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Mainzer Journal. Nr. 85. Mainz, 13. September 1848.

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[Beginn Spaltensatz] an demselben Fehler leiden natürlich auch die folgenden Beschlüsse,
wie selbe in heutiger Sitzung gefaßt worden sind. Die Kirche
soll fortan ( nicht viel anders, als bisher ) zwischen Selbstständig-
keit und Staatsbevormundung in der Mitte schweben, und so war
es nicht anders zu erwarten, als daß die entschieden freisinnigen
Anträge verworfen wurden. Merkwürdig ist, daß es oft hin-
reicht, daß ein Antrag von einer entschieden kirchlichen Persönlich-
keit ausgeht, um der Verwerfung gewiß zu seyn. Hofmann von
Ludwigsburg ( der strenge Lutheraner ) wollte, da einmal der voll-
ständigste Unglaube in den Grundrechten seine Berechtigung ge-
funden, daß der Eid, als eine Berufung auf Gott, im öffentli-
chen Leben beseitigt, und dafür einfache Betheuerung eintreten
sollte. Doch die Linke wollte, so sehr dieser Antrag ihren Grund-
sätzen auch sonst entspricht, nicht dem Pietisten beistimmen, und
es ward der Antrag des Jsraeliten Rießer angenommen und zum
Gesetz erhoben, wobei die unauflösbare Schwierigkeit übersehen
ward, eine Form des Eides aufzustellen, die wirklich allen Reli-
gionsbekenntnissen und auch dem Atheismus und Pantheismus ent-
spräche. Bei §. 16. die Civilehe betreffend, war die Bestimmung von
Wichtigkeit, ob die Vornahme der kirchlichen Trauung vor Vollzug
des bürgerlichen Actes geschehen dürfe, was man im Sinne
consequenter Religionsfreiheit zu erwarten berechtigt war, da der
reinkirchliche Akt der Trauung den confessionslos gewordenen
Staat nicht mehr berührt. Gegen den die Freiheit verletzenden
Ausschußantrag: "Die kirchliche Trauung kann erst nach der
Vollziehung des bürgerlichen Aktes stattfinden" sprach Deiters,
da ihm derselbe als ein Eingriff in die inneren Verhältnisse der
Kirche und somit als ein Verstoß gegen die von der Nationalver-
sammlung beschlossene selbstständige Stellung der Religionsgesell-
schaften erscheine. Dieringer aus Bonn theilt diese Ansicht:
Jm französischen Gesetze herrsche der Mißbrauch, daß der Gesetz-
geber die Vornahme der kirchlichen Trauung festsetze. Stehe der
Staat der Kirche fern, so müsse er es ihr auch überlassen, ihre
Handlungen selbstständig zu vollführen. Mittermaier dage-
gen rechtfertigt die Anträge des Verfassungsausschusses, und macht
die mit Beifall aufgenommene, aber höchst sonderbare Bemerkung:
durch Aufheben des Eheverbotes der Religionsverschiedenheit
werde die Sittlichkeit nicht beeinträchtigt, wohl aber die
Religiosität befördert
( ! ) . Nach geschehener Abstimmung
kamen noch die beiden Anträge über den Waffenstillstand zur Verle-
sung. Der Antrag der Majorität ( Arndt, Blum, Claussen, Cucu-
mus, Dahlmann, Esmarch, Höfken, Raumer, Stenzel, v.
Trützschler, Wippermann, Wurm ) lautet: "Jn Erwägung,
daß der am 26. August zu Malmö abgeschlossene Waffenstillstand,
vermöge der in seinem VII. und IX. Artikel, im fünften Sepa-
ratartikel und den beiden Zusatzartikeln enthaltenen Bestimmun-
gen wesentliche Selbstständigkeitsrechte verletzt, welche durch die
Beschlüsse der Nationalversammlung allen in ihr repräsentirten
Stämmen gewährleistet sind; in Erwägung, daß der von der
Krone Preußen nach Malmö abgesandte Unterhändler in we-
sentlichen Punkten die ihm von der deutschen Centralgewalt
ertheilten Vollmachten überschritten hat, mamentlich in Bezug
auf die Dauer des Waffenstillstandes, die Trennung der
schleswig'schen Truppen von den holsteinischen, die in den
Herzogthümern Schleswig und Holstein bestehenden Gesetze
und das Personal der für beide Herzogthümer zu bildenden
provisorischen Regierung, nicht minder in Bezug auf die Lage
des Herzogthums Lauenburg während des Waffenstillstandes;
in Erwägung ferner, daß die Ausführung mehrerer politi-
schen Punkte des Malmöer Vertrages, vermöge der ein-
stimmigen Weigerung der schleswig=holsteinischen Landesver-
sammlung, ihnen nachzukommen, unthunlich geworden ist, wäh-
rend dagegen es thunlich und wünschenswerth erscheint, eine
Waffenruhe zum Zweck schleuniger Friedensunterhandlungen an-
zubahnen; in Erwägung alles dessen beschließt die Nationalver-
sammlung: 1 ) der Malmoer Waffenstillstand vom 26. August
wird von der deutschen Nationalversammlung nicht genehmigt;
2 ) das Reichsministerium wird aufgefordert, die zur Fortsetzung
des Krieges erforderlichen Maßregeln zu ergreifen, sofern die
dänische Regierung sich nicht bereitwillig finden sollte, die Frie-
densunterhandlungen mit der Centralgewalt des deutschen Bun-
desstaates sogleich zu eröffnen." Der Minoritätsantrag ( Duncker,
Flottwell, M. v. Gagern, Gombart, Mayern, Schubert, Sted-
mann, Würth, Zachariä, Zenetti ) heißt: " I. ) Die deutsche Na-
tionalversammlung beschließt: Jm Hinblick auf eine durch die
königlich preußische Regierung vermittelte Erklärung der dänischen
Regierung, daß sie auf das Eintreten des Grafen Karl von Moltke-
Nütschau in die interimistische Regierung der Herzogthümer Schles-
wig=Holstein verzichte und auf Modificationen und Concessionen,
welche für die Ruhe der Herzogthümer wünschenswerth erscheinen,
bereitwillig eingehe; in der Voraussetzung, daß die Erklärung
der dänischen Regierung auch für das Herzogthum Lauenburg zu
[Spaltenumbruch] verstehen sey; in der Voraussetzung, daß die erwähnten Zu-
sagen sofort durch Vermittlung der Centralgewalt in Erfüll-
ung gehen werden: 1 ) daß der Waffenstillstand vom 26.
August l. J. ihrerseits nicht weiter beanstandet werde; 2 ) daß
die Friedensunterhandlungen mit Dänemark durch die proviso-
rische Centralgewalt direct und unverzüglich zu eröffnen seyen.
II. Die Nationalversammlung beschließt: daß sie nach Einsicht
der Verhandlungen über die Verhältnisse Deutschlands zu
Schleswig, vom 2. April bis zum 26. August l. J., den Aus-
schuß für die Centralgewalt beauftrage, über das von der preu-
ßischen Regierung der provisorischen Centralgewalt gegenüber
eingehaltene Verfahren der Nationalversammlung zu berichten."
Die Berathung wird auf die nächste Tagesordnung ( Donnerstag )
gesetzt.

Wien 8. September. ( A. Z. ) Es ist nunmehr ganz zweifel-
los, daß unsere Regierung, trotz der Annahme der Vermittelung,
auf keine von jenen Bedingungen eingehen wird, welche etwa auf
Aenderung der Gebietsgränzen, oder gar auf Lostrennung irgend
eines Theiles der bisherigen österreichischen Besitzungen in Jtalien
gerichtet sind. Was wir hier erklären ist nicht etwa auf proble-
matische Combinationen dieser oder jener Aeußerung gebaut, son-
dern aus directen Worten von allen Männern, die hier Be-
deutung haben. Minister, höhere Militärs, der Reichstag, die
Regierungsjournale -- alle ohne Ausnahme sind der Meinung,
der ehemalige österreichische Territorialbestand müsse in seinem
ganzen Umfang erhalten bleiben. Was Worte aussprechen lehren
außerdem die Thaten, und man gibt sich auch gar keine Mühe
diese Absichten den vermittelnden Mächten zu verbergen. Auf
das Begehren derselben, die österreichische Regierung möge in
Folge der angenommenen Vermittelung den status quo unver-
ändert aufrecht erhalten, und auch gegen Venedig keine weiteren
Schritte thun, soll unsere Regierung geradezu erwiedert haben:
gegen Karl Albert werde sie den Waffenstillstand beobachten, aber
Venedig sey eine österreichische Stadt. Klarer kann man sich
nicht aussprechen. Verhüte der Himmel, daß hinter alledem nicht
der allgemeine Krieg lauere -- die Rüstungen dazu gehen hier
ununterbrochen fort.

Wien 8. September. ( A. Z. ) Der Kaiser hat nach Ansicht
der ungarischen Beschwerdeschrift der Deputation die Audienz
versagt;
Graf Bäthyanyi begab sich diesen Morgen noch ein-
mal nach Schönbrunn, und erhielt vom Erzherzog Franz Karl
die Weisung: die HH. Deputirten möchten sich diesen Abend um
neun Uhr in der siebenbürgischen Hofkanzlei versammeln, wo sie
die kaiserlichen Beschlüsse entgegenzunehmen hätten. [ Die Be-
schlüsse sollen auf Vermittelung hindeuten, im Ganzen aber ab-
lenkend seyn. ] Die Katastrophe scheint demnach unausbleiblich.
Die Ungarn waren bereits in aller Früh in großem Ornat auf
den Straßen -- immer hofften sie noch! Jetzt scheint der letzte
Hoffnungsstrahl auf Versöhnung geschwunden!

Wien 8. September. ( Br. Z. ) Jch muß noch einmal auf
den demokratischen Verein zurückkommen. Die radikale Presse ist
ein Organ dieses Vereines, und diese trägt die vorzüglichste
Schuld der noch fortdauernden politischen Unmündigkeit wie der
furchtbaren Begriffsverwirrung unter allen Klassen unserer Be-
völkerung. Eben so unterlassen es diese Tageblätter nicht, den
Zündstoff in die Gemüther zu werfen und das Volk in einer
fieberhasten Aufregung zu erhalten. Der heutige "Radikale"
spricht geradezu von einer Bartholomäushochzeit und
wirft der Dynastie wie der Monarchie den Fehdehandschuh hin.
Es ist dem demokratischen Vereine und seinen Organen übrigens
durchaus nicht um Consequenz zu thun. Fortwährend peroriren
sie gegen die Unterdrückung der Nationalitäten und wollen Jtalien
freigeben, Böhmen und Galizien als unabhängige Staaten her-
stellen, selbst auf die Gefahr hin, ganz Deutschland durch eine
polnisch=russische Allianz kosakisch zu machen. Kaum aber sind
die 150 Deputirten aus Pesth angelangt, als der demokratische
Verein Abgötterei mit ihnen treibt und sie feierlich zu seinen Sitz-
ungen einladet. Gestern Abend war nun Plenarsitzung, die Ungarn
wurden begrüßt, ihre Sache als die allein gerechte gepriesen und die
Erwiederungen der Deputirten entgegengenommen. Sieht denn
der demokratische Verein nicht, daß er sich hier mit seinen eigenen
Waffen schlägt, indem er für das Freiwerden aller Nationalitä-
kämpft und die Unterdrücker der kroatischen und slawi-
schen Nationalitäten
mit seinen Huldigungen umgibt? Ha-
ben die sieben Millionen Nordslawen ( Slovaken ) einerseits wie
die Südslawen ( Croaten ) andrerseits denn gar keine Berechtigung
auf freie Entwickelung, müssen sie sich durchaus den Ungarn, die
den vierten Theil etwa der Bevölkerung ausmachen, auf Diskre-
tion unterwerfen?

Wien 8. September. [ Die Piemontesen verlassen
Venedig.
] Das Kriegsministerium hat so eben folgende tele-
graphische Depesche vom Vize=Admiral Martini in Triest em-
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] an demselben Fehler leiden natürlich auch die folgenden Beschlüsse,
wie selbe in heutiger Sitzung gefaßt worden sind. Die Kirche
soll fortan ( nicht viel anders, als bisher ) zwischen Selbstständig-
keit und Staatsbevormundung in der Mitte schweben, und so war
es nicht anders zu erwarten, als daß die entschieden freisinnigen
Anträge verworfen wurden. Merkwürdig ist, daß es oft hin-
reicht, daß ein Antrag von einer entschieden kirchlichen Persönlich-
keit ausgeht, um der Verwerfung gewiß zu seyn. Hofmann von
Ludwigsburg ( der strenge Lutheraner ) wollte, da einmal der voll-
ständigste Unglaube in den Grundrechten seine Berechtigung ge-
funden, daß der Eid, als eine Berufung auf Gott, im öffentli-
chen Leben beseitigt, und dafür einfache Betheuerung eintreten
sollte. Doch die Linke wollte, so sehr dieser Antrag ihren Grund-
sätzen auch sonst entspricht, nicht dem Pietisten beistimmen, und
es ward der Antrag des Jsraeliten Rießer angenommen und zum
Gesetz erhoben, wobei die unauflösbare Schwierigkeit übersehen
ward, eine Form des Eides aufzustellen, die wirklich allen Reli-
gionsbekenntnissen und auch dem Atheismus und Pantheismus ent-
spräche. Bei §. 16. die Civilehe betreffend, war die Bestimmung von
Wichtigkeit, ob die Vornahme der kirchlichen Trauung vor Vollzug
des bürgerlichen Actes geschehen dürfe, was man im Sinne
consequenter Religionsfreiheit zu erwarten berechtigt war, da der
reinkirchliche Akt der Trauung den confessionslos gewordenen
Staat nicht mehr berührt. Gegen den die Freiheit verletzenden
Ausschußantrag: „Die kirchliche Trauung kann erst nach der
Vollziehung des bürgerlichen Aktes stattfinden“ sprach Deiters,
da ihm derselbe als ein Eingriff in die inneren Verhältnisse der
Kirche und somit als ein Verstoß gegen die von der Nationalver-
sammlung beschlossene selbstständige Stellung der Religionsgesell-
schaften erscheine. Dieringer aus Bonn theilt diese Ansicht:
Jm französischen Gesetze herrsche der Mißbrauch, daß der Gesetz-
geber die Vornahme der kirchlichen Trauung festsetze. Stehe der
Staat der Kirche fern, so müsse er es ihr auch überlassen, ihre
Handlungen selbstständig zu vollführen. Mittermaier dage-
gen rechtfertigt die Anträge des Verfassungsausschusses, und macht
die mit Beifall aufgenommene, aber höchst sonderbare Bemerkung:
durch Aufheben des Eheverbotes der Religionsverschiedenheit
werde die Sittlichkeit nicht beeinträchtigt, wohl aber die
Religiosität befördert
( ! ) . Nach geschehener Abstimmung
kamen noch die beiden Anträge über den Waffenstillstand zur Verle-
sung. Der Antrag der Majorität ( Arndt, Blum, Claussen, Cucu-
mus, Dahlmann, Esmarch, Höfken, Raumer, Stenzel, v.
Trützschler, Wippermann, Wurm ) lautet: „Jn Erwägung,
daß der am 26. August zu Malmö abgeschlossene Waffenstillstand,
vermöge der in seinem VII. und IX. Artikel, im fünften Sepa-
ratartikel und den beiden Zusatzartikeln enthaltenen Bestimmun-
gen wesentliche Selbstständigkeitsrechte verletzt, welche durch die
Beschlüsse der Nationalversammlung allen in ihr repräsentirten
Stämmen gewährleistet sind; in Erwägung, daß der von der
Krone Preußen nach Malmö abgesandte Unterhändler in we-
sentlichen Punkten die ihm von der deutschen Centralgewalt
ertheilten Vollmachten überschritten hat, mamentlich in Bezug
auf die Dauer des Waffenstillstandes, die Trennung der
schleswig'schen Truppen von den holsteinischen, die in den
Herzogthümern Schleswig und Holstein bestehenden Gesetze
und das Personal der für beide Herzogthümer zu bildenden
provisorischen Regierung, nicht minder in Bezug auf die Lage
des Herzogthums Lauenburg während des Waffenstillstandes;
in Erwägung ferner, daß die Ausführung mehrerer politi-
schen Punkte des Malmöer Vertrages, vermöge der ein-
stimmigen Weigerung der schleswig=holsteinischen Landesver-
sammlung, ihnen nachzukommen, unthunlich geworden ist, wäh-
rend dagegen es thunlich und wünschenswerth erscheint, eine
Waffenruhe zum Zweck schleuniger Friedensunterhandlungen an-
zubahnen; in Erwägung alles dessen beschließt die Nationalver-
sammlung: 1 ) der Malmoer Waffenstillstand vom 26. August
wird von der deutschen Nationalversammlung nicht genehmigt;
2 ) das Reichsministerium wird aufgefordert, die zur Fortsetzung
des Krieges erforderlichen Maßregeln zu ergreifen, sofern die
dänische Regierung sich nicht bereitwillig finden sollte, die Frie-
densunterhandlungen mit der Centralgewalt des deutschen Bun-
desstaates sogleich zu eröffnen.“ Der Minoritätsantrag ( Duncker,
Flottwell, M. v. Gagern, Gombart, Mayern, Schubert, Sted-
mann, Würth, Zachariä, Zenetti ) heißt: „ I. ) Die deutsche Na-
tionalversammlung beschließt: Jm Hinblick auf eine durch die
königlich preußische Regierung vermittelte Erklärung der dänischen
Regierung, daß sie auf das Eintreten des Grafen Karl von Moltke-
Nütschau in die interimistische Regierung der Herzogthümer Schles-
wig=Holstein verzichte und auf Modificationen und Concessionen,
welche für die Ruhe der Herzogthümer wünschenswerth erscheinen,
bereitwillig eingehe; in der Voraussetzung, daß die Erklärung
der dänischen Regierung auch für das Herzogthum Lauenburg zu
[Spaltenumbruch] verstehen sey; in der Voraussetzung, daß die erwähnten Zu-
sagen sofort durch Vermittlung der Centralgewalt in Erfüll-
ung gehen werden: 1 ) daß der Waffenstillstand vom 26.
August l. J. ihrerseits nicht weiter beanstandet werde; 2 ) daß
die Friedensunterhandlungen mit Dänemark durch die proviso-
rische Centralgewalt direct und unverzüglich zu eröffnen seyen.
II. Die Nationalversammlung beschließt: daß sie nach Einsicht
der Verhandlungen über die Verhältnisse Deutschlands zu
Schleswig, vom 2. April bis zum 26. August l. J., den Aus-
schuß für die Centralgewalt beauftrage, über das von der preu-
ßischen Regierung der provisorischen Centralgewalt gegenüber
eingehaltene Verfahren der Nationalversammlung zu berichten.“
Die Berathung wird auf die nächste Tagesordnung ( Donnerstag )
gesetzt.

Wien 8. September. ( A. Z. ) Es ist nunmehr ganz zweifel-
los, daß unsere Regierung, trotz der Annahme der Vermittelung,
auf keine von jenen Bedingungen eingehen wird, welche etwa auf
Aenderung der Gebietsgränzen, oder gar auf Lostrennung irgend
eines Theiles der bisherigen österreichischen Besitzungen in Jtalien
gerichtet sind. Was wir hier erklären ist nicht etwa auf proble-
matische Combinationen dieser oder jener Aeußerung gebaut, son-
dern aus directen Worten von allen Männern, die hier Be-
deutung haben. Minister, höhere Militärs, der Reichstag, die
Regierungsjournale — alle ohne Ausnahme sind der Meinung,
der ehemalige österreichische Territorialbestand müsse in seinem
ganzen Umfang erhalten bleiben. Was Worte aussprechen lehren
außerdem die Thaten, und man gibt sich auch gar keine Mühe
diese Absichten den vermittelnden Mächten zu verbergen. Auf
das Begehren derselben, die österreichische Regierung möge in
Folge der angenommenen Vermittelung den status quo unver-
ändert aufrecht erhalten, und auch gegen Venedig keine weiteren
Schritte thun, soll unsere Regierung geradezu erwiedert haben:
gegen Karl Albert werde sie den Waffenstillstand beobachten, aber
Venedig sey eine österreichische Stadt. Klarer kann man sich
nicht aussprechen. Verhüte der Himmel, daß hinter alledem nicht
der allgemeine Krieg lauere — die Rüstungen dazu gehen hier
ununterbrochen fort.

Wien 8. September. ( A. Z. ) Der Kaiser hat nach Ansicht
der ungarischen Beschwerdeschrift der Deputation die Audienz
versagt;
Graf Bäthyanyi begab sich diesen Morgen noch ein-
mal nach Schönbrunn, und erhielt vom Erzherzog Franz Karl
die Weisung: die HH. Deputirten möchten sich diesen Abend um
neun Uhr in der siebenbürgischen Hofkanzlei versammeln, wo sie
die kaiserlichen Beschlüsse entgegenzunehmen hätten. [ Die Be-
schlüsse sollen auf Vermittelung hindeuten, im Ganzen aber ab-
lenkend seyn. ] Die Katastrophe scheint demnach unausbleiblich.
Die Ungarn waren bereits in aller Früh in großem Ornat auf
den Straßen — immer hofften sie noch! Jetzt scheint der letzte
Hoffnungsstrahl auf Versöhnung geschwunden!

Wien 8. September. ( Br. Z. ) Jch muß noch einmal auf
den demokratischen Verein zurückkommen. Die radikale Presse ist
ein Organ dieses Vereines, und diese trägt die vorzüglichste
Schuld der noch fortdauernden politischen Unmündigkeit wie der
furchtbaren Begriffsverwirrung unter allen Klassen unserer Be-
völkerung. Eben so unterlassen es diese Tageblätter nicht, den
Zündstoff in die Gemüther zu werfen und das Volk in einer
fieberhasten Aufregung zu erhalten. Der heutige „Radikale“
spricht geradezu von einer Bartholomäushochzeit und
wirft der Dynastie wie der Monarchie den Fehdehandschuh hin.
Es ist dem demokratischen Vereine und seinen Organen übrigens
durchaus nicht um Consequenz zu thun. Fortwährend peroriren
sie gegen die Unterdrückung der Nationalitäten und wollen Jtalien
freigeben, Böhmen und Galizien als unabhängige Staaten her-
stellen, selbst auf die Gefahr hin, ganz Deutschland durch eine
polnisch=russische Allianz kosakisch zu machen. Kaum aber sind
die 150 Deputirten aus Pesth angelangt, als der demokratische
Verein Abgötterei mit ihnen treibt und sie feierlich zu seinen Sitz-
ungen einladet. Gestern Abend war nun Plenarsitzung, die Ungarn
wurden begrüßt, ihre Sache als die allein gerechte gepriesen und die
Erwiederungen der Deputirten entgegengenommen. Sieht denn
der demokratische Verein nicht, daß er sich hier mit seinen eigenen
Waffen schlägt, indem er für das Freiwerden aller Nationalitä-
kämpft und die Unterdrücker der kroatischen und slawi-
schen Nationalitäten
mit seinen Huldigungen umgibt? Ha-
ben die sieben Millionen Nordslawen ( Slovaken ) einerseits wie
die Südslawen ( Croaten ) andrerseits denn gar keine Berechtigung
auf freie Entwickelung, müssen sie sich durchaus den Ungarn, die
den vierten Theil etwa der Bevölkerung ausmachen, auf Diskre-
tion unterwerfen?

Wien 8. September. [ Die Piemontesen verlassen
Venedig.
] Das Kriegsministerium hat so eben folgende tele-
graphische Depesche vom Vize=Admiral Martini in Triest em-
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[0003] an demselben Fehler leiden natürlich auch die folgenden Beschlüsse, wie selbe in heutiger Sitzung gefaßt worden sind. Die Kirche soll fortan ( nicht viel anders, als bisher ) zwischen Selbstständig- keit und Staatsbevormundung in der Mitte schweben, und so war es nicht anders zu erwarten, als daß die entschieden freisinnigen Anträge verworfen wurden. Merkwürdig ist, daß es oft hin- reicht, daß ein Antrag von einer entschieden kirchlichen Persönlich- keit ausgeht, um der Verwerfung gewiß zu seyn. Hofmann von Ludwigsburg ( der strenge Lutheraner ) wollte, da einmal der voll- ständigste Unglaube in den Grundrechten seine Berechtigung ge- funden, daß der Eid, als eine Berufung auf Gott, im öffentli- chen Leben beseitigt, und dafür einfache Betheuerung eintreten sollte. Doch die Linke wollte, so sehr dieser Antrag ihren Grund- sätzen auch sonst entspricht, nicht dem Pietisten beistimmen, und es ward der Antrag des Jsraeliten Rießer angenommen und zum Gesetz erhoben, wobei die unauflösbare Schwierigkeit übersehen ward, eine Form des Eides aufzustellen, die wirklich allen Reli- gionsbekenntnissen und auch dem Atheismus und Pantheismus ent- spräche. Bei §. 16. die Civilehe betreffend, war die Bestimmung von Wichtigkeit, ob die Vornahme der kirchlichen Trauung vor Vollzug des bürgerlichen Actes geschehen dürfe, was man im Sinne consequenter Religionsfreiheit zu erwarten berechtigt war, da der reinkirchliche Akt der Trauung den confessionslos gewordenen Staat nicht mehr berührt. Gegen den die Freiheit verletzenden Ausschußantrag: „Die kirchliche Trauung kann erst nach der Vollziehung des bürgerlichen Aktes stattfinden“ sprach Deiters, da ihm derselbe als ein Eingriff in die inneren Verhältnisse der Kirche und somit als ein Verstoß gegen die von der Nationalver- sammlung beschlossene selbstständige Stellung der Religionsgesell- schaften erscheine. Dieringer aus Bonn theilt diese Ansicht: Jm französischen Gesetze herrsche der Mißbrauch, daß der Gesetz- geber die Vornahme der kirchlichen Trauung festsetze. Stehe der Staat der Kirche fern, so müsse er es ihr auch überlassen, ihre Handlungen selbstständig zu vollführen. Mittermaier dage- gen rechtfertigt die Anträge des Verfassungsausschusses, und macht die mit Beifall aufgenommene, aber höchst sonderbare Bemerkung: durch Aufheben des Eheverbotes der Religionsverschiedenheit werde die Sittlichkeit nicht beeinträchtigt, wohl aber die Religiosität befördert ( ! ) . Nach geschehener Abstimmung kamen noch die beiden Anträge über den Waffenstillstand zur Verle- sung. Der Antrag der Majorität ( Arndt, Blum, Claussen, Cucu- mus, Dahlmann, Esmarch, Höfken, Raumer, Stenzel, v. Trützschler, Wippermann, Wurm ) lautet: „Jn Erwägung, daß der am 26. August zu Malmö abgeschlossene Waffenstillstand, vermöge der in seinem VII. und IX. Artikel, im fünften Sepa- ratartikel und den beiden Zusatzartikeln enthaltenen Bestimmun- gen wesentliche Selbstständigkeitsrechte verletzt, welche durch die Beschlüsse der Nationalversammlung allen in ihr repräsentirten Stämmen gewährleistet sind; in Erwägung, daß der von der Krone Preußen nach Malmö abgesandte Unterhändler in we- sentlichen Punkten die ihm von der deutschen Centralgewalt ertheilten Vollmachten überschritten hat, mamentlich in Bezug auf die Dauer des Waffenstillstandes, die Trennung der schleswig'schen Truppen von den holsteinischen, die in den Herzogthümern Schleswig und Holstein bestehenden Gesetze und das Personal der für beide Herzogthümer zu bildenden provisorischen Regierung, nicht minder in Bezug auf die Lage des Herzogthums Lauenburg während des Waffenstillstandes; in Erwägung ferner, daß die Ausführung mehrerer politi- schen Punkte des Malmöer Vertrages, vermöge der ein- stimmigen Weigerung der schleswig=holsteinischen Landesver- sammlung, ihnen nachzukommen, unthunlich geworden ist, wäh- rend dagegen es thunlich und wünschenswerth erscheint, eine Waffenruhe zum Zweck schleuniger Friedensunterhandlungen an- zubahnen; in Erwägung alles dessen beschließt die Nationalver- sammlung: 1 ) der Malmoer Waffenstillstand vom 26. August wird von der deutschen Nationalversammlung nicht genehmigt; 2 ) das Reichsministerium wird aufgefordert, die zur Fortsetzung des Krieges erforderlichen Maßregeln zu ergreifen, sofern die dänische Regierung sich nicht bereitwillig finden sollte, die Frie- densunterhandlungen mit der Centralgewalt des deutschen Bun- desstaates sogleich zu eröffnen.“ Der Minoritätsantrag ( Duncker, Flottwell, M. v. Gagern, Gombart, Mayern, Schubert, Sted- mann, Würth, Zachariä, Zenetti ) heißt: „ I. ) Die deutsche Na- tionalversammlung beschließt: Jm Hinblick auf eine durch die königlich preußische Regierung vermittelte Erklärung der dänischen Regierung, daß sie auf das Eintreten des Grafen Karl von Moltke- Nütschau in die interimistische Regierung der Herzogthümer Schles- wig=Holstein verzichte und auf Modificationen und Concessionen, welche für die Ruhe der Herzogthümer wünschenswerth erscheinen, bereitwillig eingehe; in der Voraussetzung, daß die Erklärung der dänischen Regierung auch für das Herzogthum Lauenburg zu verstehen sey; in der Voraussetzung, daß die erwähnten Zu- sagen sofort durch Vermittlung der Centralgewalt in Erfüll- ung gehen werden: 1 ) daß der Waffenstillstand vom 26. August l. J. ihrerseits nicht weiter beanstandet werde; 2 ) daß die Friedensunterhandlungen mit Dänemark durch die proviso- rische Centralgewalt direct und unverzüglich zu eröffnen seyen. II. Die Nationalversammlung beschließt: daß sie nach Einsicht der Verhandlungen über die Verhältnisse Deutschlands zu Schleswig, vom 2. April bis zum 26. August l. J., den Aus- schuß für die Centralgewalt beauftrage, über das von der preu- ßischen Regierung der provisorischen Centralgewalt gegenüber eingehaltene Verfahren der Nationalversammlung zu berichten.“ Die Berathung wird auf die nächste Tagesordnung ( Donnerstag ) gesetzt. Wien 8. September. ( A. Z. ) Es ist nunmehr ganz zweifel- los, daß unsere Regierung, trotz der Annahme der Vermittelung, auf keine von jenen Bedingungen eingehen wird, welche etwa auf Aenderung der Gebietsgränzen, oder gar auf Lostrennung irgend eines Theiles der bisherigen österreichischen Besitzungen in Jtalien gerichtet sind. Was wir hier erklären ist nicht etwa auf proble- matische Combinationen dieser oder jener Aeußerung gebaut, son- dern aus directen Worten von allen Männern, die hier Be- deutung haben. Minister, höhere Militärs, der Reichstag, die Regierungsjournale — alle ohne Ausnahme sind der Meinung, der ehemalige österreichische Territorialbestand müsse in seinem ganzen Umfang erhalten bleiben. Was Worte aussprechen lehren außerdem die Thaten, und man gibt sich auch gar keine Mühe diese Absichten den vermittelnden Mächten zu verbergen. Auf das Begehren derselben, die österreichische Regierung möge in Folge der angenommenen Vermittelung den status quo unver- ändert aufrecht erhalten, und auch gegen Venedig keine weiteren Schritte thun, soll unsere Regierung geradezu erwiedert haben: gegen Karl Albert werde sie den Waffenstillstand beobachten, aber Venedig sey eine österreichische Stadt. Klarer kann man sich nicht aussprechen. Verhüte der Himmel, daß hinter alledem nicht der allgemeine Krieg lauere — die Rüstungen dazu gehen hier ununterbrochen fort. Wien 8. September. ( A. Z. ) Der Kaiser hat nach Ansicht der ungarischen Beschwerdeschrift der Deputation die Audienz versagt; Graf Bäthyanyi begab sich diesen Morgen noch ein- mal nach Schönbrunn, und erhielt vom Erzherzog Franz Karl die Weisung: die HH. Deputirten möchten sich diesen Abend um neun Uhr in der siebenbürgischen Hofkanzlei versammeln, wo sie die kaiserlichen Beschlüsse entgegenzunehmen hätten. [ Die Be- schlüsse sollen auf Vermittelung hindeuten, im Ganzen aber ab- lenkend seyn. ] Die Katastrophe scheint demnach unausbleiblich. Die Ungarn waren bereits in aller Früh in großem Ornat auf den Straßen — immer hofften sie noch! Jetzt scheint der letzte Hoffnungsstrahl auf Versöhnung geschwunden! Wien 8. September. ( Br. Z. ) Jch muß noch einmal auf den demokratischen Verein zurückkommen. Die radikale Presse ist ein Organ dieses Vereines, und diese trägt die vorzüglichste Schuld der noch fortdauernden politischen Unmündigkeit wie der furchtbaren Begriffsverwirrung unter allen Klassen unserer Be- völkerung. Eben so unterlassen es diese Tageblätter nicht, den Zündstoff in die Gemüther zu werfen und das Volk in einer fieberhasten Aufregung zu erhalten. Der heutige „Radikale“ spricht geradezu von einer Bartholomäushochzeit und wirft der Dynastie wie der Monarchie den Fehdehandschuh hin. Es ist dem demokratischen Vereine und seinen Organen übrigens durchaus nicht um Consequenz zu thun. Fortwährend peroriren sie gegen die Unterdrückung der Nationalitäten und wollen Jtalien freigeben, Böhmen und Galizien als unabhängige Staaten her- stellen, selbst auf die Gefahr hin, ganz Deutschland durch eine polnisch=russische Allianz kosakisch zu machen. Kaum aber sind die 150 Deputirten aus Pesth angelangt, als der demokratische Verein Abgötterei mit ihnen treibt und sie feierlich zu seinen Sitz- ungen einladet. Gestern Abend war nun Plenarsitzung, die Ungarn wurden begrüßt, ihre Sache als die allein gerechte gepriesen und die Erwiederungen der Deputirten entgegengenommen. Sieht denn der demokratische Verein nicht, daß er sich hier mit seinen eigenen Waffen schlägt, indem er für das Freiwerden aller Nationalitä- kämpft und die Unterdrücker der kroatischen und slawi- schen Nationalitäten mit seinen Huldigungen umgibt? Ha- ben die sieben Millionen Nordslawen ( Slovaken ) einerseits wie die Südslawen ( Croaten ) andrerseits denn gar keine Berechtigung auf freie Entwickelung, müssen sie sich durchaus den Ungarn, die den vierten Theil etwa der Bevölkerung ausmachen, auf Diskre- tion unterwerfen? Wien 8. September. [ Die Piemontesen verlassen Venedig. ] Das Kriegsministerium hat so eben folgende tele- graphische Depesche vom Vize=Admiral Martini in Triest em-

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 85. Mainz, 13. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal085_1848/3>, abgerufen am 06.06.2024.