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Mainzer Journal. Nr. 48. Mainz, 2. August 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 48. Mittwoch, den 2. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 1. August. Die heutige Verhandlung betraf die
beiden ersten Absätze des §. 6. der Grundrechte: "Alle Deutschen
sind gleich vor dem Gesetze." "Standesprivilegien finden nicht
Statt." Hiezu lagen noch Minoritätserachten und eine Menge
selbstständiger Verbesserungsanträge vor. Ahrens vertheidigt
den ersten Satz gegen frühere Bedenken Dahlmann's und er-
klärt sich gegen alle Ordenstitel mit allenfallsiger Ausnahme der
militärischen Orden. M. Mohl reitet sein Steckenpferd und be-
fürwortet die Aufhebung des Adels ( es scheint fast, als habe ihm
ein adeliges Fräulein Hand und Herz geweigert ) . Schwetschke
hat einen vermittelnden Vorschlag, der Niemanden recht einleuch-
ten will. Kierulff greift alle Anträge an, ohne indessen etwas
Besseres anzubieten. Das Junkerthum ist ihm zuwider, Adelser-
theilungen sollen nicht mehr vorkommen. Arndt tritt für den
Adel in die Schranken und lobt die deutsche Mannigfaltigkeit, er
betheuert: "ich bin gewiß ein Republikaner," aber -- Mareck
will zeigen, daß der Adel vernunftwidrig und die Reichsversamm-
lung für die Beseitigung desselben competent sey. Gombart zeigt,
daßdas, was den Adel verhaßt gemacht, jetzt ohnehin falle, eine Noth-
wendigkeit aber, Namen und Titel wegzustreichen, überall nicht vor-
liege. Hartmann tritt auf in der Eigenschaft eines Gespenster-
banners, hält eine alberne Rede und erzählt eine verunglückte Fabel.
Briegleb hält den ersten Satz für zu weit, den zweiten für zu
eng. Rösler von Oels ( zubenannt der Reichskanarienvogel )
hält eine Zornesrede gegen den Adel, den Begriff der Ebenbür-
tigkeit und die Camarilla. von Lichnowsky spricht prodomo:
die Privilegien werden fallen, der Name und die Ehre werden
bleiben. Ottow äußert sich in ähnlichem Sinn und zeigt, daß
es unter keinen Verhältnissen an einem Surrogat des Adels
fehlen werde. Neuwall enthüllt den Unsinn des deutschen
Titelwesens. J. Grimm hält eine Vorlesung, aus welcher
hervorgeht, daß er seinem Könige treu ergeben, seine Zuhörer
langweilt, dem Adel aber, der nicht viele Verse gemacht, nicht
hold ist. Nun kommt der widerwärtigste und anmaßlichste der
heutigen Redner, ein junger Barricadier aus Wien, zubenannt
Schneider. Jm Namen des ganzen österreichischen Volkes
muß der Adel fallen und der natürlichen Aristokratie weichen ( der
Mann hat übrigens sein Examen noch nicht gemacht ) . Schließ-
lich setzt Michelsen den vorausgegangenen Rednern den Kopf
zurecht und vertheidigt den Commissionsantrag. Von den Ade-
lichen hat nur Einer gesprochen; wahrscheinlich glaubten sie durch
ihre ungeschickten Gegner ihre Sache hinlänglich gerettet.

Berlin 29. Juli. ( K. Z. ) Folgende wichtige Nachricht über
die Stellung Englands zum Reichsverweser geht uns aus ver-
bürgter Quelle zu. Sir Fox=Strangways wird Frankfurt nicht
verlassen, aber fürs Erste mit der Centralgewalt nur officiöse
Bezüge haben. England befolgt also in Frankfurt wie in Paris
dieselbe Politik -- es engagirt sich mit keiner provisorischen Re-
gierung. Sie wissen, daß Lord Normanby seine Creditivbriefe
in Paris nicht übergeben hat.

Dresden 29. Juli. ( D. Z. ) Die Regierung hat in den letz-
ten Tagen zwei Requisitionen aus Gera empfangen, welche
um Unterstützung gegen die mit Aufruhr drohenden Bauern baten.
Jn Folge dessen sind Staatsminister Oberländer und General
Buttlar nach Gera geeilt, um sich persönlich von dem Stande
der Dinge zu überzeugen. -- Auch in Schleiz haben Unruhen
stattgefunden. Eine Deputation wurde mit mehreren Foderungen
des Volkes, wie solche in fast sämmtlichen deutschen Staaten
auch gefühlt und gewährt wurden, an den Fürsten abgeschickt,
der sie jedoch ziemlich unfreundlich empfing und sich mehrerer
Ausdrücke bedient haben soll, welche die Deputationsmitglieder
verletzten. Zu dem versammelten Volke zurückgekehrt, gerieth
dieses darüber in nicht geringe Erbitterung, die jedoch die Schra-
ken des Anstandes nicht überstieg. Es ward vielmehr in ganz
parlamentarischer Ordnung hierüber verhandelt. Ein darauf
gestellter Antrag, daß man sofort durch eine verstärkte Depu-
tation dem Fürsten seine Wünsche vortragen solle, ward förmlich
zur Unterstützung gebracht und nach Debatte angenommen.
Ebenso ein zweiter, daß man von dem Fürsten eine Ehrenerklär-
ung verlangen solle. Diese Beschlüsse wurden alsbald zur Aus-
[Spaltenumbruch] führung gebracht und hatten diesmal, wie wir hören, einen bes-
seren Erfolg. Die Gewährung der Wünsche soll zugesichert
worden seyn. Wenigstens ist Das gewiß, daß der Fürst eine
schriftliche Ehrenerklärung wegen der ersten beleidigenden Ent-
lassung der Deputation gegeben hat.

Darmstadt 29. Juli. ( F. O. P. A. Z. ) Die heutige Sitzung
der zweiten Kammer hat diejenigen getäuscht, welche behaupteten,
daß wir noch diese Woche einen abermaligen Ministerwechsel
haben würden. Vielmehr gewann es in dieser Sitzung den An-
schein, als ob die obwaltende Differenz sich wieder friedlich aus-
gleichen werde. Es wurde übrigens bestimmt, daß die Sache erst
an den Ausschuß zur schleunigsten Berichterstattung gehen solle,
und daß bloß die 21 Antragsteller auf sofortige Vorlage einer
neuen Wahlordnung und sodannige Auflösung der Kammer, zur
Motivirung ihres Antrags sprechen dürften. Zwölfe derselben,
die Herren Lehne, Glaubrech, Karl Zöppritz, Heldmann, v.
Steinherr, Görz, Cretzschmar, Hillebrand, Volhard, Ram-
speck, Franck und Keil ( von Fürth ) ergriffen nach einander das
Wort. Lehne, der eigentliche Veranlasser der Motion, behandelte
die Sache sehr umfassend. Er suchte die deßfallsigen Ansichten
des Ministerpräsidenten zu widerlegen und die dringende Noth-
wendigkeit der Auflösung der jetzigen Kammer, nachdem sie
zuvor noch ein neues volksthümliches Wahlgesetz zur Zusam-
menberufung einer constituirenden Kammer berathen,
darzuthun. Die jetzigen Stände beruhten noch auf Privile-
gien und genügten den Consequenzen des 6. Märzes nicht.
Die Nationalversammlung stehe der Berufung einer constitui-
renden
Kammer nicht im Wege. Sie habe bloß ein Minimum
von Rechten dem Volke zu wahren, mehr aber zu geben in den
einzelnen Staaten sey unverwehrt. Wenn sie den Art. 6. der
Grundrechte votirt, oder die Aufhebung der Standesprivilegien
ausgesprochen, woran gar nicht zu zweifeln und was wohl schon
in nächster Woche geschehe, so hindere nichts, bei uns mit Be-
rathung des Wahlgesetzes vorzuschreiten. Je eher dieses geschehe,
je besser. Die neuen Wahlen würden auch keine Aufregung ver-
breiten, sie vielmehr beendigen, oder doch nur eine freudige Auf-
regung, keine gefährliche, veranlassen. Letztere aber würde kom-
men, wenn man nicht sofort Wahlen für eine constituirende Ver-
sammlung anordne. Glaubrech erklärte sich zwar im allge-
meinen mit des neuen Ministers politischem Glaubensbekenntnisse
einverstanden, war aber auch entschieden für die Nothwendigkeit
baldiger Vorlage eines neuen Wahlgesetzes und Auflösung der
Kammer. Doch einen abermaligen Ministerwechsel, deren wir
in wenigen Minuten schon drei gehabt ( Gagern, Eigenbrodt,
Jaup ) , für nachtheilig haltend, war er für einen vermittelnden
Vorschlag. Man sey ja im Principe einig, und differire im
Grunde nur über die Zeit der Ausführung. Hierfür möge man
eine Frist setzen, etwa einen Monat, nach Verlauf dessen die Re-
gierung das neue Wahlgesetz der Kammer vorlege. Hierfür
stimmte auch Steinherr, wiewohl sonst entschieden für die Noth-
wendigkeit der Auflösung. Ramspeck und Franck dagegen zeigten
sich auch einer vorherigen Vertagung nicht abgeneigt, so daß man
sah, die Coalition der 21 sey nicht unversöhnlich, und mithin ein
friedlicher Ausgang noch recht gut möglich. Ministerpräsident
Jaup erwiederte nur kurz, daß er die Gründe wohl erwägen und
bei der weiteren Verhandlung der Sache darauf zu antworten
nicht säumen werde.

Apenrade 28. Juli. ( B. H. ) Hier, wie wohl überall im
deutschen Vaterlande, sieht man mit Spannung der auf den sechsten
August anberaumten Huldigung der Truppen für den Reichs-
verweser entgegen. Von hier aus werden Unterschriften für eine
gemeinschaftlich von den Städten Apenrade, Tondern und Ha-
dersleben abzusendende Adresse an den Reichsverweser gesam-
melt; die Unterschriften in Hadersleben und hier sind zahlreich
ausgefallen; jetzt circulirt die erwähnte Adresse noch in Tondern.

Frankfurt 1. August. Von den Deputirten des Segel-
schifferstandes ist eine permanente Commission, bestehend aus dem
Hafencommissär Tusch von Wesel und den Schiffern Ueberle von
Speyer, Schön von Würzburg, Hegwein von Kitzingen und
Mutzenbauer von Offenbach hier geblieben, welche die Jnteressen
ihres Gewerbes bei dem betreffenden Ausschuß der Nationalver-
sammlung vertritt.

[Ende Spaltensatz]
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 48. Mittwoch, den 2. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 1. August. Die heutige Verhandlung betraf die
beiden ersten Absätze des §. 6. der Grundrechte: „Alle Deutschen
sind gleich vor dem Gesetze.“ „Standesprivilegien finden nicht
Statt.“ Hiezu lagen noch Minoritätserachten und eine Menge
selbstständiger Verbesserungsanträge vor. Ahrens vertheidigt
den ersten Satz gegen frühere Bedenken Dahlmann's und er-
klärt sich gegen alle Ordenstitel mit allenfallsiger Ausnahme der
militärischen Orden. M. Mohl reitet sein Steckenpferd und be-
fürwortet die Aufhebung des Adels ( es scheint fast, als habe ihm
ein adeliges Fräulein Hand und Herz geweigert ) . Schwetschke
hat einen vermittelnden Vorschlag, der Niemanden recht einleuch-
ten will. Kierulff greift alle Anträge an, ohne indessen etwas
Besseres anzubieten. Das Junkerthum ist ihm zuwider, Adelser-
theilungen sollen nicht mehr vorkommen. Arndt tritt für den
Adel in die Schranken und lobt die deutsche Mannigfaltigkeit, er
betheuert: „ich bin gewiß ein Republikaner,“ aber — Mareck
will zeigen, daß der Adel vernunftwidrig und die Reichsversamm-
lung für die Beseitigung desselben competent sey. Gombart zeigt,
daßdas, was den Adel verhaßt gemacht, jetzt ohnehin falle, eine Noth-
wendigkeit aber, Namen und Titel wegzustreichen, überall nicht vor-
liege. Hartmann tritt auf in der Eigenschaft eines Gespenster-
banners, hält eine alberne Rede und erzählt eine verunglückte Fabel.
Briegleb hält den ersten Satz für zu weit, den zweiten für zu
eng. Rösler von Oels ( zubenannt der Reichskanarienvogel )
hält eine Zornesrede gegen den Adel, den Begriff der Ebenbür-
tigkeit und die Camarilla. von Lichnowsky spricht prodomo:
die Privilegien werden fallen, der Name und die Ehre werden
bleiben. Ottow äußert sich in ähnlichem Sinn und zeigt, daß
es unter keinen Verhältnissen an einem Surrogat des Adels
fehlen werde. Neuwall enthüllt den Unsinn des deutschen
Titelwesens. J. Grimm hält eine Vorlesung, aus welcher
hervorgeht, daß er seinem Könige treu ergeben, seine Zuhörer
langweilt, dem Adel aber, der nicht viele Verse gemacht, nicht
hold ist. Nun kommt der widerwärtigste und anmaßlichste der
heutigen Redner, ein junger Barricadier aus Wien, zubenannt
Schneider. Jm Namen des ganzen österreichischen Volkes
muß der Adel fallen und der natürlichen Aristokratie weichen ( der
Mann hat übrigens sein Examen noch nicht gemacht ) . Schließ-
lich setzt Michelsen den vorausgegangenen Rednern den Kopf
zurecht und vertheidigt den Commissionsantrag. Von den Ade-
lichen hat nur Einer gesprochen; wahrscheinlich glaubten sie durch
ihre ungeschickten Gegner ihre Sache hinlänglich gerettet.

Berlin 29. Juli. ( K. Z. ) Folgende wichtige Nachricht über
die Stellung Englands zum Reichsverweser geht uns aus ver-
bürgter Quelle zu. Sir Fox=Strangways wird Frankfurt nicht
verlassen, aber fürs Erste mit der Centralgewalt nur officiöse
Bezüge haben. England befolgt also in Frankfurt wie in Paris
dieselbe Politik — es engagirt sich mit keiner provisorischen Re-
gierung. Sie wissen, daß Lord Normanby seine Creditivbriefe
in Paris nicht übergeben hat.

Dresden 29. Juli. ( D. Z. ) Die Regierung hat in den letz-
ten Tagen zwei Requisitionen aus Gera empfangen, welche
um Unterstützung gegen die mit Aufruhr drohenden Bauern baten.
Jn Folge dessen sind Staatsminister Oberländer und General
Buttlar nach Gera geeilt, um sich persönlich von dem Stande
der Dinge zu überzeugen. — Auch in Schleiz haben Unruhen
stattgefunden. Eine Deputation wurde mit mehreren Foderungen
des Volkes, wie solche in fast sämmtlichen deutschen Staaten
auch gefühlt und gewährt wurden, an den Fürsten abgeschickt,
der sie jedoch ziemlich unfreundlich empfing und sich mehrerer
Ausdrücke bedient haben soll, welche die Deputationsmitglieder
verletzten. Zu dem versammelten Volke zurückgekehrt, gerieth
dieses darüber in nicht geringe Erbitterung, die jedoch die Schra-
ken des Anstandes nicht überstieg. Es ward vielmehr in ganz
parlamentarischer Ordnung hierüber verhandelt. Ein darauf
gestellter Antrag, daß man sofort durch eine verstärkte Depu-
tation dem Fürsten seine Wünsche vortragen solle, ward förmlich
zur Unterstützung gebracht und nach Debatte angenommen.
Ebenso ein zweiter, daß man von dem Fürsten eine Ehrenerklär-
ung verlangen solle. Diese Beschlüsse wurden alsbald zur Aus-
[Spaltenumbruch] führung gebracht und hatten diesmal, wie wir hören, einen bes-
seren Erfolg. Die Gewährung der Wünsche soll zugesichert
worden seyn. Wenigstens ist Das gewiß, daß der Fürst eine
schriftliche Ehrenerklärung wegen der ersten beleidigenden Ent-
lassung der Deputation gegeben hat.

Darmstadt 29. Juli. ( F. O. P. A. Z. ) Die heutige Sitzung
der zweiten Kammer hat diejenigen getäuscht, welche behaupteten,
daß wir noch diese Woche einen abermaligen Ministerwechsel
haben würden. Vielmehr gewann es in dieser Sitzung den An-
schein, als ob die obwaltende Differenz sich wieder friedlich aus-
gleichen werde. Es wurde übrigens bestimmt, daß die Sache erst
an den Ausschuß zur schleunigsten Berichterstattung gehen solle,
und daß bloß die 21 Antragsteller auf sofortige Vorlage einer
neuen Wahlordnung und sodannige Auflösung der Kammer, zur
Motivirung ihres Antrags sprechen dürften. Zwölfe derselben,
die Herren Lehne, Glaubrech, Karl Zöppritz, Heldmann, v.
Steinherr, Görz, Cretzschmar, Hillebrand, Volhard, Ram-
speck, Franck und Keil ( von Fürth ) ergriffen nach einander das
Wort. Lehne, der eigentliche Veranlasser der Motion, behandelte
die Sache sehr umfassend. Er suchte die deßfallsigen Ansichten
des Ministerpräsidenten zu widerlegen und die dringende Noth-
wendigkeit der Auflösung der jetzigen Kammer, nachdem sie
zuvor noch ein neues volksthümliches Wahlgesetz zur Zusam-
menberufung einer constituirenden Kammer berathen,
darzuthun. Die jetzigen Stände beruhten noch auf Privile-
gien und genügten den Consequenzen des 6. Märzes nicht.
Die Nationalversammlung stehe der Berufung einer constitui-
renden
Kammer nicht im Wege. Sie habe bloß ein Minimum
von Rechten dem Volke zu wahren, mehr aber zu geben in den
einzelnen Staaten sey unverwehrt. Wenn sie den Art. 6. der
Grundrechte votirt, oder die Aufhebung der Standesprivilegien
ausgesprochen, woran gar nicht zu zweifeln und was wohl schon
in nächster Woche geschehe, so hindere nichts, bei uns mit Be-
rathung des Wahlgesetzes vorzuschreiten. Je eher dieses geschehe,
je besser. Die neuen Wahlen würden auch keine Aufregung ver-
breiten, sie vielmehr beendigen, oder doch nur eine freudige Auf-
regung, keine gefährliche, veranlassen. Letztere aber würde kom-
men, wenn man nicht sofort Wahlen für eine constituirende Ver-
sammlung anordne. Glaubrech erklärte sich zwar im allge-
meinen mit des neuen Ministers politischem Glaubensbekenntnisse
einverstanden, war aber auch entschieden für die Nothwendigkeit
baldiger Vorlage eines neuen Wahlgesetzes und Auflösung der
Kammer. Doch einen abermaligen Ministerwechsel, deren wir
in wenigen Minuten schon drei gehabt ( Gagern, Eigenbrodt,
Jaup ) , für nachtheilig haltend, war er für einen vermittelnden
Vorschlag. Man sey ja im Principe einig, und differire im
Grunde nur über die Zeit der Ausführung. Hierfür möge man
eine Frist setzen, etwa einen Monat, nach Verlauf dessen die Re-
gierung das neue Wahlgesetz der Kammer vorlege. Hierfür
stimmte auch Steinherr, wiewohl sonst entschieden für die Noth-
wendigkeit der Auflösung. Ramspeck und Franck dagegen zeigten
sich auch einer vorherigen Vertagung nicht abgeneigt, so daß man
sah, die Coalition der 21 sey nicht unversöhnlich, und mithin ein
friedlicher Ausgang noch recht gut möglich. Ministerpräsident
Jaup erwiederte nur kurz, daß er die Gründe wohl erwägen und
bei der weiteren Verhandlung der Sache darauf zu antworten
nicht säumen werde.

Apenrade 28. Juli. ( B. H. ) Hier, wie wohl überall im
deutschen Vaterlande, sieht man mit Spannung der auf den sechsten
August anberaumten Huldigung der Truppen für den Reichs-
verweser entgegen. Von hier aus werden Unterschriften für eine
gemeinschaftlich von den Städten Apenrade, Tondern und Ha-
dersleben abzusendende Adresse an den Reichsverweser gesam-
melt; die Unterschriften in Hadersleben und hier sind zahlreich
ausgefallen; jetzt circulirt die erwähnte Adresse noch in Tondern.

Frankfurt 1. August. Von den Deputirten des Segel-
schifferstandes ist eine permanente Commission, bestehend aus dem
Hafencommissär Tusch von Wesel und den Schiffern Ueberle von
Speyer, Schön von Würzburg, Hegwein von Kitzingen und
Mutzenbauer von Offenbach hier geblieben, welche die Jnteressen
ihres Gewerbes bei dem betreffenden Ausschuß der Nationalver-
sammlung vertritt.

[Ende Spaltensatz]
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 48. Mittwoch, den 2. August. 1848. Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 1. August. Die heutige Verhandlung betraf die beiden ersten Absätze des §. 6. der Grundrechte: „Alle Deutschen sind gleich vor dem Gesetze.“ „Standesprivilegien finden nicht Statt.“ Hiezu lagen noch Minoritätserachten und eine Menge selbstständiger Verbesserungsanträge vor. Ahrens vertheidigt den ersten Satz gegen frühere Bedenken Dahlmann's und er- klärt sich gegen alle Ordenstitel mit allenfallsiger Ausnahme der militärischen Orden. M. Mohl reitet sein Steckenpferd und be- fürwortet die Aufhebung des Adels ( es scheint fast, als habe ihm ein adeliges Fräulein Hand und Herz geweigert ) . Schwetschke hat einen vermittelnden Vorschlag, der Niemanden recht einleuch- ten will. Kierulff greift alle Anträge an, ohne indessen etwas Besseres anzubieten. Das Junkerthum ist ihm zuwider, Adelser- theilungen sollen nicht mehr vorkommen. Arndt tritt für den Adel in die Schranken und lobt die deutsche Mannigfaltigkeit, er betheuert: „ich bin gewiß ein Republikaner,“ aber — Mareck will zeigen, daß der Adel vernunftwidrig und die Reichsversamm- lung für die Beseitigung desselben competent sey. Gombart zeigt, daßdas, was den Adel verhaßt gemacht, jetzt ohnehin falle, eine Noth- wendigkeit aber, Namen und Titel wegzustreichen, überall nicht vor- liege. Hartmann tritt auf in der Eigenschaft eines Gespenster- banners, hält eine alberne Rede und erzählt eine verunglückte Fabel. Briegleb hält den ersten Satz für zu weit, den zweiten für zu eng. Rösler von Oels ( zubenannt der Reichskanarienvogel ) hält eine Zornesrede gegen den Adel, den Begriff der Ebenbür- tigkeit und die Camarilla. von Lichnowsky spricht prodomo: die Privilegien werden fallen, der Name und die Ehre werden bleiben. Ottow äußert sich in ähnlichem Sinn und zeigt, daß es unter keinen Verhältnissen an einem Surrogat des Adels fehlen werde. Neuwall enthüllt den Unsinn des deutschen Titelwesens. J. Grimm hält eine Vorlesung, aus welcher hervorgeht, daß er seinem Könige treu ergeben, seine Zuhörer langweilt, dem Adel aber, der nicht viele Verse gemacht, nicht hold ist. Nun kommt der widerwärtigste und anmaßlichste der heutigen Redner, ein junger Barricadier aus Wien, zubenannt Schneider. Jm Namen des ganzen österreichischen Volkes muß der Adel fallen und der natürlichen Aristokratie weichen ( der Mann hat übrigens sein Examen noch nicht gemacht ) . Schließ- lich setzt Michelsen den vorausgegangenen Rednern den Kopf zurecht und vertheidigt den Commissionsantrag. Von den Ade- lichen hat nur Einer gesprochen; wahrscheinlich glaubten sie durch ihre ungeschickten Gegner ihre Sache hinlänglich gerettet. Berlin 29. Juli. ( K. Z. ) Folgende wichtige Nachricht über die Stellung Englands zum Reichsverweser geht uns aus ver- bürgter Quelle zu. Sir Fox=Strangways wird Frankfurt nicht verlassen, aber fürs Erste mit der Centralgewalt nur officiöse Bezüge haben. England befolgt also in Frankfurt wie in Paris dieselbe Politik — es engagirt sich mit keiner provisorischen Re- gierung. Sie wissen, daß Lord Normanby seine Creditivbriefe in Paris nicht übergeben hat. Dresden 29. Juli. ( D. Z. ) Die Regierung hat in den letz- ten Tagen zwei Requisitionen aus Gera empfangen, welche um Unterstützung gegen die mit Aufruhr drohenden Bauern baten. Jn Folge dessen sind Staatsminister Oberländer und General Buttlar nach Gera geeilt, um sich persönlich von dem Stande der Dinge zu überzeugen. — Auch in Schleiz haben Unruhen stattgefunden. Eine Deputation wurde mit mehreren Foderungen des Volkes, wie solche in fast sämmtlichen deutschen Staaten auch gefühlt und gewährt wurden, an den Fürsten abgeschickt, der sie jedoch ziemlich unfreundlich empfing und sich mehrerer Ausdrücke bedient haben soll, welche die Deputationsmitglieder verletzten. Zu dem versammelten Volke zurückgekehrt, gerieth dieses darüber in nicht geringe Erbitterung, die jedoch die Schra- ken des Anstandes nicht überstieg. Es ward vielmehr in ganz parlamentarischer Ordnung hierüber verhandelt. Ein darauf gestellter Antrag, daß man sofort durch eine verstärkte Depu- tation dem Fürsten seine Wünsche vortragen solle, ward förmlich zur Unterstützung gebracht und nach Debatte angenommen. Ebenso ein zweiter, daß man von dem Fürsten eine Ehrenerklär- ung verlangen solle. Diese Beschlüsse wurden alsbald zur Aus- führung gebracht und hatten diesmal, wie wir hören, einen bes- seren Erfolg. Die Gewährung der Wünsche soll zugesichert worden seyn. Wenigstens ist Das gewiß, daß der Fürst eine schriftliche Ehrenerklärung wegen der ersten beleidigenden Ent- lassung der Deputation gegeben hat. Darmstadt 29. Juli. ( F. O. P. A. Z. ) Die heutige Sitzung der zweiten Kammer hat diejenigen getäuscht, welche behaupteten, daß wir noch diese Woche einen abermaligen Ministerwechsel haben würden. Vielmehr gewann es in dieser Sitzung den An- schein, als ob die obwaltende Differenz sich wieder friedlich aus- gleichen werde. Es wurde übrigens bestimmt, daß die Sache erst an den Ausschuß zur schleunigsten Berichterstattung gehen solle, und daß bloß die 21 Antragsteller auf sofortige Vorlage einer neuen Wahlordnung und sodannige Auflösung der Kammer, zur Motivirung ihres Antrags sprechen dürften. Zwölfe derselben, die Herren Lehne, Glaubrech, Karl Zöppritz, Heldmann, v. Steinherr, Görz, Cretzschmar, Hillebrand, Volhard, Ram- speck, Franck und Keil ( von Fürth ) ergriffen nach einander das Wort. Lehne, der eigentliche Veranlasser der Motion, behandelte die Sache sehr umfassend. Er suchte die deßfallsigen Ansichten des Ministerpräsidenten zu widerlegen und die dringende Noth- wendigkeit der Auflösung der jetzigen Kammer, nachdem sie zuvor noch ein neues volksthümliches Wahlgesetz zur Zusam- menberufung einer constituirenden Kammer berathen, darzuthun. Die jetzigen Stände beruhten noch auf Privile- gien und genügten den Consequenzen des 6. Märzes nicht. Die Nationalversammlung stehe der Berufung einer constitui- renden Kammer nicht im Wege. Sie habe bloß ein Minimum von Rechten dem Volke zu wahren, mehr aber zu geben in den einzelnen Staaten sey unverwehrt. Wenn sie den Art. 6. der Grundrechte votirt, oder die Aufhebung der Standesprivilegien ausgesprochen, woran gar nicht zu zweifeln und was wohl schon in nächster Woche geschehe, so hindere nichts, bei uns mit Be- rathung des Wahlgesetzes vorzuschreiten. Je eher dieses geschehe, je besser. Die neuen Wahlen würden auch keine Aufregung ver- breiten, sie vielmehr beendigen, oder doch nur eine freudige Auf- regung, keine gefährliche, veranlassen. Letztere aber würde kom- men, wenn man nicht sofort Wahlen für eine constituirende Ver- sammlung anordne. Glaubrech erklärte sich zwar im allge- meinen mit des neuen Ministers politischem Glaubensbekenntnisse einverstanden, war aber auch entschieden für die Nothwendigkeit baldiger Vorlage eines neuen Wahlgesetzes und Auflösung der Kammer. Doch einen abermaligen Ministerwechsel, deren wir in wenigen Minuten schon drei gehabt ( Gagern, Eigenbrodt, Jaup ) , für nachtheilig haltend, war er für einen vermittelnden Vorschlag. Man sey ja im Principe einig, und differire im Grunde nur über die Zeit der Ausführung. Hierfür möge man eine Frist setzen, etwa einen Monat, nach Verlauf dessen die Re- gierung das neue Wahlgesetz der Kammer vorlege. Hierfür stimmte auch Steinherr, wiewohl sonst entschieden für die Noth- wendigkeit der Auflösung. Ramspeck und Franck dagegen zeigten sich auch einer vorherigen Vertagung nicht abgeneigt, so daß man sah, die Coalition der 21 sey nicht unversöhnlich, und mithin ein friedlicher Ausgang noch recht gut möglich. Ministerpräsident Jaup erwiederte nur kurz, daß er die Gründe wohl erwägen und bei der weiteren Verhandlung der Sache darauf zu antworten nicht säumen werde. Apenrade 28. Juli. ( B. H. ) Hier, wie wohl überall im deutschen Vaterlande, sieht man mit Spannung der auf den sechsten August anberaumten Huldigung der Truppen für den Reichs- verweser entgegen. Von hier aus werden Unterschriften für eine gemeinschaftlich von den Städten Apenrade, Tondern und Ha- dersleben abzusendende Adresse an den Reichsverweser gesam- melt; die Unterschriften in Hadersleben und hier sind zahlreich ausgefallen; jetzt circulirt die erwähnte Adresse noch in Tondern. Frankfurt 1. August. Von den Deputirten des Segel- schifferstandes ist eine permanente Commission, bestehend aus dem Hafencommissär Tusch von Wesel und den Schiffern Ueberle von Speyer, Schön von Würzburg, Hegwein von Kitzingen und Mutzenbauer von Offenbach hier geblieben, welche die Jnteressen ihres Gewerbes bei dem betreffenden Ausschuß der Nationalver- sammlung vertritt.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 48. Mainz, 2. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal048_1848/5>, abgerufen am 20.07.2024.