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Mainzer Journal. Nr. 29. Mainz, 14. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Kette umzogen, so daß ohne Hannovers und Sachsens zu
erwähnen, Württemberg, Baden, Nassau und Thüringen voll-
kommen militärisch umfaßt
und jenem ( dem preußi-
schen ) Systeme unterworfen wären. Hannover dürfte
zu schonen, ja zu schmeicheln, dabei aber doch im Geheimen zu
isoliren seyn. Sachsen wäre zu surveilliren, dabei aber doch
mit Mäßigung und Schonung zu behandeln, um vielleicht im Laufe
der Zeit eine Partei in Dresden zu bilden, die, wie nach dem sieben-
jährigen Kriege, klüglich die Vergangenheit vergessend, im Fall
des Ereignisses den Anschluß an den umgebenden
mächtigen Nachbar anriethe.
Am Bundestage hätte Preu-
ßen gemeinschaftlich mit Oesterreich über die Erhaltung der Ruhe
in Deutschland zu wachen und zugleich das repräsentativ-
demokratische System
( oder, wie es an einer andern
Stelle heißt, "die süddeutsche Schein=Constitutionalität " )
zu bekämpfen, dabei aber doch Alles so vorzubereiten, daß, wenn
einst eine Trennung Preußens von Oesterreich erfolgen und dem-
folge eine Spaltung Deutschlands stattfinden sollte, der
überwiegende Theil der Bundesstaaten sich für Preußen erklärte
und alsdann die vorhandenen Bundes=Formen nicht zu sehr
zum Nachtheile der preußischen Partei benutzt werden könnten."

Hoffentlich wird dieser gewiegte, in Zwecken und Mitteln
gleich wenig bedenkliche Diplomat es sich jetzt noch weit ange-
legener seyn lassen, die Souveränetäts=Eitelkeit des
Volkes
zu leiten, Deutschland mit einer Kette zu um-
ziehen, militärisch zu umfassen und dem altpreußi-
schen System zu unterwerfen,
eine Schein=Constitu-
tion
schaffen zu helfen, um sie dann nachgerade zu bekämpfen
und eine von ihm weise angenommene Spaltung Deutsch-
lands
herbeizuführen: eine Spaltung, die Preußen unrettbar
dem herbeigesehnten russischen Nachbar in die Arme werfen
würde; eine Spaltung, an welcher die Reaction jetzt, seit der
Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser in Wahrheit
an allen Ecken arbeitet! Wir hoffen, daß dem Hrn. v. Kür-
fer, um so ausgezeichnete Gesinnungen bethätigen zu können, recht
bald das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten in die
Hand gegeben werde, auf daß er uns die Segnungen seiner Po-
litik spenden könne.

A München 11. Juli. Die Ente, welche keck durch die
Spalten aller Tagesblätter schwamm und dann als Jrrlehre-
rin
den Flammen eines halbofficiellen Auto=da=fe, übergeben
wurde, scheint wie ein Phönix verjüngt aus der Asche hervorzu-
gehen. Man spricht hier nämlich viel davon, daß das durch die
Zeitungen gebrachte und durch die Zeitungen widerlegte Gerücht
einer bedeutenden Erbschaft, welche dem König Max aus der
Verlassenschaft der jüngst verstorbenen Churfürstin angefallen
seyn sollte, dennoch wohl begründet sey. Ein anderes Gerücht
geht zugleich damit in Schwange, wenn auch nur in engeren
Kreisen. Dasselbe ist aber von so hoher politischer Bedeutung
und dabei so überraschender Natur, daß ich vorziehe, vor der
Hand lediglich Jhre Neugierde rege zu erhalten 1).

== Aus der bayerischen Pfalz 12. Juli. Es geht hier das
uns von glaubhafter Seite bestätigte Gerücht, daß die bayerischen
Truppen aus der Pfalz und aus Baden zurückgezogen werden,
und wieder in ihre früheren Garnisonen zurückkehen. So viel
steht fest, daß bei uns bedeutende Truppenmassen Marschordre
über den Rhein erhalten haben und daß der dermaligen bayeri-
schen Besatzung zu Mannheim ebenfalls ein Befehl zum Aufbruch
geworden ist. Mißhelligkeiten zwischen dem bayerischen Truppen-
commando und der badischen Regierung, welche durch die Frage
über die Bestreitung der Unterhaltungskosten der Truppen ver-
anlaßt seyen, sollen die Ursache dieser Anordnung seyn. Das
wäre einmal wieder ein Stück deutscher Einheit! Nach Anderen
ist es ein strategischer Plan, die Pfalz und Baden von Truppen
zu entblößen. Sie können sich einbilden, daß, wenn man nach
einer kleinen Andeutung der Ursache und der Ausführung dieses
Kriegsplanes fragt, Stirnrunzeln und Achselzucken die inhalts-
schwere Antwort sind. Wie wir hören, ist übrigens schon von
Mannheim aus bei der großherzoglichen Staatsregierung gegen
den Abmarsch der Truppen aus dieser Stadt remonstrirt worden.
Halten wir damit zusammen, was das Mainzer Journal
( Nro. 25. ) von Gerüchten über neue Freischaarenzüge aus dem
Breisgau meldet, so werden dadurch diese militärischen Vorgänge
in ein eigenthümliches Licht gestellt.

x Miltenberg 7. Juli. Jn Rüdenau, einem benach-
barten Orte, wurden gestern durch Militärgewalt mehrere Ver-
haftungen vorgenommen. Es sollte nämlich unlängst ein dortiger
Wilderer auf Befehl des hiesigen Herrschaftsgerichts arretirt wer-

[Spaltenumbruch] den, allein die ganze Gemeinde warf sich zu dessen Schutz auf,
und die Gensdarmerie mußte unverrichteter Sache wieder nach
Hause gehen. Das Herrschaftsgericht requirirte sogleich die in
Amorbach liegende Jägerabtheilung, um die richterliche Autorität
aufrecht zu erhalten, doch siehe da, die Gemeinde griff zu den
Waffen, und als das Gericht mit Militär heranrückte, zogen die
Rüdenauer Bürger mit Mistgabeln, Hacken, Sensen und Ge-
wehren bewaffnet demselben entgegen. Die Jäger waren zu
schwach, um in einen Straßenkampf sich einlassen zu können,
zumal da die Aufrührer bewaffneten Zuzug aus dem hessischen
Odenwalde erwarteten, und deshalb mußten sich die Jäger wie-
der zurückziehen. Das Gericht berichtete hierauf per Estafette an
die Regierung nach Würzburg, welche umgehend mit einem
Extra=Dampfschiffe 350 Mann Jnfanterie mit 3 Kanonen und
der Weisung absandte, die in Amorbach und Ernstthal stationir-
ten Jäger an ihre Spitze zu stellen und alsdann Rüdenau um
jeden Preis zu nehmen. Heute Mittag kamen diese Truppen an;
eine Abtheilung umstellte das Dorf, während die andere hinein-
zog und von Haus zu Haus die Rädelsführer aufsuchte, die sich
theilweise in das Bettstroh verborgen hatten. Zu einem Wider-
stande kam es nicht, der versprochene Zuzug blieb aus, und die
armen Rüdenauer müssen nun dafür büßen, daß die benachbarte
Regierung hochverrätherischen, aufwieglerischen Unfug duldet,
der auch die Gränzorte verblendete und vergiftete. Acht Gefan-
gene wurden in Fesseln geschlagen und von dem Militär mitge-
nommen, dem der commandirende Major den Befehl vor ver-
sammelter Gemeinde gab, im Falle unterwegs eine Befreiung
der Gefangenen versucht werden sollte, zuerst diese niederzu-
schießen und hiernach sich der eigenen Haut zu wehren.

Heidelberg 9. Juli. ( Karlsr. Z. ) So sehr sich die hiesigen
Republikaner bemühen, sich und ihren Ansichten hier mehr Gel-
tung zu verschaffen, so wenig will es ihnen gelingen. Man tritt
immer entschiedener gegen sie und ihre Bestrebungen auf, und es
trifft in Heidelberg wenigstens die sogenannten "ruhigen" Bür-
ger nicht mehr der Vorwurf, als zeigten sie keine Energie, son-
dern ließen Alles seinen Gang gehen.

*** Aus dem Odenwald 7. Juli. Heute wurden in Erbach
zwei Knaben arretirt, welche schwarze Turnerhüte mit rothen
Bändern geschmückt trugen, und von Haus zu Haus gingen,
um ein Gedicht zu verbreiten, in welchem höchst naiv das deutsche
Volk aufgefordert wird, die Republik auszurufen und die Fürsten,
"die ausgedienten Raubgeschlechter" zu ermorden. Doch genüge
deren Vertilgung noch nicht, sondern zur Begründung der Re-
publik sey alsdann auch die Abschlachtung der Pfaffen und Aller,
die widerständen, nöthig. Wir sehen daraus, wie es um die
Freiheit der Presse und der Rede, ja überhaupt um unsere ganze
politische und religiöse Freiheit stehen würde, im Falle die repu-
blikanische Partei die Oberhand gewänne, und zweifeln sehr
daran, daß eine republikanische Regierung in Deutschland, wenn
sie zu Stande käme, Druckschriften und demokratische Vereine
dulden würde, deren Zweck Umsturz des Bestehenden und Wie-
dereinführung des constitutionell=monarchischen Prinzips wäre.
Möchten sich die dermalen bestehenden deutschen Regierungen
unsere gegründeten Zweifel etwas zu Herzen nehmen, und bei
Zeiten verhindern, daß eine kleine, aber energische, fanatische
Partei unser großes Vaterland in's Verderben stürzt.

H Von der Lahn 11. Juli. Jn Nro. 121. brachte die Wies-
badener "Freie" folgenden Aufruf: "An die Demokraten Nas-
sau 's! Bei dem in Frankfurt abgehaltenen Congreß deutscher
Demokraten wurde beschlossen, daß am 9. Juli eine Versamm-
lung der nassauischen Demokraten in Limburg stattfinden solle.
Wir fordern deßhalb alle Demokraten und alle Vereine, deren
Zweck die Erstrebung der Demokratie ist, auf, diese Versamm-
lung zu besuchen oder durch Deputirte zu beschicken. Die Sitzung
beginnt um 9 Uhr am Morgen des benannten Tages im Nas-
sauerhof zu Limburg. Am Nachmittage findet eine Volksversamm-
lung zu Oranienstein statt. Wiesbaden, den 4. Juli 1848.
Dr. Gräfe. Oswald Dietz. " -- Was wir längst gewußt,
das mußte durch den Erfolg, den diese Zusammenberufung ge-
habt, auch dem Aengstlichsten klar werden: daß die Republik, oder,
wie die Umstürzler, da diese Benennung in Baden und anders-
wo bereits die gute Sache in so großen Mißcredit gebracht, jetzt
sagen, die Demokratie vielleicht nirgends weniger Anklang
finde, als in hiesiger Gegend. Der 9., dem Manche mit Besorg-
niß ob der Ruhestörungen, die der Zusammenfluß von vielen
hundert Fremden verursachen könnte, entgegensahen, kam heran
und mit ihm höchstens 40--50 Demokraten. Mehrere Wirthe,
die im Besitze sind eines zu Versammlungen geeigneten Lokals,
verbaten sich, der zum Nassauerhof an der Spitze, den Besuch
der ungebetenen Gäste. Einer jedoch, bei dem in früheren Zeiten,
wo derselbe noch nicht die jetzige Livree trug, die durchreisenden
[Ende Spaltensatz]

1) Will vielleicht König Max dem Beispiele seines Vaters nach-
folgen und abdanken?
1 ) Will vielleicht König Max dem Beispiele seines Vaters nach-
folgen und abdanken?

[Beginn Spaltensatz] Kette umzogen, so daß ohne Hannovers und Sachsens zu
erwähnen, Württemberg, Baden, Nassau und Thüringen voll-
kommen militärisch umfaßt
und jenem ( dem preußi-
schen ) Systeme unterworfen wären. Hannover dürfte
zu schonen, ja zu schmeicheln, dabei aber doch im Geheimen zu
isoliren seyn. Sachsen wäre zu surveilliren, dabei aber doch
mit Mäßigung und Schonung zu behandeln, um vielleicht im Laufe
der Zeit eine Partei in Dresden zu bilden, die, wie nach dem sieben-
jährigen Kriege, klüglich die Vergangenheit vergessend, im Fall
des Ereignisses den Anschluß an den umgebenden
mächtigen Nachbar anriethe.
Am Bundestage hätte Preu-
ßen gemeinschaftlich mit Oesterreich über die Erhaltung der Ruhe
in Deutschland zu wachen und zugleich das repräsentativ-
demokratische System
( oder, wie es an einer andern
Stelle heißt, „die süddeutsche Schein=Constitutionalität “ )
zu bekämpfen, dabei aber doch Alles so vorzubereiten, daß, wenn
einst eine Trennung Preußens von Oesterreich erfolgen und dem-
folge eine Spaltung Deutschlands stattfinden sollte, der
überwiegende Theil der Bundesstaaten sich für Preußen erklärte
und alsdann die vorhandenen Bundes=Formen nicht zu sehr
zum Nachtheile der preußischen Partei benutzt werden könnten.“

Hoffentlich wird dieser gewiegte, in Zwecken und Mitteln
gleich wenig bedenkliche Diplomat es sich jetzt noch weit ange-
legener seyn lassen, die Souveränetäts=Eitelkeit des
Volkes
zu leiten, Deutschland mit einer Kette zu um-
ziehen, militärisch zu umfassen und dem altpreußi-
schen System zu unterwerfen,
eine Schein=Constitu-
tion
schaffen zu helfen, um sie dann nachgerade zu bekämpfen
und eine von ihm weise angenommene Spaltung Deutsch-
lands
herbeizuführen: eine Spaltung, die Preußen unrettbar
dem herbeigesehnten russischen Nachbar in die Arme werfen
würde; eine Spaltung, an welcher die Reaction jetzt, seit der
Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser in Wahrheit
an allen Ecken arbeitet! Wir hoffen, daß dem Hrn. v. Kür-
fer, um so ausgezeichnete Gesinnungen bethätigen zu können, recht
bald das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten in die
Hand gegeben werde, auf daß er uns die Segnungen seiner Po-
litik spenden könne.

A München 11. Juli. Die Ente, welche keck durch die
Spalten aller Tagesblätter schwamm und dann als Jrrlehre-
rin
den Flammen eines halbofficiellen Auto=da=fe, übergeben
wurde, scheint wie ein Phönix verjüngt aus der Asche hervorzu-
gehen. Man spricht hier nämlich viel davon, daß das durch die
Zeitungen gebrachte und durch die Zeitungen widerlegte Gerücht
einer bedeutenden Erbschaft, welche dem König Max aus der
Verlassenschaft der jüngst verstorbenen Churfürstin angefallen
seyn sollte, dennoch wohl begründet sey. Ein anderes Gerücht
geht zugleich damit in Schwange, wenn auch nur in engeren
Kreisen. Dasselbe ist aber von so hoher politischer Bedeutung
und dabei so überraschender Natur, daß ich vorziehe, vor der
Hand lediglich Jhre Neugierde rege zu erhalten 1).

== Aus der bayerischen Pfalz 12. Juli. Es geht hier das
uns von glaubhafter Seite bestätigte Gerücht, daß die bayerischen
Truppen aus der Pfalz und aus Baden zurückgezogen werden,
und wieder in ihre früheren Garnisonen zurückkehen. So viel
steht fest, daß bei uns bedeutende Truppenmassen Marschordre
über den Rhein erhalten haben und daß der dermaligen bayeri-
schen Besatzung zu Mannheim ebenfalls ein Befehl zum Aufbruch
geworden ist. Mißhelligkeiten zwischen dem bayerischen Truppen-
commando und der badischen Regierung, welche durch die Frage
über die Bestreitung der Unterhaltungskosten der Truppen ver-
anlaßt seyen, sollen die Ursache dieser Anordnung seyn. Das
wäre einmal wieder ein Stück deutscher Einheit! Nach Anderen
ist es ein strategischer Plan, die Pfalz und Baden von Truppen
zu entblößen. Sie können sich einbilden, daß, wenn man nach
einer kleinen Andeutung der Ursache und der Ausführung dieses
Kriegsplanes fragt, Stirnrunzeln und Achselzucken die inhalts-
schwere Antwort sind. Wie wir hören, ist übrigens schon von
Mannheim aus bei der großherzoglichen Staatsregierung gegen
den Abmarsch der Truppen aus dieser Stadt remonstrirt worden.
Halten wir damit zusammen, was das Mainzer Journal
( Nro. 25. ) von Gerüchten über neue Freischaarenzüge aus dem
Breisgau meldet, so werden dadurch diese militärischen Vorgänge
in ein eigenthümliches Licht gestellt.

× Miltenberg 7. Juli. Jn Rüdenau, einem benach-
barten Orte, wurden gestern durch Militärgewalt mehrere Ver-
haftungen vorgenommen. Es sollte nämlich unlängst ein dortiger
Wilderer auf Befehl des hiesigen Herrschaftsgerichts arretirt wer-

[Spaltenumbruch] den, allein die ganze Gemeinde warf sich zu dessen Schutz auf,
und die Gensdarmerie mußte unverrichteter Sache wieder nach
Hause gehen. Das Herrschaftsgericht requirirte sogleich die in
Amorbach liegende Jägerabtheilung, um die richterliche Autorität
aufrecht zu erhalten, doch siehe da, die Gemeinde griff zu den
Waffen, und als das Gericht mit Militär heranrückte, zogen die
Rüdenauer Bürger mit Mistgabeln, Hacken, Sensen und Ge-
wehren bewaffnet demselben entgegen. Die Jäger waren zu
schwach, um in einen Straßenkampf sich einlassen zu können,
zumal da die Aufrührer bewaffneten Zuzug aus dem hessischen
Odenwalde erwarteten, und deshalb mußten sich die Jäger wie-
der zurückziehen. Das Gericht berichtete hierauf per Estafette an
die Regierung nach Würzburg, welche umgehend mit einem
Extra=Dampfschiffe 350 Mann Jnfanterie mit 3 Kanonen und
der Weisung absandte, die in Amorbach und Ernstthal stationir-
ten Jäger an ihre Spitze zu stellen und alsdann Rüdenau um
jeden Preis zu nehmen. Heute Mittag kamen diese Truppen an;
eine Abtheilung umstellte das Dorf, während die andere hinein-
zog und von Haus zu Haus die Rädelsführer aufsuchte, die sich
theilweise in das Bettstroh verborgen hatten. Zu einem Wider-
stande kam es nicht, der versprochene Zuzug blieb aus, und die
armen Rüdenauer müssen nun dafür büßen, daß die benachbarte
Regierung hochverrätherischen, aufwieglerischen Unfug duldet,
der auch die Gränzorte verblendete und vergiftete. Acht Gefan-
gene wurden in Fesseln geschlagen und von dem Militär mitge-
nommen, dem der commandirende Major den Befehl vor ver-
sammelter Gemeinde gab, im Falle unterwegs eine Befreiung
der Gefangenen versucht werden sollte, zuerst diese niederzu-
schießen und hiernach sich der eigenen Haut zu wehren.

Heidelberg 9. Juli. ( Karlsr. Z. ) So sehr sich die hiesigen
Republikaner bemühen, sich und ihren Ansichten hier mehr Gel-
tung zu verschaffen, so wenig will es ihnen gelingen. Man tritt
immer entschiedener gegen sie und ihre Bestrebungen auf, und es
trifft in Heidelberg wenigstens die sogenannten „ruhigen“ Bür-
ger nicht mehr der Vorwurf, als zeigten sie keine Energie, son-
dern ließen Alles seinen Gang gehen.

*** Aus dem Odenwald 7. Juli. Heute wurden in Erbach
zwei Knaben arretirt, welche schwarze Turnerhüte mit rothen
Bändern geschmückt trugen, und von Haus zu Haus gingen,
um ein Gedicht zu verbreiten, in welchem höchst naiv das deutsche
Volk aufgefordert wird, die Republik auszurufen und die Fürsten,
„die ausgedienten Raubgeschlechter“ zu ermorden. Doch genüge
deren Vertilgung noch nicht, sondern zur Begründung der Re-
publik sey alsdann auch die Abschlachtung der Pfaffen und Aller,
die widerständen, nöthig. Wir sehen daraus, wie es um die
Freiheit der Presse und der Rede, ja überhaupt um unsere ganze
politische und religiöse Freiheit stehen würde, im Falle die repu-
blikanische Partei die Oberhand gewänne, und zweifeln sehr
daran, daß eine republikanische Regierung in Deutschland, wenn
sie zu Stande käme, Druckschriften und demokratische Vereine
dulden würde, deren Zweck Umsturz des Bestehenden und Wie-
dereinführung des constitutionell=monarchischen Prinzips wäre.
Möchten sich die dermalen bestehenden deutschen Regierungen
unsere gegründeten Zweifel etwas zu Herzen nehmen, und bei
Zeiten verhindern, daß eine kleine, aber energische, fanatische
Partei unser großes Vaterland in's Verderben stürzt.

H Von der Lahn 11. Juli. Jn Nro. 121. brachte die Wies-
badener „Freie“ folgenden Aufruf: „An die Demokraten Nas-
sau 's! Bei dem in Frankfurt abgehaltenen Congreß deutscher
Demokraten wurde beschlossen, daß am 9. Juli eine Versamm-
lung der nassauischen Demokraten in Limburg stattfinden solle.
Wir fordern deßhalb alle Demokraten und alle Vereine, deren
Zweck die Erstrebung der Demokratie ist, auf, diese Versamm-
lung zu besuchen oder durch Deputirte zu beschicken. Die Sitzung
beginnt um 9 Uhr am Morgen des benannten Tages im Nas-
sauerhof zu Limburg. Am Nachmittage findet eine Volksversamm-
lung zu Oranienstein statt. Wiesbaden, den 4. Juli 1848.
Dr. Gräfe. Oswald Dietz. “ — Was wir längst gewußt,
das mußte durch den Erfolg, den diese Zusammenberufung ge-
habt, auch dem Aengstlichsten klar werden: daß die Republik, oder,
wie die Umstürzler, da diese Benennung in Baden und anders-
wo bereits die gute Sache in so großen Mißcredit gebracht, jetzt
sagen, die Demokratie vielleicht nirgends weniger Anklang
finde, als in hiesiger Gegend. Der 9., dem Manche mit Besorg-
niß ob der Ruhestörungen, die der Zusammenfluß von vielen
hundert Fremden verursachen könnte, entgegensahen, kam heran
und mit ihm höchstens 40—50 Demokraten. Mehrere Wirthe,
die im Besitze sind eines zu Versammlungen geeigneten Lokals,
verbaten sich, der zum Nassauerhof an der Spitze, den Besuch
der ungebetenen Gäste. Einer jedoch, bei dem in früheren Zeiten,
wo derselbe noch nicht die jetzige Livree trug, die durchreisenden
[Ende Spaltensatz]

1) Will vielleicht König Max dem Beispiele seines Vaters nach-
folgen und abdanken?
1 ) Will vielleicht König Max dem Beispiele seines Vaters nach-
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[0002] Kette umzogen, so daß ohne Hannovers und Sachsens zu erwähnen, Württemberg, Baden, Nassau und Thüringen voll- kommen militärisch umfaßt und jenem ( dem preußi- schen ) Systeme unterworfen wären. Hannover dürfte zu schonen, ja zu schmeicheln, dabei aber doch im Geheimen zu isoliren seyn. Sachsen wäre zu surveilliren, dabei aber doch mit Mäßigung und Schonung zu behandeln, um vielleicht im Laufe der Zeit eine Partei in Dresden zu bilden, die, wie nach dem sieben- jährigen Kriege, klüglich die Vergangenheit vergessend, im Fall des Ereignisses den Anschluß an den umgebenden mächtigen Nachbar anriethe. Am Bundestage hätte Preu- ßen gemeinschaftlich mit Oesterreich über die Erhaltung der Ruhe in Deutschland zu wachen und zugleich das repräsentativ- demokratische System ( oder, wie es an einer andern Stelle heißt, „die süddeutsche Schein=Constitutionalität “ ) zu bekämpfen, dabei aber doch Alles so vorzubereiten, daß, wenn einst eine Trennung Preußens von Oesterreich erfolgen und dem- folge eine Spaltung Deutschlands stattfinden sollte, der überwiegende Theil der Bundesstaaten sich für Preußen erklärte und alsdann die vorhandenen Bundes=Formen nicht zu sehr zum Nachtheile der preußischen Partei benutzt werden könnten.“ Hoffentlich wird dieser gewiegte, in Zwecken und Mitteln gleich wenig bedenkliche Diplomat es sich jetzt noch weit ange- legener seyn lassen, die Souveränetäts=Eitelkeit des Volkes zu leiten, Deutschland mit einer Kette zu um- ziehen, militärisch zu umfassen und dem altpreußi- schen System zu unterwerfen, eine Schein=Constitu- tion schaffen zu helfen, um sie dann nachgerade zu bekämpfen und eine von ihm weise angenommene Spaltung Deutsch- lands herbeizuführen: eine Spaltung, die Preußen unrettbar dem herbeigesehnten russischen Nachbar in die Arme werfen würde; eine Spaltung, an welcher die Reaction jetzt, seit der Wahl des Erzherzogs Johann zum Reichsverweser in Wahrheit an allen Ecken arbeitet! Wir hoffen, daß dem Hrn. v. Kür- fer, um so ausgezeichnete Gesinnungen bethätigen zu können, recht bald das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten in die Hand gegeben werde, auf daß er uns die Segnungen seiner Po- litik spenden könne. A München 11. Juli. Die Ente, welche keck durch die Spalten aller Tagesblätter schwamm und dann als Jrrlehre- rin den Flammen eines halbofficiellen Auto=da=fe, übergeben wurde, scheint wie ein Phönix verjüngt aus der Asche hervorzu- gehen. Man spricht hier nämlich viel davon, daß das durch die Zeitungen gebrachte und durch die Zeitungen widerlegte Gerücht einer bedeutenden Erbschaft, welche dem König Max aus der Verlassenschaft der jüngst verstorbenen Churfürstin angefallen seyn sollte, dennoch wohl begründet sey. Ein anderes Gerücht geht zugleich damit in Schwange, wenn auch nur in engeren Kreisen. Dasselbe ist aber von so hoher politischer Bedeutung und dabei so überraschender Natur, daß ich vorziehe, vor der Hand lediglich Jhre Neugierde rege zu erhalten 1). == Aus der bayerischen Pfalz 12. Juli. Es geht hier das uns von glaubhafter Seite bestätigte Gerücht, daß die bayerischen Truppen aus der Pfalz und aus Baden zurückgezogen werden, und wieder in ihre früheren Garnisonen zurückkehen. So viel steht fest, daß bei uns bedeutende Truppenmassen Marschordre über den Rhein erhalten haben und daß der dermaligen bayeri- schen Besatzung zu Mannheim ebenfalls ein Befehl zum Aufbruch geworden ist. Mißhelligkeiten zwischen dem bayerischen Truppen- commando und der badischen Regierung, welche durch die Frage über die Bestreitung der Unterhaltungskosten der Truppen ver- anlaßt seyen, sollen die Ursache dieser Anordnung seyn. Das wäre einmal wieder ein Stück deutscher Einheit! Nach Anderen ist es ein strategischer Plan, die Pfalz und Baden von Truppen zu entblößen. Sie können sich einbilden, daß, wenn man nach einer kleinen Andeutung der Ursache und der Ausführung dieses Kriegsplanes fragt, Stirnrunzeln und Achselzucken die inhalts- schwere Antwort sind. Wie wir hören, ist übrigens schon von Mannheim aus bei der großherzoglichen Staatsregierung gegen den Abmarsch der Truppen aus dieser Stadt remonstrirt worden. Halten wir damit zusammen, was das Mainzer Journal ( Nro. 25. ) von Gerüchten über neue Freischaarenzüge aus dem Breisgau meldet, so werden dadurch diese militärischen Vorgänge in ein eigenthümliches Licht gestellt. × Miltenberg 7. Juli. Jn Rüdenau, einem benach- barten Orte, wurden gestern durch Militärgewalt mehrere Ver- haftungen vorgenommen. Es sollte nämlich unlängst ein dortiger Wilderer auf Befehl des hiesigen Herrschaftsgerichts arretirt wer- den, allein die ganze Gemeinde warf sich zu dessen Schutz auf, und die Gensdarmerie mußte unverrichteter Sache wieder nach Hause gehen. Das Herrschaftsgericht requirirte sogleich die in Amorbach liegende Jägerabtheilung, um die richterliche Autorität aufrecht zu erhalten, doch siehe da, die Gemeinde griff zu den Waffen, und als das Gericht mit Militär heranrückte, zogen die Rüdenauer Bürger mit Mistgabeln, Hacken, Sensen und Ge- wehren bewaffnet demselben entgegen. Die Jäger waren zu schwach, um in einen Straßenkampf sich einlassen zu können, zumal da die Aufrührer bewaffneten Zuzug aus dem hessischen Odenwalde erwarteten, und deshalb mußten sich die Jäger wie- der zurückziehen. Das Gericht berichtete hierauf per Estafette an die Regierung nach Würzburg, welche umgehend mit einem Extra=Dampfschiffe 350 Mann Jnfanterie mit 3 Kanonen und der Weisung absandte, die in Amorbach und Ernstthal stationir- ten Jäger an ihre Spitze zu stellen und alsdann Rüdenau um jeden Preis zu nehmen. Heute Mittag kamen diese Truppen an; eine Abtheilung umstellte das Dorf, während die andere hinein- zog und von Haus zu Haus die Rädelsführer aufsuchte, die sich theilweise in das Bettstroh verborgen hatten. Zu einem Wider- stande kam es nicht, der versprochene Zuzug blieb aus, und die armen Rüdenauer müssen nun dafür büßen, daß die benachbarte Regierung hochverrätherischen, aufwieglerischen Unfug duldet, der auch die Gränzorte verblendete und vergiftete. Acht Gefan- gene wurden in Fesseln geschlagen und von dem Militär mitge- nommen, dem der commandirende Major den Befehl vor ver- sammelter Gemeinde gab, im Falle unterwegs eine Befreiung der Gefangenen versucht werden sollte, zuerst diese niederzu- schießen und hiernach sich der eigenen Haut zu wehren. Heidelberg 9. Juli. ( Karlsr. Z. ) So sehr sich die hiesigen Republikaner bemühen, sich und ihren Ansichten hier mehr Gel- tung zu verschaffen, so wenig will es ihnen gelingen. Man tritt immer entschiedener gegen sie und ihre Bestrebungen auf, und es trifft in Heidelberg wenigstens die sogenannten „ruhigen“ Bür- ger nicht mehr der Vorwurf, als zeigten sie keine Energie, son- dern ließen Alles seinen Gang gehen. *** Aus dem Odenwald 7. Juli. Heute wurden in Erbach zwei Knaben arretirt, welche schwarze Turnerhüte mit rothen Bändern geschmückt trugen, und von Haus zu Haus gingen, um ein Gedicht zu verbreiten, in welchem höchst naiv das deutsche Volk aufgefordert wird, die Republik auszurufen und die Fürsten, „die ausgedienten Raubgeschlechter“ zu ermorden. Doch genüge deren Vertilgung noch nicht, sondern zur Begründung der Re- publik sey alsdann auch die Abschlachtung der Pfaffen und Aller, die widerständen, nöthig. Wir sehen daraus, wie es um die Freiheit der Presse und der Rede, ja überhaupt um unsere ganze politische und religiöse Freiheit stehen würde, im Falle die repu- blikanische Partei die Oberhand gewänne, und zweifeln sehr daran, daß eine republikanische Regierung in Deutschland, wenn sie zu Stande käme, Druckschriften und demokratische Vereine dulden würde, deren Zweck Umsturz des Bestehenden und Wie- dereinführung des constitutionell=monarchischen Prinzips wäre. Möchten sich die dermalen bestehenden deutschen Regierungen unsere gegründeten Zweifel etwas zu Herzen nehmen, und bei Zeiten verhindern, daß eine kleine, aber energische, fanatische Partei unser großes Vaterland in's Verderben stürzt. H Von der Lahn 11. Juli. Jn Nro. 121. brachte die Wies- badener „Freie“ folgenden Aufruf: „An die Demokraten Nas- sau 's! Bei dem in Frankfurt abgehaltenen Congreß deutscher Demokraten wurde beschlossen, daß am 9. Juli eine Versamm- lung der nassauischen Demokraten in Limburg stattfinden solle. Wir fordern deßhalb alle Demokraten und alle Vereine, deren Zweck die Erstrebung der Demokratie ist, auf, diese Versamm- lung zu besuchen oder durch Deputirte zu beschicken. Die Sitzung beginnt um 9 Uhr am Morgen des benannten Tages im Nas- sauerhof zu Limburg. Am Nachmittage findet eine Volksversamm- lung zu Oranienstein statt. Wiesbaden, den 4. Juli 1848. Dr. Gräfe. Oswald Dietz. “ — Was wir längst gewußt, das mußte durch den Erfolg, den diese Zusammenberufung ge- habt, auch dem Aengstlichsten klar werden: daß die Republik, oder, wie die Umstürzler, da diese Benennung in Baden und anders- wo bereits die gute Sache in so großen Mißcredit gebracht, jetzt sagen, die Demokratie vielleicht nirgends weniger Anklang finde, als in hiesiger Gegend. Der 9., dem Manche mit Besorg- niß ob der Ruhestörungen, die der Zusammenfluß von vielen hundert Fremden verursachen könnte, entgegensahen, kam heran und mit ihm höchstens 40—50 Demokraten. Mehrere Wirthe, die im Besitze sind eines zu Versammlungen geeigneten Lokals, verbaten sich, der zum Nassauerhof an der Spitze, den Besuch der ungebetenen Gäste. Einer jedoch, bei dem in früheren Zeiten, wo derselbe noch nicht die jetzige Livree trug, die durchreisenden 1) Will vielleicht König Max dem Beispiele seines Vaters nach- folgen und abdanken? 1 ) Will vielleicht König Max dem Beispiele seines Vaters nach- folgen und abdanken?

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 29. Mainz, 14. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal029_1848/2>, abgerufen am 24.11.2024.