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Mainzer Journal. Nr. 103. Mainz, 4. Oktober 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Jagdrechts vorzüglich ist ihm ein Nachtstück der deutschen Ge-
schichte. Er will keine Entschädigung für das Jagdrecht und die
Jagddienste und Jagdfrohnden, die den Menschen "zum Hunde
herabwürdigen," sind ohne Weiteres aufzuheben.

Wichmann spricht wieder vom Standpunkte des Rechts
anstatt der hohlen Declamation, indem er zwischen der Jagd auf
eigenem Grund und Boden und dem Jagdrechte auf fremdem
Grundeigenthum, ferner unter den verschiedenen Erwerbtiteln des
Jagdrechtes unterscheidet. Er stimmt daher für den Verbesserungs-
antrag Plathner's "die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und
Boden ist aufgehoben, die Entschädigungsfeststellung den Landes-
gesetzgebungen zu überlassen." Rheinwald von der entgegenge-
setzten Seite tritt diesen Ansichten schon etwas näher, indem er
nicht allein eine Entschädigung zugesteht, sondern sich sogar mit
der Ermittelung der Höhe derselben beschäftigt. Er will einen all-
gemeinen Maßstab für ganz Deutschland angelegt wissen, um Un-
gleichheiten zu beseitigen. Unablösbare Verbindlichkeiten aber,
wie Renten, Gülten und dergl. auf Grundstücke zu übernehmen,
soll gesetzlich verboten seyn. Schlöffel weiß das Thema so ge-
schickt zu verwenden, daß er bei der Gelegenheit über alles Mög-
liche spricht, über den Belagerungszustand, die stehenden Heere,
über Vincke's Pasioonen und sogar über den zu behandelnden Ge-
genstand selbst, wiewohl über den letzteren im Verhältniß am
Sparsamsten. 70% des deutschen Volks wollen die fraglichen
Bevorrechtigungen aufgehoben wissen. Dies ist sein Motiv, wo-
nach er als Vertreter des deutschen Volkes handeln zu müssen
glaubt. Rösler von Oels verwendet sich für die Abänderungs-
anträge, die er mit seinen politischen Freunden zu den §§. gestellt.
Die unentschädigte Ablösung der Privilegien sucht er theils aus
frühern ähnlichen Vorgängen, namentlich in Schlesien, analogisch
zu rechtfertigen, theils aus der Art der Vorrechte, wodurch natür-
liche Rechte beschränkt würden. Sein Vortrag klingt häufig wie
eine behagliche Conversation, die sich mit Vorliebe an die Rechte
wendet und die beispielsweisen Anekdoten, die er dabei zum Besten
gibt, haben zur Folge, daß der Redner endlich wiederholt von
seinen Zuhörern an den "Schluß" erinnert wird, was ihn
jedoch nicht hindert, seine volle Meinung zu entwickeln. Nach
Edlauer ist's eben das Rechtsgefühl des deutschen Volks,
welches eine billige Entschädigung als unerläßlich vorschreibt.
Plathner ist nicht der Meinung, daß 70 Procent des Bauern-
standes die revolutionären Ansichten theile, von welchen ein Vor-
redner gesprochen habe. Es herrsche auch im Bauern das Rechts-
bewußtseyn, daß er das zu bezahlen habe, was er schuldig ist. Es
handle sich hier um Privatrechte, die alle Tage veräußert würden
und die volles Eigenthum seyen. Decretire man die Aufhebung
der Feudallasten ohne Entschädigung, so werde die Revolution
des Communismus decretirt. Mittermaier will die vorlie-
gende Frage der Particulargesetzgebung zur Entscheidung überge-
ben haben. Reichensperger verlangt, daß das Princip der
Ablösbarkeit an die Spitze gestellt werde. Die Worte "sind auf-
gehoben," seyen somit in "sind aufzuheben" zu verwandeln. Man
möge dem Beispiele der französischen Regierung des Jahres XIII.
folgen, welche in Betreff der droits seigneuriaux besondere Be-
stimmungen für die rheinischen Departemente erlassen habe, und
die Frage über Aufhebung der Feudallasten den Regierungen zu-
weisen. Auch die Servituten seyen aufzuheben. Von Neuem habe
sich das rothe Banner erhoben, unter welchem, wenn auch nicht
in erster, doch aber in zweiter Linie der Kampf gegen das Eigen-
thum geführt werde. Jn unseren Tagen sey es, wo der Grundsatz
sich Geltung verschaffen wolle: " La propriete c'est le vol!"
Lette liefert eine Kritik sämmtlicher Anträge und Amendements
und spricht sich schließlich für Aufhebung der Jagdgerechtigkeit
ohne Entschädigung, und für die Durchführung des Ablösungs-
princips durch die Particulargesetzgebungen aus. Nächste Sitzung
Donnerstag den 5. Oct. Fortsetzung der Berathung über Art.
VII. der Grundrechte.

Wien 29. September. ( Sten. Corr. ) Der Constitutionsaus-
schuß hat heute den Entwurf der Grundrechte der österreichischen
Völker und Staatsbürger veröffentlicht. Die wesentlichsten
Punkte sind folgende: Standesvorrechte und Adelsbezeichnungen
sind abgeschafft und dürfen nicht mehr verliehen werden; die
Todesstrafe wird abgeschafft; -- das Petitionsrecht ist unbe-
schränkt; -- Volksversammlungen unter freiem Himmel dürfen
nur in Fällen dringender Gefahr untersagt werden; -- kein be-
waffnetes Corps darf über politische Fragen berathen oder Be-
schlüsse fassen; -- eine Staatskirche gibt es nicht; -- die Civilehe
wird eingeführt; -- die Preßfreiheit darf weder durch Censur,
noch durch Cautionen und Stempel beengt werden -- die Gleich-
berechtigung aller Nationalitäten ist ein unveräußerliches Recht
derselben; -- Majorate und Fideicommisse hören auf; -- das
Heer untersteht den bürgerlichen Gesetzen und Gerichten. Diese
[Spaltenumbruch] Kardinalpunkte werden die lebhaftesten Debatten veranlassen;
man glaubt indeß, daß in den Abtheilungen der Staub von den
radicalen Schmetterlingsflügeln dieser Anträge zum großen Theil
weggeblasen werden dürfte. -- Von der Eventualität des Belager-
ungsstandes wird stärker gesprochen, als je. -- Der Finanzmini-
ster hat heute den Voranschlag p. 1849 mitgetheilt. Das dies-
jährige Deficit übersteigt die Summe von 70 Mill. Gulden und
für das kommende Jahr wird ein solches von 61 Mill. Gul-
den vorausgesetzt.

Wien 29. Sept. ( A. Z. ) Die sehr unbedeutenden Brief-
schaften des Banus von Croatien an den Kriegsminister Latour
sind von den Magyaren aufgefangen worden. Er beklagt sich
darin bitterlich, Geldmangel zu leiden und die längstversprochenen
Geschütze noch nicht erhalten zu haben. Auf außerordentlichem
Wege geht mir die bestimmte Nachricht zu, daß die russischen Trup-
pen die galizische Grenze verlassen und sich tief ins Land zurückge-
zogen haben. Die russische Armee wird auf den Frie-
densfuß gestellt,
die Trainpferde werden verkauft, und die
urlaubslustigen Officiere haben sich zu melden. Am 27. war die
Armee des Banus bereits bis Veleneze, 3 Meilen von Ofen, vor-
gerückt. Die ungarischen Generale haben ihr bis jetzt keinen
Widerstand entgegengesetzt.

Wien 29. Sept. ( A. Z. ) Wir sind in voller Ministerkrise.
Folgendes ist die neueste Combination: Schwarzer, der eben
erst resignirt hat, soll das Portefeuille des Handels übernehmen;
Graf Wickenburg, bisher Gouverneur in Grätz, das Jnnere;
Strohbach ( der Präsident des Reichstags ) , die Justiz; Bach,
die öffentlichen Arbeiten.

Wien 30. Sept. ( Sten. Corr. ) So eben trifft aus Pesth
die höchst betrübende Kunde ein, daß Graf Lamberg, als er in
einem offenen Wagen über die Pesth=Ofener Brücke fuhr, von
einem Wiener Freiwilligen erkannt, meuchlings überfallen, ver-
wundet und sofort von einem rasenden Haufen durch die Stra-
ßen der Stadt geschleift worden.
Der Graf hatte
kurz vorher eine Conferenz verlassen. Der Finatismus scheint,
nach dieser That zu urtheilen, in Pesth den Gipfelpunkt erreicht
zu haben. [ Die "Rothen" sind überall dieselben! ] Ueber eine
Jnterpellation des Abgeordneten Borrosch gab in der heutigen
Reichstagssitzung der Ministerpräsident v. Wessenberg die wich-
tige Erklärung ab, daß die österreichische Regierung fest entschlossen
sey, den Frieden in Ungarn mit allen ihr zu Gebote stehenden
Mitteln, und zwar auf der Grundlage der Gleichstellung
aller Nationalitäten
zu bewirken. Diese Aeußerung
ward von der Mehrheit der Kammer, namentlich aber von der
slavischen Partei, mit dem rauschendsten Beifall begrüßt. Damit
wäre denn der Grundsatz der österreichischen Jntervention ausge-
sprochen. Neueste Nachrichten. Jn Pesth herrscht
grenzenlose Verwirrung
und der Ausbruch anarchi-
scher Zustände ist nächstens zu erwarten. Der Körper des Grafen
Lamberg ward kanibalisch zerfleischt. Die entmenschte Menge
balgte sich förmlich um ein Stück von dem Körper des Unglückli-
chen, der eine Gattin mit acht Kindern hinterläßt. Die ungarische
Nationalversammlung hat übrigens die Sendung des Grafen als
königl. Commissär mit Protest zurückgewiesen. Pesther Flücht-
linge strömen in Massen hierher. Die magyarische Sache ist allem
Anscheine nach verloren. -- Die nordslavische Jnsurrection ist
vorläufig unterdrückt.

Kassel 28. Sept. ( S. M. ) Hier hat die revolutionäre
Partei
ihren Mittelpunkt in dem democratisch=socialistisch=re-
publikanischen Vereine, an dessen Spitze ein bisheriger junger Pri-
vatdocent in Göttingen, Dr. Kellner, mit nicht zu läugnendem
ausgezeichneten Rednertalent steht, der früher als Schriftsteller im
staatswirthschaftlichen Fache nicht unrühmlich aufgetreten war.
Neben ihm steht ein ebenso junger Rechtscandidat Heise, Sohn
eines hiesigen Staatsbeamten, der wegen der Grundsätze, die er
zu Marburg bei der Bestattung des Professors Endemann an
dessen Grabe offen ausgesprochen, unter der vorigen Regierung
alle Aussicht verlor, zu einer Anstellung im Staatsdienste zu ge-
langen. Endlich ein gänzlich unbemittelter Literat Koch, der frü-
her die Absicht hatte, nach Amerika auszuwandern. Es waren
diese drei die Chefs der vor Kurzem aufgelösten und entwaffneten
Freischaaren am hiesigen Orte, eines Corps, welches, statt
eine Schutzwehr für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung
zu seyn, so lange es existirte den ruhigen loyalen Einwohnern
nur Besorgnisse wegen deren Störung einflöste. Diese drei Jn-
dividuen haben nichts zu verlieren, aber Alles zu gewinnen, wenn
es hier drunter und drüber geht. Der Verein, dem sie vorstehen,
hält öfter öffentliche Versammlungen, die einen großen Zudrang
von Menschen haben, und in welchen die überspanntesten Reden
gehalten und eben solche Beschlüsse durch nie fehlende Stimmen-
mehrheit gefaßt werden. Es steht dieser Verein in Verbindung
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Jagdrechts vorzüglich ist ihm ein Nachtstück der deutschen Ge-
schichte. Er will keine Entschädigung für das Jagdrecht und die
Jagddienste und Jagdfrohnden, die den Menschen „zum Hunde
herabwürdigen,“ sind ohne Weiteres aufzuheben.

Wichmann spricht wieder vom Standpunkte des Rechts
anstatt der hohlen Declamation, indem er zwischen der Jagd auf
eigenem Grund und Boden und dem Jagdrechte auf fremdem
Grundeigenthum, ferner unter den verschiedenen Erwerbtiteln des
Jagdrechtes unterscheidet. Er stimmt daher für den Verbesserungs-
antrag Plathner's „die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und
Boden ist aufgehoben, die Entschädigungsfeststellung den Landes-
gesetzgebungen zu überlassen.“ Rheinwald von der entgegenge-
setzten Seite tritt diesen Ansichten schon etwas näher, indem er
nicht allein eine Entschädigung zugesteht, sondern sich sogar mit
der Ermittelung der Höhe derselben beschäftigt. Er will einen all-
gemeinen Maßstab für ganz Deutschland angelegt wissen, um Un-
gleichheiten zu beseitigen. Unablösbare Verbindlichkeiten aber,
wie Renten, Gülten und dergl. auf Grundstücke zu übernehmen,
soll gesetzlich verboten seyn. Schlöffel weiß das Thema so ge-
schickt zu verwenden, daß er bei der Gelegenheit über alles Mög-
liche spricht, über den Belagerungszustand, die stehenden Heere,
über Vincke's Pasioonen und sogar über den zu behandelnden Ge-
genstand selbst, wiewohl über den letzteren im Verhältniß am
Sparsamsten. 70% des deutschen Volks wollen die fraglichen
Bevorrechtigungen aufgehoben wissen. Dies ist sein Motiv, wo-
nach er als Vertreter des deutschen Volkes handeln zu müssen
glaubt. Rösler von Oels verwendet sich für die Abänderungs-
anträge, die er mit seinen politischen Freunden zu den §§. gestellt.
Die unentschädigte Ablösung der Privilegien sucht er theils aus
frühern ähnlichen Vorgängen, namentlich in Schlesien, analogisch
zu rechtfertigen, theils aus der Art der Vorrechte, wodurch natür-
liche Rechte beschränkt würden. Sein Vortrag klingt häufig wie
eine behagliche Conversation, die sich mit Vorliebe an die Rechte
wendet und die beispielsweisen Anekdoten, die er dabei zum Besten
gibt, haben zur Folge, daß der Redner endlich wiederholt von
seinen Zuhörern an den „Schluß“ erinnert wird, was ihn
jedoch nicht hindert, seine volle Meinung zu entwickeln. Nach
Edlauer ist's eben das Rechtsgefühl des deutschen Volks,
welches eine billige Entschädigung als unerläßlich vorschreibt.
Plathner ist nicht der Meinung, daß 70 Procent des Bauern-
standes die revolutionären Ansichten theile, von welchen ein Vor-
redner gesprochen habe. Es herrsche auch im Bauern das Rechts-
bewußtseyn, daß er das zu bezahlen habe, was er schuldig ist. Es
handle sich hier um Privatrechte, die alle Tage veräußert würden
und die volles Eigenthum seyen. Decretire man die Aufhebung
der Feudallasten ohne Entschädigung, so werde die Revolution
des Communismus decretirt. Mittermaier will die vorlie-
gende Frage der Particulargesetzgebung zur Entscheidung überge-
ben haben. Reichensperger verlangt, daß das Princip der
Ablösbarkeit an die Spitze gestellt werde. Die Worte „sind auf-
gehoben,“ seyen somit in „sind aufzuheben“ zu verwandeln. Man
möge dem Beispiele der französischen Regierung des Jahres XIII.
folgen, welche in Betreff der droits seigneuriaux besondere Be-
stimmungen für die rheinischen Departemente erlassen habe, und
die Frage über Aufhebung der Feudallasten den Regierungen zu-
weisen. Auch die Servituten seyen aufzuheben. Von Neuem habe
sich das rothe Banner erhoben, unter welchem, wenn auch nicht
in erster, doch aber in zweiter Linie der Kampf gegen das Eigen-
thum geführt werde. Jn unseren Tagen sey es, wo der Grundsatz
sich Geltung verschaffen wolle: « La propriété c'est le vol
Lette liefert eine Kritik sämmtlicher Anträge und Amendements
und spricht sich schließlich für Aufhebung der Jagdgerechtigkeit
ohne Entschädigung, und für die Durchführung des Ablösungs-
princips durch die Particulargesetzgebungen aus. Nächste Sitzung
Donnerstag den 5. Oct. Fortsetzung der Berathung über Art.
VII. der Grundrechte.

Wien 29. September. ( Sten. Corr. ) Der Constitutionsaus-
schuß hat heute den Entwurf der Grundrechte der österreichischen
Völker und Staatsbürger veröffentlicht. Die wesentlichsten
Punkte sind folgende: Standesvorrechte und Adelsbezeichnungen
sind abgeschafft und dürfen nicht mehr verliehen werden; die
Todesstrafe wird abgeschafft; — das Petitionsrecht ist unbe-
schränkt; — Volksversammlungen unter freiem Himmel dürfen
nur in Fällen dringender Gefahr untersagt werden; — kein be-
waffnetes Corps darf über politische Fragen berathen oder Be-
schlüsse fassen; — eine Staatskirche gibt es nicht; — die Civilehe
wird eingeführt; — die Preßfreiheit darf weder durch Censur,
noch durch Cautionen und Stempel beengt werden — die Gleich-
berechtigung aller Nationalitäten ist ein unveräußerliches Recht
derselben; — Majorate und Fideicommisse hören auf; — das
Heer untersteht den bürgerlichen Gesetzen und Gerichten. Diese
[Spaltenumbruch] Kardinalpunkte werden die lebhaftesten Debatten veranlassen;
man glaubt indeß, daß in den Abtheilungen der Staub von den
radicalen Schmetterlingsflügeln dieser Anträge zum großen Theil
weggeblasen werden dürfte. — Von der Eventualität des Belager-
ungsstandes wird stärker gesprochen, als je. — Der Finanzmini-
ster hat heute den Voranschlag p. 1849 mitgetheilt. Das dies-
jährige Deficit übersteigt die Summe von 70 Mill. Gulden und
für das kommende Jahr wird ein solches von 61 Mill. Gul-
den vorausgesetzt.

Wien 29. Sept. ( A. Z. ) Die sehr unbedeutenden Brief-
schaften des Banus von Croatien an den Kriegsminister Latour
sind von den Magyaren aufgefangen worden. Er beklagt sich
darin bitterlich, Geldmangel zu leiden und die längstversprochenen
Geschütze noch nicht erhalten zu haben. Auf außerordentlichem
Wege geht mir die bestimmte Nachricht zu, daß die russischen Trup-
pen die galizische Grenze verlassen und sich tief ins Land zurückge-
zogen haben. Die russische Armee wird auf den Frie-
densfuß gestellt,
die Trainpferde werden verkauft, und die
urlaubslustigen Officiere haben sich zu melden. Am 27. war die
Armee des Banus bereits bis Veleneze, 3 Meilen von Ofen, vor-
gerückt. Die ungarischen Generale haben ihr bis jetzt keinen
Widerstand entgegengesetzt.

Wien 29. Sept. ( A. Z. ) Wir sind in voller Ministerkrise.
Folgendes ist die neueste Combination: Schwarzer, der eben
erst resignirt hat, soll das Portefeuille des Handels übernehmen;
Graf Wickenburg, bisher Gouverneur in Grätz, das Jnnere;
Strohbach ( der Präsident des Reichstags ) , die Justiz; Bach,
die öffentlichen Arbeiten.

Wien 30. Sept. ( Sten. Corr. ) So eben trifft aus Pesth
die höchst betrübende Kunde ein, daß Graf Lamberg, als er in
einem offenen Wagen über die Pesth=Ofener Brücke fuhr, von
einem Wiener Freiwilligen erkannt, meuchlings überfallen, ver-
wundet und sofort von einem rasenden Haufen durch die Stra-
ßen der Stadt geschleift worden.
Der Graf hatte
kurz vorher eine Conferenz verlassen. Der Finatismus scheint,
nach dieser That zu urtheilen, in Pesth den Gipfelpunkt erreicht
zu haben. [ Die „Rothen“ sind überall dieselben! ] Ueber eine
Jnterpellation des Abgeordneten Borrosch gab in der heutigen
Reichstagssitzung der Ministerpräsident v. Wessenberg die wich-
tige Erklärung ab, daß die österreichische Regierung fest entschlossen
sey, den Frieden in Ungarn mit allen ihr zu Gebote stehenden
Mitteln, und zwar auf der Grundlage der Gleichstellung
aller Nationalitäten
zu bewirken. Diese Aeußerung
ward von der Mehrheit der Kammer, namentlich aber von der
slavischen Partei, mit dem rauschendsten Beifall begrüßt. Damit
wäre denn der Grundsatz der österreichischen Jntervention ausge-
sprochen. Neueste Nachrichten. Jn Pesth herrscht
grenzenlose Verwirrung
und der Ausbruch anarchi-
scher Zustände ist nächstens zu erwarten. Der Körper des Grafen
Lamberg ward kanibalisch zerfleischt. Die entmenschte Menge
balgte sich förmlich um ein Stück von dem Körper des Unglückli-
chen, der eine Gattin mit acht Kindern hinterläßt. Die ungarische
Nationalversammlung hat übrigens die Sendung des Grafen als
königl. Commissär mit Protest zurückgewiesen. Pesther Flücht-
linge strömen in Massen hierher. Die magyarische Sache ist allem
Anscheine nach verloren. — Die nordslavische Jnsurrection ist
vorläufig unterdrückt.

Kassel 28. Sept. ( S. M. ) Hier hat die revolutionäre
Partei
ihren Mittelpunkt in dem democratisch=socialistisch=re-
publikanischen Vereine, an dessen Spitze ein bisheriger junger Pri-
vatdocent in Göttingen, Dr. Kellner, mit nicht zu läugnendem
ausgezeichneten Rednertalent steht, der früher als Schriftsteller im
staatswirthschaftlichen Fache nicht unrühmlich aufgetreten war.
Neben ihm steht ein ebenso junger Rechtscandidat Heise, Sohn
eines hiesigen Staatsbeamten, der wegen der Grundsätze, die er
zu Marburg bei der Bestattung des Professors Endemann an
dessen Grabe offen ausgesprochen, unter der vorigen Regierung
alle Aussicht verlor, zu einer Anstellung im Staatsdienste zu ge-
langen. Endlich ein gänzlich unbemittelter Literat Koch, der frü-
her die Absicht hatte, nach Amerika auszuwandern. Es waren
diese drei die Chefs der vor Kurzem aufgelösten und entwaffneten
Freischaaren am hiesigen Orte, eines Corps, welches, statt
eine Schutzwehr für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung
zu seyn, so lange es existirte den ruhigen loyalen Einwohnern
nur Besorgnisse wegen deren Störung einflöste. Diese drei Jn-
dividuen haben nichts zu verlieren, aber Alles zu gewinnen, wenn
es hier drunter und drüber geht. Der Verein, dem sie vorstehen,
hält öfter öffentliche Versammlungen, die einen großen Zudrang
von Menschen haben, und in welchen die überspanntesten Reden
gehalten und eben solche Beschlüsse durch nie fehlende Stimmen-
mehrheit gefaßt werden. Es steht dieser Verein in Verbindung
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[0003] Jagdrechts vorzüglich ist ihm ein Nachtstück der deutschen Ge- schichte. Er will keine Entschädigung für das Jagdrecht und die Jagddienste und Jagdfrohnden, die den Menschen „zum Hunde herabwürdigen,“ sind ohne Weiteres aufzuheben. Wichmann spricht wieder vom Standpunkte des Rechts anstatt der hohlen Declamation, indem er zwischen der Jagd auf eigenem Grund und Boden und dem Jagdrechte auf fremdem Grundeigenthum, ferner unter den verschiedenen Erwerbtiteln des Jagdrechtes unterscheidet. Er stimmt daher für den Verbesserungs- antrag Plathner's „die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden ist aufgehoben, die Entschädigungsfeststellung den Landes- gesetzgebungen zu überlassen.“ Rheinwald von der entgegenge- setzten Seite tritt diesen Ansichten schon etwas näher, indem er nicht allein eine Entschädigung zugesteht, sondern sich sogar mit der Ermittelung der Höhe derselben beschäftigt. Er will einen all- gemeinen Maßstab für ganz Deutschland angelegt wissen, um Un- gleichheiten zu beseitigen. Unablösbare Verbindlichkeiten aber, wie Renten, Gülten und dergl. auf Grundstücke zu übernehmen, soll gesetzlich verboten seyn. Schlöffel weiß das Thema so ge- schickt zu verwenden, daß er bei der Gelegenheit über alles Mög- liche spricht, über den Belagerungszustand, die stehenden Heere, über Vincke's Pasioonen und sogar über den zu behandelnden Ge- genstand selbst, wiewohl über den letzteren im Verhältniß am Sparsamsten. 70% des deutschen Volks wollen die fraglichen Bevorrechtigungen aufgehoben wissen. Dies ist sein Motiv, wo- nach er als Vertreter des deutschen Volkes handeln zu müssen glaubt. Rösler von Oels verwendet sich für die Abänderungs- anträge, die er mit seinen politischen Freunden zu den §§. gestellt. Die unentschädigte Ablösung der Privilegien sucht er theils aus frühern ähnlichen Vorgängen, namentlich in Schlesien, analogisch zu rechtfertigen, theils aus der Art der Vorrechte, wodurch natür- liche Rechte beschränkt würden. Sein Vortrag klingt häufig wie eine behagliche Conversation, die sich mit Vorliebe an die Rechte wendet und die beispielsweisen Anekdoten, die er dabei zum Besten gibt, haben zur Folge, daß der Redner endlich wiederholt von seinen Zuhörern an den „Schluß“ erinnert wird, was ihn jedoch nicht hindert, seine volle Meinung zu entwickeln. Nach Edlauer ist's eben das Rechtsgefühl des deutschen Volks, welches eine billige Entschädigung als unerläßlich vorschreibt. Plathner ist nicht der Meinung, daß 70 Procent des Bauern- standes die revolutionären Ansichten theile, von welchen ein Vor- redner gesprochen habe. Es herrsche auch im Bauern das Rechts- bewußtseyn, daß er das zu bezahlen habe, was er schuldig ist. Es handle sich hier um Privatrechte, die alle Tage veräußert würden und die volles Eigenthum seyen. Decretire man die Aufhebung der Feudallasten ohne Entschädigung, so werde die Revolution des Communismus decretirt. Mittermaier will die vorlie- gende Frage der Particulargesetzgebung zur Entscheidung überge- ben haben. Reichensperger verlangt, daß das Princip der Ablösbarkeit an die Spitze gestellt werde. Die Worte „sind auf- gehoben,“ seyen somit in „sind aufzuheben“ zu verwandeln. Man möge dem Beispiele der französischen Regierung des Jahres XIII. folgen, welche in Betreff der droits seigneuriaux besondere Be- stimmungen für die rheinischen Departemente erlassen habe, und die Frage über Aufhebung der Feudallasten den Regierungen zu- weisen. Auch die Servituten seyen aufzuheben. Von Neuem habe sich das rothe Banner erhoben, unter welchem, wenn auch nicht in erster, doch aber in zweiter Linie der Kampf gegen das Eigen- thum geführt werde. Jn unseren Tagen sey es, wo der Grundsatz sich Geltung verschaffen wolle: « La propriété c'est le vol!» Lette liefert eine Kritik sämmtlicher Anträge und Amendements und spricht sich schließlich für Aufhebung der Jagdgerechtigkeit ohne Entschädigung, und für die Durchführung des Ablösungs- princips durch die Particulargesetzgebungen aus. Nächste Sitzung Donnerstag den 5. Oct. Fortsetzung der Berathung über Art. VII. der Grundrechte. Wien 29. September. ( Sten. Corr. ) Der Constitutionsaus- schuß hat heute den Entwurf der Grundrechte der österreichischen Völker und Staatsbürger veröffentlicht. Die wesentlichsten Punkte sind folgende: Standesvorrechte und Adelsbezeichnungen sind abgeschafft und dürfen nicht mehr verliehen werden; die Todesstrafe wird abgeschafft; — das Petitionsrecht ist unbe- schränkt; — Volksversammlungen unter freiem Himmel dürfen nur in Fällen dringender Gefahr untersagt werden; — kein be- waffnetes Corps darf über politische Fragen berathen oder Be- schlüsse fassen; — eine Staatskirche gibt es nicht; — die Civilehe wird eingeführt; — die Preßfreiheit darf weder durch Censur, noch durch Cautionen und Stempel beengt werden — die Gleich- berechtigung aller Nationalitäten ist ein unveräußerliches Recht derselben; — Majorate und Fideicommisse hören auf; — das Heer untersteht den bürgerlichen Gesetzen und Gerichten. Diese Kardinalpunkte werden die lebhaftesten Debatten veranlassen; man glaubt indeß, daß in den Abtheilungen der Staub von den radicalen Schmetterlingsflügeln dieser Anträge zum großen Theil weggeblasen werden dürfte. — Von der Eventualität des Belager- ungsstandes wird stärker gesprochen, als je. — Der Finanzmini- ster hat heute den Voranschlag p. 1849 mitgetheilt. Das dies- jährige Deficit übersteigt die Summe von 70 Mill. Gulden und für das kommende Jahr wird ein solches von 61 Mill. Gul- den vorausgesetzt. Wien 29. Sept. ( A. Z. ) Die sehr unbedeutenden Brief- schaften des Banus von Croatien an den Kriegsminister Latour sind von den Magyaren aufgefangen worden. Er beklagt sich darin bitterlich, Geldmangel zu leiden und die längstversprochenen Geschütze noch nicht erhalten zu haben. Auf außerordentlichem Wege geht mir die bestimmte Nachricht zu, daß die russischen Trup- pen die galizische Grenze verlassen und sich tief ins Land zurückge- zogen haben. Die russische Armee wird auf den Frie- densfuß gestellt, die Trainpferde werden verkauft, und die urlaubslustigen Officiere haben sich zu melden. Am 27. war die Armee des Banus bereits bis Veleneze, 3 Meilen von Ofen, vor- gerückt. Die ungarischen Generale haben ihr bis jetzt keinen Widerstand entgegengesetzt. Wien 29. Sept. ( A. Z. ) Wir sind in voller Ministerkrise. Folgendes ist die neueste Combination: Schwarzer, der eben erst resignirt hat, soll das Portefeuille des Handels übernehmen; Graf Wickenburg, bisher Gouverneur in Grätz, das Jnnere; Strohbach ( der Präsident des Reichstags ) , die Justiz; Bach, die öffentlichen Arbeiten. Wien 30. Sept. ( Sten. Corr. ) So eben trifft aus Pesth die höchst betrübende Kunde ein, daß Graf Lamberg, als er in einem offenen Wagen über die Pesth=Ofener Brücke fuhr, von einem Wiener Freiwilligen erkannt, meuchlings überfallen, ver- wundet und sofort von einem rasenden Haufen durch die Stra- ßen der Stadt geschleift worden. Der Graf hatte kurz vorher eine Conferenz verlassen. Der Finatismus scheint, nach dieser That zu urtheilen, in Pesth den Gipfelpunkt erreicht zu haben. [ Die „Rothen“ sind überall dieselben! ] Ueber eine Jnterpellation des Abgeordneten Borrosch gab in der heutigen Reichstagssitzung der Ministerpräsident v. Wessenberg die wich- tige Erklärung ab, daß die österreichische Regierung fest entschlossen sey, den Frieden in Ungarn mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln, und zwar auf der Grundlage der Gleichstellung aller Nationalitäten zu bewirken. Diese Aeußerung ward von der Mehrheit der Kammer, namentlich aber von der slavischen Partei, mit dem rauschendsten Beifall begrüßt. Damit wäre denn der Grundsatz der österreichischen Jntervention ausge- sprochen. Neueste Nachrichten. Jn Pesth herrscht grenzenlose Verwirrung und der Ausbruch anarchi- scher Zustände ist nächstens zu erwarten. Der Körper des Grafen Lamberg ward kanibalisch zerfleischt. Die entmenschte Menge balgte sich förmlich um ein Stück von dem Körper des Unglückli- chen, der eine Gattin mit acht Kindern hinterläßt. Die ungarische Nationalversammlung hat übrigens die Sendung des Grafen als königl. Commissär mit Protest zurückgewiesen. Pesther Flücht- linge strömen in Massen hierher. Die magyarische Sache ist allem Anscheine nach verloren. — Die nordslavische Jnsurrection ist vorläufig unterdrückt. Kassel 28. Sept. ( S. M. ) Hier hat die revolutionäre Partei ihren Mittelpunkt in dem democratisch=socialistisch=re- publikanischen Vereine, an dessen Spitze ein bisheriger junger Pri- vatdocent in Göttingen, Dr. Kellner, mit nicht zu läugnendem ausgezeichneten Rednertalent steht, der früher als Schriftsteller im staatswirthschaftlichen Fache nicht unrühmlich aufgetreten war. Neben ihm steht ein ebenso junger Rechtscandidat Heise, Sohn eines hiesigen Staatsbeamten, der wegen der Grundsätze, die er zu Marburg bei der Bestattung des Professors Endemann an dessen Grabe offen ausgesprochen, unter der vorigen Regierung alle Aussicht verlor, zu einer Anstellung im Staatsdienste zu ge- langen. Endlich ein gänzlich unbemittelter Literat Koch, der frü- her die Absicht hatte, nach Amerika auszuwandern. Es waren diese drei die Chefs der vor Kurzem aufgelösten und entwaffneten Freischaaren am hiesigen Orte, eines Corps, welches, statt eine Schutzwehr für die Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung zu seyn, so lange es existirte den ruhigen loyalen Einwohnern nur Besorgnisse wegen deren Störung einflöste. Diese drei Jn- dividuen haben nichts zu verlieren, aber Alles zu gewinnen, wenn es hier drunter und drüber geht. Der Verein, dem sie vorstehen, hält öfter öffentliche Versammlungen, die einen großen Zudrang von Menschen haben, und in welchen die überspanntesten Reden gehalten und eben solche Beschlüsse durch nie fehlende Stimmen- mehrheit gefaßt werden. Es steht dieser Verein in Verbindung

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 103. Mainz, 4. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal103_1848/3>, abgerufen am 22.11.2024.