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Mainzer Journal. Nr. 37. Mainz, 22. Juli 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 37. Samstag, den 22. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 21. Juli. Nennt man eine Sitzung des Reichs-
tages dann interessant, wenn die Debatten mit größter Lebhaftig-
keit geführt werden, wenn alle Leidenschaften aufgeregt sind und
die Parteien, schroff gespalten, sich mit der größten Heftigkeit ge-
genseitig bekämpfen, unter dem Beifallssturme oder dem Toben der
Gallerie -- so waren es die Sitzungen der letzten Tage nicht, denn
im Ganzen hatte die Verhandlung einen sehr ruhigen und ernsten
Verlauf; wer aber Sinn hat für ächt parlamentarische Haltung,
und wer gewohnt ist mehr auf den Jnhalt als die Form der De-
batte zu sehen, weil er stets das zu gewinnende Resultat im
Auge hat, der muß gerade über die letzten drei Sitzungen sehr er-
freut und zufrieden seyn. Das wichtigste der Dienstagssitzung
( 18. Juli ) war unstreitig das Abweisen des Bassermann' schen
Antrags, die Beschränkung der namentlichen Abstimmung
betreffend. Mochten er und die 64 Mitunterzeichneten immerhin die
Ansicht haben, durch die beantragte Beschränkung den schnelleren
Gang der Verhandlung zu fördern und mit der Zeitersparniß zu-
gleich Vermeidung der Aufregung zu gewinnen, für die Sache
der Freiheit konnte er gefährlich werden und darum ist sein Ab-
weisen, und die Art und Weise, wie es geschehen, höchst bemer-
kenswerth. Consequenz ist nicht aller Leute Sache! Wie Viele
gibt es, welche stets die Freiheit im Munde führen, thatsächlich
aber in den Kreisen, wo sie etwas zu befehlen haben, von Freiheit
für Andere nichts wissen wollen; wie weit mehr noch Solche, die
es zusammenreimen können, daß neben der absoluten Freiheit in
einer Beziehung, die unerträglichste Fesselung in anderer Bezie-
hung bestehe. Wir wollen nur hinweisen auf die wichtige Frage
wegen der Freiheit der Kirche und der Schule. Gibt es nicht
"freisinnige" Männer genug, die, wenn etwas darauf ankommt,
für die Kirche die einschränkendsten Verordnungen gutheißen und
decretiren, und, "aus lauter Liebe zur Freiheit," für den
Unterricht ein freiheitsmörderisches Staatsmonopol einführen
würden? Sitzen deren nicht auch hinreichend mit in der
Paulskirche, die demnächst, nachdem sie bisher für Alles, was
Freiheit versprach, gesprochen, in kirchlicher Beziehung für das
Fortbestehen der büreaukratischen Bevormundung, und in Schul-
angelegenheiten gegen das freie Recht der Eltern und Gemeinden
stimmen könnten? Allen diesen inconsequenten Freisinnigen ist
durch die namentliche Abstimmung, die unbeschränkt
fortbesteht, jetzt die Nothwendigkeit aufgelegt, consequent zu
seyn, und also auch für Kirche und Unterricht Freiheit zu gewäh-
ren. Wenn jetzt bei solch wichtigen Fragen der Name eines jeden
Abgeordneten im Protokoll sich findet, wenn das Volk, das den
Mann gewählt, sich auf diese Art überzeugen kann, wie derselbe
seiner Pflicht genügt und des Volkes Recht und Willen gewahrt
hat, so wird auch der Beschluß ein solcher seyn, wie eben das
deutsche Volk ihn wünscht und will. Lassaulx hat das Ver-
dienst in dieser Verhandlung die Sache der Freiheit am kräftigsten
und klarsten verfochten zu haben, und man muß der Linken die
Gerechtigkeit nachrühmen, womit sie die Entwickelung des bei ihr
sonst wenig beliebten Redners aufgenommen hat.

Jn der Mittwochsitzung war die Würde wohlthuend, in der
die ganze Verhandlung sich bewegte, worin Ruhe mit Entschie-
denheit in schönster Mischung geeinigt war. Allen schien es klar
zu seyn, was die Würde Deutschlands Holland ge-
genüber
in der limburg'schen Angelegenheit erheische, aber es
kam in die Debatte auch nicht ein Mißton, wie solches z. B. noch
kurz vorher bei der Berathung über die hannover'sche Frage der
Fall gewesen. Solche Verhandlungen flößen Achtung ein, und
außer dem eigentlichen Resultate, der Sicherstellung der Rechte
des deutschen Herzogthums Limburg, hat der Reichstag für sich
selbst an diesem Tage einen großen Gewinn gemacht. Die Don-
nerstagsitzung hat auf's neue dazu beigetragen, das Band zwischen
Reichsverweser und Reichstag enger zu knüpfen. Des Reichsver-
wesers Antrag, keine Civilliste anzunehmen, gab Gele-
genheit zu einer neuen Manifestation der Hochachtung für das
selbstgewählte Reichsoberhaupt, und -- ein paar Stimmen Derer
abgerechnet, die einen Ruhm darein zu setzen scheinen, stets anders
zu stimmen, als die Majorität, zeigte sich eine fast an Einstimmig-
keit gränzende Gesinnung, die in dem Beschlusse, auf Kosten der
Nation dem Reichsverweser eine Wohnung zur Verfügung zu
[Spaltenumbruch] stellen, ihren Ausdruck fand. Zudem ward in diesen Sitzungen
die Discussion über die ersten Paragraphen der Gundrechte so
weit geführt, daß die Abstimmung darüber erfolgen konnt. Merke
nun auf deutsches Volk und höre! Der Artikel I. deiner Grund-
rechte lautet wie folgt:

§. 1. Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht.
Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen
Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversamm-
lung zu wählen, verfügt das deutsche Reichswahlgesetz.

§. 2. Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des
Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegen-
schaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen, jeden
Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu ge-
winnen. Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz
werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbebetrieb
durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichs-
gewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichs-
gesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen
in jedem einzelnen Staate Deutschlands unter denselben Bedin-
gungen, wie den Angehörigen dieses Staates zu. Kein deutscher
Staat darf zwischen seinen Angehörigen und den Angehörigen
eines andern deutschen Staates einen Unterschied bezüglich des
bürgerlichen, peinlichen und Prozeßrechts machen, wodurch die
letztern als Ausländer zurückgesetzt werden.

§. 3. Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deut-
schen Staats darf an keine anderen Bedingungen geknüpft werden,
als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden Un-
terhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie beziehen.

§. 4. Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden
und da, wo sie bereits ausgesprochen ist, in ihren Wirkungen
aufhören, insoweit erworbene Privatrechte hierdurch nicht verletzt
werden.

§. 5. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht
beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Die
Auswanderungsangelegenheit steht unter dem Schutze und der
Fürsorge des Reiches.

# Frankfurt 21. Juli. Nach Erledigung der sehr ver-
wickelten Abstimmung über die Grundrechte ( s. oben ) wurden zwei
Anträge zur Sprache gebracht, welche gewissen §§. des Entwurfs
die Priorität der Verhandlung erwirken wollten. Außer der Ab-
lehnung ist besonders die Weise bemerkenswerth, in welcher
Martiny als Antragsteller das Mißfallen der Versammlung
und die Zurechtweisung des Präsidiums sich zu erwerben gewußt.

Frankfurt 21. Juli. Durch einen Eilboten ist die Nachricht
hierher gelangt, daß der Erzherzog=Reichsverweser nach einer
mit größter Schnelligkeit zurückgelegten Reise bereits am 17. Juli
Nachmittags um 4 Uhr, in Wien angekommen ist.

Wien 17. Juli. ( Z. H. ) Die heutige, vierte, vorberathende
Reichstagssitzung war ganz unerheblich, abermals Berichte der
Wahlcommissionen. Gestern hielt der Ausschuß für Sicher-
heit und Wahrung der Volksrechte
eine Vor= und Nach-
mittagssitzung, welche die Theilnahme der ganzen Stadt in An-
spruch nahm. Es kam nämlich die Lebensfrage des Aus-
schusses, das Fortbestehen oder Auflösen, zur Debatte. Die
Deputirten fanden sich sehr zahlreich ein und die Gallerien waren
bereits zwei Stunden vor Eröffnung der Sitzung überfüllt. Un-
zählige Redner nahmen das Wort, nur zweie sprachen für
Auflösung,
alle übrigen für das Fortbestehen, die meisten für
unbedingtes unverändertes Fortbestehen, einige wenige wollten
ein Verschmelzen mit dem Gemeindeausschusse. Endlich um
10 Uhr Abends wurde die Frage, ob der Ausschuß unverändert
fortbestehen solle, gestellt und fast einstimmig angenom-
men.
Als einzige Bedingung der Auflösung wurde der Wille
des Reichstages angenommen.

Breslau 17. Juli. ( K. Z. ) Gestern fand hier eine Ver-
sammlung sämmtlicher demokratischer Vereine der Provinz Statt;
die auswärtigen waren durch Deputirte vertreten. Das Ergebniß
ist ein ganz anderes geworden, als der hiesige demokratische
Verein erwartet; denn bei der Abstimmung über die Frage,
welche Regierungsform als die beste und daher für Preußen und
Deutschland zu erstrebende anzunehmen sei, entschied sich die große
Mehrheit für die constitutionelle Monarchie, und die
Republik hatte ihre Vertreter hauptsächlich nur hier in Bres-
lau. Es ist dieses Resultat von großer Wichtigkeit und beweis't,
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 37. Samstag, den 22. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.
Reichstag.

f Frankfurt 21. Juli. Nennt man eine Sitzung des Reichs-
tages dann interessant, wenn die Debatten mit größter Lebhaftig-
keit geführt werden, wenn alle Leidenschaften aufgeregt sind und
die Parteien, schroff gespalten, sich mit der größten Heftigkeit ge-
genseitig bekämpfen, unter dem Beifallssturme oder dem Toben der
Gallerie — so waren es die Sitzungen der letzten Tage nicht, denn
im Ganzen hatte die Verhandlung einen sehr ruhigen und ernsten
Verlauf; wer aber Sinn hat für ächt parlamentarische Haltung,
und wer gewohnt ist mehr auf den Jnhalt als die Form der De-
batte zu sehen, weil er stets das zu gewinnende Resultat im
Auge hat, der muß gerade über die letzten drei Sitzungen sehr er-
freut und zufrieden seyn. Das wichtigste der Dienstagssitzung
( 18. Juli ) war unstreitig das Abweisen des Bassermann' schen
Antrags, die Beschränkung der namentlichen Abstimmung
betreffend. Mochten er und die 64 Mitunterzeichneten immerhin die
Ansicht haben, durch die beantragte Beschränkung den schnelleren
Gang der Verhandlung zu fördern und mit der Zeitersparniß zu-
gleich Vermeidung der Aufregung zu gewinnen, für die Sache
der Freiheit konnte er gefährlich werden und darum ist sein Ab-
weisen, und die Art und Weise, wie es geschehen, höchst bemer-
kenswerth. Consequenz ist nicht aller Leute Sache! Wie Viele
gibt es, welche stets die Freiheit im Munde führen, thatsächlich
aber in den Kreisen, wo sie etwas zu befehlen haben, von Freiheit
für Andere nichts wissen wollen; wie weit mehr noch Solche, die
es zusammenreimen können, daß neben der absoluten Freiheit in
einer Beziehung, die unerträglichste Fesselung in anderer Bezie-
hung bestehe. Wir wollen nur hinweisen auf die wichtige Frage
wegen der Freiheit der Kirche und der Schule. Gibt es nicht
„freisinnige“ Männer genug, die, wenn etwas darauf ankommt,
für die Kirche die einschränkendsten Verordnungen gutheißen und
decretiren, und, „aus lauter Liebe zur Freiheit,“ für den
Unterricht ein freiheitsmörderisches Staatsmonopol einführen
würden? Sitzen deren nicht auch hinreichend mit in der
Paulskirche, die demnächst, nachdem sie bisher für Alles, was
Freiheit versprach, gesprochen, in kirchlicher Beziehung für das
Fortbestehen der büreaukratischen Bevormundung, und in Schul-
angelegenheiten gegen das freie Recht der Eltern und Gemeinden
stimmen könnten? Allen diesen inconsequenten Freisinnigen ist
durch die namentliche Abstimmung, die unbeschränkt
fortbesteht, jetzt die Nothwendigkeit aufgelegt, consequent zu
seyn, und also auch für Kirche und Unterricht Freiheit zu gewäh-
ren. Wenn jetzt bei solch wichtigen Fragen der Name eines jeden
Abgeordneten im Protokoll sich findet, wenn das Volk, das den
Mann gewählt, sich auf diese Art überzeugen kann, wie derselbe
seiner Pflicht genügt und des Volkes Recht und Willen gewahrt
hat, so wird auch der Beschluß ein solcher seyn, wie eben das
deutsche Volk ihn wünscht und will. Lassaulx hat das Ver-
dienst in dieser Verhandlung die Sache der Freiheit am kräftigsten
und klarsten verfochten zu haben, und man muß der Linken die
Gerechtigkeit nachrühmen, womit sie die Entwickelung des bei ihr
sonst wenig beliebten Redners aufgenommen hat.

Jn der Mittwochsitzung war die Würde wohlthuend, in der
die ganze Verhandlung sich bewegte, worin Ruhe mit Entschie-
denheit in schönster Mischung geeinigt war. Allen schien es klar
zu seyn, was die Würde Deutschlands Holland ge-
genüber
in der limburg'schen Angelegenheit erheische, aber es
kam in die Debatte auch nicht ein Mißton, wie solches z. B. noch
kurz vorher bei der Berathung über die hannover'sche Frage der
Fall gewesen. Solche Verhandlungen flößen Achtung ein, und
außer dem eigentlichen Resultate, der Sicherstellung der Rechte
des deutschen Herzogthums Limburg, hat der Reichstag für sich
selbst an diesem Tage einen großen Gewinn gemacht. Die Don-
nerstagsitzung hat auf's neue dazu beigetragen, das Band zwischen
Reichsverweser und Reichstag enger zu knüpfen. Des Reichsver-
wesers Antrag, keine Civilliste anzunehmen, gab Gele-
genheit zu einer neuen Manifestation der Hochachtung für das
selbstgewählte Reichsoberhaupt, und — ein paar Stimmen Derer
abgerechnet, die einen Ruhm darein zu setzen scheinen, stets anders
zu stimmen, als die Majorität, zeigte sich eine fast an Einstimmig-
keit gränzende Gesinnung, die in dem Beschlusse, auf Kosten der
Nation dem Reichsverweser eine Wohnung zur Verfügung zu
[Spaltenumbruch] stellen, ihren Ausdruck fand. Zudem ward in diesen Sitzungen
die Discussion über die ersten Paragraphen der Gundrechte so
weit geführt, daß die Abstimmung darüber erfolgen konnt. Merke
nun auf deutsches Volk und höre! Der Artikel I. deiner Grund-
rechte lautet wie folgt:

§. 1. Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht.
Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen
Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversamm-
lung zu wählen, verfügt das deutsche Reichswahlgesetz.

§. 2. Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des
Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegen-
schaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen, jeden
Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu ge-
winnen. Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz
werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbebetrieb
durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichs-
gewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichs-
gesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen
in jedem einzelnen Staate Deutschlands unter denselben Bedin-
gungen, wie den Angehörigen dieses Staates zu. Kein deutscher
Staat darf zwischen seinen Angehörigen und den Angehörigen
eines andern deutschen Staates einen Unterschied bezüglich des
bürgerlichen, peinlichen und Prozeßrechts machen, wodurch die
letztern als Ausländer zurückgesetzt werden.

§. 3. Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deut-
schen Staats darf an keine anderen Bedingungen geknüpft werden,
als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden Un-
terhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie beziehen.

§. 4. Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden
und da, wo sie bereits ausgesprochen ist, in ihren Wirkungen
aufhören, insoweit erworbene Privatrechte hierdurch nicht verletzt
werden.

§. 5. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht
beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Die
Auswanderungsangelegenheit steht unter dem Schutze und der
Fürsorge des Reiches.

# Frankfurt 21. Juli. Nach Erledigung der sehr ver-
wickelten Abstimmung über die Grundrechte ( s. oben ) wurden zwei
Anträge zur Sprache gebracht, welche gewissen §§. des Entwurfs
die Priorität der Verhandlung erwirken wollten. Außer der Ab-
lehnung ist besonders die Weise bemerkenswerth, in welcher
Martiny als Antragsteller das Mißfallen der Versammlung
und die Zurechtweisung des Präsidiums sich zu erwerben gewußt.

Frankfurt 21. Juli. Durch einen Eilboten ist die Nachricht
hierher gelangt, daß der Erzherzog=Reichsverweser nach einer
mit größter Schnelligkeit zurückgelegten Reise bereits am 17. Juli
Nachmittags um 4 Uhr, in Wien angekommen ist.

Wien 17. Juli. ( Z. H. ) Die heutige, vierte, vorberathende
Reichstagssitzung war ganz unerheblich, abermals Berichte der
Wahlcommissionen. Gestern hielt der Ausschuß für Sicher-
heit und Wahrung der Volksrechte
eine Vor= und Nach-
mittagssitzung, welche die Theilnahme der ganzen Stadt in An-
spruch nahm. Es kam nämlich die Lebensfrage des Aus-
schusses, das Fortbestehen oder Auflösen, zur Debatte. Die
Deputirten fanden sich sehr zahlreich ein und die Gallerien waren
bereits zwei Stunden vor Eröffnung der Sitzung überfüllt. Un-
zählige Redner nahmen das Wort, nur zweie sprachen für
Auflösung,
alle übrigen für das Fortbestehen, die meisten für
unbedingtes unverändertes Fortbestehen, einige wenige wollten
ein Verschmelzen mit dem Gemeindeausschusse. Endlich um
10 Uhr Abends wurde die Frage, ob der Ausschuß unverändert
fortbestehen solle, gestellt und fast einstimmig angenom-
men.
Als einzige Bedingung der Auflösung wurde der Wille
des Reichstages angenommen.

Breslau 17. Juli. ( K. Z. ) Gestern fand hier eine Ver-
sammlung sämmtlicher demokratischer Vereine der Provinz Statt;
die auswärtigen waren durch Deputirte vertreten. Das Ergebniß
ist ein ganz anderes geworden, als der hiesige demokratische
Verein erwartet; denn bei der Abstimmung über die Frage,
welche Regierungsform als die beste und daher für Preußen und
Deutschland zu erstrebende anzunehmen sei, entschied sich die große
Mehrheit für die constitutionelle Monarchie, und die
Republik hatte ihre Vertreter hauptsächlich nur hier in Bres-
lau. Es ist dieses Resultat von großer Wichtigkeit und beweis't,
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 37. Samstag, den 22. Juli. 1848. Deutschland. Reichstag. f Frankfurt 21. Juli. Nennt man eine Sitzung des Reichs- tages dann interessant, wenn die Debatten mit größter Lebhaftig- keit geführt werden, wenn alle Leidenschaften aufgeregt sind und die Parteien, schroff gespalten, sich mit der größten Heftigkeit ge- genseitig bekämpfen, unter dem Beifallssturme oder dem Toben der Gallerie — so waren es die Sitzungen der letzten Tage nicht, denn im Ganzen hatte die Verhandlung einen sehr ruhigen und ernsten Verlauf; wer aber Sinn hat für ächt parlamentarische Haltung, und wer gewohnt ist mehr auf den Jnhalt als die Form der De- batte zu sehen, weil er stets das zu gewinnende Resultat im Auge hat, der muß gerade über die letzten drei Sitzungen sehr er- freut und zufrieden seyn. Das wichtigste der Dienstagssitzung ( 18. Juli ) war unstreitig das Abweisen des Bassermann' schen Antrags, die Beschränkung der namentlichen Abstimmung betreffend. Mochten er und die 64 Mitunterzeichneten immerhin die Ansicht haben, durch die beantragte Beschränkung den schnelleren Gang der Verhandlung zu fördern und mit der Zeitersparniß zu- gleich Vermeidung der Aufregung zu gewinnen, für die Sache der Freiheit konnte er gefährlich werden und darum ist sein Ab- weisen, und die Art und Weise, wie es geschehen, höchst bemer- kenswerth. Consequenz ist nicht aller Leute Sache! Wie Viele gibt es, welche stets die Freiheit im Munde führen, thatsächlich aber in den Kreisen, wo sie etwas zu befehlen haben, von Freiheit für Andere nichts wissen wollen; wie weit mehr noch Solche, die es zusammenreimen können, daß neben der absoluten Freiheit in einer Beziehung, die unerträglichste Fesselung in anderer Bezie- hung bestehe. Wir wollen nur hinweisen auf die wichtige Frage wegen der Freiheit der Kirche und der Schule. Gibt es nicht „freisinnige“ Männer genug, die, wenn etwas darauf ankommt, für die Kirche die einschränkendsten Verordnungen gutheißen und decretiren, und, „aus lauter Liebe zur Freiheit,“ für den Unterricht ein freiheitsmörderisches Staatsmonopol einführen würden? Sitzen deren nicht auch hinreichend mit in der Paulskirche, die demnächst, nachdem sie bisher für Alles, was Freiheit versprach, gesprochen, in kirchlicher Beziehung für das Fortbestehen der büreaukratischen Bevormundung, und in Schul- angelegenheiten gegen das freie Recht der Eltern und Gemeinden stimmen könnten? Allen diesen inconsequenten Freisinnigen ist durch die namentliche Abstimmung, die unbeschränkt fortbesteht, jetzt die Nothwendigkeit aufgelegt, consequent zu seyn, und also auch für Kirche und Unterricht Freiheit zu gewäh- ren. Wenn jetzt bei solch wichtigen Fragen der Name eines jeden Abgeordneten im Protokoll sich findet, wenn das Volk, das den Mann gewählt, sich auf diese Art überzeugen kann, wie derselbe seiner Pflicht genügt und des Volkes Recht und Willen gewahrt hat, so wird auch der Beschluß ein solcher seyn, wie eben das deutsche Volk ihn wünscht und will. Lassaulx hat das Ver- dienst in dieser Verhandlung die Sache der Freiheit am kräftigsten und klarsten verfochten zu haben, und man muß der Linken die Gerechtigkeit nachrühmen, womit sie die Entwickelung des bei ihr sonst wenig beliebten Redners aufgenommen hat. Jn der Mittwochsitzung war die Würde wohlthuend, in der die ganze Verhandlung sich bewegte, worin Ruhe mit Entschie- denheit in schönster Mischung geeinigt war. Allen schien es klar zu seyn, was die Würde Deutschlands Holland ge- genüber in der limburg'schen Angelegenheit erheische, aber es kam in die Debatte auch nicht ein Mißton, wie solches z. B. noch kurz vorher bei der Berathung über die hannover'sche Frage der Fall gewesen. Solche Verhandlungen flößen Achtung ein, und außer dem eigentlichen Resultate, der Sicherstellung der Rechte des deutschen Herzogthums Limburg, hat der Reichstag für sich selbst an diesem Tage einen großen Gewinn gemacht. Die Don- nerstagsitzung hat auf's neue dazu beigetragen, das Band zwischen Reichsverweser und Reichstag enger zu knüpfen. Des Reichsver- wesers Antrag, keine Civilliste anzunehmen, gab Gele- genheit zu einer neuen Manifestation der Hochachtung für das selbstgewählte Reichsoberhaupt, und — ein paar Stimmen Derer abgerechnet, die einen Ruhm darein zu setzen scheinen, stets anders zu stimmen, als die Majorität, zeigte sich eine fast an Einstimmig- keit gränzende Gesinnung, die in dem Beschlusse, auf Kosten der Nation dem Reichsverweser eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, ihren Ausdruck fand. Zudem ward in diesen Sitzungen die Discussion über die ersten Paragraphen der Gundrechte so weit geführt, daß die Abstimmung darüber erfolgen konnt. Merke nun auf deutsches Volk und höre! Der Artikel I. deiner Grund- rechte lautet wie folgt: §. 1. Jeder Deutsche hat das deutsche Reichsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Ueber das Recht zur deutschen Reichsversamm- lung zu wählen, verfügt das deutsche Reichswahlgesetz. §. 2. Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegen- schaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu ge- winnen. Die Bedingungen für den Aufenthalt und Wohnsitz werden durch ein Heimathsgesetz, jene für den Gewerbebetrieb durch eine Gewerbeordnung für ganz Deutschland von der Reichs- gewalt festgesetzt. Bis zur Erlassung der betreffenden Reichs- gesetze steht die Ausübung der gedachten Rechte jedem Deutschen in jedem einzelnen Staate Deutschlands unter denselben Bedin- gungen, wie den Angehörigen dieses Staates zu. Kein deutscher Staat darf zwischen seinen Angehörigen und den Angehörigen eines andern deutschen Staates einen Unterschied bezüglich des bürgerlichen, peinlichen und Prozeßrechts machen, wodurch die letztern als Ausländer zurückgesetzt werden. §. 3. Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deut- schen Staats darf an keine anderen Bedingungen geknüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden Un- terhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie beziehen. §. 4. Die Strafe des bürgerlichen Todes soll nicht stattfinden und da, wo sie bereits ausgesprochen ist, in ihren Wirkungen aufhören, insoweit erworbene Privatrechte hierdurch nicht verletzt werden. §. 5. Die Auswanderungsfreiheit ist von Staatswegen nicht beschränkt. Abzugsgelder dürfen nicht erhoben werden. Die Auswanderungsangelegenheit steht unter dem Schutze und der Fürsorge des Reiches. # Frankfurt 21. Juli. Nach Erledigung der sehr ver- wickelten Abstimmung über die Grundrechte ( s. oben ) wurden zwei Anträge zur Sprache gebracht, welche gewissen §§. des Entwurfs die Priorität der Verhandlung erwirken wollten. Außer der Ab- lehnung ist besonders die Weise bemerkenswerth, in welcher Martiny als Antragsteller das Mißfallen der Versammlung und die Zurechtweisung des Präsidiums sich zu erwerben gewußt. Frankfurt 21. Juli. Durch einen Eilboten ist die Nachricht hierher gelangt, daß der Erzherzog=Reichsverweser nach einer mit größter Schnelligkeit zurückgelegten Reise bereits am 17. Juli Nachmittags um 4 Uhr, in Wien angekommen ist. Wien 17. Juli. ( Z. H. ) Die heutige, vierte, vorberathende Reichstagssitzung war ganz unerheblich, abermals Berichte der Wahlcommissionen. Gestern hielt der Ausschuß für Sicher- heit und Wahrung der Volksrechte eine Vor= und Nach- mittagssitzung, welche die Theilnahme der ganzen Stadt in An- spruch nahm. Es kam nämlich die Lebensfrage des Aus- schusses, das Fortbestehen oder Auflösen, zur Debatte. Die Deputirten fanden sich sehr zahlreich ein und die Gallerien waren bereits zwei Stunden vor Eröffnung der Sitzung überfüllt. Un- zählige Redner nahmen das Wort, nur zweie sprachen für Auflösung, alle übrigen für das Fortbestehen, die meisten für unbedingtes unverändertes Fortbestehen, einige wenige wollten ein Verschmelzen mit dem Gemeindeausschusse. Endlich um 10 Uhr Abends wurde die Frage, ob der Ausschuß unverändert fortbestehen solle, gestellt und fast einstimmig angenom- men. Als einzige Bedingung der Auflösung wurde der Wille des Reichstages angenommen. Breslau 17. Juli. ( K. Z. ) Gestern fand hier eine Ver- sammlung sämmtlicher demokratischer Vereine der Provinz Statt; die auswärtigen waren durch Deputirte vertreten. Das Ergebniß ist ein ganz anderes geworden, als der hiesige demokratische Verein erwartet; denn bei der Abstimmung über die Frage, welche Regierungsform als die beste und daher für Preußen und Deutschland zu erstrebende anzunehmen sei, entschied sich die große Mehrheit für die constitutionelle Monarchie, und die Republik hatte ihre Vertreter hauptsächlich nur hier in Bres- lau. Es ist dieses Resultat von großer Wichtigkeit und beweis't,

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 37. Mainz, 22. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal037_1848/5>, abgerufen am 14.08.2024.