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Mainzer Journal. Nr. 98. Mainz, 28. September 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Partei. Der König hat die Absetzung des Banus widerrufen
und seine Schritte gutgeheißen, daher die plötzliche Umwandlung
der Gesinnung so Vieler; dazu kommt der Haß aller einst Wohl-
habenden, die der arme Fiscal und Journalist Kossuth durch
ein paar schöne Floskeln zu Bettlern gemacht; die Rachgier
des ganzen vorigen Regime; die Sehnsucht nach Frieden und
Ruhe und endlich die Angst vor den kroatischen Bayonetten.
Eins aber steht fest in allen magyarischen Herzen: die Natio-
naleitelkeit ist durch das Einschreiten des Bans auf das tiefste
gekränkt, und wäre dem Lande, bei fortwährendem Wirken
des frühern Ministeriums, nicht offenbar die greulichste Anarchie
bevorgestanden, der Banus dürfte auf bedeutende Hindernisse
gestoßen seyn. Deutschland wirft Ungarn seine Sympathien zu,
ohne es zu kennen; Deutschland wähnt in Ungarn ein kräfti-
ges, mächtiges Land und eine hochherzige, großmüthige Na-
tion; aber des Landes Kraft ist durch Sprachverschiedenheit,
durch Glaubensgehässigkeit und durch den Unterschied seiner
Sympathien und Jnteressen zersplittert, und die Nation ist seit
Jahren durch den Uebermuth ihrer aristokratischen Vorrechte
demoralisirt. Eine lebhafte Phantasie, tagtäglich anderswo
herumgezerrt von irgend einer in schönen Worten ausgeprägten
Jdee, ist Alles was ihr geblieben. Das Volk, welches seinen
eigentlichen Zustand, seinen wahren Charakter nnd seine innerste
Gesinnung erst jetzt der ihm verschwesterten Gesammtmonarchie
zeigen konnte, wird auch später von Deutschland richtiger beur-
theilt werden. Der König soll dem Banus ein Halt zugerufen
und Batthyani und Deak nach Wien citirt haben, um der Nation
die Bedingungen zu eröffnen, unter welchen der Ban über die
ungarischen Grenzen zurückzutreten hat. Gewinnt dadurch die
pesther Jugend Zeit, so wird derselbe Terrorismus, der in den
Märztagen der in Minorität gewesenen Opposition zu Presburg
den Sieg verschaffte, abermals Herr werden und die Nation
dem Abgrunde zuwälzen, an dessen Rand sie durch das Ministe-
rium gebracht wurde.

Pesth 19. September. Gestern erschien hier folgender ( in
französischer Sprache abgefaßter ) Aufruf an die Franzosen:
Die in Pesth wohnenden Franzosen sind der Ehre gewürdigt wor-
ein, besonderes freiwilliges Corps zu bilden, welches zugleich die
französischen und ungarischen Farben tragen wird. Sie werden
von der ungarischen Regierung bewaffnet und equipirt, und von
Herrn Lafite, einem alten Seesoldaten ( ! ) , angeführt werden,
bei welchem auch die Einzeichnungen stattfinden. Die Uniform
ist die der pariser Nationalgarde!
Alle Franzosen wer-
den auf diesen Ruf hören, welchen die Freunde des Vaterlandes
an sie ergehen lassen. Sie fühlen, daß die Fahne der Republik
sich in dem Kampfe zeigen muß, der sich vorbereitet, und daß es
Frankreich ist, welches überall kämpft, wo die Freiheit streitet. --
Komödie und Komödianten!

Frankreich.

* * * Paris 26. September. Jm weiteren Verlaufe der De-
batte über die neue Verfassung wurde von der Nationalversamm-
lung gestern die Progressivsteuer abgelehnt -- sie soll nach einer
Aeußerung des Finanzministers erst später kommen -- und dafür
die proportionelle, die dem Einkommen eines Jeden entsprechende
Steuer als Prinzip angenommen. Art. 15. lautet demgemäß:
"Jede Steuer wird erhoben zur Förderung des gemeinen Bestens.
Jeder Bürger trägt dazu bei je nach dem Maaße seiner Fähigkei-
ten und seines Vermögens ( en proportion de ses facultes et de
sa fortune
) ." Art. 16. "Keine Steuer kann anders ausgeschrie-
ben oder erhoben werden als in Kraft eines Gesetzes;" und Art.
17. "Die directe Steuer wird immer nur auf ein Jahr genehmigt.
Jndirecte Steuern können auch auf mehrere Jahre genehmigt
werden," wurden ohne Discussion angenommen. Desgleichen Cap.
III. Art. 18. "Alle öffentlichen Gewalten, welcher Art sie auch seyn
mögen, gehen vom Volke aus. Sie können nicht erblich über-
tragen werden," und Art. 19. "Die Trennung der Gewalten ist
die erste Bedingniß einer freien Regierung." Die Berathung ging
nun zu Cap. IV. Art. 20. über, der im Entwurfe so lautet: "Das
französische Volk überträgt die gesetzgebende Gewalt einer einzigen
Versammlung." Die Berathung über Ein= oder Zweikammersy-
stem, für welches letztere alle gemäßigten Republikaner sind, ist
also eröffnet und wird voraussichtlich mehrere Tage dauern, da
zweiunddreißig Redner eingeschrieben sind. Gestern sprach noch
Herr Duvergier de Hauranne für das Zweikammersystem, heute
soll Lamartine und zwar für das Einkammersystem das Wort
ergreifen. -- Herr Cabet zeigt in seinem "Populaire" an, daß
er nach Jcarien abreisen werde. Es weiß übrigens kein Mensch,
wo dieses Land liegt, die Franzosen sagen: im Monde!

Die Nachricht, daß sowohl der König von Neapel, als die
provisorische Regierung von Palermo den von dem englischen und
[Spaltenumbruch] französischen Admirale vorgeschlagenen Waffenstillstand ange-
nommen haben, hat sich bestätigt. Mittlerweile haben mehrere
bedeutende sicilianische Städte dem König von Neapel sich wieder
unterworfen. Jn Livorno herrscht Ruhe und der Großherzog
von Toskana hat durch Tagesbefehl vom 17. September die auf-
gebotene Nationalgarde wieder nach Haus geschickt. Davon, daß
der König von Sardinien seine mit Schmach bedeckte Krone
niedergelegt, wissen die französischen Blätter, die dem Schauplatze
der Ereignisse sehr nahe stehen, noch nichts. Ebenso wird die
vom "National" gestern gebrachte Neuigkeit, daß 4000 Mann
Franzosen in Venedig gelandet seyen, als unwahr wiederrufen.

Auf die Börse hat Ledru=Rollins Rede einen ungünstigen
Eindruck gemacht. Das Journal des Debats gibt diesem würdigen
Bürger dafür die folgende gute Lehre: Man meint, Herr Ledru-
Rollin lege es absichtlich darauf an, die Capitalien zu verscheuchen,
sie von productiver Verwendung abzuhalten und sammt allen
Unternehmungen, die durch sie ernährt werden könnten, zur Un-
beweglichkeit und Trägheit zu verdammen. Wenn Herr Ledru-
Rollin sich über die Seltenheit der Capitalien beklagt, so ist er
entweder sehr unwissend oder schlecht unterrichtet. Capitalien sind
genug am Platze und ihrem Zusammenflusse hat der Finanz-
minister es zu verdanken, daß er schnell hintereinander zwei Anleihen
abschließen konnte. Der öffentliche Credit ist seit mehreren Mona-
ten, trotz der Ereignisse, durch nichts Anderes als durch das Brach-
liegen der Capitalien aufrecht erhalten worden und sie würden der
Republik sich eben so wenig entziehen, wie der Monarchie, sobald
einmal die erstere Garantieen der Ordnung und Sicherheit bie-
tet. Ueberhaupt gibt es für alle Regierungen eine unerschöpfliche
Quelle von Capitalien und diese Quelle ist: das Gedeihen der
Völker durch Arbeit und Credit.

Der französische Gesandte in London, Beaumont, soll dem
"Prinzen" Louis Napoleon einen Paß nach Frankreich verwei-
gert und dafür von der Regierung einen Verweis erhalten haben.
Sey dem wie ihm wolle, die Wahl des "Prinzen" macht der
Regierung viele Sorgen, zumal da der Prätendent seine Batterien
nicht auf einmal demaskiren will. Um der Regierung jeden Vor-
wand zu benehmen, offen gegen ihn aufzutreten, wird er vor-
derhand ganz ruhig auf seiner Deputirtenbank Platz nehmen,
und erst bei der Wahl des Präsidenten der Republik als
Bewerber auftreten, was man ihm nicht verwehren kann, da in
einer solchen Candidatur noch keineswegs eine Absicht auf Wechsel
der Regierungsform vorliegt. Hat aber Ludwig Napoleon so viel
erreicht, daß man ihn zum Oberhaupt der Republik erhebt, so
wird es ihm leicht werden, mit Hilfe der Armee sich zum Kaiser
der Franzosen nach dem Muster seines Oheims ausrufen zu las-
sen. Dies wenigstens ist dem Vernehmen nach die Taktik, welche
der Prätendent zu befolgen gedenkt. Um dieselbe zu vereiteln,
wollen die Freunde des Generals Cavaignac diesen schon näch-
stens zum Präsidenten der Republik ( zeitweilig nur für ein Jahr )
ernennen lassen, und zwar durch unmittelbare Wahl von Seiten
der Nationalversammlung. Die republikanische Garde, auf welche
General Cavaignac am meisten zu zählen scheint, ist jede Nacht
unter den Waffen, und durchstreift die Boulevards und die von
den arbeitenden Klassen bewohnten Stadtviertel.

Paris 21. September. ( A. Z. ) Die Regierung kannte bereits
gestern die traurigen Ereignisse in Frankfurt, denn sie wurden ihr
auf telegraphischem Wege von Metz aus mitgetheilt. Heute weiß
nun auch die ganze Bevölkerung, was an dem Sitze des deutschen
Reichstags vorgefallen, wo die Turnerjugend, im Bunde mit den
deutschen Rothen, eine Wiederholung unseres Juniaufstandes
versuchte. Der Eindruck, den diese abscheuliche Empörung allent-
halben macht, ist ein peinlicher. Hr. Lamartine hatte heute eine
Unterredurg mit Cavaignac, in welcher er darauf drang, daß die
französische Regierung in den Beziehungen zur deutschen Central-
gewalt derselben jene moralische Stütze angedeihen lasse, welche,
gegenüber den rohen Ausbrüchen blinder politischer Leidenschaft,
für die Civilisation im allgemeinen und das Glück der europäi-
schen Staaten im besondern unentbehrlich sey. Eine in diesem
Sinne abgefaßte Note wird in den nächsten Tagen an unsern Re-
präsentanten nach Frankfurt abgehen.

Straßburg 23. September. ( A. Z. ) Der Abgeordnete bei der
Nationalversammlung in Frankfurt 1), Herr Dr. Zitz aus
Mainz,
befindet sich seit einigen Tagen in unserer Stadt.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

1) Die Frankfurter O. P. A. Z. meldet: "Man sagt hier allge-
mein, der Abgeordnete Zitz, der seit mehreren Tagen nicht mehr in
der Paulskirche gesehen worden, befinde sich in Straßburg und habe
von da geschrieben, er werde nicht mehr nach Deutschland zurückkehren.
Ueber die Gründe einer solch freiwilligen Verbannung lassen sich bis
jetzt nur Vermuthungen hegen. Hier in Mainz war schon seit längerer
Zeit die Rede davon, daß Herr Zitz auszuwandern gedenke.

[Beginn Spaltensatz] Partei. Der König hat die Absetzung des Banus widerrufen
und seine Schritte gutgeheißen, daher die plötzliche Umwandlung
der Gesinnung so Vieler; dazu kommt der Haß aller einst Wohl-
habenden, die der arme Fiscal und Journalist Kossuth durch
ein paar schöne Floskeln zu Bettlern gemacht; die Rachgier
des ganzen vorigen Regime; die Sehnsucht nach Frieden und
Ruhe und endlich die Angst vor den kroatischen Bayonetten.
Eins aber steht fest in allen magyarischen Herzen: die Natio-
naleitelkeit ist durch das Einschreiten des Bans auf das tiefste
gekränkt, und wäre dem Lande, bei fortwährendem Wirken
des frühern Ministeriums, nicht offenbar die greulichste Anarchie
bevorgestanden, der Banus dürfte auf bedeutende Hindernisse
gestoßen seyn. Deutschland wirft Ungarn seine Sympathien zu,
ohne es zu kennen; Deutschland wähnt in Ungarn ein kräfti-
ges, mächtiges Land und eine hochherzige, großmüthige Na-
tion; aber des Landes Kraft ist durch Sprachverschiedenheit,
durch Glaubensgehässigkeit und durch den Unterschied seiner
Sympathien und Jnteressen zersplittert, und die Nation ist seit
Jahren durch den Uebermuth ihrer aristokratischen Vorrechte
demoralisirt. Eine lebhafte Phantasie, tagtäglich anderswo
herumgezerrt von irgend einer in schönen Worten ausgeprägten
Jdee, ist Alles was ihr geblieben. Das Volk, welches seinen
eigentlichen Zustand, seinen wahren Charakter nnd seine innerste
Gesinnung erst jetzt der ihm verschwesterten Gesammtmonarchie
zeigen konnte, wird auch später von Deutschland richtiger beur-
theilt werden. Der König soll dem Banus ein Halt zugerufen
und Batthyani und Deak nach Wien citirt haben, um der Nation
die Bedingungen zu eröffnen, unter welchen der Ban über die
ungarischen Grenzen zurückzutreten hat. Gewinnt dadurch die
pesther Jugend Zeit, so wird derselbe Terrorismus, der in den
Märztagen der in Minorität gewesenen Opposition zu Presburg
den Sieg verschaffte, abermals Herr werden und die Nation
dem Abgrunde zuwälzen, an dessen Rand sie durch das Ministe-
rium gebracht wurde.

Pesth 19. September. Gestern erschien hier folgender ( in
französischer Sprache abgefaßter ) Aufruf an die Franzosen:
Die in Pesth wohnenden Franzosen sind der Ehre gewürdigt wor-
ein, besonderes freiwilliges Corps zu bilden, welches zugleich die
französischen und ungarischen Farben tragen wird. Sie werden
von der ungarischen Regierung bewaffnet und equipirt, und von
Herrn Lafite, einem alten Seesoldaten ( ! ) , angeführt werden,
bei welchem auch die Einzeichnungen stattfinden. Die Uniform
ist die der pariser Nationalgarde!
Alle Franzosen wer-
den auf diesen Ruf hören, welchen die Freunde des Vaterlandes
an sie ergehen lassen. Sie fühlen, daß die Fahne der Republik
sich in dem Kampfe zeigen muß, der sich vorbereitet, und daß es
Frankreich ist, welches überall kämpft, wo die Freiheit streitet. —
Komödie und Komödianten!

Frankreich.

* * * Paris 26. September. Jm weiteren Verlaufe der De-
batte über die neue Verfassung wurde von der Nationalversamm-
lung gestern die Progressivsteuer abgelehnt — sie soll nach einer
Aeußerung des Finanzministers erst später kommen — und dafür
die proportionelle, die dem Einkommen eines Jeden entsprechende
Steuer als Prinzip angenommen. Art. 15. lautet demgemäß:
„Jede Steuer wird erhoben zur Förderung des gemeinen Bestens.
Jeder Bürger trägt dazu bei je nach dem Maaße seiner Fähigkei-
ten und seines Vermögens ( en proportion de ses facultés et de
sa fortune
) .“ Art. 16. „Keine Steuer kann anders ausgeschrie-
ben oder erhoben werden als in Kraft eines Gesetzes;“ und Art.
17. „Die directe Steuer wird immer nur auf ein Jahr genehmigt.
Jndirecte Steuern können auch auf mehrere Jahre genehmigt
werden,“ wurden ohne Discussion angenommen. Desgleichen Cap.
III. Art. 18. „Alle öffentlichen Gewalten, welcher Art sie auch seyn
mögen, gehen vom Volke aus. Sie können nicht erblich über-
tragen werden,“ und Art. 19. „Die Trennung der Gewalten ist
die erste Bedingniß einer freien Regierung.“ Die Berathung ging
nun zu Cap. IV. Art. 20. über, der im Entwurfe so lautet: „Das
französische Volk überträgt die gesetzgebende Gewalt einer einzigen
Versammlung.“ Die Berathung über Ein= oder Zweikammersy-
stem, für welches letztere alle gemäßigten Republikaner sind, ist
also eröffnet und wird voraussichtlich mehrere Tage dauern, da
zweiunddreißig Redner eingeschrieben sind. Gestern sprach noch
Herr Duvergier de Hauranne für das Zweikammersystem, heute
soll Lamartine und zwar für das Einkammersystem das Wort
ergreifen. — Herr Cabet zeigt in seinem „Populaire“ an, daß
er nach Jcarien abreisen werde. Es weiß übrigens kein Mensch,
wo dieses Land liegt, die Franzosen sagen: im Monde!

Die Nachricht, daß sowohl der König von Neapel, als die
provisorische Regierung von Palermo den von dem englischen und
[Spaltenumbruch] französischen Admirale vorgeschlagenen Waffenstillstand ange-
nommen haben, hat sich bestätigt. Mittlerweile haben mehrere
bedeutende sicilianische Städte dem König von Neapel sich wieder
unterworfen. Jn Livorno herrscht Ruhe und der Großherzog
von Toskana hat durch Tagesbefehl vom 17. September die auf-
gebotene Nationalgarde wieder nach Haus geschickt. Davon, daß
der König von Sardinien seine mit Schmach bedeckte Krone
niedergelegt, wissen die französischen Blätter, die dem Schauplatze
der Ereignisse sehr nahe stehen, noch nichts. Ebenso wird die
vom „National“ gestern gebrachte Neuigkeit, daß 4000 Mann
Franzosen in Venedig gelandet seyen, als unwahr wiederrufen.

Auf die Börse hat Ledru=Rollins Rede einen ungünstigen
Eindruck gemacht. Das Journal des Debats gibt diesem würdigen
Bürger dafür die folgende gute Lehre: Man meint, Herr Ledru-
Rollin lege es absichtlich darauf an, die Capitalien zu verscheuchen,
sie von productiver Verwendung abzuhalten und sammt allen
Unternehmungen, die durch sie ernährt werden könnten, zur Un-
beweglichkeit und Trägheit zu verdammen. Wenn Herr Ledru-
Rollin sich über die Seltenheit der Capitalien beklagt, so ist er
entweder sehr unwissend oder schlecht unterrichtet. Capitalien sind
genug am Platze und ihrem Zusammenflusse hat der Finanz-
minister es zu verdanken, daß er schnell hintereinander zwei Anleihen
abschließen konnte. Der öffentliche Credit ist seit mehreren Mona-
ten, trotz der Ereignisse, durch nichts Anderes als durch das Brach-
liegen der Capitalien aufrecht erhalten worden und sie würden der
Republik sich eben so wenig entziehen, wie der Monarchie, sobald
einmal die erstere Garantieen der Ordnung und Sicherheit bie-
tet. Ueberhaupt gibt es für alle Regierungen eine unerschöpfliche
Quelle von Capitalien und diese Quelle ist: das Gedeihen der
Völker durch Arbeit und Credit.

Der französische Gesandte in London, Beaumont, soll dem
„Prinzen“ Louis Napoleon einen Paß nach Frankreich verwei-
gert und dafür von der Regierung einen Verweis erhalten haben.
Sey dem wie ihm wolle, die Wahl des „Prinzen“ macht der
Regierung viele Sorgen, zumal da der Prätendent seine Batterien
nicht auf einmal demaskiren will. Um der Regierung jeden Vor-
wand zu benehmen, offen gegen ihn aufzutreten, wird er vor-
derhand ganz ruhig auf seiner Deputirtenbank Platz nehmen,
und erst bei der Wahl des Präsidenten der Republik als
Bewerber auftreten, was man ihm nicht verwehren kann, da in
einer solchen Candidatur noch keineswegs eine Absicht auf Wechsel
der Regierungsform vorliegt. Hat aber Ludwig Napoleon so viel
erreicht, daß man ihn zum Oberhaupt der Republik erhebt, so
wird es ihm leicht werden, mit Hilfe der Armee sich zum Kaiser
der Franzosen nach dem Muster seines Oheims ausrufen zu las-
sen. Dies wenigstens ist dem Vernehmen nach die Taktik, welche
der Prätendent zu befolgen gedenkt. Um dieselbe zu vereiteln,
wollen die Freunde des Generals Cavaignac diesen schon näch-
stens zum Präsidenten der Republik ( zeitweilig nur für ein Jahr )
ernennen lassen, und zwar durch unmittelbare Wahl von Seiten
der Nationalversammlung. Die republikanische Garde, auf welche
General Cavaignac am meisten zu zählen scheint, ist jede Nacht
unter den Waffen, und durchstreift die Boulevards und die von
den arbeitenden Klassen bewohnten Stadtviertel.

Paris 21. September. ( A. Z. ) Die Regierung kannte bereits
gestern die traurigen Ereignisse in Frankfurt, denn sie wurden ihr
auf telegraphischem Wege von Metz aus mitgetheilt. Heute weiß
nun auch die ganze Bevölkerung, was an dem Sitze des deutschen
Reichstags vorgefallen, wo die Turnerjugend, im Bunde mit den
deutschen Rothen, eine Wiederholung unseres Juniaufstandes
versuchte. Der Eindruck, den diese abscheuliche Empörung allent-
halben macht, ist ein peinlicher. Hr. Lamartine hatte heute eine
Unterredurg mit Cavaignac, in welcher er darauf drang, daß die
französische Regierung in den Beziehungen zur deutschen Central-
gewalt derselben jene moralische Stütze angedeihen lasse, welche,
gegenüber den rohen Ausbrüchen blinder politischer Leidenschaft,
für die Civilisation im allgemeinen und das Glück der europäi-
schen Staaten im besondern unentbehrlich sey. Eine in diesem
Sinne abgefaßte Note wird in den nächsten Tagen an unsern Re-
präsentanten nach Frankfurt abgehen.

Straßburg 23. September. ( A. Z. ) Der Abgeordnete bei der
Nationalversammlung in Frankfurt 1), Herr Dr. Zitz aus
Mainz,
befindet sich seit einigen Tagen in unserer Stadt.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

1) Die Frankfurter O. P. A. Z. meldet: „Man sagt hier allge-
mein, der Abgeordnete Zitz, der seit mehreren Tagen nicht mehr in
der Paulskirche gesehen worden, befinde sich in Straßburg und habe
von da geschrieben, er werde nicht mehr nach Deutschland zurückkehren.
Ueber die Gründe einer solch freiwilligen Verbannung lassen sich bis
jetzt nur Vermuthungen hegen. Hier in Mainz war schon seit längerer
Zeit die Rede davon, daß Herr Zitz auszuwandern gedenke.
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[0004] Partei. Der König hat die Absetzung des Banus widerrufen und seine Schritte gutgeheißen, daher die plötzliche Umwandlung der Gesinnung so Vieler; dazu kommt der Haß aller einst Wohl- habenden, die der arme Fiscal und Journalist Kossuth durch ein paar schöne Floskeln zu Bettlern gemacht; die Rachgier des ganzen vorigen Regime; die Sehnsucht nach Frieden und Ruhe und endlich die Angst vor den kroatischen Bayonetten. Eins aber steht fest in allen magyarischen Herzen: die Natio- naleitelkeit ist durch das Einschreiten des Bans auf das tiefste gekränkt, und wäre dem Lande, bei fortwährendem Wirken des frühern Ministeriums, nicht offenbar die greulichste Anarchie bevorgestanden, der Banus dürfte auf bedeutende Hindernisse gestoßen seyn. Deutschland wirft Ungarn seine Sympathien zu, ohne es zu kennen; Deutschland wähnt in Ungarn ein kräfti- ges, mächtiges Land und eine hochherzige, großmüthige Na- tion; aber des Landes Kraft ist durch Sprachverschiedenheit, durch Glaubensgehässigkeit und durch den Unterschied seiner Sympathien und Jnteressen zersplittert, und die Nation ist seit Jahren durch den Uebermuth ihrer aristokratischen Vorrechte demoralisirt. Eine lebhafte Phantasie, tagtäglich anderswo herumgezerrt von irgend einer in schönen Worten ausgeprägten Jdee, ist Alles was ihr geblieben. Das Volk, welches seinen eigentlichen Zustand, seinen wahren Charakter nnd seine innerste Gesinnung erst jetzt der ihm verschwesterten Gesammtmonarchie zeigen konnte, wird auch später von Deutschland richtiger beur- theilt werden. Der König soll dem Banus ein Halt zugerufen und Batthyani und Deak nach Wien citirt haben, um der Nation die Bedingungen zu eröffnen, unter welchen der Ban über die ungarischen Grenzen zurückzutreten hat. Gewinnt dadurch die pesther Jugend Zeit, so wird derselbe Terrorismus, der in den Märztagen der in Minorität gewesenen Opposition zu Presburg den Sieg verschaffte, abermals Herr werden und die Nation dem Abgrunde zuwälzen, an dessen Rand sie durch das Ministe- rium gebracht wurde. Pesth 19. September. Gestern erschien hier folgender ( in französischer Sprache abgefaßter ) Aufruf an die Franzosen: Die in Pesth wohnenden Franzosen sind der Ehre gewürdigt wor- ein, besonderes freiwilliges Corps zu bilden, welches zugleich die französischen und ungarischen Farben tragen wird. Sie werden von der ungarischen Regierung bewaffnet und equipirt, und von Herrn Lafite, einem alten Seesoldaten ( ! ) , angeführt werden, bei welchem auch die Einzeichnungen stattfinden. Die Uniform ist die der pariser Nationalgarde! Alle Franzosen wer- den auf diesen Ruf hören, welchen die Freunde des Vaterlandes an sie ergehen lassen. Sie fühlen, daß die Fahne der Republik sich in dem Kampfe zeigen muß, der sich vorbereitet, und daß es Frankreich ist, welches überall kämpft, wo die Freiheit streitet. — Komödie und Komödianten! Frankreich. * * * Paris 26. September. Jm weiteren Verlaufe der De- batte über die neue Verfassung wurde von der Nationalversamm- lung gestern die Progressivsteuer abgelehnt — sie soll nach einer Aeußerung des Finanzministers erst später kommen — und dafür die proportionelle, die dem Einkommen eines Jeden entsprechende Steuer als Prinzip angenommen. Art. 15. lautet demgemäß: „Jede Steuer wird erhoben zur Förderung des gemeinen Bestens. Jeder Bürger trägt dazu bei je nach dem Maaße seiner Fähigkei- ten und seines Vermögens ( en proportion de ses facultés et de sa fortune ) .“ Art. 16. „Keine Steuer kann anders ausgeschrie- ben oder erhoben werden als in Kraft eines Gesetzes;“ und Art. 17. „Die directe Steuer wird immer nur auf ein Jahr genehmigt. Jndirecte Steuern können auch auf mehrere Jahre genehmigt werden,“ wurden ohne Discussion angenommen. Desgleichen Cap. III. Art. 18. „Alle öffentlichen Gewalten, welcher Art sie auch seyn mögen, gehen vom Volke aus. Sie können nicht erblich über- tragen werden,“ und Art. 19. „Die Trennung der Gewalten ist die erste Bedingniß einer freien Regierung.“ Die Berathung ging nun zu Cap. IV. Art. 20. über, der im Entwurfe so lautet: „Das französische Volk überträgt die gesetzgebende Gewalt einer einzigen Versammlung.“ Die Berathung über Ein= oder Zweikammersy- stem, für welches letztere alle gemäßigten Republikaner sind, ist also eröffnet und wird voraussichtlich mehrere Tage dauern, da zweiunddreißig Redner eingeschrieben sind. Gestern sprach noch Herr Duvergier de Hauranne für das Zweikammersystem, heute soll Lamartine und zwar für das Einkammersystem das Wort ergreifen. — Herr Cabet zeigt in seinem „Populaire“ an, daß er nach Jcarien abreisen werde. Es weiß übrigens kein Mensch, wo dieses Land liegt, die Franzosen sagen: im Monde! Die Nachricht, daß sowohl der König von Neapel, als die provisorische Regierung von Palermo den von dem englischen und französischen Admirale vorgeschlagenen Waffenstillstand ange- nommen haben, hat sich bestätigt. Mittlerweile haben mehrere bedeutende sicilianische Städte dem König von Neapel sich wieder unterworfen. Jn Livorno herrscht Ruhe und der Großherzog von Toskana hat durch Tagesbefehl vom 17. September die auf- gebotene Nationalgarde wieder nach Haus geschickt. Davon, daß der König von Sardinien seine mit Schmach bedeckte Krone niedergelegt, wissen die französischen Blätter, die dem Schauplatze der Ereignisse sehr nahe stehen, noch nichts. Ebenso wird die vom „National“ gestern gebrachte Neuigkeit, daß 4000 Mann Franzosen in Venedig gelandet seyen, als unwahr wiederrufen. Auf die Börse hat Ledru=Rollins Rede einen ungünstigen Eindruck gemacht. Das Journal des Debats gibt diesem würdigen Bürger dafür die folgende gute Lehre: Man meint, Herr Ledru- Rollin lege es absichtlich darauf an, die Capitalien zu verscheuchen, sie von productiver Verwendung abzuhalten und sammt allen Unternehmungen, die durch sie ernährt werden könnten, zur Un- beweglichkeit und Trägheit zu verdammen. Wenn Herr Ledru- Rollin sich über die Seltenheit der Capitalien beklagt, so ist er entweder sehr unwissend oder schlecht unterrichtet. Capitalien sind genug am Platze und ihrem Zusammenflusse hat der Finanz- minister es zu verdanken, daß er schnell hintereinander zwei Anleihen abschließen konnte. Der öffentliche Credit ist seit mehreren Mona- ten, trotz der Ereignisse, durch nichts Anderes als durch das Brach- liegen der Capitalien aufrecht erhalten worden und sie würden der Republik sich eben so wenig entziehen, wie der Monarchie, sobald einmal die erstere Garantieen der Ordnung und Sicherheit bie- tet. Ueberhaupt gibt es für alle Regierungen eine unerschöpfliche Quelle von Capitalien und diese Quelle ist: das Gedeihen der Völker durch Arbeit und Credit. Der französische Gesandte in London, Beaumont, soll dem „Prinzen“ Louis Napoleon einen Paß nach Frankreich verwei- gert und dafür von der Regierung einen Verweis erhalten haben. Sey dem wie ihm wolle, die Wahl des „Prinzen“ macht der Regierung viele Sorgen, zumal da der Prätendent seine Batterien nicht auf einmal demaskiren will. Um der Regierung jeden Vor- wand zu benehmen, offen gegen ihn aufzutreten, wird er vor- derhand ganz ruhig auf seiner Deputirtenbank Platz nehmen, und erst bei der Wahl des Präsidenten der Republik als Bewerber auftreten, was man ihm nicht verwehren kann, da in einer solchen Candidatur noch keineswegs eine Absicht auf Wechsel der Regierungsform vorliegt. Hat aber Ludwig Napoleon so viel erreicht, daß man ihn zum Oberhaupt der Republik erhebt, so wird es ihm leicht werden, mit Hilfe der Armee sich zum Kaiser der Franzosen nach dem Muster seines Oheims ausrufen zu las- sen. Dies wenigstens ist dem Vernehmen nach die Taktik, welche der Prätendent zu befolgen gedenkt. Um dieselbe zu vereiteln, wollen die Freunde des Generals Cavaignac diesen schon näch- stens zum Präsidenten der Republik ( zeitweilig nur für ein Jahr ) ernennen lassen, und zwar durch unmittelbare Wahl von Seiten der Nationalversammlung. Die republikanische Garde, auf welche General Cavaignac am meisten zu zählen scheint, ist jede Nacht unter den Waffen, und durchstreift die Boulevards und die von den arbeitenden Klassen bewohnten Stadtviertel. Paris 21. September. ( A. Z. ) Die Regierung kannte bereits gestern die traurigen Ereignisse in Frankfurt, denn sie wurden ihr auf telegraphischem Wege von Metz aus mitgetheilt. Heute weiß nun auch die ganze Bevölkerung, was an dem Sitze des deutschen Reichstags vorgefallen, wo die Turnerjugend, im Bunde mit den deutschen Rothen, eine Wiederholung unseres Juniaufstandes versuchte. Der Eindruck, den diese abscheuliche Empörung allent- halben macht, ist ein peinlicher. Hr. Lamartine hatte heute eine Unterredurg mit Cavaignac, in welcher er darauf drang, daß die französische Regierung in den Beziehungen zur deutschen Central- gewalt derselben jene moralische Stütze angedeihen lasse, welche, gegenüber den rohen Ausbrüchen blinder politischer Leidenschaft, für die Civilisation im allgemeinen und das Glück der europäi- schen Staaten im besondern unentbehrlich sey. Eine in diesem Sinne abgefaßte Note wird in den nächsten Tagen an unsern Re- präsentanten nach Frankfurt abgehen. Straßburg 23. September. ( A. Z. ) Der Abgeordnete bei der Nationalversammlung in Frankfurt 1), Herr Dr. Zitz aus Mainz, befindet sich seit einigen Tagen in unserer Stadt. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg. 1) Die Frankfurter O. P. A. Z. meldet: „Man sagt hier allge- mein, der Abgeordnete Zitz, der seit mehreren Tagen nicht mehr in der Paulskirche gesehen worden, befinde sich in Straßburg und habe von da geschrieben, er werde nicht mehr nach Deutschland zurückkehren. Ueber die Gründe einer solch freiwilligen Verbannung lassen sich bis jetzt nur Vermuthungen hegen. Hier in Mainz war schon seit längerer Zeit die Rede davon, daß Herr Zitz auszuwandern gedenke.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 98. Mainz, 28. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal098_1848/4>, abgerufen am 21.11.2024.