahrheit
unseres Glaubens und unserer Kirche zu überzeugen. Ja das ist
der große Entschluß, den wir gefaßt haben, frisch Hand anzule-
gen an die socialen Leiden der Gegenwart, welche die Bureaukra-
tie nicht heben kann, welche keine Constitution und keine Republik
heben kann, welche der unchristliche Communismus und Socialis-
mus nicht heben kann, um sie zu heben oder doch zu lindern durch die
Hülfsmittel, die Heilkräfte, die Liebesanstalten des Christ enthums,
des Katholicismus. Gehet hin und thuet deßgleichen; wer zuerst
das Ziel erreicht, trägt den Preis davon, wer die Leiden des
Volkes in der That hebt und lindert, der führt die Braut heim.
Der Verfasser gesteht zu, daß seit der christlichen Aera keine kirch-
liche Gesellschaft ein so lebensstarkes Element der menschlichen
Civilisation in sich getragen, als die katholische, — nun wohlan,
wir wollen es beweisen, daß es nicht blos so war, sondern
[Spaltenumbruch] daß es noch so ist.
Die moderne Philosophie hat die Geister in
Jrrsale und in Verzweiflung geführt, die auf diese Philosophie
gebaute unchristliche Bildung hat die Sitten verderbt, der moderne
Vernunftstaat, der, wie es im Artikel mit einem alten kantischen
Ausdruck heißt, das einzige Postulat der Vernunft seyn soll, hat
das Volk an den Rand des Verderbens geführt, so daß in dem-
selben Maß, als durch Jndustrie und Handel die Quellen des
Reichthums sich mehrten, die Verarmung überhand genommen
hat; nun denn — so laßet einmal das alte Christenthum frei und
sehet zu, ob es nicht wiederum die Gemüther versöhnen, die Gei-
ster erleuchten, die Sitten reinigen und heiligen, das Volk wär-
men, nähren und beglücken, den Segen des Himmels auf die Er-
de zurückbringen wird. Die edle Kampfbahn ist eröffnet! Ringet
mit uns um denselben Preis, aber hindert uns nicht. Wenn ihr
aber glaubet, nur durch Unterdrückung den Sieg uns ent-
reißen zu können, so habet ihr euch selbst gerichtet. Wir wollen
nicht unterdrücken, unser Gewissen leidet es nicht, auch wenn es
möglich wäre, was nicht ist; wohl aber wollen wir siegen, aber
nur durch Wahrheit und nur durch Liebe. Dem Redacteur des
Mainzer Zeitungsblattes aber grollen wir nicht, wir bedauern
nur, wenn er uns nicht recht versteht. Christenthum und Pan-
theismus, das sind die Parteien. Wir sind bereit auf dem
Boden gleicher Freiheit den Kampf durchzuführen und hoffen, daß
wir bald gar manchem redlichen Manne versöhnt die Hand
drücken werden, den jetzt noch ein unglückseliges Mißverständniß
von uns trennt.



Deutschland.

Wien. Die „Allgemeine Zeitung“ faßt ihre neuesten Wiener
Berichte in folgender Weise zusammen: Ein Pack von Briefen
aus Wien vom 6. und 7. liegt vor uns, die auf schreckliche Weise
das gestrige Ausbleiben der Post vom 6. enthüllen. Das Resultat
läßt sich kurz zusammenfassen. Ein Theil des nach Ungarn be-
stimmten Militärs, das auf der Eisenbahn abfahren sollte, soll
von ungarischem Geld und den demagogischen Clubs ( in denen
Schütte eine Hauptrolle spielte ) so bearbeitet worden seyn, daß
es den herbeigeströmten Volksmassen, die jene Abfahrt hindern
wollten, gern nachgab. Die zur Verstärkung geschickte Mannschaft
( vom Regimente Nassau ) war unzureichend; aber sie feuerte auf
die bewaffneten Angreifer, und so entzündete sich, von der Tabor-
brücke aus, ein blutiger Aufstand durch die ganze Stadt und alle
ihre Vorstädte. Noch vermögen wir den Gang desselben nicht ge-
nau zu verfolgen; den Truppen scheint jede einheitliche und energ-
ische Leitung, den Nationalgarden der Stadt, gegenüber den
Volksmassen der Vorstädte und dem Pöbel, Kopf und Entschluß
gefehlt zu haben. Aus allem geht hervor, daß die Truppen im All-
gemeinen aufs schonendste zu Werk gehen sollten; dennoch kam es an
vielen Orten zu lebhaftem Schießen, so auf dem Graben, vor, ja in
der Stephanskirche, deren Altäre mit Blut bespritzt wurden. Es
hieß General Bredy, Oberstlieutenant Klein, Obrist Jablonowsky
seyen geblieben; doch lauten diese Angaben, und andere, die ei-
nige weitere Namen nennen, noch unsicher. Wüthende Volkshau-
fen riefen: Latour muß hängen. Und sie hatten ihren Willen!
Ein Nationalgardist soll den alten Kriegsminister, den seine Stabs-
officiere aufs schmählichste im Stiche ließen, erstochen, und an den
Füßen aus dem Kriegshotel herausgeschleppt haben, worauf der
Pöbel an dem Leichnam seine scheußliche Lust übte, und ihn endlich
unter brüllendem Jubel an dem Gaskandelaber des Ministerial-
gebäudes aufhenkte. Es liegen uns darüber die Schilderungen ei-
nes Augenzeugen vor: sind die von ihm erzählten Thatsachen ge-
nau, so darf der Wiener Pöbel sich rühmen hinter den Mördern
Lichnowsky's und Lambergs zum mindesten nicht zurückzustehen.
Und Graf Latour war ein Mann, der in der Kriegsgeschichte Oe-
sterreichs den ehrenvollsten Namen sich erworben hatte, was ihn
schützen mußte, selbst gegenüber von denen, die sein Benehmen in
dem kroatisch=ungarischen Streite noch so sehr tadeln mochten.
Was der Reichstag that, während in den Straßen Wiens der
Bürgerkrieg und der Mord wüthete — auch Schwarzer,
Bach, Wessenberg
sollten hängen! — das erzählen
mehrere Briefe. Nur heben sie, wie aus anderen Mittheilun-
gen hervorgeht, nicht genug hervor, wie vom Reichstag selbst
die den Aufruhr ermunternden Forderungen auf Straflosigkeit der
Mörder Latour's, allgemeine Amnestie — natürlich mit Garantie
der „Errungenschaften“ unterstützt wurden. Doch enthalten wir
uns dießfalls eines Urtheils, bis wir das Ganze mit Ruhe ge-
prüft; nur das ergiebt sich schon heute: das Reichsministerium
und die Nationalversammlung in Frankfurt haben sich anders be-
nommen und der Revolution ein entschlosseneres Antlitz gezeigt,
als die Minister und der Reichstag von Wien, obwohl man an
der Donau die Sturmwolken längere Zeit sich hatte zusammen-
[Ende Spaltensatz]

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[0002] wir seine Auffassung der Vergangenheit als eben so falsch bezeichnen wie seine Auffassung der Gegenwart; er meint nämlich, die Herrsch- sucht der katholischen Partei sey in ihrem Verhalten in der Schul- sache zum Durchbruch gekommen. Was hat denn die katholische sogenannte Partei verlangt und was verlangt sie? Antwort: volle Freiheit! Sie will, daß nicht einseitig die Regierung über die Schule verfüge, sondern daß die Erziehung und der Un- terricht abhängen soll von dem Willen und der Ueberzeugung der Eltern, welche ihre Kinder in die Schule schicken, der Gemeinden, welche die Schulen bezahlen, insbesondere verlangt sie für die Katholiken, daß es ihnen gestattet sey, katholische Schulen zu ha- ben und ihre katholischen Schulen zu behalten. Nicht mehr und nicht weniger; was darunter oder darüber, ist vom Uebel, ist des- potisch. Was wir nicht wollen, ist ein uniformes, religi- ons- und farbloses Staatsschulwesen; was wir nicht wollen ist, daß wir unsere Kinder Lehrern anvertrauen müs- sen, deren religiöse Grundsätze und deren hieraus fließende Er- ziehungsmaximen in unseren Augen höchst verderblich sind. Also nicht Herrschaft, sondern nur Freiheit fordern wir in der Schul- sache für uns, gestehen aber dieselbe Freiheit jedem Anderen zu. Endlich behauptet der Verfasser, noch in den letz- ten Zeiten seyen unter dem siegreichen Einfluß der katholischen Kirche mehrere Staatsverfassungen, welche den Geist der Unduld- samkeit gegen Andersdenkende und des Geistesdruckes athmen, zu Stande gekommen. Wir haben uns vergeblich besonnen, auch nur Ein solches Beispiel zu entdecken. Das katholische Belgien ist bekanntlich das einzige europäische Land, in dem die Religions- freiheit vollkommen realisirt ist! Aus allem diesem wird nun geschlossen, daß „die Partei des wahren politischen Fortschritts“ die Piusvereine so lange mit Mißtrauen betrachten müsse, bis dieselben bewiesen, daß sie die Freiheit und Herrschaft auch dann nicht verwechseln werden, wenn die Kirche die ihr gebührende Freiheit erlangt haben wird. Mißtrauen ist aber eine üble Eigenschaft, Mißtrauen erregen kein löbliches Geschäft. Allein gut, wir sollen beweisen, daß wir nicht Herrschaft, sondern nur Freiheit wollen. Allein sagt uns nur einmal, wie wir uns anstellen sollen, um diesen Beweis zu er- bringen? Da liegen unsere Beschlüsse, unsere Statuten; nicht, wie unsere Gegner so gern thun, in zweideutigen Ausdrücken, son- dern in scharfen klaren Zügen, feierlichst ausgesprochen vor ganz Europa. Jst in ihnen etwas zu finden, was nach Herrschsucht schmeckt, so zeiget es auf; sind sie aber in alleweg den Grund- sätzen der Freiheit und Gerechtigkeit gemäß, warum glaubet ihr uns nicht? Oder sind wir je durch eine Handlung mit diesen un- seren Grundsätzen in Widerspruch gerathen? haben wir dieselben nicht vom ersten Augenblick an befolgt? sind wir nicht alle ein- müthig darin? Haben unsere Brüder in England, in Frankreich, in Nordamerika — in ähnlichen Verhältnissen, wie jetzt die deutschen Verhältnisse sind, je sich dagegen verfehlt? Je mehr wir den Satz bedenken, um so widersinniger kommt er uns vor: wir sollen beweisen, daß wir nicht Herrschaft, sondern Freiheit wollen, auch dann, wenn unserer Kirche die gebührende Freiheit geworden! Ei, wie sollen wir denn den Beweis führen können, wenn uns die Freiheit vorenthalten wird? Wollet ihr aber warten, ehe ihr offen und ohne Arg uns Freiheit und Ge- rechtigkeit gönnet, bis dem Mißtrauischen kein Mißtrauen mehr möglich ist, so wird das in Ewigkeit nicht der Fall seyn. Wir haben öffentlich getagt, und selbst zu unseren Ausschuß- sitzungen war Fremden der Zutritt nicht verwehrt — unser Stre- ben und unser Plan liegt offen. Wir wollen volle Freiheit für das katholische Wort, für das katholische Leben, für die katholische That, — wir wollen die Grundsätze der Rede=, der Preß=, der Vereins= und Versammlungsfreiheit ehrlich, ganz, unbeschränkt, ohne Präventivpolizei und Mißtrauen für Alle angewendet ha- ben. Das ist das Eine. — Und dann haben wir den schwarzen Plan gefaßt, durch Wissenschaft und Lehre, ganz besonders aber durch Wohlthun, die ganze Welt von der Güte und Wahrheit unseres Glaubens und unserer Kirche zu überzeugen. Ja das ist der große Entschluß, den wir gefaßt haben, frisch Hand anzule- gen an die socialen Leiden der Gegenwart, welche die Bureaukra- tie nicht heben kann, welche keine Constitution und keine Republik heben kann, welche der unchristliche Communismus und Socialis- mus nicht heben kann, um sie zu heben oder doch zu lindern durch die Hülfsmittel, die Heilkräfte, die Liebesanstalten des Christ enthums, des Katholicismus. Gehet hin und thuet deßgleichen; wer zuerst das Ziel erreicht, trägt den Preis davon, wer die Leiden des Volkes in der That hebt und lindert, der führt die Braut heim. Der Verfasser gesteht zu, daß seit der christlichen Aera keine kirch- liche Gesellschaft ein so lebensstarkes Element der menschlichen Civilisation in sich getragen, als die katholische, — nun wohlan, wir wollen es beweisen, daß es nicht blos so war, sondern daß es noch so ist. Die moderne Philosophie hat die Geister in Jrrsale und in Verzweiflung geführt, die auf diese Philosophie gebaute unchristliche Bildung hat die Sitten verderbt, der moderne Vernunftstaat, der, wie es im Artikel mit einem alten kantischen Ausdruck heißt, das einzige Postulat der Vernunft seyn soll, hat das Volk an den Rand des Verderbens geführt, so daß in dem- selben Maß, als durch Jndustrie und Handel die Quellen des Reichthums sich mehrten, die Verarmung überhand genommen hat; nun denn — so laßet einmal das alte Christenthum frei und sehet zu, ob es nicht wiederum die Gemüther versöhnen, die Gei- ster erleuchten, die Sitten reinigen und heiligen, das Volk wär- men, nähren und beglücken, den Segen des Himmels auf die Er- de zurückbringen wird. Die edle Kampfbahn ist eröffnet! Ringet mit uns um denselben Preis, aber hindert uns nicht. Wenn ihr aber glaubet, nur durch Unterdrückung den Sieg uns ent- reißen zu können, so habet ihr euch selbst gerichtet. Wir wollen nicht unterdrücken, unser Gewissen leidet es nicht, auch wenn es möglich wäre, was nicht ist; wohl aber wollen wir siegen, aber nur durch Wahrheit und nur durch Liebe. Dem Redacteur des Mainzer Zeitungsblattes aber grollen wir nicht, wir bedauern nur, wenn er uns nicht recht versteht. Christenthum und Pan- theismus, das sind die Parteien. Wir sind bereit auf dem Boden gleicher Freiheit den Kampf durchzuführen und hoffen, daß wir bald gar manchem redlichen Manne versöhnt die Hand drücken werden, den jetzt noch ein unglückseliges Mißverständniß von uns trennt. Deutschland. Wien. Die „Allgemeine Zeitung“ faßt ihre neuesten Wiener Berichte in folgender Weise zusammen: Ein Pack von Briefen aus Wien vom 6. und 7. liegt vor uns, die auf schreckliche Weise das gestrige Ausbleiben der Post vom 6. enthüllen. Das Resultat läßt sich kurz zusammenfassen. Ein Theil des nach Ungarn be- stimmten Militärs, das auf der Eisenbahn abfahren sollte, soll von ungarischem Geld und den demagogischen Clubs ( in denen Schütte eine Hauptrolle spielte ) so bearbeitet worden seyn, daß es den herbeigeströmten Volksmassen, die jene Abfahrt hindern wollten, gern nachgab. Die zur Verstärkung geschickte Mannschaft ( vom Regimente Nassau ) war unzureichend; aber sie feuerte auf die bewaffneten Angreifer, und so entzündete sich, von der Tabor- brücke aus, ein blutiger Aufstand durch die ganze Stadt und alle ihre Vorstädte. Noch vermögen wir den Gang desselben nicht ge- nau zu verfolgen; den Truppen scheint jede einheitliche und energ- ische Leitung, den Nationalgarden der Stadt, gegenüber den Volksmassen der Vorstädte und dem Pöbel, Kopf und Entschluß gefehlt zu haben. Aus allem geht hervor, daß die Truppen im All- gemeinen aufs schonendste zu Werk gehen sollten; dennoch kam es an vielen Orten zu lebhaftem Schießen, so auf dem Graben, vor, ja in der Stephanskirche, deren Altäre mit Blut bespritzt wurden. Es hieß General Bredy, Oberstlieutenant Klein, Obrist Jablonowsky seyen geblieben; doch lauten diese Angaben, und andere, die ei- nige weitere Namen nennen, noch unsicher. Wüthende Volkshau- fen riefen: Latour muß hängen. Und sie hatten ihren Willen! Ein Nationalgardist soll den alten Kriegsminister, den seine Stabs- officiere aufs schmählichste im Stiche ließen, erstochen, und an den Füßen aus dem Kriegshotel herausgeschleppt haben, worauf der Pöbel an dem Leichnam seine scheußliche Lust übte, und ihn endlich unter brüllendem Jubel an dem Gaskandelaber des Ministerial- gebäudes aufhenkte. Es liegen uns darüber die Schilderungen ei- nes Augenzeugen vor: sind die von ihm erzählten Thatsachen ge- nau, so darf der Wiener Pöbel sich rühmen hinter den Mördern Lichnowsky's und Lambergs zum mindesten nicht zurückzustehen. Und Graf Latour war ein Mann, der in der Kriegsgeschichte Oe- sterreichs den ehrenvollsten Namen sich erworben hatte, was ihn schützen mußte, selbst gegenüber von denen, die sein Benehmen in dem kroatisch=ungarischen Streite noch so sehr tadeln mochten. Was der Reichstag that, während in den Straßen Wiens der Bürgerkrieg und der Mord wüthete — auch Schwarzer, Bach, Wessenberg sollten hängen! — das erzählen mehrere Briefe. Nur heben sie, wie aus anderen Mittheilun- gen hervorgeht, nicht genug hervor, wie vom Reichstag selbst die den Aufruhr ermunternden Forderungen auf Straflosigkeit der Mörder Latour's, allgemeine Amnestie — natürlich mit Garantie der „Errungenschaften“ unterstützt wurden. Doch enthalten wir uns dießfalls eines Urtheils, bis wir das Ganze mit Ruhe ge- prüft; nur das ergiebt sich schon heute: das Reichsministerium und die Nationalversammlung in Frankfurt haben sich anders be- nommen und der Revolution ein entschlosseneres Antlitz gezeigt, als die Minister und der Reichstag von Wien, obwohl man an der Donau die Sturmwolken längere Zeit sich hatte zusammen-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 110. Mainz, 12. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal110_1848/2>, abgerufen am 26.06.2024.