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Mainzer Journal. Nr. 85. Mainz, 13. September 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 85. Donnerstag, den 14. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 9. September. So eben kommt die ungarische De-
putation
vom König unverrichteter Sache zurück. Sie
reiste sogleich nach Pesth. Die Ungarn sind in großer Aufregung.
-- Es herrscht hier die größte Bestürzung. Jellachich ist von
Agram zur Armee an die Drave abgereist. Ungarn besitzt kaum
30,000 Mann mobiler Garden und bei 10,000 Mann reguläre
Truppen, auf die es sich nicht verlassen kann. Jellachich verfügt
über 80,000. Von hier wollen hunderte junger Männer den
Ungarn zu Hülfe eilen.

Berlin 8. September. ( Köln. Z. ) Vertrauliche Mittheil-
ungen, welche von Frankfurt aus hierher an das auswärtige
Amt gelangt seyn sollen, geben Zeugniß davon, daß man dort
den großen Fehler einzusehen beginnt, der durch das Zurückstoßen
Preußens beim Beginne der gegenwärtgen deutschen Entwickelung
begangen worden ist, und daß man nunmehr die Gunst des
preußischen Cabinets selbst durch Opfer zu erkaufen gewillt scheint.
Allein man weiß hier zu genau, daß auch Oesterreich wenig-
stens das gegenwärtige Ministerium in Wien, fest entschlossen ist,
trotzdem ein österreichischer Erzherzog an die Spitze der provi-
sorischen Centralgewalt steht, kein Titelchen seiner Souveraine-
tätsrechte zu Gunsten der frankfurter Beschlüsse zu opfern ( ! ) ; man
kennt die Verwickelung, in die Herr v. Raumer bei der fran-
zösischen Republik
wegen Anerkennung der deutschen Cen-
tralgewalt gerathen, und die nur mit großer Mühe noch von
dem preußischen Legationsrathe Grafen Hatzfeld beigelegt worden
ist ( !! ) ; man hat Kunde von der Antwort des Kaisers von
Rußland
auf die Anfrage des Generals von Auerswald, ob
er ihn als Gesandten der neuen Centralgewalt zu empfangen ge-
denke ( !!! ) ; man kennt die vertraulichen Eröffnungen des Cabi-
nets von St. James
an den Ritter Bunsen in Beziehung auf
diese Angelegenheit ( !!!! ) ; man hat bei den letzten Waffenstill-
standsunterhandlungen thatsächliche Belege genug von den Re-
gierungen von Dänemark und Schweden für den Widerwillen der-
selben, die Entwickelung der deutschen Angelegenheiten in Frankfurt
zu berücksichtigen, erhalten ( !!!!!; ) --kurz, man überschaut hier zu
gut die ganze Schwierigkeit, in der man sich in Frankfurt befindet,
um nunmehr sehr geneigt zu seyn, die ursprüngliche Vernach-
lässigung zu vergessen und kräftig helfend hinzu zu treten; und
selbst Anerbietungen, wie sie jetzt auf vertraulichem Wege hierher
gelangt sind, und die selbst die deutsche Kaiserkrone unter
gewissen Bedingungen ( Theilung Preußens in drei Statthalter-
schaften ) in der Aussicht zeigen sollen, und wie sie vielleicht noch
vor drei Monaten nicht ihre Wirkung verfehlt hätten, werden jetzt
kalt hingenommen ( !!!!!! ) . Es entziehen sich diese Verhältnisse
Rücksichten halber einer detaillirteren Darlegung, allein wir glau-
ben, guten Grund zu haben zu der Behauptung, daß die Lage der
Dinge in Frankfurt gegenwärtig bei einer Krise angelangt ist,
aus der nur Preußen, welches aber nicht die Lust dazu hat, helfen
kann. [ Wenn es wahr seyn sollte, was wir nicht glauben, daß
das Ministerium aus kleinlicher Rache, wegen früherer " Vernach-
lässigung " Preußens Hülfe dem Reiche sollte entziehen wollen --
so wäre das ein förmlicher doppelter Verrath an Preußen und
an Deutschland und wir hätten uns über seinen Sturz um so mehr
zu freuen. ]

Berlin 10. September. ( D. A. Z. ) Herr Grabow soll
sich geweigert haben ein Ministerium zu übernehmen, wohl aber
wird er seine Mitwirkung einer Bildung desselben zu gute kom-
men lassen. Er ist ein bei allen Parteien geachteter Mann. Auch
die Combination, ein Ministerium Mevissen=Beckedorf von außer-
halb der Kammer zu construiren, scheint auf Schwierigkeiten ge-
stoßen zu seyn; denn die Fractionen der Nationalversammlung
sollen sich dahin geeinigt haben, ein solches Ministerium nicht zu
unterstützen. Unter den vielen Versionen, welche gestern hier cir-
culirten, verdient die hervorgehoben zu werden, daß der König
an Herrn v. Schreckenstein den Befehl erlassen werde, das viel-
besprochene Circular an die Armee in einer Form zu expediren,
welche principiell der Majorität in der Kammer genügen müßte.
-- Bei dem Hofe soll eine sehr gemäßigte Stimmung herrschen,
und wohlunterrichtete Personen behaupten, daß in dieser Region
von einem Staatsstreiche nicht die Rede ist. Die Stadt hat die
ruhigste Physiognomie, und Sie werden aus dieser Zusammen-
stellung ersehen, daß die Dinge hier wieder vorläufig einer Aus-
[Spaltenumbruch] gleichung nahe sind, zumal wenn es sich bestätigt, daß eine doctrinär
und versöhnlich gehaltene Botschaft an die Kammer zu erwarten
ist, welch die neuliche Verwickelung vom Standpuncte der Regie-
rung aus beleuchtet und sie zu lösen sucht. -- Jn Bezug auf die
deutsche Angelegenheit ist hier ein definitiver und durch-
greifender Entschluß zu erwarten, zumal alle auswärtigen Mächte
namentlich England, einen casus belli darin erblicken würden, falls
der Waffenstillstand mit Dänemark gebrochen werden sollte. Vom
englischen Gesandten ist, wie man hört, eine derartige Mittheil-
ung geradezu in die Hände des Königs niedergelegt worden.
Großbritannien hat sich überdies entschieden geweigert, die deutsche
Centralgew alt anzuerkennen; ebenso hat der Kaiser von Ruß-
land erklärt, er werde Hrn. v. Auerswald lediglich als preußi-
schen Offizier empfangen, der ihm einen Brief des Erzherzogs
Johann überbringt. -- Gestern bemerkte man fast sämmtliche Mit-
glieder des Ministeriums Auerswald in der italienischen Oper der
Königsstadt, den Melodien lauschend, welche Rossini's Barbier
von Sevilla in unsterblicher Anmuth durchjubeln. Man muß es
der Direction dieses Theaters Dank wissen, daß sie in so schwerer
Zeit mit großen Opfern für eine wirklich musterhafte italienische
Oper gesorgt, wie sie in Bezug auf einzelne hervorragende Ta-
lente und in Bezug auf die Eleganz des Ensemble hier noch nicht
producirt worden. Ach -- es liegt einige Hoffnung darin, daß diese
große Zeit sich noch an Rossinischer Musik ergötzt.

Berlin 10. September. Von vielen Seiten wird behauptet,
daß morgen ein Erlaß des Königs an die Nation erscheinen
werde. Ueber den Jnhalt weiß Niemand etwas anzugeben. --
Der berüchtigte Agitator Held ist bei den Berliner Demokraten
in vollständige Ungnade gefallen.

Die Neue Berliner Zeitung berichtet unterm 9. September:
Wir bemerken, daß die Cholera seit einigen Tagen in einer sehr
bedenklichen Weise aufgetreten ist, und viele Opfer hinwegge-
rafft hat. Es ist deßhalb bereits seit mehreren Tagen das in dem
Hospital am frankfurter Thore besonders eingerichtete Cholera-
hospital zur Aufnahme von Kranken eröffnet worden. An der
Cholera waren bis gestern Mittag erkrankt 711, hinzugekommen
sind bis heute Mittag 73, zusammen 784. Davon sind gestorben
484, genesen 95, und in ärztlicher Behandlung 205.

Köln 12. September. ( N. Rh. Z. ) Gestern Abend haben
wir hier Scenen erlebt, wie sie seit dem 3. August 1846 nicht in
unseren Mauern vorgekommen sind. Auf dem Neumarkt ver-
folgten Soldaten vom 27. Regiment ( Sachsen ) ein Mädchen;
dies begab sich in den Schutz von mehreren jungen Leuten, die
ebenfalls mit Frauenzimmern unter den Bäumen spazieren gingen.
Es entstanden Reibungen, die Soldaten wurden übermüthig, man
antwortete ihnen wie sichs gebührte, und die Soldaten eilten in
die am Neumarkt gelegene Kaserne ihres Regimentes und riefen:
Siebenundzwanziger heraus! Auf diesen Ruf stürzten mehrere
hundert Soldaten im Hausanzuge mit blanker Waffe in der Hand
heraus, fielen über die wehrlose Menge her, hieben blind um sich,
verfolgten die Bürger bis in die Thieboldsgasse, demolirten meh-
rere Läden, namentlich einen Bäckerladen, desgleichen ein Bier-
haus und waren trotz des Zuredens mehrerer Offiziere nicht eher
zurück zu bringen, bis die Bürgerwehr anrückte, die sich ziemlich
entschieden benommen haben soll. Die wüthenden Soldaten trotz-
ten allen Befehlen ihrer Offiziere, die, auf ihre eigenen Leute ohne
Einfluß, zuletzt dem Volk zuredeten, nach Hause zu gehen. Die in
der Kaserne gebliebenen Soldaten sollen dort aufmarschirt seyn
und mehrere Offiziere sollen Lust gehabt haben, ausrücken zu las-
sen; nur die Energie eines Dragoneroffiziers, der ihnen den Weg
versperrte, soll sie zurückgehalten haben. -- Später in der Nacht
soll der Lärm nochmals losgegangen seyn. Es sind bedeutende
Verwundungen gegen Leute beiderlei Geschlechts vorgekommen;
ein hiesiger Bürger u. A. ist mit Wunden bedeckt, er hat mindestens
6--7 Säbelhiebe erhalten. Wir hören eben, daß der Stadtrath
selbst, der bekanntlich wenig wühlerischer Natur ist, dennoch eben
eine Adresse wegen Entfernung des 27. Regiments aus Köln be-
räth. Das Volk steht in diesem Augenblick vor dem Rathhaus
und verlangt mit lautem Geschrei die sofortige Entfernung des
Regiments.

Köln 12. September 1 Uhr Mittags. ( N. Rh. Z. ) Jn Folge
der gestrigen Exzesse hat sich das Volk heute Mittag immer stür-
mischer um das Rathhaus geschaart. Reden wurden gehalten,
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 85. Donnerstag, den 14. September. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Wien 9. September. So eben kommt die ungarische De-
putation
vom König unverrichteter Sache zurück. Sie
reiste sogleich nach Pesth. Die Ungarn sind in großer Aufregung.
— Es herrscht hier die größte Bestürzung. Jellachich ist von
Agram zur Armee an die Drave abgereist. Ungarn besitzt kaum
30,000 Mann mobiler Garden und bei 10,000 Mann reguläre
Truppen, auf die es sich nicht verlassen kann. Jellachich verfügt
über 80,000. Von hier wollen hunderte junger Männer den
Ungarn zu Hülfe eilen.

Berlin 8. September. ( Köln. Z. ) Vertrauliche Mittheil-
ungen, welche von Frankfurt aus hierher an das auswärtige
Amt gelangt seyn sollen, geben Zeugniß davon, daß man dort
den großen Fehler einzusehen beginnt, der durch das Zurückstoßen
Preußens beim Beginne der gegenwärtgen deutschen Entwickelung
begangen worden ist, und daß man nunmehr die Gunst des
preußischen Cabinets selbst durch Opfer zu erkaufen gewillt scheint.
Allein man weiß hier zu genau, daß auch Oesterreich wenig-
stens das gegenwärtige Ministerium in Wien, fest entschlossen ist,
trotzdem ein österreichischer Erzherzog an die Spitze der provi-
sorischen Centralgewalt steht, kein Titelchen seiner Souveraine-
tätsrechte zu Gunsten der frankfurter Beschlüsse zu opfern ( ! ) ; man
kennt die Verwickelung, in die Herr v. Raumer bei der fran-
zösischen Republik
wegen Anerkennung der deutschen Cen-
tralgewalt gerathen, und die nur mit großer Mühe noch von
dem preußischen Legationsrathe Grafen Hatzfeld beigelegt worden
ist ( !! ) ; man hat Kunde von der Antwort des Kaisers von
Rußland
auf die Anfrage des Generals von Auerswald, ob
er ihn als Gesandten der neuen Centralgewalt zu empfangen ge-
denke ( !!! ) ; man kennt die vertraulichen Eröffnungen des Cabi-
nets von St. James
an den Ritter Bunsen in Beziehung auf
diese Angelegenheit ( !!!! ) ; man hat bei den letzten Waffenstill-
standsunterhandlungen thatsächliche Belege genug von den Re-
gierungen von Dänemark und Schweden für den Widerwillen der-
selben, die Entwickelung der deutschen Angelegenheiten in Frankfurt
zu berücksichtigen, erhalten ( !!!!!; ) —kurz, man überschaut hier zu
gut die ganze Schwierigkeit, in der man sich in Frankfurt befindet,
um nunmehr sehr geneigt zu seyn, die ursprüngliche Vernach-
lässigung zu vergessen und kräftig helfend hinzu zu treten; und
selbst Anerbietungen, wie sie jetzt auf vertraulichem Wege hierher
gelangt sind, und die selbst die deutsche Kaiserkrone unter
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schaften ) in der Aussicht zeigen sollen, und wie sie vielleicht noch
vor drei Monaten nicht ihre Wirkung verfehlt hätten, werden jetzt
kalt hingenommen ( !!!!!! ) . Es entziehen sich diese Verhältnisse
Rücksichten halber einer detaillirteren Darlegung, allein wir glau-
ben, guten Grund zu haben zu der Behauptung, daß die Lage der
Dinge in Frankfurt gegenwärtig bei einer Krise angelangt ist,
aus der nur Preußen, welches aber nicht die Lust dazu hat, helfen
kann. [ Wenn es wahr seyn sollte, was wir nicht glauben, daß
das Ministerium aus kleinlicher Rache, wegen früherer „ Vernach-
lässigung “ Preußens Hülfe dem Reiche sollte entziehen wollen —
so wäre das ein förmlicher doppelter Verrath an Preußen und
an Deutschland und wir hätten uns über seinen Sturz um so mehr
zu freuen. ]

Berlin 10. September. ( D. A. Z. ) Herr Grabow soll
sich geweigert haben ein Ministerium zu übernehmen, wohl aber
wird er seine Mitwirkung einer Bildung desselben zu gute kom-
men lassen. Er ist ein bei allen Parteien geachteter Mann. Auch
die Combination, ein Ministerium Mevissen=Beckedorf von außer-
halb der Kammer zu construiren, scheint auf Schwierigkeiten ge-
stoßen zu seyn; denn die Fractionen der Nationalversammlung
sollen sich dahin geeinigt haben, ein solches Ministerium nicht zu
unterstützen. Unter den vielen Versionen, welche gestern hier cir-
culirten, verdient die hervorgehoben zu werden, daß der König
an Herrn v. Schreckenstein den Befehl erlassen werde, das viel-
besprochene Circular an die Armee in einer Form zu expediren,
welche principiell der Majorität in der Kammer genügen müßte.
— Bei dem Hofe soll eine sehr gemäßigte Stimmung herrschen,
und wohlunterrichtete Personen behaupten, daß in dieser Region
von einem Staatsstreiche nicht die Rede ist. Die Stadt hat die
ruhigste Physiognomie, und Sie werden aus dieser Zusammen-
stellung ersehen, daß die Dinge hier wieder vorläufig einer Aus-
[Spaltenumbruch] gleichung nahe sind, zumal wenn es sich bestätigt, daß eine doctrinär
und versöhnlich gehaltene Botschaft an die Kammer zu erwarten
ist, welch die neuliche Verwickelung vom Standpuncte der Regie-
rung aus beleuchtet und sie zu lösen sucht. — Jn Bezug auf die
deutsche Angelegenheit ist hier ein definitiver und durch-
greifender Entschluß zu erwarten, zumal alle auswärtigen Mächte
namentlich England, einen casus belli darin erblicken würden, falls
der Waffenstillstand mit Dänemark gebrochen werden sollte. Vom
englischen Gesandten ist, wie man hört, eine derartige Mittheil-
ung geradezu in die Hände des Königs niedergelegt worden.
Großbritannien hat sich überdies entschieden geweigert, die deutsche
Centralgew alt anzuerkennen; ebenso hat der Kaiser von Ruß-
land erklärt, er werde Hrn. v. Auerswald lediglich als preußi-
schen Offizier empfangen, der ihm einen Brief des Erzherzogs
Johann überbringt. — Gestern bemerkte man fast sämmtliche Mit-
glieder des Ministeriums Auerswald in der italienischen Oper der
Königsstadt, den Melodien lauschend, welche Rossini's Barbier
von Sevilla in unsterblicher Anmuth durchjubeln. Man muß es
der Direction dieses Theaters Dank wissen, daß sie in so schwerer
Zeit mit großen Opfern für eine wirklich musterhafte italienische
Oper gesorgt, wie sie in Bezug auf einzelne hervorragende Ta-
lente und in Bezug auf die Eleganz des Ensemble hier noch nicht
producirt worden. Ach — es liegt einige Hoffnung darin, daß diese
große Zeit sich noch an Rossinischer Musik ergötzt.

Berlin 10. September. Von vielen Seiten wird behauptet,
daß morgen ein Erlaß des Königs an die Nation erscheinen
werde. Ueber den Jnhalt weiß Niemand etwas anzugeben. —
Der berüchtigte Agitator Held ist bei den Berliner Demokraten
in vollständige Ungnade gefallen.

Die Neue Berliner Zeitung berichtet unterm 9. September:
Wir bemerken, daß die Cholera seit einigen Tagen in einer sehr
bedenklichen Weise aufgetreten ist, und viele Opfer hinwegge-
rafft hat. Es ist deßhalb bereits seit mehreren Tagen das in dem
Hospital am frankfurter Thore besonders eingerichtete Cholera-
hospital zur Aufnahme von Kranken eröffnet worden. An der
Cholera waren bis gestern Mittag erkrankt 711, hinzugekommen
sind bis heute Mittag 73, zusammen 784. Davon sind gestorben
484, genesen 95, und in ärztlicher Behandlung 205.

Köln 12. September. ( N. Rh. Z. ) Gestern Abend haben
wir hier Scenen erlebt, wie sie seit dem 3. August 1846 nicht in
unseren Mauern vorgekommen sind. Auf dem Neumarkt ver-
folgten Soldaten vom 27. Regiment ( Sachsen ) ein Mädchen;
dies begab sich in den Schutz von mehreren jungen Leuten, die
ebenfalls mit Frauenzimmern unter den Bäumen spazieren gingen.
Es entstanden Reibungen, die Soldaten wurden übermüthig, man
antwortete ihnen wie sichs gebührte, und die Soldaten eilten in
die am Neumarkt gelegene Kaserne ihres Regimentes und riefen:
Siebenundzwanziger heraus! Auf diesen Ruf stürzten mehrere
hundert Soldaten im Hausanzuge mit blanker Waffe in der Hand
heraus, fielen über die wehrlose Menge her, hieben blind um sich,
verfolgten die Bürger bis in die Thieboldsgasse, demolirten meh-
rere Läden, namentlich einen Bäckerladen, desgleichen ein Bier-
haus und waren trotz des Zuredens mehrerer Offiziere nicht eher
zurück zu bringen, bis die Bürgerwehr anrückte, die sich ziemlich
entschieden benommen haben soll. Die wüthenden Soldaten trotz-
ten allen Befehlen ihrer Offiziere, die, auf ihre eigenen Leute ohne
Einfluß, zuletzt dem Volk zuredeten, nach Hause zu gehen. Die in
der Kaserne gebliebenen Soldaten sollen dort aufmarschirt seyn
und mehrere Offiziere sollen Lust gehabt haben, ausrücken zu las-
sen; nur die Energie eines Dragoneroffiziers, der ihnen den Weg
versperrte, soll sie zurückgehalten haben. — Später in der Nacht
soll der Lärm nochmals losgegangen seyn. Es sind bedeutende
Verwundungen gegen Leute beiderlei Geschlechts vorgekommen;
ein hiesiger Bürger u. A. ist mit Wunden bedeckt, er hat mindestens
6—7 Säbelhiebe erhalten. Wir hören eben, daß der Stadtrath
selbst, der bekanntlich wenig wühlerischer Natur ist, dennoch eben
eine Adresse wegen Entfernung des 27. Regiments aus Köln be-
räth. Das Volk steht in diesem Augenblick vor dem Rathhaus
und verlangt mit lautem Geschrei die sofortige Entfernung des
Regiments.

Köln 12. September 1 Uhr Mittags. ( N. Rh. Z. ) Jn Folge
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mischer um das Rathhaus geschaart. Reden wurden gehalten,
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 85. Donnerstag, den 14. September. 1848. Deutschland. Wien 9. September. So eben kommt die ungarische De- putation vom König unverrichteter Sache zurück. Sie reiste sogleich nach Pesth. Die Ungarn sind in großer Aufregung. — Es herrscht hier die größte Bestürzung. Jellachich ist von Agram zur Armee an die Drave abgereist. Ungarn besitzt kaum 30,000 Mann mobiler Garden und bei 10,000 Mann reguläre Truppen, auf die es sich nicht verlassen kann. Jellachich verfügt über 80,000. Von hier wollen hunderte junger Männer den Ungarn zu Hülfe eilen. Berlin 8. September. ( Köln. Z. ) Vertrauliche Mittheil- ungen, welche von Frankfurt aus hierher an das auswärtige Amt gelangt seyn sollen, geben Zeugniß davon, daß man dort den großen Fehler einzusehen beginnt, der durch das Zurückstoßen Preußens beim Beginne der gegenwärtgen deutschen Entwickelung begangen worden ist, und daß man nunmehr die Gunst des preußischen Cabinets selbst durch Opfer zu erkaufen gewillt scheint. Allein man weiß hier zu genau, daß auch Oesterreich wenig- stens das gegenwärtige Ministerium in Wien, fest entschlossen ist, trotzdem ein österreichischer Erzherzog an die Spitze der provi- sorischen Centralgewalt steht, kein Titelchen seiner Souveraine- tätsrechte zu Gunsten der frankfurter Beschlüsse zu opfern ( ! ) ; man kennt die Verwickelung, in die Herr v. Raumer bei der fran- zösischen Republik wegen Anerkennung der deutschen Cen- tralgewalt gerathen, und die nur mit großer Mühe noch von dem preußischen Legationsrathe Grafen Hatzfeld beigelegt worden ist ( !! ) ; man hat Kunde von der Antwort des Kaisers von Rußland auf die Anfrage des Generals von Auerswald, ob er ihn als Gesandten der neuen Centralgewalt zu empfangen ge- denke ( !!! ) ; man kennt die vertraulichen Eröffnungen des Cabi- nets von St. James an den Ritter Bunsen in Beziehung auf diese Angelegenheit ( !!!! ) ; man hat bei den letzten Waffenstill- standsunterhandlungen thatsächliche Belege genug von den Re- gierungen von Dänemark und Schweden für den Widerwillen der- selben, die Entwickelung der deutschen Angelegenheiten in Frankfurt zu berücksichtigen, erhalten ( !!!!!; ) —kurz, man überschaut hier zu gut die ganze Schwierigkeit, in der man sich in Frankfurt befindet, um nunmehr sehr geneigt zu seyn, die ursprüngliche Vernach- lässigung zu vergessen und kräftig helfend hinzu zu treten; und selbst Anerbietungen, wie sie jetzt auf vertraulichem Wege hierher gelangt sind, und die selbst die deutsche Kaiserkrone unter gewissen Bedingungen ( Theilung Preußens in drei Statthalter- schaften ) in der Aussicht zeigen sollen, und wie sie vielleicht noch vor drei Monaten nicht ihre Wirkung verfehlt hätten, werden jetzt kalt hingenommen ( !!!!!! ) . Es entziehen sich diese Verhältnisse Rücksichten halber einer detaillirteren Darlegung, allein wir glau- ben, guten Grund zu haben zu der Behauptung, daß die Lage der Dinge in Frankfurt gegenwärtig bei einer Krise angelangt ist, aus der nur Preußen, welches aber nicht die Lust dazu hat, helfen kann. [ Wenn es wahr seyn sollte, was wir nicht glauben, daß das Ministerium aus kleinlicher Rache, wegen früherer „ Vernach- lässigung “ Preußens Hülfe dem Reiche sollte entziehen wollen — so wäre das ein förmlicher doppelter Verrath an Preußen und an Deutschland und wir hätten uns über seinen Sturz um so mehr zu freuen. ] Berlin 10. September. ( D. A. Z. ) Herr Grabow soll sich geweigert haben ein Ministerium zu übernehmen, wohl aber wird er seine Mitwirkung einer Bildung desselben zu gute kom- men lassen. Er ist ein bei allen Parteien geachteter Mann. Auch die Combination, ein Ministerium Mevissen=Beckedorf von außer- halb der Kammer zu construiren, scheint auf Schwierigkeiten ge- stoßen zu seyn; denn die Fractionen der Nationalversammlung sollen sich dahin geeinigt haben, ein solches Ministerium nicht zu unterstützen. Unter den vielen Versionen, welche gestern hier cir- culirten, verdient die hervorgehoben zu werden, daß der König an Herrn v. Schreckenstein den Befehl erlassen werde, das viel- besprochene Circular an die Armee in einer Form zu expediren, welche principiell der Majorität in der Kammer genügen müßte. — Bei dem Hofe soll eine sehr gemäßigte Stimmung herrschen, und wohlunterrichtete Personen behaupten, daß in dieser Region von einem Staatsstreiche nicht die Rede ist. Die Stadt hat die ruhigste Physiognomie, und Sie werden aus dieser Zusammen- stellung ersehen, daß die Dinge hier wieder vorläufig einer Aus- gleichung nahe sind, zumal wenn es sich bestätigt, daß eine doctrinär und versöhnlich gehaltene Botschaft an die Kammer zu erwarten ist, welch die neuliche Verwickelung vom Standpuncte der Regie- rung aus beleuchtet und sie zu lösen sucht. — Jn Bezug auf die deutsche Angelegenheit ist hier ein definitiver und durch- greifender Entschluß zu erwarten, zumal alle auswärtigen Mächte namentlich England, einen casus belli darin erblicken würden, falls der Waffenstillstand mit Dänemark gebrochen werden sollte. Vom englischen Gesandten ist, wie man hört, eine derartige Mittheil- ung geradezu in die Hände des Königs niedergelegt worden. Großbritannien hat sich überdies entschieden geweigert, die deutsche Centralgew alt anzuerkennen; ebenso hat der Kaiser von Ruß- land erklärt, er werde Hrn. v. Auerswald lediglich als preußi- schen Offizier empfangen, der ihm einen Brief des Erzherzogs Johann überbringt. — Gestern bemerkte man fast sämmtliche Mit- glieder des Ministeriums Auerswald in der italienischen Oper der Königsstadt, den Melodien lauschend, welche Rossini's Barbier von Sevilla in unsterblicher Anmuth durchjubeln. Man muß es der Direction dieses Theaters Dank wissen, daß sie in so schwerer Zeit mit großen Opfern für eine wirklich musterhafte italienische Oper gesorgt, wie sie in Bezug auf einzelne hervorragende Ta- lente und in Bezug auf die Eleganz des Ensemble hier noch nicht producirt worden. Ach — es liegt einige Hoffnung darin, daß diese große Zeit sich noch an Rossinischer Musik ergötzt. Berlin 10. September. Von vielen Seiten wird behauptet, daß morgen ein Erlaß des Königs an die Nation erscheinen werde. Ueber den Jnhalt weiß Niemand etwas anzugeben. — Der berüchtigte Agitator Held ist bei den Berliner Demokraten in vollständige Ungnade gefallen. Die Neue Berliner Zeitung berichtet unterm 9. September: Wir bemerken, daß die Cholera seit einigen Tagen in einer sehr bedenklichen Weise aufgetreten ist, und viele Opfer hinwegge- rafft hat. Es ist deßhalb bereits seit mehreren Tagen das in dem Hospital am frankfurter Thore besonders eingerichtete Cholera- hospital zur Aufnahme von Kranken eröffnet worden. An der Cholera waren bis gestern Mittag erkrankt 711, hinzugekommen sind bis heute Mittag 73, zusammen 784. Davon sind gestorben 484, genesen 95, und in ärztlicher Behandlung 205. Köln 12. September. ( N. Rh. Z. ) Gestern Abend haben wir hier Scenen erlebt, wie sie seit dem 3. August 1846 nicht in unseren Mauern vorgekommen sind. Auf dem Neumarkt ver- folgten Soldaten vom 27. Regiment ( Sachsen ) ein Mädchen; dies begab sich in den Schutz von mehreren jungen Leuten, die ebenfalls mit Frauenzimmern unter den Bäumen spazieren gingen. Es entstanden Reibungen, die Soldaten wurden übermüthig, man antwortete ihnen wie sichs gebührte, und die Soldaten eilten in die am Neumarkt gelegene Kaserne ihres Regimentes und riefen: Siebenundzwanziger heraus! Auf diesen Ruf stürzten mehrere hundert Soldaten im Hausanzuge mit blanker Waffe in der Hand heraus, fielen über die wehrlose Menge her, hieben blind um sich, verfolgten die Bürger bis in die Thieboldsgasse, demolirten meh- rere Läden, namentlich einen Bäckerladen, desgleichen ein Bier- haus und waren trotz des Zuredens mehrerer Offiziere nicht eher zurück zu bringen, bis die Bürgerwehr anrückte, die sich ziemlich entschieden benommen haben soll. Die wüthenden Soldaten trotz- ten allen Befehlen ihrer Offiziere, die, auf ihre eigenen Leute ohne Einfluß, zuletzt dem Volk zuredeten, nach Hause zu gehen. Die in der Kaserne gebliebenen Soldaten sollen dort aufmarschirt seyn und mehrere Offiziere sollen Lust gehabt haben, ausrücken zu las- sen; nur die Energie eines Dragoneroffiziers, der ihnen den Weg versperrte, soll sie zurückgehalten haben. — Später in der Nacht soll der Lärm nochmals losgegangen seyn. Es sind bedeutende Verwundungen gegen Leute beiderlei Geschlechts vorgekommen; ein hiesiger Bürger u. A. ist mit Wunden bedeckt, er hat mindestens 6—7 Säbelhiebe erhalten. Wir hören eben, daß der Stadtrath selbst, der bekanntlich wenig wühlerischer Natur ist, dennoch eben eine Adresse wegen Entfernung des 27. Regiments aus Köln be- räth. Das Volk steht in diesem Augenblick vor dem Rathhaus und verlangt mit lautem Geschrei die sofortige Entfernung des Regiments. Köln 12. September 1 Uhr Mittags. ( N. Rh. Z. ) Jn Folge der gestrigen Exzesse hat sich das Volk heute Mittag immer stür- mischer um das Rathhaus geschaart. Reden wurden gehalten,

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 85. Mainz, 13. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal085_1848/5>, abgerufen am 25.11.2024.