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Mainzer Journal. Nr. 63. Mainz, 18. August 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 63. Samstag, den 19. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

Frankfurt 18. August. ( 62. Sitzung der deutschen Natio-
nalversammlung ) . Jn der heutigen Sitzung wurde über §. 9.
und 10. des Entwurfs der Grundrechte discutirt, und beide
Paragraphen in nachstehender Fassung angenommen:

§. 9. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlag-
nahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines
richterlichen Befehls vorgenommen werden.

§. 10. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift,
Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.
Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise,
namentlich weder durch Censur, noch durch Concessionen und
Sicherheitsstellungen, oder durch Staatsauflagen, noch durch
Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch
durch Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs
beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. Ueber Preß-
vergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlas-
senden Reichsgesetze
geurtheilt.

Wien 14. August. ( A. Z. ) Heute war an der Börse das
Gerücht verbreitet, England und Frankreich hätten die Garantie
der an Oesterreich zu leistenden Kriegsentschädigung übernommen,
was auf die Curse günstig wirkte.

Teplitz 9. August. Für den 28. August ist ein allgemeiner
Congreß für ganz Deutsch=Böhmen in Teplitz ausgeschrieben.
Es soll dabei vorzüglich der Zollanschluß an Deutschland und die
Frage behandelt werden, was die Deutsch=Böhmen zu thun ha-
ben, wenn die Föderalisten am Reichstage mit ihren Ansichten
durchdringen. Viele wünschen in diesem Falle eine eigene Verwalt-
ung für die deutsch=böhmischen Kreise. Auch soll am 15. August in
Marienbad ein ähnliches Verbrüderungsfest der westlichen Deutsch-
Böhmen mit den Bayern und Sachsen stattfinden, wie dieses be-
reits in Zinnwald, Außig und Komotau gefeiert wurde.

Düsseldorf 16. August. Die "Niederrheinische Ztg." sagt
heute über die Vorfälle beim Empfange des Königs: Es ist nicht
zu läugnen, daß der Empfang auf dem Bahnhofe selbst ein
herzlicher war, aber kaum war der Wagen des Königs vor dem
Bahnhofe angekommen, als lebhaftes Pfeifen und Heulen ihn
begrüßte; ja soweit ging die Frechheit, daß in der Nähe des
Elberfelder Bahnhofes mit Straßenkoth nach dem Wagen gewor-
fen wurde und der König genöthigt war, denselben von seinem
Mantel abzuschütteln. Auch bei der Ankunft am Jägerhofe war
der Empfang der versammelten Bürger ein wahrhaft herzlicher
zu nennen, allein während des Aufenthalts des Königs daselbst
hatte die frühere Rotte sich auch hierhin begeben, und als der
König, um nach dem Bahnhofe zurückzukehren, den Wagen be-
stiegen hatte, machte sich dieselbe wieder mit solchem Geschrei und
Geheul geltend, drängte sich zugleich so nahe an den Wagen her-
an, daß der Weg durch die große Allee, welchen dieser nehmen
sollte, fast vollkommen versperrt war. Der Kutscher hatte Gei-
stesgegenwart genug, plötzlich einen anderen Weg einzuschlagen,
und mit verhängten Zügeln dem Steinweg zuzufahren, um sich
diesem wilden Gedränge zu entziehen. Recht betrübend ist solch
ein Treiben für die ruhigen Bürger, und beruhigend, aber be-
schämend wirkt die Nachricht, welche unser Gemeindevorstand
von Köln mitbrachte, daß der König wohl eingesehen, wie es
nur eine kleine Fraction war, welche sich ihm auf diese Weise
entgegengestellt, und wie er keineswegs dies der ganzen Bürger-
schaft zurechne. Jst es nach solchen Vorgängen und nach den viel-
fältigen Beschimpfungen und Verhöhnungen, welche das Militär
bei der Empfangsfeierlichkeit sich mit Geduld gefallen ließ, -- ist
nach alle dem zu verwundern, daß es des Abends auch aus den
Schranken trat und eine provocirende Stellung gegen die Bürger
einnahm, da es keinen Unterschied machen konnte zwischen denen,
welche es wohl mit der Stadt und dem constitutionellen König
meinten, und denen, die das Gegentheil davon nur zu grell an
den Tag legten? Leider, daß bei dieser Gelegenheit Blut geflos-
sen und Einer das Leben verloren hat; -- dieser Vorgang ist
aber noch zu wenig aufgeklärt, als daß wir es wagen wollten,
unsere Ansicht darüber auszusprechen. So viel steht aber fest,
es wäre nicht dahin gekommen, wenn nicht die Aufreizung Sei-
tens einer kleinen Partei auf die Spitze getrieben wäre. Auch
gestern Abends versammelten sich wieder Trupps von Soldaten
[Spaltenumbruch] in der Nähe der Statue der "Germania," man schob ihnen die
Absicht zu, dieselbe zerstören zu wollen. Sey es; -- doch wurde
dieser Plan durch freundliches Einschreiten einiger Oberoffiziere
und baldiges Blasen und Schlagen der Retraite verhindert und
die eiligst zusammengetretene Bürgerwehr hatte nur die zügellose
Jugend Düsseldorf's und deren Aufwiegler in Ruhe zu halten,
um deren Vorrücken gegen die Caserne zu verhindern. Möchten
doch recht bald die Wenigen, welche solch' böses Spiel treiben,
zur Einsicht kommen und ein Agitiren aufgeben, das nur böses
Blut und die Stadt in ein Licht setzen kann, das keineswegs zu
ihrem Ruhme dienen wird, und gewiß ihrem materiellen Wohle
geradezu entgegen tritt.

Außer vielen kleinen Verwundungen, welche die bedauerlichen
Vorgänge des vorgestrigen Abends zur Folge hatten, liegen noch
zwei, ein Jäger der 7. Abtheilung und ein Bürger, hoffnungs-
los darnieder. Die Ladung, welche den Musketier des 13. Jn-
fanterieregiments tödtete, muß aus mehreren Bleistücken bestanden
haben, denn die Schußwunde des Getödteten zeigte viele tiefe
und große Löcher nebeneinander.

Münster. ( W. M. ) Nachdem der bisherige Oberpräsident
der Provinz Westphalen, Staatsminister Flottwell, auf die von
Seiten des königl. Staatsministerii, so wie der hier anwesenden
westphälischen Deputirten der preuß. Nationalversammlung, an
ihn erlassene Anfrage zugestanden hat, "die bei der deutschen Na-
tionalversammlung zu Frankfurt a. M. angebrachte Petition auf
Aufhebung des Cölibats der katholischen Geistlichen mitunterzeich-
net zu haben," hat das königl. Staatsministerium den Beschluß
gefaßt, den Herrn Staatsminister Flottwell als Oberpräsident
der Provinz Westphalen nicht weiter mehr fungiren zu lassen.
Daß Se. Maj. der König diesen Beschluß des Staatsministerii
sanctioniren wird, dürfte keinem Zweifel unterliegen.

Stuttgart 16. August. Uebermorgen sollen unsere Truppen,
so weit sie durch das Aufgebot des Reichsverwesers dazu bestimmt
sind, nach Schleswig=Holstein abgehen. Hier und in Ludwigs-
burg finden heute Festlichkeiten zu Ehren der Abgehenden statt.

Mainz 17. August. ( O. P. A. Z. ) Ueber die bevorstehende
Organisation der Gerichte erfährt man, daß dieselbe sich diejenige
der preußischen Rheinprovinz einigermaßen zum Muster nehmen
wird. Die Tribunale erster Jnstanz werden wie dort Landgerichte
heißen, und es werden deren drei seyn, eines zu Darmstadt für
die Provinz Starkenburg, eines zu Mainz für die Provinz Rhein-
hessen, eines zu Gießen für die Provinz Oberhessen. Der Sitz des
Appellationshofes für das ganze Großherzogthum soll dieser
Nachricht gemäß in Darmstadt seyn, woselbst dann auch der
Cassationshof residiren würde 1). Eine ansehnliche Minderung
der Zahl der Behörden und der Beamten ist durch die Ausführung
dieses Planes bedingt. Jn unserer Provinz wird dadurch das
Kreisgericht zu Alzei, das Obergericht zu Mainz und die Gene-
ralprocuratur bei demselben überflüßig.

Braunschweig 12. August. Die Messe ist viel besser ausge-
fallen, als man bei den jetzigen Zeitläuften irgend zu erwarten be-
rechtigt war.

Aus den [p]reußischen Fürstenthümern 14. August. ( D. A. Z. )
[ Eine gute Lehre für Viele! ] Wir haben die Freude und den
Trost, den wackern sächsischen Minister Oberländer wieder in
unserer Mitte zu sehen, und zwar als Commissär des Reichsver-
wesers mit ausgedehnter Vollmacht zur Herstellung von Gesetz-
lichkeit, Ordnung und Ruhe. Zwar ist die Stadt Gera nicht
mehr in Aufruhr; aber eine Masse Arbeiter ist auf Staatsunkosten
angestellt bei Straßenbau, welche nicht nur ihren Lohn nimmt
ohne zu arbeiten, sondern dabei allerlei Unfug treibt und
jeden Augenblick bereit zu seyn scheint, in ihrem Uebermuthe wei-
ter zu gehen. Diesen Hunderten gegenüber fehlt es den Behörden
an Muth und Kraft zur Aufrechthaltung des Gesetzes, die Bür-
ger haben dagegen das Vertrauen zu ihren eingeschüchterten Be-
hörden verloren, die Besitzenden sehen sich schutzlos und bereiten
sich zum Wegzuge vor, kurz, es ist ein drückender, unerträglicher
Zustand, der nur gehoben werden kann, wenn den Behörden
Mittel gegeben werden, sich das unentbehrliche Ansehen wieder
[Ende Spaltensatz]

1) Ließen sich nicht auch noch die drei Kreis= oder Landgerichte
nach Darmstadt verlegen, wohin dem Vernehmen nach mit Nächsten
auch der Mainzer Dom und der Rhein verlegt werden sollen?
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 63. Samstag, den 19. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

Frankfurt 18. August. ( 62. Sitzung der deutschen Natio-
nalversammlung ) . Jn der heutigen Sitzung wurde über §. 9.
und 10. des Entwurfs der Grundrechte discutirt, und beide
Paragraphen in nachstehender Fassung angenommen:

§. 9. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlag-
nahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines
richterlichen Befehls vorgenommen werden.

§. 10. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift,
Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.
Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise,
namentlich weder durch Censur, noch durch Concessionen und
Sicherheitsstellungen, oder durch Staatsauflagen, noch durch
Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch
durch Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs
beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. Ueber Preß-
vergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlas-
senden Reichsgesetze
geurtheilt.

Wien 14. August. ( A. Z. ) Heute war an der Börse das
Gerücht verbreitet, England und Frankreich hätten die Garantie
der an Oesterreich zu leistenden Kriegsentschädigung übernommen,
was auf die Curse günstig wirkte.

Teplitz 9. August. Für den 28. August ist ein allgemeiner
Congreß für ganz Deutsch=Böhmen in Teplitz ausgeschrieben.
Es soll dabei vorzüglich der Zollanschluß an Deutschland und die
Frage behandelt werden, was die Deutsch=Böhmen zu thun ha-
ben, wenn die Föderalisten am Reichstage mit ihren Ansichten
durchdringen. Viele wünschen in diesem Falle eine eigene Verwalt-
ung für die deutsch=böhmischen Kreise. Auch soll am 15. August in
Marienbad ein ähnliches Verbrüderungsfest der westlichen Deutsch-
Böhmen mit den Bayern und Sachsen stattfinden, wie dieses be-
reits in Zinnwald, Außig und Komotau gefeiert wurde.

Düsseldorf 16. August. Die „Niederrheinische Ztg.“ sagt
heute über die Vorfälle beim Empfange des Königs: Es ist nicht
zu läugnen, daß der Empfang auf dem Bahnhofe selbst ein
herzlicher war, aber kaum war der Wagen des Königs vor dem
Bahnhofe angekommen, als lebhaftes Pfeifen und Heulen ihn
begrüßte; ja soweit ging die Frechheit, daß in der Nähe des
Elberfelder Bahnhofes mit Straßenkoth nach dem Wagen gewor-
fen wurde und der König genöthigt war, denselben von seinem
Mantel abzuschütteln. Auch bei der Ankunft am Jägerhofe war
der Empfang der versammelten Bürger ein wahrhaft herzlicher
zu nennen, allein während des Aufenthalts des Königs daselbst
hatte die frühere Rotte sich auch hierhin begeben, und als der
König, um nach dem Bahnhofe zurückzukehren, den Wagen be-
stiegen hatte, machte sich dieselbe wieder mit solchem Geschrei und
Geheul geltend, drängte sich zugleich so nahe an den Wagen her-
an, daß der Weg durch die große Allee, welchen dieser nehmen
sollte, fast vollkommen versperrt war. Der Kutscher hatte Gei-
stesgegenwart genug, plötzlich einen anderen Weg einzuschlagen,
und mit verhängten Zügeln dem Steinweg zuzufahren, um sich
diesem wilden Gedränge zu entziehen. Recht betrübend ist solch
ein Treiben für die ruhigen Bürger, und beruhigend, aber be-
schämend wirkt die Nachricht, welche unser Gemeindevorstand
von Köln mitbrachte, daß der König wohl eingesehen, wie es
nur eine kleine Fraction war, welche sich ihm auf diese Weise
entgegengestellt, und wie er keineswegs dies der ganzen Bürger-
schaft zurechne. Jst es nach solchen Vorgängen und nach den viel-
fältigen Beschimpfungen und Verhöhnungen, welche das Militär
bei der Empfangsfeierlichkeit sich mit Geduld gefallen ließ, — ist
nach alle dem zu verwundern, daß es des Abends auch aus den
Schranken trat und eine provocirende Stellung gegen die Bürger
einnahm, da es keinen Unterschied machen konnte zwischen denen,
welche es wohl mit der Stadt und dem constitutionellen König
meinten, und denen, die das Gegentheil davon nur zu grell an
den Tag legten? Leider, daß bei dieser Gelegenheit Blut geflos-
sen und Einer das Leben verloren hat; — dieser Vorgang ist
aber noch zu wenig aufgeklärt, als daß wir es wagen wollten,
unsere Ansicht darüber auszusprechen. So viel steht aber fest,
es wäre nicht dahin gekommen, wenn nicht die Aufreizung Sei-
tens einer kleinen Partei auf die Spitze getrieben wäre. Auch
gestern Abends versammelten sich wieder Trupps von Soldaten
[Spaltenumbruch] in der Nähe der Statue der „Germania,“ man schob ihnen die
Absicht zu, dieselbe zerstören zu wollen. Sey es; — doch wurde
dieser Plan durch freundliches Einschreiten einiger Oberoffiziere
und baldiges Blasen und Schlagen der Retraite verhindert und
die eiligst zusammengetretene Bürgerwehr hatte nur die zügellose
Jugend Düsseldorf's und deren Aufwiegler in Ruhe zu halten,
um deren Vorrücken gegen die Caserne zu verhindern. Möchten
doch recht bald die Wenigen, welche solch' böses Spiel treiben,
zur Einsicht kommen und ein Agitiren aufgeben, das nur böses
Blut und die Stadt in ein Licht setzen kann, das keineswegs zu
ihrem Ruhme dienen wird, und gewiß ihrem materiellen Wohle
geradezu entgegen tritt.

Außer vielen kleinen Verwundungen, welche die bedauerlichen
Vorgänge des vorgestrigen Abends zur Folge hatten, liegen noch
zwei, ein Jäger der 7. Abtheilung und ein Bürger, hoffnungs-
los darnieder. Die Ladung, welche den Musketier des 13. Jn-
fanterieregiments tödtete, muß aus mehreren Bleistücken bestanden
haben, denn die Schußwunde des Getödteten zeigte viele tiefe
und große Löcher nebeneinander.

Münster. ( W. M. ) Nachdem der bisherige Oberpräsident
der Provinz Westphalen, Staatsminister Flottwell, auf die von
Seiten des königl. Staatsministerii, so wie der hier anwesenden
westphälischen Deputirten der preuß. Nationalversammlung, an
ihn erlassene Anfrage zugestanden hat, „die bei der deutschen Na-
tionalversammlung zu Frankfurt a. M. angebrachte Petition auf
Aufhebung des Cölibats der katholischen Geistlichen mitunterzeich-
net zu haben,“ hat das königl. Staatsministerium den Beschluß
gefaßt, den Herrn Staatsminister Flottwell als Oberpräsident
der Provinz Westphalen nicht weiter mehr fungiren zu lassen.
Daß Se. Maj. der König diesen Beschluß des Staatsministerii
sanctioniren wird, dürfte keinem Zweifel unterliegen.

Stuttgart 16. August. Uebermorgen sollen unsere Truppen,
so weit sie durch das Aufgebot des Reichsverwesers dazu bestimmt
sind, nach Schleswig=Holstein abgehen. Hier und in Ludwigs-
burg finden heute Festlichkeiten zu Ehren der Abgehenden statt.

Mainz 17. August. ( O. P. A. Z. ) Ueber die bevorstehende
Organisation der Gerichte erfährt man, daß dieselbe sich diejenige
der preußischen Rheinprovinz einigermaßen zum Muster nehmen
wird. Die Tribunale erster Jnstanz werden wie dort Landgerichte
heißen, und es werden deren drei seyn, eines zu Darmstadt für
die Provinz Starkenburg, eines zu Mainz für die Provinz Rhein-
hessen, eines zu Gießen für die Provinz Oberhessen. Der Sitz des
Appellationshofes für das ganze Großherzogthum soll dieser
Nachricht gemäß in Darmstadt seyn, woselbst dann auch der
Cassationshof residiren würde 1). Eine ansehnliche Minderung
der Zahl der Behörden und der Beamten ist durch die Ausführung
dieses Planes bedingt. Jn unserer Provinz wird dadurch das
Kreisgericht zu Alzei, das Obergericht zu Mainz und die Gene-
ralprocuratur bei demselben überflüßig.

Braunschweig 12. August. Die Messe ist viel besser ausge-
fallen, als man bei den jetzigen Zeitläuften irgend zu erwarten be-
rechtigt war.

Aus den [p]reußischen Fürstenthümern 14. August. ( D. A. Z. )
[ Eine gute Lehre für Viele! ] Wir haben die Freude und den
Trost, den wackern sächsischen Minister Oberländer wieder in
unserer Mitte zu sehen, und zwar als Commissär des Reichsver-
wesers mit ausgedehnter Vollmacht zur Herstellung von Gesetz-
lichkeit, Ordnung und Ruhe. Zwar ist die Stadt Gera nicht
mehr in Aufruhr; aber eine Masse Arbeiter ist auf Staatsunkosten
angestellt bei Straßenbau, welche nicht nur ihren Lohn nimmt
ohne zu arbeiten, sondern dabei allerlei Unfug treibt und
jeden Augenblick bereit zu seyn scheint, in ihrem Uebermuthe wei-
ter zu gehen. Diesen Hunderten gegenüber fehlt es den Behörden
an Muth und Kraft zur Aufrechthaltung des Gesetzes, die Bür-
ger haben dagegen das Vertrauen zu ihren eingeschüchterten Be-
hörden verloren, die Besitzenden sehen sich schutzlos und bereiten
sich zum Wegzuge vor, kurz, es ist ein drückender, unerträglicher
Zustand, der nur gehoben werden kann, wenn den Behörden
Mittel gegeben werden, sich das unentbehrliche Ansehen wieder
[Ende Spaltensatz]

1) Ließen sich nicht auch noch die drei Kreis= oder Landgerichte
nach Darmstadt verlegen, wohin dem Vernehmen nach mit Nächsten
auch der Mainzer Dom und der Rhein verlegt werden sollen?
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 63. Samstag, den 19. August. 1848. Deutschland. Reichstag. Frankfurt 18. August. ( 62. Sitzung der deutschen Natio- nalversammlung ) . Jn der heutigen Sitzung wurde über §. 9. und 10. des Entwurfs der Grundrechte discutirt, und beide Paragraphen in nachstehender Fassung angenommen: §. 9. Das Briefgeheimniß ist gewährleistet. Die Beschlag- nahme von Briefen und Papieren darf nur auf Grund eines richterlichen Befehls vorgenommen werden. §. 10. Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern. Die Preßfreiheit darf unter keinen Umständen und in keiner Weise, namentlich weder durch Censur, noch durch Concessionen und Sicherheitsstellungen, oder durch Staatsauflagen, noch durch Beschränkungen der Druckereien oder des Buchhandels, noch durch Postverbote oder andere Hemmungen des freien Verkehrs beschränkt, suspendirt oder aufgehoben werden. Ueber Preß- vergehen wird durch Schwurgerichte nach einem zu erlas- senden Reichsgesetze geurtheilt. Wien 14. August. ( A. Z. ) Heute war an der Börse das Gerücht verbreitet, England und Frankreich hätten die Garantie der an Oesterreich zu leistenden Kriegsentschädigung übernommen, was auf die Curse günstig wirkte. Teplitz 9. August. Für den 28. August ist ein allgemeiner Congreß für ganz Deutsch=Böhmen in Teplitz ausgeschrieben. Es soll dabei vorzüglich der Zollanschluß an Deutschland und die Frage behandelt werden, was die Deutsch=Böhmen zu thun ha- ben, wenn die Föderalisten am Reichstage mit ihren Ansichten durchdringen. Viele wünschen in diesem Falle eine eigene Verwalt- ung für die deutsch=böhmischen Kreise. Auch soll am 15. August in Marienbad ein ähnliches Verbrüderungsfest der westlichen Deutsch- Böhmen mit den Bayern und Sachsen stattfinden, wie dieses be- reits in Zinnwald, Außig und Komotau gefeiert wurde. Düsseldorf 16. August. Die „Niederrheinische Ztg.“ sagt heute über die Vorfälle beim Empfange des Königs: Es ist nicht zu läugnen, daß der Empfang auf dem Bahnhofe selbst ein herzlicher war, aber kaum war der Wagen des Königs vor dem Bahnhofe angekommen, als lebhaftes Pfeifen und Heulen ihn begrüßte; ja soweit ging die Frechheit, daß in der Nähe des Elberfelder Bahnhofes mit Straßenkoth nach dem Wagen gewor- fen wurde und der König genöthigt war, denselben von seinem Mantel abzuschütteln. Auch bei der Ankunft am Jägerhofe war der Empfang der versammelten Bürger ein wahrhaft herzlicher zu nennen, allein während des Aufenthalts des Königs daselbst hatte die frühere Rotte sich auch hierhin begeben, und als der König, um nach dem Bahnhofe zurückzukehren, den Wagen be- stiegen hatte, machte sich dieselbe wieder mit solchem Geschrei und Geheul geltend, drängte sich zugleich so nahe an den Wagen her- an, daß der Weg durch die große Allee, welchen dieser nehmen sollte, fast vollkommen versperrt war. Der Kutscher hatte Gei- stesgegenwart genug, plötzlich einen anderen Weg einzuschlagen, und mit verhängten Zügeln dem Steinweg zuzufahren, um sich diesem wilden Gedränge zu entziehen. Recht betrübend ist solch ein Treiben für die ruhigen Bürger, und beruhigend, aber be- schämend wirkt die Nachricht, welche unser Gemeindevorstand von Köln mitbrachte, daß der König wohl eingesehen, wie es nur eine kleine Fraction war, welche sich ihm auf diese Weise entgegengestellt, und wie er keineswegs dies der ganzen Bürger- schaft zurechne. Jst es nach solchen Vorgängen und nach den viel- fältigen Beschimpfungen und Verhöhnungen, welche das Militär bei der Empfangsfeierlichkeit sich mit Geduld gefallen ließ, — ist nach alle dem zu verwundern, daß es des Abends auch aus den Schranken trat und eine provocirende Stellung gegen die Bürger einnahm, da es keinen Unterschied machen konnte zwischen denen, welche es wohl mit der Stadt und dem constitutionellen König meinten, und denen, die das Gegentheil davon nur zu grell an den Tag legten? Leider, daß bei dieser Gelegenheit Blut geflos- sen und Einer das Leben verloren hat; — dieser Vorgang ist aber noch zu wenig aufgeklärt, als daß wir es wagen wollten, unsere Ansicht darüber auszusprechen. So viel steht aber fest, es wäre nicht dahin gekommen, wenn nicht die Aufreizung Sei- tens einer kleinen Partei auf die Spitze getrieben wäre. Auch gestern Abends versammelten sich wieder Trupps von Soldaten in der Nähe der Statue der „Germania,“ man schob ihnen die Absicht zu, dieselbe zerstören zu wollen. Sey es; — doch wurde dieser Plan durch freundliches Einschreiten einiger Oberoffiziere und baldiges Blasen und Schlagen der Retraite verhindert und die eiligst zusammengetretene Bürgerwehr hatte nur die zügellose Jugend Düsseldorf's und deren Aufwiegler in Ruhe zu halten, um deren Vorrücken gegen die Caserne zu verhindern. Möchten doch recht bald die Wenigen, welche solch' böses Spiel treiben, zur Einsicht kommen und ein Agitiren aufgeben, das nur böses Blut und die Stadt in ein Licht setzen kann, das keineswegs zu ihrem Ruhme dienen wird, und gewiß ihrem materiellen Wohle geradezu entgegen tritt. Außer vielen kleinen Verwundungen, welche die bedauerlichen Vorgänge des vorgestrigen Abends zur Folge hatten, liegen noch zwei, ein Jäger der 7. Abtheilung und ein Bürger, hoffnungs- los darnieder. Die Ladung, welche den Musketier des 13. Jn- fanterieregiments tödtete, muß aus mehreren Bleistücken bestanden haben, denn die Schußwunde des Getödteten zeigte viele tiefe und große Löcher nebeneinander. Münster. ( W. M. ) Nachdem der bisherige Oberpräsident der Provinz Westphalen, Staatsminister Flottwell, auf die von Seiten des königl. Staatsministerii, so wie der hier anwesenden westphälischen Deputirten der preuß. Nationalversammlung, an ihn erlassene Anfrage zugestanden hat, „die bei der deutschen Na- tionalversammlung zu Frankfurt a. M. angebrachte Petition auf Aufhebung des Cölibats der katholischen Geistlichen mitunterzeich- net zu haben,“ hat das königl. Staatsministerium den Beschluß gefaßt, den Herrn Staatsminister Flottwell als Oberpräsident der Provinz Westphalen nicht weiter mehr fungiren zu lassen. Daß Se. Maj. der König diesen Beschluß des Staatsministerii sanctioniren wird, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Stuttgart 16. August. Uebermorgen sollen unsere Truppen, so weit sie durch das Aufgebot des Reichsverwesers dazu bestimmt sind, nach Schleswig=Holstein abgehen. Hier und in Ludwigs- burg finden heute Festlichkeiten zu Ehren der Abgehenden statt. Mainz 17. August. ( O. P. A. Z. ) Ueber die bevorstehende Organisation der Gerichte erfährt man, daß dieselbe sich diejenige der preußischen Rheinprovinz einigermaßen zum Muster nehmen wird. Die Tribunale erster Jnstanz werden wie dort Landgerichte heißen, und es werden deren drei seyn, eines zu Darmstadt für die Provinz Starkenburg, eines zu Mainz für die Provinz Rhein- hessen, eines zu Gießen für die Provinz Oberhessen. Der Sitz des Appellationshofes für das ganze Großherzogthum soll dieser Nachricht gemäß in Darmstadt seyn, woselbst dann auch der Cassationshof residiren würde 1). Eine ansehnliche Minderung der Zahl der Behörden und der Beamten ist durch die Ausführung dieses Planes bedingt. Jn unserer Provinz wird dadurch das Kreisgericht zu Alzei, das Obergericht zu Mainz und die Gene- ralprocuratur bei demselben überflüßig. Braunschweig 12. August. Die Messe ist viel besser ausge- fallen, als man bei den jetzigen Zeitläuften irgend zu erwarten be- rechtigt war. Aus den preußischen Fürstenthümern 14. August. ( D. A. Z. ) [ Eine gute Lehre für Viele! ] Wir haben die Freude und den Trost, den wackern sächsischen Minister Oberländer wieder in unserer Mitte zu sehen, und zwar als Commissär des Reichsver- wesers mit ausgedehnter Vollmacht zur Herstellung von Gesetz- lichkeit, Ordnung und Ruhe. Zwar ist die Stadt Gera nicht mehr in Aufruhr; aber eine Masse Arbeiter ist auf Staatsunkosten angestellt bei Straßenbau, welche nicht nur ihren Lohn nimmt ohne zu arbeiten, sondern dabei allerlei Unfug treibt und jeden Augenblick bereit zu seyn scheint, in ihrem Uebermuthe wei- ter zu gehen. Diesen Hunderten gegenüber fehlt es den Behörden an Muth und Kraft zur Aufrechthaltung des Gesetzes, die Bür- ger haben dagegen das Vertrauen zu ihren eingeschüchterten Be- hörden verloren, die Besitzenden sehen sich schutzlos und bereiten sich zum Wegzuge vor, kurz, es ist ein drückender, unerträglicher Zustand, der nur gehoben werden kann, wenn den Behörden Mittel gegeben werden, sich das unentbehrliche Ansehen wieder 1) Ließen sich nicht auch noch die drei Kreis= oder Landgerichte nach Darmstadt verlegen, wohin dem Vernehmen nach mit Nächsten auch der Mainzer Dom und der Rhein verlegt werden sollen?

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 63. Mainz, 18. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal063_1848/5>, abgerufen am 16.07.2024.