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Mainzer Journal. Nr. 46. Mainz, 31. Juli 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 46. Montag, den 31. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Eine Nutzanwendung bei Gelegenheit der
Posener Frage.

^ Eine Thatsache, welche weder von preußischer noch
von polnischer, weder von protestantischer, noch von katholischer
Seite umredet, verhüllt und in den Hintergrund gestellt werden
kann, ist es, daß in der Geschichte des Posenschen Aufstandes und
der Feindschaft der Polen gegen die Deutschen resp. Preußen die
Religion eine Hauptrolle spielt. Es ist gewiß, daß die Masse des
polnischen Volkes die Preußen als Feinde seiner Religion ansieht,
und preußisch und protestantisch ihm gleichbedeutend ist, und kein
Unbefangener kann diese Volksansicht sehr verwunderlich oder
tadelnswerth finden. Denn war vielleicht Preußen bis in die
neueste Zeit nicht die große Schutzmacht des Protestantismus, eine
Schutzmacht, welche sich nicht darauf beschränkte, etwa die Pro-
testanten in ihren Rechten zu schützen, sondern welche auch überall
auf die Verbreitung des Protestantismus bedacht war? War
aber schon von Seiten des Gouvernements in Preußen der Pro-
testantismus grundsatzmäßig begünstigt, so wurden die Absichten
der Regierung durch den Eifer der protestantischen Beamten noch
zehnfach überboten. Dieses Unwesen war nirgends stärker, als
in Posen, wo zu dem religiösen noch der nationale Gegensatz sich
gesellte. Das war ohne Zweifel der größte Fehler des alten
preußischen Regimes und die schreiendste Ungerechtigkeit oben-
drein: nichts aber kann es frommen, Thatsachen zu verbergen,
auch für Preußen selbst kann es nur nützlich seyn, die Fehler des
alten Systems zu enthüllen, denn so lange nicht jenes alte
Preußenthum, das wir weder dem preußischen Volke, noch dem
Herrscherstamm der Hohenzollern, sondern einer hochmüthigen
Schule und Bureaukratie zur Last legen, vollständig überwunden
und vernichtet ist, kann an eine Regeneration und Zukunft
Preußens selber eben so wenig, als eine gründliche und dauer-
hafte Wiederherstellung der deutschen Einheit gedacht werden.
Wir haben jedoch heute diesen Gegenstand, daß nämlich der Haß
der posenschen Polen gegen Preußen und in ihm gegen Deutsch-
land hauptsächlich durch die von dem alten preußischen Regime
ausgegangene Hintansetzung, Chikanirung und Untergrabung des
Katholicismus angefacht und genährt worden ist, nicht deßhalb
hervorgehoben, um etwa für die Polen gegen das alte Preußen-
thum oder gar -- wie nur Böswilligkeit oder Bornirtheit unter-
stellen könnte -- gegen den Protestantismus zu polemisiren, son-
dern um eine große, ja die allergrößte und wichtigste Lehre daraus
zu ziehen.

Jenes unglückselige und nicht genug zu beklagende religiöse
Zerwürfniß nämlich zwischen den Polen und Preußen ist nur ein
Seitenstück und ein grelles Bild desselben religiösen Zerwürfnisses,
welches allen officiellen Täuschereien, allen Kammer= und
Zeitungsphrasen zum Trotz, immer so lange zwischen dem katho-
lischen Volk und protestantischen Regierungen, wie zwischen dem
protestantischen Volk und katholischen Regierungen bestehen wird,
als nicht die volle und unbedingte Freiheit und Un-
abhängigkeit der Kirche vom Staate verwirklicht
ist.
Es beeile sich daher die Nationalversammlung diesen heil-
bringenden Grundsatz auszusprechen und durchzuführen, und sie
hat den unerschütterlichen Grundstein zur Einheit Deutschlands
gelegt. Die religiöse Spaltung hat erwiesenermaßen Deutschland
auch politisch zerrissen, und zwar deßhalb, weil sofort die Fürsten
und Stämme für und wider Partei nehmen, und seitdem hat es
bis in die neueste Zeit in Deutschland fast keinen politischen Kampf
gegeben, ohne daß irgendwie das religiöse Element beigemischt
gewesen wäre, zu welch unsäglichem Schaden des Gemeinwesens,
wie der Religion, bedarf keiner Auseinandersetzung.

[Spaltenumbruch]

So wird es aber bleiben, so lange nicht der Grundsatz der
Nichteinmischung des Staates in religiöse und
kirchliche Angelegenheiten
strenge und gewissenhaft fest-
gehalten wird, ein Grundsatz, der überall schlechthin und in jeder
Beziehung nothwendig ist, wo die Bewohner eines Lan-
des verschiedenen Confessionen angehören.
Daß
aber die Festhaltung dieses Grundsatzes mit einemmal alle religiöse
Gereitztheit aus dem öffentlichen Leben verbannt und bei noch so
großer Verschiedenheit der religiösen Bekenntnisse die größte poli-
tische Eintracht und bürgerliche Freundschaft ermöglicht, mag
Nordamerika beweisen; -- wo in Anhänglichkeit an das gemein-
same Vaterland und seine Verfassung alle religiösen Parteien ein-
ander gleich stehen und kein religiöser Mißklang sich in dem poli-
tischen Leben geltend macht. Allein wenn man sieht, wie neulich
das Montagskränzchen in Frankfurt sich wieder einmal mit der
Stiftung einer deutschen Nationalkirche beschäftigt hat, wie ein
unberufener Abgeordneter beim Parlament die Aufhebung des
Cölibats beantragt und über hundert Mitunterzeichner seines An-
trags gefunden hat, und wie Viele schon deßhalb mit Mißtrauen
und Abneigung gegen die religiöse und kirchliche Freiheit erfüllt
werden, blos weil die Katholiken dieselbe so einhellig und entschie-
den fordern, so möchte man schier verzagen und den deutschen
Michel für unverbesserlich halten.



Aus Paris 1).

Eine schwarze Wolke hängt über Frankreichs Geschick. Gelbe
Blitze durchzucken sie und entschleiern, auf Augenblicke, die Tie-
fen des Abgrundes und die Schmalheit der Pfade, welche ihn
durchlaufen. Die Nation ist in ihrem innersten Kern zerrissen.
Sie hat für sich einen unerschütterlichen Heldenmuth, aber zu-
gleich die höchste Gespanntheit aller Verhältnisse. Ein Theil der
unteren Classen ist mit den Classen, auf welchen das Gebäude
der Cultur des Geistes ruht, mehr oder weniger zerfallen. So-
cialisten und Communisten haben ihnen unter allen möglichen
Formen die Lehre gepredigt, daß es nur eine Classe von Staats-
bürgern geben müsse und solle, diejenigen, welche da leben von
der Arbeit ihrer Hände. Alsbald hat sich die entsetzliche Wahrheit
kundgemacht, auf was für schwanken Stützen die Civilisation
auferbaut ist, wenn aller Glaube aus ihren Grundfugen ge-
wichen, und die Vernunft allein die Trägerin seyn soll des
ganzen Staatsgebäudes; statt Gotteswerk sehen wir alsbald
Menschenwerk, statt eines Werkes, welches da ruht auf dem tief-
sten Jnnern der menschlichen Natur, sehen wir ein Werk, welches
mit der menschlichen Natur nichts zu schaffen hat und nur auf
Abstractionen des Verstandes seine Macht zu gründen gedenkt.
Nun sieht ein Jeder, daß der Staat der Kirche bedarf, nicht um
sich durch Theokratie verschlingen zu lassen, sondern weil der
sociale Mensch zugleich der kirchliche Mensch ist, der Staatsbür-
ger zugleich der Christ. Dieses Gottesbewußtseyn regt sich auf
einmal in dem mehr oder minder dem praktischen Christenthum
entfremdeten Frankreich, ja die einander entgegenstehenden feind-
lichen Mächte, Volk und Bürger, empfinden es ihrerseits; daher
ist Aussicht da zum praktischen Christenthum als höherem Ver-
mittler der dem Anschein nach unheilbar unter sich selbst Zer-
worfenen und Gespaltenen. Vernunftreligion oder die
sogenannte philosophische Religion, das ist die Selbst-
vergötterung des menschlichen Verstandes, dieses Thema der
verschiedensten Geister unserer Zeit, des Voltaire und Rousseau,

[Ende Spaltensatz]

1) Wir entnehmen diese Mittheilung des Freiherrn von Eckstein
der "Allgemeinen Zeitung."
1 ) Wir entnehmen diese Mittheilung des Freiherrn von Eckstein
der "Allgemeinen Zeitung."
Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 46. Montag, den 31. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Eine Nutzanwendung bei Gelegenheit der
Posener Frage.

△ Eine Thatsache, welche weder von preußischer noch
von polnischer, weder von protestantischer, noch von katholischer
Seite umredet, verhüllt und in den Hintergrund gestellt werden
kann, ist es, daß in der Geschichte des Posenschen Aufstandes und
der Feindschaft der Polen gegen die Deutschen resp. Preußen die
Religion eine Hauptrolle spielt. Es ist gewiß, daß die Masse des
polnischen Volkes die Preußen als Feinde seiner Religion ansieht,
und preußisch und protestantisch ihm gleichbedeutend ist, und kein
Unbefangener kann diese Volksansicht sehr verwunderlich oder
tadelnswerth finden. Denn war vielleicht Preußen bis in die
neueste Zeit nicht die große Schutzmacht des Protestantismus, eine
Schutzmacht, welche sich nicht darauf beschränkte, etwa die Pro-
testanten in ihren Rechten zu schützen, sondern welche auch überall
auf die Verbreitung des Protestantismus bedacht war? War
aber schon von Seiten des Gouvernements in Preußen der Pro-
testantismus grundsatzmäßig begünstigt, so wurden die Absichten
der Regierung durch den Eifer der protestantischen Beamten noch
zehnfach überboten. Dieses Unwesen war nirgends stärker, als
in Posen, wo zu dem religiösen noch der nationale Gegensatz sich
gesellte. Das war ohne Zweifel der größte Fehler des alten
preußischen Regimes und die schreiendste Ungerechtigkeit oben-
drein: nichts aber kann es frommen, Thatsachen zu verbergen,
auch für Preußen selbst kann es nur nützlich seyn, die Fehler des
alten Systems zu enthüllen, denn so lange nicht jenes alte
Preußenthum, das wir weder dem preußischen Volke, noch dem
Herrscherstamm der Hohenzollern, sondern einer hochmüthigen
Schule und Bureaukratie zur Last legen, vollständig überwunden
und vernichtet ist, kann an eine Regeneration und Zukunft
Preußens selber eben so wenig, als eine gründliche und dauer-
hafte Wiederherstellung der deutschen Einheit gedacht werden.
Wir haben jedoch heute diesen Gegenstand, daß nämlich der Haß
der posenschen Polen gegen Preußen und in ihm gegen Deutsch-
land hauptsächlich durch die von dem alten preußischen Regime
ausgegangene Hintansetzung, Chikanirung und Untergrabung des
Katholicismus angefacht und genährt worden ist, nicht deßhalb
hervorgehoben, um etwa für die Polen gegen das alte Preußen-
thum oder gar — wie nur Böswilligkeit oder Bornirtheit unter-
stellen könnte — gegen den Protestantismus zu polemisiren, son-
dern um eine große, ja die allergrößte und wichtigste Lehre daraus
zu ziehen.

Jenes unglückselige und nicht genug zu beklagende religiöse
Zerwürfniß nämlich zwischen den Polen und Preußen ist nur ein
Seitenstück und ein grelles Bild desselben religiösen Zerwürfnisses,
welches allen officiellen Täuschereien, allen Kammer= und
Zeitungsphrasen zum Trotz, immer so lange zwischen dem katho-
lischen Volk und protestantischen Regierungen, wie zwischen dem
protestantischen Volk und katholischen Regierungen bestehen wird,
als nicht die volle und unbedingte Freiheit und Un-
abhängigkeit der Kirche vom Staate verwirklicht
ist.
Es beeile sich daher die Nationalversammlung diesen heil-
bringenden Grundsatz auszusprechen und durchzuführen, und sie
hat den unerschütterlichen Grundstein zur Einheit Deutschlands
gelegt. Die religiöse Spaltung hat erwiesenermaßen Deutschland
auch politisch zerrissen, und zwar deßhalb, weil sofort die Fürsten
und Stämme für und wider Partei nehmen, und seitdem hat es
bis in die neueste Zeit in Deutschland fast keinen politischen Kampf
gegeben, ohne daß irgendwie das religiöse Element beigemischt
gewesen wäre, zu welch unsäglichem Schaden des Gemeinwesens,
wie der Religion, bedarf keiner Auseinandersetzung.

[Spaltenumbruch]

So wird es aber bleiben, so lange nicht der Grundsatz der
Nichteinmischung des Staates in religiöse und
kirchliche Angelegenheiten
strenge und gewissenhaft fest-
gehalten wird, ein Grundsatz, der überall schlechthin und in jeder
Beziehung nothwendig ist, wo die Bewohner eines Lan-
des verschiedenen Confessionen angehören.
Daß
aber die Festhaltung dieses Grundsatzes mit einemmal alle religiöse
Gereitztheit aus dem öffentlichen Leben verbannt und bei noch so
großer Verschiedenheit der religiösen Bekenntnisse die größte poli-
tische Eintracht und bürgerliche Freundschaft ermöglicht, mag
Nordamerika beweisen; — wo in Anhänglichkeit an das gemein-
same Vaterland und seine Verfassung alle religiösen Parteien ein-
ander gleich stehen und kein religiöser Mißklang sich in dem poli-
tischen Leben geltend macht. Allein wenn man sieht, wie neulich
das Montagskränzchen in Frankfurt sich wieder einmal mit der
Stiftung einer deutschen Nationalkirche beschäftigt hat, wie ein
unberufener Abgeordneter beim Parlament die Aufhebung des
Cölibats beantragt und über hundert Mitunterzeichner seines An-
trags gefunden hat, und wie Viele schon deßhalb mit Mißtrauen
und Abneigung gegen die religiöse und kirchliche Freiheit erfüllt
werden, blos weil die Katholiken dieselbe so einhellig und entschie-
den fordern, so möchte man schier verzagen und den deutschen
Michel für unverbesserlich halten.



Aus Paris 1).

Eine schwarze Wolke hängt über Frankreichs Geschick. Gelbe
Blitze durchzucken sie und entschleiern, auf Augenblicke, die Tie-
fen des Abgrundes und die Schmalheit der Pfade, welche ihn
durchlaufen. Die Nation ist in ihrem innersten Kern zerrissen.
Sie hat für sich einen unerschütterlichen Heldenmuth, aber zu-
gleich die höchste Gespanntheit aller Verhältnisse. Ein Theil der
unteren Classen ist mit den Classen, auf welchen das Gebäude
der Cultur des Geistes ruht, mehr oder weniger zerfallen. So-
cialisten und Communisten haben ihnen unter allen möglichen
Formen die Lehre gepredigt, daß es nur eine Classe von Staats-
bürgern geben müsse und solle, diejenigen, welche da leben von
der Arbeit ihrer Hände. Alsbald hat sich die entsetzliche Wahrheit
kundgemacht, auf was für schwanken Stützen die Civilisation
auferbaut ist, wenn aller Glaube aus ihren Grundfugen ge-
wichen, und die Vernunft allein die Trägerin seyn soll des
ganzen Staatsgebäudes; statt Gotteswerk sehen wir alsbald
Menschenwerk, statt eines Werkes, welches da ruht auf dem tief-
sten Jnnern der menschlichen Natur, sehen wir ein Werk, welches
mit der menschlichen Natur nichts zu schaffen hat und nur auf
Abstractionen des Verstandes seine Macht zu gründen gedenkt.
Nun sieht ein Jeder, daß der Staat der Kirche bedarf, nicht um
sich durch Theokratie verschlingen zu lassen, sondern weil der
sociale Mensch zugleich der kirchliche Mensch ist, der Staatsbür-
ger zugleich der Christ. Dieses Gottesbewußtseyn regt sich auf
einmal in dem mehr oder minder dem praktischen Christenthum
entfremdeten Frankreich, ja die einander entgegenstehenden feind-
lichen Mächte, Volk und Bürger, empfinden es ihrerseits; daher
ist Aussicht da zum praktischen Christenthum als höherem Ver-
mittler der dem Anschein nach unheilbar unter sich selbst Zer-
worfenen und Gespaltenen. Vernunftreligion oder die
sogenannte philosophische Religion, das ist die Selbst-
vergötterung des menschlichen Verstandes, dieses Thema der
verschiedensten Geister unserer Zeit, des Voltaire und Rousseau,

[Ende Spaltensatz]

1) Wir entnehmen diese Mittheilung des Freiherrn von Eckstein
der „Allgemeinen Zeitung.“
1 ) Wir entnehmen diese Mittheilung des Freiherrn von Eckstein
der „Allgemeinen Zeitung.“
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Wir haben jedoch heute diesen Gegenstand, daß nämlich der Haß der posenschen Polen gegen Preußen und in ihm gegen Deutsch- land hauptsächlich durch die von dem alten preußischen Regime ausgegangene Hintansetzung, Chikanirung und Untergrabung des Katholicismus angefacht und genährt worden ist, nicht deßhalb hervorgehoben, um etwa für die Polen gegen das alte Preußen- thum oder gar — wie nur Böswilligkeit oder Bornirtheit unter- stellen könnte — gegen den Protestantismus zu polemisiren, son- dern um eine große, ja die allergrößte und wichtigste Lehre daraus zu ziehen. Jenes unglückselige und nicht genug zu beklagende religiöse Zerwürfniß nämlich zwischen den Polen und Preußen ist nur ein Seitenstück und ein grelles Bild desselben religiösen Zerwürfnisses, welches allen officiellen Täuschereien, allen Kammer= und Zeitungsphrasen zum Trotz, immer so lange zwischen dem katho- lischen Volk und protestantischen Regierungen, wie zwischen dem protestantischen Volk und katholischen Regierungen bestehen wird, als nicht die volle und unbedingte Freiheit und Un- abhängigkeit der Kirche vom Staate verwirklicht ist. Es beeile sich daher die Nationalversammlung diesen heil- bringenden Grundsatz auszusprechen und durchzuführen, und sie hat den unerschütterlichen Grundstein zur Einheit Deutschlands gelegt. Die religiöse Spaltung hat erwiesenermaßen Deutschland auch politisch zerrissen, und zwar deßhalb, weil sofort die Fürsten und Stämme für und wider Partei nehmen, und seitdem hat es bis in die neueste Zeit in Deutschland fast keinen politischen Kampf gegeben, ohne daß irgendwie das religiöse Element beigemischt gewesen wäre, zu welch unsäglichem Schaden des Gemeinwesens, wie der Religion, bedarf keiner Auseinandersetzung. So wird es aber bleiben, so lange nicht der Grundsatz der Nichteinmischung des Staates in religiöse und kirchliche Angelegenheiten strenge und gewissenhaft fest- gehalten wird, ein Grundsatz, der überall schlechthin und in jeder Beziehung nothwendig ist, wo die Bewohner eines Lan- des verschiedenen Confessionen angehören. Daß aber die Festhaltung dieses Grundsatzes mit einemmal alle religiöse Gereitztheit aus dem öffentlichen Leben verbannt und bei noch so großer Verschiedenheit der religiösen Bekenntnisse die größte poli- tische Eintracht und bürgerliche Freundschaft ermöglicht, mag Nordamerika beweisen; — wo in Anhänglichkeit an das gemein- same Vaterland und seine Verfassung alle religiösen Parteien ein- ander gleich stehen und kein religiöser Mißklang sich in dem poli- tischen Leben geltend macht. Allein wenn man sieht, wie neulich das Montagskränzchen in Frankfurt sich wieder einmal mit der Stiftung einer deutschen Nationalkirche beschäftigt hat, wie ein unberufener Abgeordneter beim Parlament die Aufhebung des Cölibats beantragt und über hundert Mitunterzeichner seines An- trags gefunden hat, und wie Viele schon deßhalb mit Mißtrauen und Abneigung gegen die religiöse und kirchliche Freiheit erfüllt werden, blos weil die Katholiken dieselbe so einhellig und entschie- den fordern, so möchte man schier verzagen und den deutschen Michel für unverbesserlich halten. Aus Paris 1). Eine schwarze Wolke hängt über Frankreichs Geschick. Gelbe Blitze durchzucken sie und entschleiern, auf Augenblicke, die Tie- fen des Abgrundes und die Schmalheit der Pfade, welche ihn durchlaufen. Die Nation ist in ihrem innersten Kern zerrissen. Sie hat für sich einen unerschütterlichen Heldenmuth, aber zu- gleich die höchste Gespanntheit aller Verhältnisse. Ein Theil der unteren Classen ist mit den Classen, auf welchen das Gebäude der Cultur des Geistes ruht, mehr oder weniger zerfallen. So- cialisten und Communisten haben ihnen unter allen möglichen Formen die Lehre gepredigt, daß es nur eine Classe von Staats- bürgern geben müsse und solle, diejenigen, welche da leben von der Arbeit ihrer Hände. Alsbald hat sich die entsetzliche Wahrheit kundgemacht, auf was für schwanken Stützen die Civilisation auferbaut ist, wenn aller Glaube aus ihren Grundfugen ge- wichen, und die Vernunft allein die Trägerin seyn soll des ganzen Staatsgebäudes; statt Gotteswerk sehen wir alsbald Menschenwerk, statt eines Werkes, welches da ruht auf dem tief- sten Jnnern der menschlichen Natur, sehen wir ein Werk, welches mit der menschlichen Natur nichts zu schaffen hat und nur auf Abstractionen des Verstandes seine Macht zu gründen gedenkt. Nun sieht ein Jeder, daß der Staat der Kirche bedarf, nicht um sich durch Theokratie verschlingen zu lassen, sondern weil der sociale Mensch zugleich der kirchliche Mensch ist, der Staatsbür- ger zugleich der Christ. Dieses Gottesbewußtseyn regt sich auf einmal in dem mehr oder minder dem praktischen Christenthum entfremdeten Frankreich, ja die einander entgegenstehenden feind- lichen Mächte, Volk und Bürger, empfinden es ihrerseits; daher ist Aussicht da zum praktischen Christenthum als höherem Ver- mittler der dem Anschein nach unheilbar unter sich selbst Zer- worfenen und Gespaltenen. Vernunftreligion oder die sogenannte philosophische Religion, das ist die Selbst- vergötterung des menschlichen Verstandes, dieses Thema der verschiedensten Geister unserer Zeit, des Voltaire und Rousseau, 1) Wir entnehmen diese Mittheilung des Freiherrn von Eckstein der „Allgemeinen Zeitung.“ 1 ) Wir entnehmen diese Mittheilung des Freiherrn von Eckstein der „Allgemeinen Zeitung.“

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 46. Mainz, 31. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal046_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.