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Mainzer Journal. Nr. 103. Mainz, 4. Oktober 1848.

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[Beginn Spaltensatz] sie beschließen, was sie wollen. Christus, der ja in aller Wahrheit
vom Kreuz herab seiner Kirche die Freiheit auf die Stirne ge-
schrieben hat, Er wird sie uns geben. Jch danke brüderlich, ich
grüße nochmals, ich kann Nichts mehr hinzusetzen.

Justizrath Hardung von Köln: Da soll ich sogar den
Schlußstein legen an das herrlich aufgethürmte Gebäude meiner
Vorgänger. Solche Bilder kann ich tief fühlen, aber Nichts
hinzusetzen. Geborener Mandatar bürgerlicher Rechte habe ich
blos meines Auftrages mich zu entledigen. Hochbeglückt, hoch-
geachtet, erkennen sich durch ihre Einladung auch die Kölner.
Heute feiern wir unsere Märzereignisse, den Früh-
lingsmorgen des katholischen Volkslebens, die Freiheit des Asso-
ciationsrechtes. Als der Kleinste bin ich hier aus dem Vorstande
des Kölner Piusvereines, der tüchtige würdige Männer zählt,
aus denen Sie mehrere in Jhrer Mitte kennen lernen werden.
Ja, wir Kölner erklären uns hochbeglückt, in das alte tausend-
jährige, goldene Mainz berufen zu seyn, in eine Stadt, wo der
große Erzbischof von Köln an den Quellen der Weisheit schöpfte,
für die Besteigung seines wichtigen Stuhles sich zu bereiten. Wir
wollen zur Freiheit streben, ja, durch Wahrheit, Recht und
Ordnung zur wahren Freiheit, die des Ruhmes ältere Schwe-
ster ist. Dankbar erkenne auch ich den Vorgang, das ermuthi-
gende Beispiel an, welches der Mainzer Piusverein uns gegeben,
ja, ich reihe mich aus tiefstem Herzensgrunde zu den tiefgefühlten
Danksagungen der Redner vor mir. Darum, laut sey es geru-
fen: "Es lebe und blühe der Mainzer Pius=Verein!" ( Dreima-
liges Hoch! )

Wir leben nicht mehr in der Zeit der Wunder, doch hat sich
Wunderbares vor unseren Augen entfaltet. Da ist in Jrland Da-
niel O'Connell,
ein Führer zur Freiheit auf der Bahn der
Gesetze, da ist in Deutschland Joseph Görres, der vor
Kurzem hingeschieden. Und das waren seine letzten Worte:
"Betet für die Völker, die Nichts mehr sind." Siehe da erhebt
sich das Volk, für das ja Niemand das Wort nimmt, es er-
greift es selbst; das Panier des Kreuzes, die Kraft des Gebetes,
das Schwert des Geistes, das sind seine Waffen, nicht die Em-
pörung. Und die diesen Aufblick zum Kreuze, zum Himmel, zu
Gott nicht verstehen, seyen sie rechts oder links, oder im Cen-
trum, in der oder jener Versammlung: sie bleiben liegen in den
Niederungen des irdischen Fühlens, Begehrens und Hoffens;
sie machen uns den Vorwurf, daß wir nicht aufblicken blos zu
den Bergen Gottes, daß wir auch hinüberblicken über die Berge,
daß wir sind Ultramontane. Wohl tragen wir hinüber über
die Berge unsere Treue, unsere Liebe, folgen wir unserem großen
Pius!.... Vertrauen wir auf Gott, seyen wir einig, so wird
unsere Kirche nicht von den Höllenpforten überwältigt werden.
Das Wort des großen Völkerfürsten, des Apostels Paulus, das
sey uns Aegide, Wahlspruch und Mahnung: "Werdet nicht der
Menschen Knechte, denn ihr seyd theuer erkauft." Vertrauen
wir dem Liede, und es wird sich an uns erfüllen:

Selig der Liebende,
Der die betrübende
Heilend' und übende
Prüfung bestand.

Damit ward die allgemeine Versammlung beschlossen. Die
Begeisterung, die Erhebung, die Gluth der Herzen, den feuri-
gen Muth, die einstimmige Entschlossenheit, die männliche
Würde, die in allen Reden sich aussprach, die in unzähligen,
stürmischen Bravos widerhallte ( wir wollen darüber kein Ver-
zeichniß anlegen ) zu schildern, auch nur von ferne in den allge-
meinsten Schattenrissen sie darzustellen, fühlen wir uns nicht ge-
wachsen. Darum haben wir, zwar nicht überall wörtlich, aber
in Bezug auf den Jnhalt mit sorglicher Gewissenhaftigkeit die
Reden mitgetheilt, die von allen deutschen Gegenden her, wie
Glockengeläute zu schönem Morgenwallgang durch frühlingsgrü-
nes Land, aneinanderschlagend im Sitzungssaale zu Einer ge-
waltigen Harmonie sich verschmolzen. Daraus möge denn das
rheinische Volk, mögen alle Katholiken von Deutschland, mögen
auch unsere getrennten Brüder schließen auf den lebenskräftigen,
siegbegierigen, todesmuthigen, aber in Gesetzestreue unerschüt-
terlichen Willen, der nicht die Abgeordneten blos, nein, der
auch die Vereine, welche solche Männer durch die Wahl ihres
Vertrauens hierher gesandt, durchglühen und beleben muß.
Sie mögen daraus abnehmen, ob wir einig seyen, ob wir in
unserer Einigkeit eine Macht auf der Erde oder -- unter der
Erde zu fürchten haben; -- sie mögen daraus abnehmen, ob wir
die Freiheit wollen, und wie innig wir auch für ganz Deutschland
in allen wesentlichen Dingen Einheit herbeisehnen; -- sie mögen
sich mit uns einmal überlegen, ob denn eigentlich in diesem Au-
genblick in Deutschland noch eine andere Einheit sey als die der
katholischen Kirche?



[Spaltenumbruch]
Deutschland.
Reichstag.

[ Sitzung vom 3. October. ] Zuerst, nach Präsentation Ries-
sers
als Vicepräsident, verkündigt Leue, daß das Gutachten des
Ausschusses für Gesetzgebung über Schaffrath's Antrag: den
Belagerungszustand sofort aufzuheben, dahin lautet, daß darüber
zur Tagesordnung geschritten werde. Wichmann erhält das
Wort, um die Dringlichkeit eines Antrags auf Beschränkung der
namentlichen Abstimmung zu begründen. Bei unbedeutenden,
beiläufigen und vorläufigen Fragen hält Wichmann mit Recht
die namentliche Abstimmung für eine bedenkliche Zeitverschwendung.
Venedey dagegen hält es für ein auch vom englischen Parla-
mente anerkanntes Recht der Minderheit, die Beschlüsse der
Mehrheit durch Benutzung aller formellen Hülfsmittel wenigstens
zu verschieben und hinzuhalten. [ Auch wenn das Vaterland in
Gefahr ist? Ein Pfui über solche Sophisten! ] Die Beschränk-
ung der namentlichen Abstimmung sieht ihm aus wie eine in
Folge neuerlicher Vorfälle zu ergreifende Maßregel. Das räumt
Scherer ein, und gerade diese Erfahrungen lassen ihm den
Wichmann'schen Antrag als dringlich erscheinen. Die Versamm-
lung lehnt jedoch ein weiteres sofortiges Eingehen in die Ver-
handlung ab, wodurch der Antrag Wichmann's an den betref-
fenden Ausschuß verwiesen wird.

Es sind jetzt der 27., 28. und 29. §. des Art. VII. der
Grundrechte, deren Jnhalt wir gestern schon mitgetheilt, über
welche die Besprechung eröffnet wird. Als Redner für die §§.
sind eine sehr große und gegen dieselben keine geringere Anzahl
von Mitgliedern eingezeichnet. Zuerst erhält Moritz Mohl das
Wort, sodann Schneer. Dieser erinnert daran, daß in Bayern
allein zum Beispiel die Berechtigungen und Privilegien der Art,
wie Banken, Apotheken, Brauereien einen Werth von 50 Mil-
lionen Gulden umfassen. Wie dürfe man also unbedingte Auf-
hebung der Privilegien und ohne Entschädigung aussprechen!
Allerdings könne, um den Thaler zu gewinnen, auf den Verlust
des Pfennigs keine ängstliche Rücksicht genommen werden. Die
Ablösung der Servituten will Schneer sogar nicht blos facultativ,
sondern selbst zwangsweise ausgesprochen wissen. Allein eine
Aufhebung ohne Entschädigung würde eine vollkommene Nicht-
achtung des Eigenthums und eine unermeßliche Beschädigung des
Vermögens und wohlerworbener Rechte seyn.

Ziegert erklärt sich besonders gegen die Jagdrechte. Die
Ursache der heutigen Verbitterung ist nach ihm wesentlich in der
bisherigen Bevorzugung der sogenannten privilegirten Stände zu
suchen. Der Redner schildert den Eifer und das Glück, womit
die großen Besitzer fortwährend ihre ausgedehnten Jagdrechte zu
schützen gewußt hätten. Die Jagdprozesse in Westphalen hätten
die Gerichte förmlich erdrückt. Wie in dem fürstl. Lippeschen
Lande und in den Anhaltischen Herzogthümern die Jagdprivile-
gien auf dem Landmanne gelastet, das schildert der Redner sehr
ausführlich. Er ist für Aufhebung der Jagdrechte ohne alles
Entgeld. Hier könne das Privatrecht nicht zum Maßstabe dienen,
denn das Jagdrecht sey mißbräuchlich und auf öffentlichem Wege
erworben. Sein Vortrag, häufig von dem bittenden Rufe nach
"Schluß" begleitet, schließt endlich unter einem tapferen Versuche
der Linken zu einer Beifallsbezeigung. Es regnet Zusätze und
Unteranträge, während die Geduld und Aufmerksamkeit der Ver-
sammlung in gleichem Maaße abnehmen. v. Trützschler ist
gegen jede Entschädigung. Bei dergl. großen nationalökonomi-
schen Maßregeln wie die von selbst verständliche Auflösung der
alten Feudalbande, habe sich kein Verlierender über Unrecht zu
beklagen. Und wenn wirklich -- wer sollte die Kosten der Ent-
schädigung tragen? doch nicht etwa der Staat. Einige Spann-
ung bringt hingegen die Erscheinung Vinke's auf der Redner-
bühne hervor.

Vinke fragt, wie die unentschädigte Aufhebung der grund-
herrlichen Vorrechte mit dem kurz vorher von der Versamm-
lung ausgesprochenen Grundsatze: "das Eigenthum ist unverletz-
lich " übereinstimme. Daß sich jene Vorrechte im rechtlichen Besitze
ihrer jetzigen Jnhaber befänden, darüber sey doch kein Zweifel.
Wie könne man also an eine unbedingte Entziehung dieser Privi-
legien denken, die eine Beraubung seyn würde? Auch des so viel-
fach verurtheilten Jagdrechts nimmt sich Vincke an. Das Miß-
bräuchliche daran gibt er Preis, allein er will auch hier nicht
Recht und Billigkeit den Besitzenden gegenüber über Bord gewor-
fen wissen. Vor allem habe man sich bei Abfassung der Grund-
rechte an den Grund alles Rechts und der Staaten überhaupt zu
halten: an die Gerechtigkeit. Freudentheil erklärt darwider,
die Nationalversammlung sey zusammengetreten, um hundertjäh-
rige Mißbräuche abzustellen, ja um das Mißverhältniß zwischen
Armuth und Besitz auszugleichen. Dann ergeht er sich in einer
Erörterung des Ursprungs der Feudalrechte. Die Geschichte des
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] sie beschließen, was sie wollen. Christus, der ja in aller Wahrheit
vom Kreuz herab seiner Kirche die Freiheit auf die Stirne ge-
schrieben hat, Er wird sie uns geben. Jch danke brüderlich, ich
grüße nochmals, ich kann Nichts mehr hinzusetzen.

Justizrath Hardung von Köln: Da soll ich sogar den
Schlußstein legen an das herrlich aufgethürmte Gebäude meiner
Vorgänger. Solche Bilder kann ich tief fühlen, aber Nichts
hinzusetzen. Geborener Mandatar bürgerlicher Rechte habe ich
blos meines Auftrages mich zu entledigen. Hochbeglückt, hoch-
geachtet, erkennen sich durch ihre Einladung auch die Kölner.
Heute feiern wir unsere Märzereignisse, den Früh-
lingsmorgen des katholischen Volkslebens, die Freiheit des Asso-
ciationsrechtes. Als der Kleinste bin ich hier aus dem Vorstande
des Kölner Piusvereines, der tüchtige würdige Männer zählt,
aus denen Sie mehrere in Jhrer Mitte kennen lernen werden.
Ja, wir Kölner erklären uns hochbeglückt, in das alte tausend-
jährige, goldene Mainz berufen zu seyn, in eine Stadt, wo der
große Erzbischof von Köln an den Quellen der Weisheit schöpfte,
für die Besteigung seines wichtigen Stuhles sich zu bereiten. Wir
wollen zur Freiheit streben, ja, durch Wahrheit, Recht und
Ordnung zur wahren Freiheit, die des Ruhmes ältere Schwe-
ster ist. Dankbar erkenne auch ich den Vorgang, das ermuthi-
gende Beispiel an, welches der Mainzer Piusverein uns gegeben,
ja, ich reihe mich aus tiefstem Herzensgrunde zu den tiefgefühlten
Danksagungen der Redner vor mir. Darum, laut sey es geru-
fen: „Es lebe und blühe der Mainzer Pius=Verein!“ ( Dreima-
liges Hoch! )

Wir leben nicht mehr in der Zeit der Wunder, doch hat sich
Wunderbares vor unseren Augen entfaltet. Da ist in Jrland Da-
niel O'Connell,
ein Führer zur Freiheit auf der Bahn der
Gesetze, da ist in Deutschland Joseph Görres, der vor
Kurzem hingeschieden. Und das waren seine letzten Worte:
„Betet für die Völker, die Nichts mehr sind.“ Siehe da erhebt
sich das Volk, für das ja Niemand das Wort nimmt, es er-
greift es selbst; das Panier des Kreuzes, die Kraft des Gebetes,
das Schwert des Geistes, das sind seine Waffen, nicht die Em-
pörung. Und die diesen Aufblick zum Kreuze, zum Himmel, zu
Gott nicht verstehen, seyen sie rechts oder links, oder im Cen-
trum, in der oder jener Versammlung: sie bleiben liegen in den
Niederungen des irdischen Fühlens, Begehrens und Hoffens;
sie machen uns den Vorwurf, daß wir nicht aufblicken blos zu
den Bergen Gottes, daß wir auch hinüberblicken über die Berge,
daß wir sind Ultramontane. Wohl tragen wir hinüber über
die Berge unsere Treue, unsere Liebe, folgen wir unserem großen
Pius!.... Vertrauen wir auf Gott, seyen wir einig, so wird
unsere Kirche nicht von den Höllenpforten überwältigt werden.
Das Wort des großen Völkerfürsten, des Apostels Paulus, das
sey uns Aegide, Wahlspruch und Mahnung: „Werdet nicht der
Menschen Knechte, denn ihr seyd theuer erkauft.“ Vertrauen
wir dem Liede, und es wird sich an uns erfüllen:

Selig der Liebende,
Der die betrübende
Heilend' und übende
Prüfung bestand.

Damit ward die allgemeine Versammlung beschlossen. Die
Begeisterung, die Erhebung, die Gluth der Herzen, den feuri-
gen Muth, die einstimmige Entschlossenheit, die männliche
Würde, die in allen Reden sich aussprach, die in unzähligen,
stürmischen Bravos widerhallte ( wir wollen darüber kein Ver-
zeichniß anlegen ) zu schildern, auch nur von ferne in den allge-
meinsten Schattenrissen sie darzustellen, fühlen wir uns nicht ge-
wachsen. Darum haben wir, zwar nicht überall wörtlich, aber
in Bezug auf den Jnhalt mit sorglicher Gewissenhaftigkeit die
Reden mitgetheilt, die von allen deutschen Gegenden her, wie
Glockengeläute zu schönem Morgenwallgang durch frühlingsgrü-
nes Land, aneinanderschlagend im Sitzungssaale zu Einer ge-
waltigen Harmonie sich verschmolzen. Daraus möge denn das
rheinische Volk, mögen alle Katholiken von Deutschland, mögen
auch unsere getrennten Brüder schließen auf den lebenskräftigen,
siegbegierigen, todesmuthigen, aber in Gesetzestreue unerschüt-
terlichen Willen, der nicht die Abgeordneten blos, nein, der
auch die Vereine, welche solche Männer durch die Wahl ihres
Vertrauens hierher gesandt, durchglühen und beleben muß.
Sie mögen daraus abnehmen, ob wir einig seyen, ob wir in
unserer Einigkeit eine Macht auf der Erde oder — unter der
Erde zu fürchten haben; — sie mögen daraus abnehmen, ob wir
die Freiheit wollen, und wie innig wir auch für ganz Deutschland
in allen wesentlichen Dingen Einheit herbeisehnen; — sie mögen
sich mit uns einmal überlegen, ob denn eigentlich in diesem Au-
genblick in Deutschland noch eine andere Einheit sey als die der
katholischen Kirche?



[Spaltenumbruch]
Deutschland.
Reichstag.

[ Sitzung vom 3. October. ] Zuerst, nach Präsentation Ries-
sers
als Vicepräsident, verkündigt Leue, daß das Gutachten des
Ausschusses für Gesetzgebung über Schaffrath's Antrag: den
Belagerungszustand sofort aufzuheben, dahin lautet, daß darüber
zur Tagesordnung geschritten werde. Wichmann erhält das
Wort, um die Dringlichkeit eines Antrags auf Beschränkung der
namentlichen Abstimmung zu begründen. Bei unbedeutenden,
beiläufigen und vorläufigen Fragen hält Wichmann mit Recht
die namentliche Abstimmung für eine bedenkliche Zeitverschwendung.
Venedey dagegen hält es für ein auch vom englischen Parla-
mente anerkanntes Recht der Minderheit, die Beschlüsse der
Mehrheit durch Benutzung aller formellen Hülfsmittel wenigstens
zu verschieben und hinzuhalten. [ Auch wenn das Vaterland in
Gefahr ist? Ein Pfui über solche Sophisten! ] Die Beschränk-
ung der namentlichen Abstimmung sieht ihm aus wie eine in
Folge neuerlicher Vorfälle zu ergreifende Maßregel. Das räumt
Scherer ein, und gerade diese Erfahrungen lassen ihm den
Wichmann'schen Antrag als dringlich erscheinen. Die Versamm-
lung lehnt jedoch ein weiteres sofortiges Eingehen in die Ver-
handlung ab, wodurch der Antrag Wichmann's an den betref-
fenden Ausschuß verwiesen wird.

Es sind jetzt der 27., 28. und 29. §. des Art. VII. der
Grundrechte, deren Jnhalt wir gestern schon mitgetheilt, über
welche die Besprechung eröffnet wird. Als Redner für die §§.
sind eine sehr große und gegen dieselben keine geringere Anzahl
von Mitgliedern eingezeichnet. Zuerst erhält Moritz Mohl das
Wort, sodann Schneer. Dieser erinnert daran, daß in Bayern
allein zum Beispiel die Berechtigungen und Privilegien der Art,
wie Banken, Apotheken, Brauereien einen Werth von 50 Mil-
lionen Gulden umfassen. Wie dürfe man also unbedingte Auf-
hebung der Privilegien und ohne Entschädigung aussprechen!
Allerdings könne, um den Thaler zu gewinnen, auf den Verlust
des Pfennigs keine ängstliche Rücksicht genommen werden. Die
Ablösung der Servituten will Schneer sogar nicht blos facultativ,
sondern selbst zwangsweise ausgesprochen wissen. Allein eine
Aufhebung ohne Entschädigung würde eine vollkommene Nicht-
achtung des Eigenthums und eine unermeßliche Beschädigung des
Vermögens und wohlerworbener Rechte seyn.

Ziegert erklärt sich besonders gegen die Jagdrechte. Die
Ursache der heutigen Verbitterung ist nach ihm wesentlich in der
bisherigen Bevorzugung der sogenannten privilegirten Stände zu
suchen. Der Redner schildert den Eifer und das Glück, womit
die großen Besitzer fortwährend ihre ausgedehnten Jagdrechte zu
schützen gewußt hätten. Die Jagdprozesse in Westphalen hätten
die Gerichte förmlich erdrückt. Wie in dem fürstl. Lippeschen
Lande und in den Anhaltischen Herzogthümern die Jagdprivile-
gien auf dem Landmanne gelastet, das schildert der Redner sehr
ausführlich. Er ist für Aufhebung der Jagdrechte ohne alles
Entgeld. Hier könne das Privatrecht nicht zum Maßstabe dienen,
denn das Jagdrecht sey mißbräuchlich und auf öffentlichem Wege
erworben. Sein Vortrag, häufig von dem bittenden Rufe nach
„Schluß“ begleitet, schließt endlich unter einem tapferen Versuche
der Linken zu einer Beifallsbezeigung. Es regnet Zusätze und
Unteranträge, während die Geduld und Aufmerksamkeit der Ver-
sammlung in gleichem Maaße abnehmen. v. Trützschler ist
gegen jede Entschädigung. Bei dergl. großen nationalökonomi-
schen Maßregeln wie die von selbst verständliche Auflösung der
alten Feudalbande, habe sich kein Verlierender über Unrecht zu
beklagen. Und wenn wirklich — wer sollte die Kosten der Ent-
schädigung tragen? doch nicht etwa der Staat. Einige Spann-
ung bringt hingegen die Erscheinung Vinke's auf der Redner-
bühne hervor.

Vinke fragt, wie die unentschädigte Aufhebung der grund-
herrlichen Vorrechte mit dem kurz vorher von der Versamm-
lung ausgesprochenen Grundsatze: „das Eigenthum ist unverletz-
lich “ übereinstimme. Daß sich jene Vorrechte im rechtlichen Besitze
ihrer jetzigen Jnhaber befänden, darüber sey doch kein Zweifel.
Wie könne man also an eine unbedingte Entziehung dieser Privi-
legien denken, die eine Beraubung seyn würde? Auch des so viel-
fach verurtheilten Jagdrechts nimmt sich Vincke an. Das Miß-
bräuchliche daran gibt er Preis, allein er will auch hier nicht
Recht und Billigkeit den Besitzenden gegenüber über Bord gewor-
fen wissen. Vor allem habe man sich bei Abfassung der Grund-
rechte an den Grund alles Rechts und der Staaten überhaupt zu
halten: an die Gerechtigkeit. Freudentheil erklärt darwider,
die Nationalversammlung sey zusammengetreten, um hundertjäh-
rige Mißbräuche abzustellen, ja um das Mißverhältniß zwischen
Armuth und Besitz auszugleichen. Dann ergeht er sich in einer
Erörterung des Ursprungs der Feudalrechte. Die Geschichte des
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[0002] sie beschließen, was sie wollen. Christus, der ja in aller Wahrheit vom Kreuz herab seiner Kirche die Freiheit auf die Stirne ge- schrieben hat, Er wird sie uns geben. Jch danke brüderlich, ich grüße nochmals, ich kann Nichts mehr hinzusetzen. Justizrath Hardung von Köln: Da soll ich sogar den Schlußstein legen an das herrlich aufgethürmte Gebäude meiner Vorgänger. Solche Bilder kann ich tief fühlen, aber Nichts hinzusetzen. Geborener Mandatar bürgerlicher Rechte habe ich blos meines Auftrages mich zu entledigen. Hochbeglückt, hoch- geachtet, erkennen sich durch ihre Einladung auch die Kölner. Heute feiern wir unsere Märzereignisse, den Früh- lingsmorgen des katholischen Volkslebens, die Freiheit des Asso- ciationsrechtes. Als der Kleinste bin ich hier aus dem Vorstande des Kölner Piusvereines, der tüchtige würdige Männer zählt, aus denen Sie mehrere in Jhrer Mitte kennen lernen werden. Ja, wir Kölner erklären uns hochbeglückt, in das alte tausend- jährige, goldene Mainz berufen zu seyn, in eine Stadt, wo der große Erzbischof von Köln an den Quellen der Weisheit schöpfte, für die Besteigung seines wichtigen Stuhles sich zu bereiten. Wir wollen zur Freiheit streben, ja, durch Wahrheit, Recht und Ordnung zur wahren Freiheit, die des Ruhmes ältere Schwe- ster ist. Dankbar erkenne auch ich den Vorgang, das ermuthi- gende Beispiel an, welches der Mainzer Piusverein uns gegeben, ja, ich reihe mich aus tiefstem Herzensgrunde zu den tiefgefühlten Danksagungen der Redner vor mir. Darum, laut sey es geru- fen: „Es lebe und blühe der Mainzer Pius=Verein!“ ( Dreima- liges Hoch! ) Wir leben nicht mehr in der Zeit der Wunder, doch hat sich Wunderbares vor unseren Augen entfaltet. Da ist in Jrland Da- niel O'Connell, ein Führer zur Freiheit auf der Bahn der Gesetze, da ist in Deutschland Joseph Görres, der vor Kurzem hingeschieden. Und das waren seine letzten Worte: „Betet für die Völker, die Nichts mehr sind.“ Siehe da erhebt sich das Volk, für das ja Niemand das Wort nimmt, es er- greift es selbst; das Panier des Kreuzes, die Kraft des Gebetes, das Schwert des Geistes, das sind seine Waffen, nicht die Em- pörung. Und die diesen Aufblick zum Kreuze, zum Himmel, zu Gott nicht verstehen, seyen sie rechts oder links, oder im Cen- trum, in der oder jener Versammlung: sie bleiben liegen in den Niederungen des irdischen Fühlens, Begehrens und Hoffens; sie machen uns den Vorwurf, daß wir nicht aufblicken blos zu den Bergen Gottes, daß wir auch hinüberblicken über die Berge, daß wir sind Ultramontane. Wohl tragen wir hinüber über die Berge unsere Treue, unsere Liebe, folgen wir unserem großen Pius!.... Vertrauen wir auf Gott, seyen wir einig, so wird unsere Kirche nicht von den Höllenpforten überwältigt werden. Das Wort des großen Völkerfürsten, des Apostels Paulus, das sey uns Aegide, Wahlspruch und Mahnung: „Werdet nicht der Menschen Knechte, denn ihr seyd theuer erkauft.“ Vertrauen wir dem Liede, und es wird sich an uns erfüllen: Selig der Liebende, Der die betrübende Heilend' und übende Prüfung bestand. Damit ward die allgemeine Versammlung beschlossen. Die Begeisterung, die Erhebung, die Gluth der Herzen, den feuri- gen Muth, die einstimmige Entschlossenheit, die männliche Würde, die in allen Reden sich aussprach, die in unzähligen, stürmischen Bravos widerhallte ( wir wollen darüber kein Ver- zeichniß anlegen ) zu schildern, auch nur von ferne in den allge- meinsten Schattenrissen sie darzustellen, fühlen wir uns nicht ge- wachsen. Darum haben wir, zwar nicht überall wörtlich, aber in Bezug auf den Jnhalt mit sorglicher Gewissenhaftigkeit die Reden mitgetheilt, die von allen deutschen Gegenden her, wie Glockengeläute zu schönem Morgenwallgang durch frühlingsgrü- nes Land, aneinanderschlagend im Sitzungssaale zu Einer ge- waltigen Harmonie sich verschmolzen. Daraus möge denn das rheinische Volk, mögen alle Katholiken von Deutschland, mögen auch unsere getrennten Brüder schließen auf den lebenskräftigen, siegbegierigen, todesmuthigen, aber in Gesetzestreue unerschüt- terlichen Willen, der nicht die Abgeordneten blos, nein, der auch die Vereine, welche solche Männer durch die Wahl ihres Vertrauens hierher gesandt, durchglühen und beleben muß. Sie mögen daraus abnehmen, ob wir einig seyen, ob wir in unserer Einigkeit eine Macht auf der Erde oder — unter der Erde zu fürchten haben; — sie mögen daraus abnehmen, ob wir die Freiheit wollen, und wie innig wir auch für ganz Deutschland in allen wesentlichen Dingen Einheit herbeisehnen; — sie mögen sich mit uns einmal überlegen, ob denn eigentlich in diesem Au- genblick in Deutschland noch eine andere Einheit sey als die der katholischen Kirche? Deutschland. Reichstag. [ Sitzung vom 3. October. ] Zuerst, nach Präsentation Ries- sers als Vicepräsident, verkündigt Leue, daß das Gutachten des Ausschusses für Gesetzgebung über Schaffrath's Antrag: den Belagerungszustand sofort aufzuheben, dahin lautet, daß darüber zur Tagesordnung geschritten werde. Wichmann erhält das Wort, um die Dringlichkeit eines Antrags auf Beschränkung der namentlichen Abstimmung zu begründen. Bei unbedeutenden, beiläufigen und vorläufigen Fragen hält Wichmann mit Recht die namentliche Abstimmung für eine bedenkliche Zeitverschwendung. Venedey dagegen hält es für ein auch vom englischen Parla- mente anerkanntes Recht der Minderheit, die Beschlüsse der Mehrheit durch Benutzung aller formellen Hülfsmittel wenigstens zu verschieben und hinzuhalten. [ Auch wenn das Vaterland in Gefahr ist? Ein Pfui über solche Sophisten! ] Die Beschränk- ung der namentlichen Abstimmung sieht ihm aus wie eine in Folge neuerlicher Vorfälle zu ergreifende Maßregel. Das räumt Scherer ein, und gerade diese Erfahrungen lassen ihm den Wichmann'schen Antrag als dringlich erscheinen. Die Versamm- lung lehnt jedoch ein weiteres sofortiges Eingehen in die Ver- handlung ab, wodurch der Antrag Wichmann's an den betref- fenden Ausschuß verwiesen wird. Es sind jetzt der 27., 28. und 29. §. des Art. VII. der Grundrechte, deren Jnhalt wir gestern schon mitgetheilt, über welche die Besprechung eröffnet wird. Als Redner für die §§. sind eine sehr große und gegen dieselben keine geringere Anzahl von Mitgliedern eingezeichnet. Zuerst erhält Moritz Mohl das Wort, sodann Schneer. Dieser erinnert daran, daß in Bayern allein zum Beispiel die Berechtigungen und Privilegien der Art, wie Banken, Apotheken, Brauereien einen Werth von 50 Mil- lionen Gulden umfassen. Wie dürfe man also unbedingte Auf- hebung der Privilegien und ohne Entschädigung aussprechen! Allerdings könne, um den Thaler zu gewinnen, auf den Verlust des Pfennigs keine ängstliche Rücksicht genommen werden. Die Ablösung der Servituten will Schneer sogar nicht blos facultativ, sondern selbst zwangsweise ausgesprochen wissen. Allein eine Aufhebung ohne Entschädigung würde eine vollkommene Nicht- achtung des Eigenthums und eine unermeßliche Beschädigung des Vermögens und wohlerworbener Rechte seyn. Ziegert erklärt sich besonders gegen die Jagdrechte. Die Ursache der heutigen Verbitterung ist nach ihm wesentlich in der bisherigen Bevorzugung der sogenannten privilegirten Stände zu suchen. Der Redner schildert den Eifer und das Glück, womit die großen Besitzer fortwährend ihre ausgedehnten Jagdrechte zu schützen gewußt hätten. Die Jagdprozesse in Westphalen hätten die Gerichte förmlich erdrückt. Wie in dem fürstl. Lippeschen Lande und in den Anhaltischen Herzogthümern die Jagdprivile- gien auf dem Landmanne gelastet, das schildert der Redner sehr ausführlich. Er ist für Aufhebung der Jagdrechte ohne alles Entgeld. Hier könne das Privatrecht nicht zum Maßstabe dienen, denn das Jagdrecht sey mißbräuchlich und auf öffentlichem Wege erworben. Sein Vortrag, häufig von dem bittenden Rufe nach „Schluß“ begleitet, schließt endlich unter einem tapferen Versuche der Linken zu einer Beifallsbezeigung. Es regnet Zusätze und Unteranträge, während die Geduld und Aufmerksamkeit der Ver- sammlung in gleichem Maaße abnehmen. v. Trützschler ist gegen jede Entschädigung. Bei dergl. großen nationalökonomi- schen Maßregeln wie die von selbst verständliche Auflösung der alten Feudalbande, habe sich kein Verlierender über Unrecht zu beklagen. Und wenn wirklich — wer sollte die Kosten der Ent- schädigung tragen? doch nicht etwa der Staat. Einige Spann- ung bringt hingegen die Erscheinung Vinke's auf der Redner- bühne hervor. Vinke fragt, wie die unentschädigte Aufhebung der grund- herrlichen Vorrechte mit dem kurz vorher von der Versamm- lung ausgesprochenen Grundsatze: „das Eigenthum ist unverletz- lich “ übereinstimme. Daß sich jene Vorrechte im rechtlichen Besitze ihrer jetzigen Jnhaber befänden, darüber sey doch kein Zweifel. Wie könne man also an eine unbedingte Entziehung dieser Privi- legien denken, die eine Beraubung seyn würde? Auch des so viel- fach verurtheilten Jagdrechts nimmt sich Vincke an. Das Miß- bräuchliche daran gibt er Preis, allein er will auch hier nicht Recht und Billigkeit den Besitzenden gegenüber über Bord gewor- fen wissen. Vor allem habe man sich bei Abfassung der Grund- rechte an den Grund alles Rechts und der Staaten überhaupt zu halten: an die Gerechtigkeit. Freudentheil erklärt darwider, die Nationalversammlung sey zusammengetreten, um hundertjäh- rige Mißbräuche abzustellen, ja um das Mißverhältniß zwischen Armuth und Besitz auszugleichen. Dann ergeht er sich in einer Erörterung des Ursprungs der Feudalrechte. Die Geschichte des

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 103. Mainz, 4. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal103_1848/2>, abgerufen am 01.06.2024.