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Mainzer Journal. Nr. 43. Mainz, 28. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] freiung von Polen. Nach Aufhebung von Posen würde eine
neue Eruption über Europa kommen, dessen seyen Sie versichert.
Jch will, daß die Minister ein neues Völkerrecht anbahnen;
jetzt herrscht Anarchie; die alten Verträge gelten nicht mehr, und
neue sind noch nicht gemacht. Jch beantrage, daß die angenom-
mene Theilung, als der endlichen Lösung der europäischen Frage
wegen Polens vorgreifend, aufgehoben und ein Congreß für die
Wiederherstellung Polens im Vereine mit England und Frank-
reich veranlaßt werde."

An Ruge schloß sich Wiesner an: "Das Vorparlament,
sprach er, hat ohne viele Worte zu verlieren, die Theilung Po-
lens für ein schmachvolles Unrecht erklärt, und Gerechtigkeit für
eine Pflicht des deutschen Volkes, nicht der Fürsten erachtet.
Dies geschah vor wenigen Monaten, und jetzt wollen wir
dem Beschlusse untreu werden? Wir, denen man vorwirft,
Preußen zu beleidigen, sagen, daß die Deutschen in Posen
auch ohne Einverleibung nicht schutzlos sind, da Preußen
sie beschützt!" Der jetzige Zeitpunkt, wo Slaven sich überall
erheben, ist der ungeeignetste für die Einverleibung. Wir
müssen in Bezug auf Polen bei dem Beschlusse des Vorpar-
laments bleiben. Thinnes von Eichstädt beantragt, daß die in
Posen gezogene Grenzlinie für nicht geschehen betrachtet, die
Wahlen für nichtig erklärt werden. Dagegen soll mittelst einer
Versammlung aus Wahlen in dem ganzen Großherzogthum Po-
sen die Realunion Posens, als eines besonderen Staates, mit
Deutschland bewirkt werden. Der Redner erklärt, eher für alles
Andere als für den Ausschußantrag stimmen zu können. Giskra
verlangt, daß die Sympathien für Polen, die auch er jetzt noch
hat, ihre Grenze in der Nothwendigkeit der Berücksichtigung des
nationalen Jnteresse finden. Polen kann gegenwärtig nicht selbst-
ständig werden; auch hegt nur der Adel den Wunsch. Dies haben
die Ereignisse in Galizien gezeigt. Das Vorparlament hat die Frage
für eine offene erklärt; der Fünfzigerausschuß wäre über sein
Mandat hinausgegangen, wenn er einen Beschluß gefaßt hätte.
Die Nationalversammlung hat das Recht zu entscheiden. Eine
Commission würde zwecklos seyn, und wir würden nichts an-
deres erfahren, als was wir wissen. Der Redner macht den
Antrag, daß die Entscheidung über die endliche Abgrenzung nach
dem Ergebniß der von der Centralgewalt gepflogenen Er-
hebungen geschehen solle. Venedey geht auf eine längere Dar-
legung der Vorgänge in Posen ein, aus denen sich ergebe, daß
gegen die Polen mit List und Zweideutigkeit gehandelt worden
sey, und erklärt sich gegen den Ausschußantrag. Janiczewsky
nimmt das Wort, um persönliche Angriffe zurückzuweisen. Der
Präsident fragt nunmehr, ob die Versammlung Schluß der Ver-
handlung wolle. Die Frage wird bejaht. Plattner von
Halberstadt verlangt namentliche Abstimmung, was fast von der
ganzen Versammlung angenommen wird.

Berlin 22. Juli. ( N. C. ) Der constitutionelle Con-
greß
hat so eben seine erste Sitzung geschlossen; ich beeile mich,
Jhnen einige Mittheilungen darüber zu machen. Vertreten wa-
ren etwa 90 Vereine, von denen einige noch eine große Anzahl
Filialvereine repräsentirten, so der Leipziger deutsche, hinter dem
etliche 40 Vereine stehen, so der Weimarer, als Vorort der
thüringischen Vereine; nicht=preußische waren es fünf, nämlich
außer jenen beiden noch ein Leipziger, Dresdner und Nürnber-
ger. Bei der Abstimmung wurde zuerst ausgesprochen, daß der
Congreß die Beschlüsse der Nationalversammlung für unbedingt
bindend erachte den einzelnen Regierungen gegenüber, mit 67
gegen 20 Stimmen. Zweitens, daß der Congreß die Jndividua-
lität der einzelnen Staaten für vereinbar damit halte, mit 60
gegen 27 Stimmen. Dann, daß die Vereine die Einheit Deutsch-
lands unter einer gemeinsamen volksthümlichen constitutionell-
monarchischen Regierung erstreben, 52 gegen 36. Endlich der
Antrag, der Congreß erkläre seine freudige Zustimmung zu der
Wahl Johanns; durch Acclamation angenommen.

Berlin 22. Juli. ( Karlsr. Z. ) Das Ergebniß der frei-
willigen
Staatsanleihe hat sich in den letzten Tagen als ein
solches dargestellt, daß das Finanzministerium die beabsichtigte
Zwangsanleihe vermuthlich gänzlich fallen lassen wird. Berlin
allein hat bis jetzt gegen fünf Millionen beigesteuert, welche Hal-
tung der Hauptstadt wohl mehr als alle anderen Versuche zur
Beschwichtigung der gereizten Stimmung, die in den alten Pro-
vinzen gegen Berlin theilweise herrscht, beitragen wird. Die
Bedeutsamkeit des überaus günstigen Ergebnisses der freiwilligen
Staatsanleihe wird sich namentlich in dem höheren Aufschwung
des Handels und Verkehrs und in der Belebung des Vertrauens
auf das erfreulichste bewähren. Wenn neu erbaute Häuser, deren
Bau ( Grund und Boden gar nicht gerechnet ) auf 19,000 Thaler
zu stehen kam, jetzt im Versteigerungsfalle zu 7000 Thaler los-
geschlagen werden, so sind das Thatsachen, deren Handgreiflich-
[Spaltenumbruch] keit der Berliner Bürger versteht. Seyen Sie versichert, es wird
besser bei uns: das Revolutions spielen, was hier in letzter
Zeit grassirte, ist vorbei.

Stuttgart 23. Juli. ( D. Z. ) Man erfährt heute hier,
daß der König das Theater in der hiesigen Stadt auf die Dauer
von 14 Monaten geschlossen hat. Man erinnert sich, daß kürz-
lich der König auf 200,000 fl. von seiner Civilliste für künftiges
Jahr verzichtet hat. Das Theater war ursprünglich Staatsan-
stalt, später übernahm es gegen einen jährlichen Zusatz von
50,000 fl. zur Civilliste der König. Der Schlag ist für die Stadt
hart, noch viel härter ist die Maßregel für die vielen Familien
von deren Häuptern weit nicht alle durch ihre Contracte gegen
die natürlich jetzt erfolgende Entlassung geschützt sind. [ Wir
möchten wissen, ob auch die Stuttgarter Lola Montez, Mamsell
Stubenrauch, zu diesen abgedankten Häuptern gehört? ]

Darmstadt 24. Juli. ( O. P. A. Z. ) Heute hat der neue Mi-
nister, Herr Jaup, in der zweiten Kammer der Stände einen
sehr ausführlichen Vortrag gehalten über die Frage von Auf-
lösung der Kammern, und Berufung einer constituirenden Kam-
mer. Der Herr Minister sprach sich bestimmt dagegen aus, als
nicht nothwendig, ja als unzeitig und schädlich nach den bestehen-
den politischen Conjecturen. Er stellte als erste zu beobach-
tende Norm das Halten der bestehenden Verfassung auf, als
zweite die strenge Erfüllung des 6 März in allen seinen nothwen-
digen und natürlichen Consequenzen, als dritte die Befolgung
der Beschlüsse der Nationalversammlung, der Vertreterin der Sou-
veränetät der gesammten deutschen Nation. Redner erkannte die
unbedingte Unterordnung unter sie und die Centralgewalt, die von
ihr geschaffen worden, ausdrücklich an. Daraus folgerte er aber
auch im Verlaufe seines Vortrages, wie unangemessen es seyn würde,
ein neues Wahlgesetz geben zu wollen, bevor man noch die Bestim-
mungen der Nationalversammlung über Census, Art der Wahl,
Zahl der Vertretung, Ein= oder Zweikammersystem kenne. Er
hielt die politischen Verhältnisse, namentlich auch den Frieden
mit dem Auslande für zu wenig gesichert, die herrschende Auf-
regung immer noch für zu groß, um mit Klugheit so wichtige
Veränderungen in unserer Staatsverfassung im Augenblicke vor-
nehmen zu können. Es erscheine viel rathsamer, erst die noch
nöthigen wichtigsten Geschäfte zu erledigen, worüber man sich in
einer gemeinschaftlichen Sitzung mit den Regierungscommissären
verständigen könne, dann die Stände zu vertagen, sie aber als-
bald wieder zur Berathung einer neuen Wahlordnung einzu-
berufen, wenn die Entscheidungen der Nationalversammlung dies
mit Erfolg und Sicherheit thunlich machten. Hiermit sey auch
ein Mann vollkommen einverstanden, der das Vertrauen von
ganz Deutschland besitze, Heinrich von Gagern. Der Mi-
nister sprach sich in seinem Vortrage stets für Festhalten und
Fortbilden der errungenen Freiheiten, aber auch überall auf's
entschiedenste für strenge Handhabung der Ordnung, und nur
für Reformen auf dem gesetzlichen Wege aus. Er zeigte, wie
nöthig es sey, den Credit wieder zu befestigen, die Gewerbe
und den Handel zu heben und wie dies nur auf diesem Wege
geschehen könne. -- Die erwähnte Zusammenkunft der Regie-
rungscommissäre mit der Kammer fand heute Abend um 7 Uhr
statt. Wie man vernimmt, wurde aber nichts Bestimmtes festge-
setzt. Dagegen hört man, daß die Opposition sich nicht von den
so triftigen Gründen des Herrn Ministers habe belehren lassen,
sondern daß sie sich in Privatzusammenkünften bemühe, die Ma-
jorität für ihre Zwecke in der Kammer zu erlangen.

Darmstadt 25. Juli. ( O. P. A. Z. ) Heute hat sich, wie ich aus
sicherer Quelle mittheilen kann, eine Coalition gebildet, die mor-
gen den Kampf in der Kammer eröffnen will, einen Kampf, den
Jaup's Ministerium, ich glaube dies mit Bestimmtheit sagen zu
können, nicht überleben wird. -- Die Zusammensetzung
unserer ersten und der Wahlmodus unserer zweiten Kammer ist
anerkannt in hohem Grade mangelhaft. Die erste Kammer be-
steht nur aus geborenen und von der Regierung ernannten Mit-
gliedern; die zweite wird durch eine dreifache Wahl mit hohem
Census gebildet. Daß diese Grundsätze mit der jetzigen Zeit im
schneidenden Widerspruch stehen, darüber herrscht unter allen Par-
teien kein Zweifel, wohl aber über den Weg der Reform. Hierüber
haben sich drei Parteien gebildet; die extremste verlangt augenblick-
liche Aufhebung der ersten Kammer und Zusammenberufung einer
constituirenden Versammlung; die zweite Partei will Auflösung der
zweiten Kammer, nachdem von derselben noch ein Gesetz über die neue
Bildung der Volksvertretung erledigt worden ist, was so lange
Geltung haben soll, bis die Reichsverfassung beendigt ist. Die
dritte Partei erklärt sich gegen die Auflösung und will erst, nach-
dem das Werk zu Frankfurt abgeschlossen ist, die Hand an Um-
gestaltung der Territorialverfassung legen. Hr. Jaup hat sich
für diese letztere Ansicht erklärt. Nachdem nun gestern Abend
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] freiung von Polen. Nach Aufhebung von Posen würde eine
neue Eruption über Europa kommen, dessen seyen Sie versichert.
Jch will, daß die Minister ein neues Völkerrecht anbahnen;
jetzt herrscht Anarchie; die alten Verträge gelten nicht mehr, und
neue sind noch nicht gemacht. Jch beantrage, daß die angenom-
mene Theilung, als der endlichen Lösung der europäischen Frage
wegen Polens vorgreifend, aufgehoben und ein Congreß für die
Wiederherstellung Polens im Vereine mit England und Frank-
reich veranlaßt werde.“

An Ruge schloß sich Wiesner an: „Das Vorparlament,
sprach er, hat ohne viele Worte zu verlieren, die Theilung Po-
lens für ein schmachvolles Unrecht erklärt, und Gerechtigkeit für
eine Pflicht des deutschen Volkes, nicht der Fürsten erachtet.
Dies geschah vor wenigen Monaten, und jetzt wollen wir
dem Beschlusse untreu werden? Wir, denen man vorwirft,
Preußen zu beleidigen, sagen, daß die Deutschen in Posen
auch ohne Einverleibung nicht schutzlos sind, da Preußen
sie beschützt!“ Der jetzige Zeitpunkt, wo Slaven sich überall
erheben, ist der ungeeignetste für die Einverleibung. Wir
müssen in Bezug auf Polen bei dem Beschlusse des Vorpar-
laments bleiben. Thinnes von Eichstädt beantragt, daß die in
Posen gezogene Grenzlinie für nicht geschehen betrachtet, die
Wahlen für nichtig erklärt werden. Dagegen soll mittelst einer
Versammlung aus Wahlen in dem ganzen Großherzogthum Po-
sen die Realunion Posens, als eines besonderen Staates, mit
Deutschland bewirkt werden. Der Redner erklärt, eher für alles
Andere als für den Ausschußantrag stimmen zu können. Giskra
verlangt, daß die Sympathien für Polen, die auch er jetzt noch
hat, ihre Grenze in der Nothwendigkeit der Berücksichtigung des
nationalen Jnteresse finden. Polen kann gegenwärtig nicht selbst-
ständig werden; auch hegt nur der Adel den Wunsch. Dies haben
die Ereignisse in Galizien gezeigt. Das Vorparlament hat die Frage
für eine offene erklärt; der Fünfzigerausschuß wäre über sein
Mandat hinausgegangen, wenn er einen Beschluß gefaßt hätte.
Die Nationalversammlung hat das Recht zu entscheiden. Eine
Commission würde zwecklos seyn, und wir würden nichts an-
deres erfahren, als was wir wissen. Der Redner macht den
Antrag, daß die Entscheidung über die endliche Abgrenzung nach
dem Ergebniß der von der Centralgewalt gepflogenen Er-
hebungen geschehen solle. Venedey geht auf eine längere Dar-
legung der Vorgänge in Posen ein, aus denen sich ergebe, daß
gegen die Polen mit List und Zweideutigkeit gehandelt worden
sey, und erklärt sich gegen den Ausschußantrag. Janiczewsky
nimmt das Wort, um persönliche Angriffe zurückzuweisen. Der
Präsident fragt nunmehr, ob die Versammlung Schluß der Ver-
handlung wolle. Die Frage wird bejaht. Plattner von
Halberstadt verlangt namentliche Abstimmung, was fast von der
ganzen Versammlung angenommen wird.

Berlin 22. Juli. ( N. C. ) Der constitutionelle Con-
greß
hat so eben seine erste Sitzung geschlossen; ich beeile mich,
Jhnen einige Mittheilungen darüber zu machen. Vertreten wa-
ren etwa 90 Vereine, von denen einige noch eine große Anzahl
Filialvereine repräsentirten, so der Leipziger deutsche, hinter dem
etliche 40 Vereine stehen, so der Weimarer, als Vorort der
thüringischen Vereine; nicht=preußische waren es fünf, nämlich
außer jenen beiden noch ein Leipziger, Dresdner und Nürnber-
ger. Bei der Abstimmung wurde zuerst ausgesprochen, daß der
Congreß die Beschlüsse der Nationalversammlung für unbedingt
bindend erachte den einzelnen Regierungen gegenüber, mit 67
gegen 20 Stimmen. Zweitens, daß der Congreß die Jndividua-
lität der einzelnen Staaten für vereinbar damit halte, mit 60
gegen 27 Stimmen. Dann, daß die Vereine die Einheit Deutsch-
lands unter einer gemeinsamen volksthümlichen constitutionell-
monarchischen Regierung erstreben, 52 gegen 36. Endlich der
Antrag, der Congreß erkläre seine freudige Zustimmung zu der
Wahl Johanns; durch Acclamation angenommen.

Berlin 22. Juli. ( Karlsr. Z. ) Das Ergebniß der frei-
willigen
Staatsanleihe hat sich in den letzten Tagen als ein
solches dargestellt, daß das Finanzministerium die beabsichtigte
Zwangsanleihe vermuthlich gänzlich fallen lassen wird. Berlin
allein hat bis jetzt gegen fünf Millionen beigesteuert, welche Hal-
tung der Hauptstadt wohl mehr als alle anderen Versuche zur
Beschwichtigung der gereizten Stimmung, die in den alten Pro-
vinzen gegen Berlin theilweise herrscht, beitragen wird. Die
Bedeutsamkeit des überaus günstigen Ergebnisses der freiwilligen
Staatsanleihe wird sich namentlich in dem höheren Aufschwung
des Handels und Verkehrs und in der Belebung des Vertrauens
auf das erfreulichste bewähren. Wenn neu erbaute Häuser, deren
Bau ( Grund und Boden gar nicht gerechnet ) auf 19,000 Thaler
zu stehen kam, jetzt im Versteigerungsfalle zu 7000 Thaler los-
geschlagen werden, so sind das Thatsachen, deren Handgreiflich-
[Spaltenumbruch] keit der Berliner Bürger versteht. Seyen Sie versichert, es wird
besser bei uns: das Revolutions spielen, was hier in letzter
Zeit grassirte, ist vorbei.

Stuttgart 23. Juli. ( D. Z. ) Man erfährt heute hier,
daß der König das Theater in der hiesigen Stadt auf die Dauer
von 14 Monaten geschlossen hat. Man erinnert sich, daß kürz-
lich der König auf 200,000 fl. von seiner Civilliste für künftiges
Jahr verzichtet hat. Das Theater war ursprünglich Staatsan-
stalt, später übernahm es gegen einen jährlichen Zusatz von
50,000 fl. zur Civilliste der König. Der Schlag ist für die Stadt
hart, noch viel härter ist die Maßregel für die vielen Familien
von deren Häuptern weit nicht alle durch ihre Contracte gegen
die natürlich jetzt erfolgende Entlassung geschützt sind. [ Wir
möchten wissen, ob auch die Stuttgarter Lola Montez, Mamsell
Stubenrauch, zu diesen abgedankten Häuptern gehört? ]

Darmstadt 24. Juli. ( O. P. A. Z. ) Heute hat der neue Mi-
nister, Herr Jaup, in der zweiten Kammer der Stände einen
sehr ausführlichen Vortrag gehalten über die Frage von Auf-
lösung der Kammern, und Berufung einer constituirenden Kam-
mer. Der Herr Minister sprach sich bestimmt dagegen aus, als
nicht nothwendig, ja als unzeitig und schädlich nach den bestehen-
den politischen Conjecturen. Er stellte als erste zu beobach-
tende Norm das Halten der bestehenden Verfassung auf, als
zweite die strenge Erfüllung des 6 März in allen seinen nothwen-
digen und natürlichen Consequenzen, als dritte die Befolgung
der Beschlüsse der Nationalversammlung, der Vertreterin der Sou-
veränetät der gesammten deutschen Nation. Redner erkannte die
unbedingte Unterordnung unter sie und die Centralgewalt, die von
ihr geschaffen worden, ausdrücklich an. Daraus folgerte er aber
auch im Verlaufe seines Vortrages, wie unangemessen es seyn würde,
ein neues Wahlgesetz geben zu wollen, bevor man noch die Bestim-
mungen der Nationalversammlung über Census, Art der Wahl,
Zahl der Vertretung, Ein= oder Zweikammersystem kenne. Er
hielt die politischen Verhältnisse, namentlich auch den Frieden
mit dem Auslande für zu wenig gesichert, die herrschende Auf-
regung immer noch für zu groß, um mit Klugheit so wichtige
Veränderungen in unserer Staatsverfassung im Augenblicke vor-
nehmen zu können. Es erscheine viel rathsamer, erst die noch
nöthigen wichtigsten Geschäfte zu erledigen, worüber man sich in
einer gemeinschaftlichen Sitzung mit den Regierungscommissären
verständigen könne, dann die Stände zu vertagen, sie aber als-
bald wieder zur Berathung einer neuen Wahlordnung einzu-
berufen, wenn die Entscheidungen der Nationalversammlung dies
mit Erfolg und Sicherheit thunlich machten. Hiermit sey auch
ein Mann vollkommen einverstanden, der das Vertrauen von
ganz Deutschland besitze, Heinrich von Gagern. Der Mi-
nister sprach sich in seinem Vortrage stets für Festhalten und
Fortbilden der errungenen Freiheiten, aber auch überall auf's
entschiedenste für strenge Handhabung der Ordnung, und nur
für Reformen auf dem gesetzlichen Wege aus. Er zeigte, wie
nöthig es sey, den Credit wieder zu befestigen, die Gewerbe
und den Handel zu heben und wie dies nur auf diesem Wege
geschehen könne. — Die erwähnte Zusammenkunft der Regie-
rungscommissäre mit der Kammer fand heute Abend um 7 Uhr
statt. Wie man vernimmt, wurde aber nichts Bestimmtes festge-
setzt. Dagegen hört man, daß die Opposition sich nicht von den
so triftigen Gründen des Herrn Ministers habe belehren lassen,
sondern daß sie sich in Privatzusammenkünften bemühe, die Ma-
jorität für ihre Zwecke in der Kammer zu erlangen.

Darmstadt 25. Juli. ( O. P. A. Z. ) Heute hat sich, wie ich aus
sicherer Quelle mittheilen kann, eine Coalition gebildet, die mor-
gen den Kampf in der Kammer eröffnen will, einen Kampf, den
Jaup's Ministerium, ich glaube dies mit Bestimmtheit sagen zu
können, nicht überleben wird. — Die Zusammensetzung
unserer ersten und der Wahlmodus unserer zweiten Kammer ist
anerkannt in hohem Grade mangelhaft. Die erste Kammer be-
steht nur aus geborenen und von der Regierung ernannten Mit-
gliedern; die zweite wird durch eine dreifache Wahl mit hohem
Census gebildet. Daß diese Grundsätze mit der jetzigen Zeit im
schneidenden Widerspruch stehen, darüber herrscht unter allen Par-
teien kein Zweifel, wohl aber über den Weg der Reform. Hierüber
haben sich drei Parteien gebildet; die extremste verlangt augenblick-
liche Aufhebung der ersten Kammer und Zusammenberufung einer
constituirenden Versammlung; die zweite Partei will Auflösung der
zweiten Kammer, nachdem von derselben noch ein Gesetz über die neue
Bildung der Volksvertretung erledigt worden ist, was so lange
Geltung haben soll, bis die Reichsverfassung beendigt ist. Die
dritte Partei erklärt sich gegen die Auflösung und will erst, nach-
dem das Werk zu Frankfurt abgeschlossen ist, die Hand an Um-
gestaltung der Territorialverfassung legen. Hr. Jaup hat sich
für diese letztere Ansicht erklärt. Nachdem nun gestern Abend
[Ende Spaltensatz]

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[0002] freiung von Polen. Nach Aufhebung von Posen würde eine neue Eruption über Europa kommen, dessen seyen Sie versichert. Jch will, daß die Minister ein neues Völkerrecht anbahnen; jetzt herrscht Anarchie; die alten Verträge gelten nicht mehr, und neue sind noch nicht gemacht. Jch beantrage, daß die angenom- mene Theilung, als der endlichen Lösung der europäischen Frage wegen Polens vorgreifend, aufgehoben und ein Congreß für die Wiederherstellung Polens im Vereine mit England und Frank- reich veranlaßt werde.“ An Ruge schloß sich Wiesner an: „Das Vorparlament, sprach er, hat ohne viele Worte zu verlieren, die Theilung Po- lens für ein schmachvolles Unrecht erklärt, und Gerechtigkeit für eine Pflicht des deutschen Volkes, nicht der Fürsten erachtet. Dies geschah vor wenigen Monaten, und jetzt wollen wir dem Beschlusse untreu werden? Wir, denen man vorwirft, Preußen zu beleidigen, sagen, daß die Deutschen in Posen auch ohne Einverleibung nicht schutzlos sind, da Preußen sie beschützt!“ Der jetzige Zeitpunkt, wo Slaven sich überall erheben, ist der ungeeignetste für die Einverleibung. Wir müssen in Bezug auf Polen bei dem Beschlusse des Vorpar- laments bleiben. Thinnes von Eichstädt beantragt, daß die in Posen gezogene Grenzlinie für nicht geschehen betrachtet, die Wahlen für nichtig erklärt werden. Dagegen soll mittelst einer Versammlung aus Wahlen in dem ganzen Großherzogthum Po- sen die Realunion Posens, als eines besonderen Staates, mit Deutschland bewirkt werden. Der Redner erklärt, eher für alles Andere als für den Ausschußantrag stimmen zu können. Giskra verlangt, daß die Sympathien für Polen, die auch er jetzt noch hat, ihre Grenze in der Nothwendigkeit der Berücksichtigung des nationalen Jnteresse finden. Polen kann gegenwärtig nicht selbst- ständig werden; auch hegt nur der Adel den Wunsch. Dies haben die Ereignisse in Galizien gezeigt. Das Vorparlament hat die Frage für eine offene erklärt; der Fünfzigerausschuß wäre über sein Mandat hinausgegangen, wenn er einen Beschluß gefaßt hätte. Die Nationalversammlung hat das Recht zu entscheiden. Eine Commission würde zwecklos seyn, und wir würden nichts an- deres erfahren, als was wir wissen. Der Redner macht den Antrag, daß die Entscheidung über die endliche Abgrenzung nach dem Ergebniß der von der Centralgewalt gepflogenen Er- hebungen geschehen solle. Venedey geht auf eine längere Dar- legung der Vorgänge in Posen ein, aus denen sich ergebe, daß gegen die Polen mit List und Zweideutigkeit gehandelt worden sey, und erklärt sich gegen den Ausschußantrag. Janiczewsky nimmt das Wort, um persönliche Angriffe zurückzuweisen. Der Präsident fragt nunmehr, ob die Versammlung Schluß der Ver- handlung wolle. Die Frage wird bejaht. Plattner von Halberstadt verlangt namentliche Abstimmung, was fast von der ganzen Versammlung angenommen wird. Berlin 22. Juli. ( N. C. ) Der constitutionelle Con- greß hat so eben seine erste Sitzung geschlossen; ich beeile mich, Jhnen einige Mittheilungen darüber zu machen. Vertreten wa- ren etwa 90 Vereine, von denen einige noch eine große Anzahl Filialvereine repräsentirten, so der Leipziger deutsche, hinter dem etliche 40 Vereine stehen, so der Weimarer, als Vorort der thüringischen Vereine; nicht=preußische waren es fünf, nämlich außer jenen beiden noch ein Leipziger, Dresdner und Nürnber- ger. Bei der Abstimmung wurde zuerst ausgesprochen, daß der Congreß die Beschlüsse der Nationalversammlung für unbedingt bindend erachte den einzelnen Regierungen gegenüber, mit 67 gegen 20 Stimmen. Zweitens, daß der Congreß die Jndividua- lität der einzelnen Staaten für vereinbar damit halte, mit 60 gegen 27 Stimmen. Dann, daß die Vereine die Einheit Deutsch- lands unter einer gemeinsamen volksthümlichen constitutionell- monarchischen Regierung erstreben, 52 gegen 36. Endlich der Antrag, der Congreß erkläre seine freudige Zustimmung zu der Wahl Johanns; durch Acclamation angenommen. Berlin 22. Juli. ( Karlsr. Z. ) Das Ergebniß der frei- willigen Staatsanleihe hat sich in den letzten Tagen als ein solches dargestellt, daß das Finanzministerium die beabsichtigte Zwangsanleihe vermuthlich gänzlich fallen lassen wird. Berlin allein hat bis jetzt gegen fünf Millionen beigesteuert, welche Hal- tung der Hauptstadt wohl mehr als alle anderen Versuche zur Beschwichtigung der gereizten Stimmung, die in den alten Pro- vinzen gegen Berlin theilweise herrscht, beitragen wird. Die Bedeutsamkeit des überaus günstigen Ergebnisses der freiwilligen Staatsanleihe wird sich namentlich in dem höheren Aufschwung des Handels und Verkehrs und in der Belebung des Vertrauens auf das erfreulichste bewähren. Wenn neu erbaute Häuser, deren Bau ( Grund und Boden gar nicht gerechnet ) auf 19,000 Thaler zu stehen kam, jetzt im Versteigerungsfalle zu 7000 Thaler los- geschlagen werden, so sind das Thatsachen, deren Handgreiflich- keit der Berliner Bürger versteht. Seyen Sie versichert, es wird besser bei uns: das Revolutions spielen, was hier in letzter Zeit grassirte, ist vorbei. Stuttgart 23. Juli. ( D. Z. ) Man erfährt heute hier, daß der König das Theater in der hiesigen Stadt auf die Dauer von 14 Monaten geschlossen hat. Man erinnert sich, daß kürz- lich der König auf 200,000 fl. von seiner Civilliste für künftiges Jahr verzichtet hat. Das Theater war ursprünglich Staatsan- stalt, später übernahm es gegen einen jährlichen Zusatz von 50,000 fl. zur Civilliste der König. Der Schlag ist für die Stadt hart, noch viel härter ist die Maßregel für die vielen Familien von deren Häuptern weit nicht alle durch ihre Contracte gegen die natürlich jetzt erfolgende Entlassung geschützt sind. [ Wir möchten wissen, ob auch die Stuttgarter Lola Montez, Mamsell Stubenrauch, zu diesen abgedankten Häuptern gehört? ] Darmstadt 24. Juli. ( O. P. A. Z. ) Heute hat der neue Mi- nister, Herr Jaup, in der zweiten Kammer der Stände einen sehr ausführlichen Vortrag gehalten über die Frage von Auf- lösung der Kammern, und Berufung einer constituirenden Kam- mer. Der Herr Minister sprach sich bestimmt dagegen aus, als nicht nothwendig, ja als unzeitig und schädlich nach den bestehen- den politischen Conjecturen. Er stellte als erste zu beobach- tende Norm das Halten der bestehenden Verfassung auf, als zweite die strenge Erfüllung des 6 März in allen seinen nothwen- digen und natürlichen Consequenzen, als dritte die Befolgung der Beschlüsse der Nationalversammlung, der Vertreterin der Sou- veränetät der gesammten deutschen Nation. Redner erkannte die unbedingte Unterordnung unter sie und die Centralgewalt, die von ihr geschaffen worden, ausdrücklich an. Daraus folgerte er aber auch im Verlaufe seines Vortrages, wie unangemessen es seyn würde, ein neues Wahlgesetz geben zu wollen, bevor man noch die Bestim- mungen der Nationalversammlung über Census, Art der Wahl, Zahl der Vertretung, Ein= oder Zweikammersystem kenne. Er hielt die politischen Verhältnisse, namentlich auch den Frieden mit dem Auslande für zu wenig gesichert, die herrschende Auf- regung immer noch für zu groß, um mit Klugheit so wichtige Veränderungen in unserer Staatsverfassung im Augenblicke vor- nehmen zu können. Es erscheine viel rathsamer, erst die noch nöthigen wichtigsten Geschäfte zu erledigen, worüber man sich in einer gemeinschaftlichen Sitzung mit den Regierungscommissären verständigen könne, dann die Stände zu vertagen, sie aber als- bald wieder zur Berathung einer neuen Wahlordnung einzu- berufen, wenn die Entscheidungen der Nationalversammlung dies mit Erfolg und Sicherheit thunlich machten. Hiermit sey auch ein Mann vollkommen einverstanden, der das Vertrauen von ganz Deutschland besitze, Heinrich von Gagern. Der Mi- nister sprach sich in seinem Vortrage stets für Festhalten und Fortbilden der errungenen Freiheiten, aber auch überall auf's entschiedenste für strenge Handhabung der Ordnung, und nur für Reformen auf dem gesetzlichen Wege aus. Er zeigte, wie nöthig es sey, den Credit wieder zu befestigen, die Gewerbe und den Handel zu heben und wie dies nur auf diesem Wege geschehen könne. — Die erwähnte Zusammenkunft der Regie- rungscommissäre mit der Kammer fand heute Abend um 7 Uhr statt. Wie man vernimmt, wurde aber nichts Bestimmtes festge- setzt. Dagegen hört man, daß die Opposition sich nicht von den so triftigen Gründen des Herrn Ministers habe belehren lassen, sondern daß sie sich in Privatzusammenkünften bemühe, die Ma- jorität für ihre Zwecke in der Kammer zu erlangen. Darmstadt 25. Juli. ( O. P. A. Z. ) Heute hat sich, wie ich aus sicherer Quelle mittheilen kann, eine Coalition gebildet, die mor- gen den Kampf in der Kammer eröffnen will, einen Kampf, den Jaup's Ministerium, ich glaube dies mit Bestimmtheit sagen zu können, nicht überleben wird. — Die Zusammensetzung unserer ersten und der Wahlmodus unserer zweiten Kammer ist anerkannt in hohem Grade mangelhaft. Die erste Kammer be- steht nur aus geborenen und von der Regierung ernannten Mit- gliedern; die zweite wird durch eine dreifache Wahl mit hohem Census gebildet. Daß diese Grundsätze mit der jetzigen Zeit im schneidenden Widerspruch stehen, darüber herrscht unter allen Par- teien kein Zweifel, wohl aber über den Weg der Reform. Hierüber haben sich drei Parteien gebildet; die extremste verlangt augenblick- liche Aufhebung der ersten Kammer und Zusammenberufung einer constituirenden Versammlung; die zweite Partei will Auflösung der zweiten Kammer, nachdem von derselben noch ein Gesetz über die neue Bildung der Volksvertretung erledigt worden ist, was so lange Geltung haben soll, bis die Reichsverfassung beendigt ist. Die dritte Partei erklärt sich gegen die Auflösung und will erst, nach- dem das Werk zu Frankfurt abgeschlossen ist, die Hand an Um- gestaltung der Territorialverfassung legen. Hr. Jaup hat sich für diese letztere Ansicht erklärt. Nachdem nun gestern Abend

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 43. Mainz, 28. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal043_1848/2>, abgerufen am 06.06.2024.