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Mainzer Journal. Nr. 15. Mainz, 30. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] hoffen. Daß aber dieser Reichsverweser selbst der Volksfreiheit
nimmermehr werde gefährlich werden, ist wiederum dadurch ge-
währleistet, daß all seine Macht und all sein Einfluß nur auf
dem Vertrauen und dem Willen der Nation beruhet und all sein
Wirken durch seine Einigkeit mit der Nationalversammlung be-
dingt ist. Das Volk aber wird erkennen, daß ein Einiges und
kräftiges Oberhaupt im Bunde mit einem aus freier Wahl ent-
sprungenen Parlamente ein besserer Hort für Freiheit, Ordnung
und Wohlstand sey, als eine von ewigen Parteikämpfen zer-
wühlte und zwischen Terrorismus nnd Anarchie hin= und her-
schwankende Republik. Möge der neue Reichsverweser diese un-
sere Hoffnungen nicht zu Schanden machen, möge er ohne Arg
und Falsch, mit aller Aufrichtigkeit und Redlichkeit ganz dem
Wohle Deutschlands sich weihen, möge er ohne Ansehen der
Person die besten Männer in seinen Rath berufen -- und was
die Pflicht von ihm erheischt, ohne Menschenfurcht und unbeküm-
mert um Menschengunst standhaft vollbringen: alle Guten wer-
den dann mit ihm seyn und mit ihrer Hülfe kann er dann des
deutschen Reiches Wiederhersteller -- einem Rudolph von Habs-
burg ähnlich -- werden.



Deutschland.

Berlin 26. Juni. Das neue Ministerium hat endlich das
Licht der Welt erblickt, seine officielle Gestaltung ist jedoch etwas
anders ausgefallen, als die "Kölner Zeitung" es gestern verkün-
digt hatte. Der "Preuß. Staatsanzeiger" verkündet heute fol-
genden k. Erlaß: "Nachdem der Präsident des Staatsministe-
riums, Staatsminister Camphausen, so wie die Staatsminister
Graf von Schwerin, von Auerswald, Bornemann und Freiherr
von Schleinitz, ingleichen der Chef des Ministeriums für Han-
del, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Freiherr von Patow,
von Mir auf ihren Antrag aus ihren bisherigen Stellungen
entlassen worden sind, habe Jch 1 ) den Oberpräsidenten von
Auerswald
zum Präsidenten des Staatsministeriums und zu-
gleich interimistisch zum Minister der auswärtigen Angelegenhei-
ten, 2 ) den Präsidenten der Nationalversammlung, Abgeordneten
Milde, zum Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Ar-
beiten, 3 ) den General=Landschafts=Rath, Abgeordneten Rod-
bertus,
zum Minister der geistlichen, Unterrichts= und
Medizinalangelegenheiten, und 4 ) den Kriminalgerichts=Di-
rector Maerker zum Justiz=Minister ernannt. 5 ) Von
dem Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Ar-
beiten soll die Verwaltung der landwirthschaftlichen Angele-
genheiten getrennt und ein eigenes Ministerium für diese An-
gelegenheiten gebildet werden, dessen Leitung Jch dem Stadt-
Syndicus Abgeordneten Gierke, unter Ernennung desselben
zum Staatsminister, übertragen habe. 6 ) Die Leitung des Mi-
nisteriums des Jnnern habe Jch dem Regierungspräsidenten
Kühlwetter, jedoch auf seinen Wunsch nur intermistisch
übertragen. Der Finanzminister Hansemann und der Kriegs-
minister Freiherr von Schreckenstein bleiben in ihren
bisherigen Stellungen. Mein gegenwärtiger Erlaß ist durch die
Gesetzsammlung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Sanssouci,
den 25 Juni 1848. ( Gez. ) Friedrich Wilhelm. ( contras. )
Hansemann. An das Staatsministerium. Jn einem ziemlich
ausführlichen Programme verspricht das Ministerium die " dauer-
hafte Begründung der constitutionellen Monarchie." Ueber seine
Stellung zur Kirche, der man wahrscheinlich keine Concessionen
zu machen gedenkt, weil sie nicht crawallt, scheint es jedoch zur
Zeit noch nicht im Klaren zu seyn, denn es kommt in dem ganzen
Actenstücke kein Wort davon vor!

Posen 23. Juni. Unsere Nachrichten von der Grenze lauten
so widersprechend, daß es durchaus unmöglich ist, sich daraus ein
klares Bild zu entwerfen. Zwar stimmen alle darin überein, daß
die ganze jenseitige Grenzlinie mit russischen Truppen stark besetzt
und daß vielfältig von dem bevorstehenden Einrücken derselben in
preußisches Gebiet die Rede sey, indessen dürften diesen Nachrich-
ten doch nicht so unbedingt Glauben beizumessen seyn, weil es bald
heißt, daß der Uebertritt bei Krakau, bald dagegen, daß er bei
Thorn erfolgen werde; ja heute ist hier sogar das jedenfalls
falsche Gerücht verbreitet, die Russen seyen gestern bei Powizd,
östlich von Gnesen, auf preußischem Gebiet eingerückt. Wir glau-
ben, daß die Russen vorläufig nur an ihren äußersten Westgren-
zen auf der Lauer stehen, um die Erfolge der jetzigen
Bewegungen der Slawen abzuwarten,
jedoch nicht
etwa, um sich, falls sie eine günstige Wendung nehmen sollten, an
die Spitze derselben zu stellen, wie eine gewisse Partei das Publi-
kum glauben zu machen sucht, sondern um die slawische
Erhebung,
so bald sie den Russen gefährlich zu werden scheint,
[Spaltenumbruch] als bald durch massenhaften Angriff zu unterdrük-
ken.
Die Bewegung der Germanen wird die Russen nicht bestim-
men, ihre Grenzen zu überschreiten, denn von diesen besorgen sie,
wegen der gänzlichen Verschiedenheit der Volksstämme, nichts;
dagegen überwachen sie mit scharfem Auge alle Regungen der
Slawen, die ihnen freilich gefährlich werden können. Die pan-
slawistische Bewegung arbeitet, in unpassender Nachahmung der
französischen, auf eine große slawische Republik hin und zerstört
dadurch ihr Werk noch, ehe dessen Fundament gelegt ist; denn
ein größeres Unding als eine slawische Republik kann es bei der
politischen Unreife des slawischen Volkes in der That nicht geben.
Nur ehrsüchtige Agitatoren, die um jeden Preis eine hervortre-
tende Rolle spielen wollen, können ein solches Traumbild zum
Verderben des Volkes zur Wirklichkeit machen wollen. Ueberdies
wird dadurch von vornherein der Krieg gegen Rußland erklärt,
denn die erste und letzte Bedingung des Fortbestehens der russischen
Herrschaft ist der unbedingte Monarchismus1). ( D. A. Z. )

Stuttgart 26. Juni. An der Spitze der hiesigen republika-
nisch=communistischen Bestrebungen steht ein durch schlecht
berechnete Spekulation in Conkurs gerathener
Fabrikant
( G. Rau ) , dessen einziges Bestreben es bisher
war, vom Staate für sich und seine ohne gehörige Erwägung der
nöthigen Mittel unternommenen Geschäfte Betriebskapitalien zu
erlangen, und der nun den Arbeitern das Himmelreich im Staate
der reinen Demokratie predigt, welches er so nahe gekommen
wähnt, daß er, als sein heimathliches Oberamtsgericht ihn wegen
seines Vermögensverfalls vorlud, dasselbe in der Antwort als
"provisorisches Oberamtsgericht" anredete, -- als ob die definitive
Regierung, natürlich mit Hrn. Rau, oder etwa Hans Mögling,
oder Bürger Loose als Statthalter von Schwaben an der Spitze,
schon in Wirklichkeit bestände. -- Die Kriegszucht ist nun bei den
meisten Regimentern wieder hergestellt. ( Karlsr. Z. )

O Speyer 28. Juni. Die fürchterlichen Ereignisse, von wel-
chen Paris heimgesucht ist, haben, wie allenthalben, so auch hier
nicht verfehlt, einen tiefen Eindruck hervorzubringen. Diktator
Cavaignac proklamirt, die Republik werde siegreich aus diesem
letzten Kampfe gegen die Anarchie hervorgehen. Hat er so
sichere Gewähr, daß die letzte Barrikade in den Cite=Winkel-
straßen der Pariser Altstadt aufgethürmt worden ist? Und welche
Bürgschaft des Friedens und der Ordnung hat Deutschland neben
einem solchen Vulkane? Das sind Fragen, welche die erregten
Gemüther in straffer Spannung halten und überall die bedenk-
lichen Mienen vermehren. Uebrigens gibt es keine gute Tragödie
ohne das Jntermezzo einer Farce. Und so fehlt es auch uns nicht
inmitten der politischen Stürme an den komischsten Possen. Zu
den letztern rechnen wir einen Artikel der Neuen Speyerer
Zeitung
vom gestrigen ( wenn wir nicht irren ) . Es wird darin
über die Versammlung der katholischen Geistlichen aus der Pfalz,
welche vor vierzehn Tagen in Kaiserslautern Statt hatte, mit un-
gemein ungeschickter, Blößen gebender Gehässigkeit berichtet. Das
Mainzer Journal hat schon einen Correspondenzartikel über diese
Versammlung gebracht, worauf wir uns beziehen können. Die
Haltung der Versammelten war eine entschieden kirchliche. Das
erklärt hinlänglich den verhaltenen Jngrimm, der aus jenem Ar-
tikel spricht und wir verlieren kein Wort weiter darüber. Jetzt
aber kommt das Lustige. Am Schlusse des Artikels wird unserer
Regierung der Vorwurf gemacht, sie "kokettire" mit dem " Ultra-
montanismus ". Ein solches Wort kann bei den kirchlich gesinnten
Katholiken der Pfalz lediglich eine ungeheuere Heiterkeit
hervorrufen. Wenn wir über Etwas bitter zu klagen haben, so
ist es gerade, daß der Polizeistaat, der in allen übrigen Beziehun-
gen schmachvoll zu Grunde gegangen ist, auf religiösem Gebiete
gegenüber den Katholiken das Regiment fortzusetzen gedenkt, als
ob seit dem März 1848 gar nichts in der Welt geschehen wäre.
Wir hoffen mit Zuversicht, daß dieser Standpunkt der Regierun-
gen überhaupt in nächster Zukunft ein völlig unhaltbarer seyn
werde. Drum kann es lediglich auf unsere Lachmuskeln wirken,
wenn man diesem Regimente den Vorwurf des Kokettirens macht,
und -- wohlgemerkt! -- immer wieder von Seiten der Afterfrei-
sinnigkeit, welche die eigene Ohnmacht fühlend, den Arm der Po-
lizei gegen jede freie Bewegung in der Kirche anruft, welche letz-
tere in der jetzigen Zeit nichts Anderes wünschen und anstreben
kann, als unverkümmerte Freiheit des Bekenntnisses für sich und
volle Gleichheit hierin mit allen übrigen Confessionen.

Jn München ist der Minister der Lola und Erminister des
Jnnern Staatsrath von Berks endlich in völligen Ruhestand
versetzt worden. Die Augsburger Allgemeine Zeitung, die dem
Manne früher den Staub von den Füßen geküßt, nennt ihn jetzt
kurzweg den "bekannten" Freisinn! Fallmerayer hat Heim-

[Ende Spaltensatz]

1) Vergl. unten Rußland und Polen.
1 ) Vergl. unten Rußland und Polen.

[Beginn Spaltensatz] hoffen. Daß aber dieser Reichsverweser selbst der Volksfreiheit
nimmermehr werde gefährlich werden, ist wiederum dadurch ge-
währleistet, daß all seine Macht und all sein Einfluß nur auf
dem Vertrauen und dem Willen der Nation beruhet und all sein
Wirken durch seine Einigkeit mit der Nationalversammlung be-
dingt ist. Das Volk aber wird erkennen, daß ein Einiges und
kräftiges Oberhaupt im Bunde mit einem aus freier Wahl ent-
sprungenen Parlamente ein besserer Hort für Freiheit, Ordnung
und Wohlstand sey, als eine von ewigen Parteikämpfen zer-
wühlte und zwischen Terrorismus nnd Anarchie hin= und her-
schwankende Republik. Möge der neue Reichsverweser diese un-
sere Hoffnungen nicht zu Schanden machen, möge er ohne Arg
und Falsch, mit aller Aufrichtigkeit und Redlichkeit ganz dem
Wohle Deutschlands sich weihen, möge er ohne Ansehen der
Person die besten Männer in seinen Rath berufen — und was
die Pflicht von ihm erheischt, ohne Menschenfurcht und unbeküm-
mert um Menschengunst standhaft vollbringen: alle Guten wer-
den dann mit ihm seyn und mit ihrer Hülfe kann er dann des
deutschen Reiches Wiederhersteller — einem Rudolph von Habs-
burg ähnlich — werden.



Deutschland.

Berlin 26. Juni. Das neue Ministerium hat endlich das
Licht der Welt erblickt, seine officielle Gestaltung ist jedoch etwas
anders ausgefallen, als die „Kölner Zeitung“ es gestern verkün-
digt hatte. Der „Preuß. Staatsanzeiger“ verkündet heute fol-
genden k. Erlaß: „Nachdem der Präsident des Staatsministe-
riums, Staatsminister Camphausen, so wie die Staatsminister
Graf von Schwerin, von Auerswald, Bornemann und Freiherr
von Schleinitz, ingleichen der Chef des Ministeriums für Han-
del, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Freiherr von Patow,
von Mir auf ihren Antrag aus ihren bisherigen Stellungen
entlassen worden sind, habe Jch 1 ) den Oberpräsidenten von
Auerswald
zum Präsidenten des Staatsministeriums und zu-
gleich interimistisch zum Minister der auswärtigen Angelegenhei-
ten, 2 ) den Präsidenten der Nationalversammlung, Abgeordneten
Milde, zum Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Ar-
beiten, 3 ) den General=Landschafts=Rath, Abgeordneten Rod-
bertus,
zum Minister der geistlichen, Unterrichts= und
Medizinalangelegenheiten, und 4 ) den Kriminalgerichts=Di-
rector Maerker zum Justiz=Minister ernannt. 5 ) Von
dem Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Ar-
beiten soll die Verwaltung der landwirthschaftlichen Angele-
genheiten getrennt und ein eigenes Ministerium für diese An-
gelegenheiten gebildet werden, dessen Leitung Jch dem Stadt-
Syndicus Abgeordneten Gierke, unter Ernennung desselben
zum Staatsminister, übertragen habe. 6 ) Die Leitung des Mi-
nisteriums des Jnnern habe Jch dem Regierungspräsidenten
Kühlwetter, jedoch auf seinen Wunsch nur intermistisch
übertragen. Der Finanzminister Hansemann und der Kriegs-
minister Freiherr von Schreckenstein bleiben in ihren
bisherigen Stellungen. Mein gegenwärtiger Erlaß ist durch die
Gesetzsammlung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Sanssouci,
den 25 Juni 1848. ( Gez. ) Friedrich Wilhelm. ( contras. )
Hansemann. An das Staatsministerium. Jn einem ziemlich
ausführlichen Programme verspricht das Ministerium die „ dauer-
hafte Begründung der constitutionellen Monarchie.“ Ueber seine
Stellung zur Kirche, der man wahrscheinlich keine Concessionen
zu machen gedenkt, weil sie nicht crawallt, scheint es jedoch zur
Zeit noch nicht im Klaren zu seyn, denn es kommt in dem ganzen
Actenstücke kein Wort davon vor!

Posen 23. Juni. Unsere Nachrichten von der Grenze lauten
so widersprechend, daß es durchaus unmöglich ist, sich daraus ein
klares Bild zu entwerfen. Zwar stimmen alle darin überein, daß
die ganze jenseitige Grenzlinie mit russischen Truppen stark besetzt
und daß vielfältig von dem bevorstehenden Einrücken derselben in
preußisches Gebiet die Rede sey, indessen dürften diesen Nachrich-
ten doch nicht so unbedingt Glauben beizumessen seyn, weil es bald
heißt, daß der Uebertritt bei Krakau, bald dagegen, daß er bei
Thorn erfolgen werde; ja heute ist hier sogar das jedenfalls
falsche Gerücht verbreitet, die Russen seyen gestern bei Powizd,
östlich von Gnesen, auf preußischem Gebiet eingerückt. Wir glau-
ben, daß die Russen vorläufig nur an ihren äußersten Westgren-
zen auf der Lauer stehen, um die Erfolge der jetzigen
Bewegungen der Slawen abzuwarten,
jedoch nicht
etwa, um sich, falls sie eine günstige Wendung nehmen sollten, an
die Spitze derselben zu stellen, wie eine gewisse Partei das Publi-
kum glauben zu machen sucht, sondern um die slawische
Erhebung,
so bald sie den Russen gefährlich zu werden scheint,
[Spaltenumbruch] als bald durch massenhaften Angriff zu unterdrük-
ken.
Die Bewegung der Germanen wird die Russen nicht bestim-
men, ihre Grenzen zu überschreiten, denn von diesen besorgen sie,
wegen der gänzlichen Verschiedenheit der Volksstämme, nichts;
dagegen überwachen sie mit scharfem Auge alle Regungen der
Slawen, die ihnen freilich gefährlich werden können. Die pan-
slawistische Bewegung arbeitet, in unpassender Nachahmung der
französischen, auf eine große slawische Republik hin und zerstört
dadurch ihr Werk noch, ehe dessen Fundament gelegt ist; denn
ein größeres Unding als eine slawische Republik kann es bei der
politischen Unreife des slawischen Volkes in der That nicht geben.
Nur ehrsüchtige Agitatoren, die um jeden Preis eine hervortre-
tende Rolle spielen wollen, können ein solches Traumbild zum
Verderben des Volkes zur Wirklichkeit machen wollen. Ueberdies
wird dadurch von vornherein der Krieg gegen Rußland erklärt,
denn die erste und letzte Bedingung des Fortbestehens der russischen
Herrschaft ist der unbedingte Monarchismus1). ( D. A. Z. )

Stuttgart 26. Juni. An der Spitze der hiesigen republika-
nisch=communistischen Bestrebungen steht ein durch schlecht
berechnete Spekulation in Conkurs gerathener
Fabrikant
( G. Rau ) , dessen einziges Bestreben es bisher
war, vom Staate für sich und seine ohne gehörige Erwägung der
nöthigen Mittel unternommenen Geschäfte Betriebskapitalien zu
erlangen, und der nun den Arbeitern das Himmelreich im Staate
der reinen Demokratie predigt, welches er so nahe gekommen
wähnt, daß er, als sein heimathliches Oberamtsgericht ihn wegen
seines Vermögensverfalls vorlud, dasselbe in der Antwort als
„provisorisches Oberamtsgericht“ anredete, — als ob die definitive
Regierung, natürlich mit Hrn. Rau, oder etwa Hans Mögling,
oder Bürger Loose als Statthalter von Schwaben an der Spitze,
schon in Wirklichkeit bestände. — Die Kriegszucht ist nun bei den
meisten Regimentern wieder hergestellt. ( Karlsr. Z. )

O Speyer 28. Juni. Die fürchterlichen Ereignisse, von wel-
chen Paris heimgesucht ist, haben, wie allenthalben, so auch hier
nicht verfehlt, einen tiefen Eindruck hervorzubringen. Diktator
Cavaignac proklamirt, die Republik werde siegreich aus diesem
letzten Kampfe gegen die Anarchie hervorgehen. Hat er so
sichere Gewähr, daß die letzte Barrikade in den Cité=Winkel-
straßen der Pariser Altstadt aufgethürmt worden ist? Und welche
Bürgschaft des Friedens und der Ordnung hat Deutschland neben
einem solchen Vulkane? Das sind Fragen, welche die erregten
Gemüther in straffer Spannung halten und überall die bedenk-
lichen Mienen vermehren. Uebrigens gibt es keine gute Tragödie
ohne das Jntermezzo einer Farce. Und so fehlt es auch uns nicht
inmitten der politischen Stürme an den komischsten Possen. Zu
den letztern rechnen wir einen Artikel der Neuen Speyerer
Zeitung
vom gestrigen ( wenn wir nicht irren ) . Es wird darin
über die Versammlung der katholischen Geistlichen aus der Pfalz,
welche vor vierzehn Tagen in Kaiserslautern Statt hatte, mit un-
gemein ungeschickter, Blößen gebender Gehässigkeit berichtet. Das
Mainzer Journal hat schon einen Correspondenzartikel über diese
Versammlung gebracht, worauf wir uns beziehen können. Die
Haltung der Versammelten war eine entschieden kirchliche. Das
erklärt hinlänglich den verhaltenen Jngrimm, der aus jenem Ar-
tikel spricht und wir verlieren kein Wort weiter darüber. Jetzt
aber kommt das Lustige. Am Schlusse des Artikels wird unserer
Regierung der Vorwurf gemacht, sie „kokettire“ mit dem „ Ultra-
montanismus “. Ein solches Wort kann bei den kirchlich gesinnten
Katholiken der Pfalz lediglich eine ungeheuere Heiterkeit
hervorrufen. Wenn wir über Etwas bitter zu klagen haben, so
ist es gerade, daß der Polizeistaat, der in allen übrigen Beziehun-
gen schmachvoll zu Grunde gegangen ist, auf religiösem Gebiete
gegenüber den Katholiken das Regiment fortzusetzen gedenkt, als
ob seit dem März 1848 gar nichts in der Welt geschehen wäre.
Wir hoffen mit Zuversicht, daß dieser Standpunkt der Regierun-
gen überhaupt in nächster Zukunft ein völlig unhaltbarer seyn
werde. Drum kann es lediglich auf unsere Lachmuskeln wirken,
wenn man diesem Regimente den Vorwurf des Kokettirens macht,
und — wohlgemerkt! — immer wieder von Seiten der Afterfrei-
sinnigkeit, welche die eigene Ohnmacht fühlend, den Arm der Po-
lizei gegen jede freie Bewegung in der Kirche anruft, welche letz-
tere in der jetzigen Zeit nichts Anderes wünschen und anstreben
kann, als unverkümmerte Freiheit des Bekenntnisses für sich und
volle Gleichheit hierin mit allen übrigen Confessionen.

Jn München ist der Minister der Lola und Erminister des
Jnnern Staatsrath von Berks endlich in völligen Ruhestand
versetzt worden. Die Augsburger Allgemeine Zeitung, die dem
Manne früher den Staub von den Füßen geküßt, nennt ihn jetzt
kurzweg den „bekannten“ Freisinn! Fallmerayer hat Heim-

[Ende Spaltensatz]

1) Vergl. unten Rußland und Polen.
1 ) Vergl. unten Rußland und Polen.
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[0002] hoffen. Daß aber dieser Reichsverweser selbst der Volksfreiheit nimmermehr werde gefährlich werden, ist wiederum dadurch ge- währleistet, daß all seine Macht und all sein Einfluß nur auf dem Vertrauen und dem Willen der Nation beruhet und all sein Wirken durch seine Einigkeit mit der Nationalversammlung be- dingt ist. Das Volk aber wird erkennen, daß ein Einiges und kräftiges Oberhaupt im Bunde mit einem aus freier Wahl ent- sprungenen Parlamente ein besserer Hort für Freiheit, Ordnung und Wohlstand sey, als eine von ewigen Parteikämpfen zer- wühlte und zwischen Terrorismus nnd Anarchie hin= und her- schwankende Republik. Möge der neue Reichsverweser diese un- sere Hoffnungen nicht zu Schanden machen, möge er ohne Arg und Falsch, mit aller Aufrichtigkeit und Redlichkeit ganz dem Wohle Deutschlands sich weihen, möge er ohne Ansehen der Person die besten Männer in seinen Rath berufen — und was die Pflicht von ihm erheischt, ohne Menschenfurcht und unbeküm- mert um Menschengunst standhaft vollbringen: alle Guten wer- den dann mit ihm seyn und mit ihrer Hülfe kann er dann des deutschen Reiches Wiederhersteller — einem Rudolph von Habs- burg ähnlich — werden. Deutschland. Berlin 26. Juni. Das neue Ministerium hat endlich das Licht der Welt erblickt, seine officielle Gestaltung ist jedoch etwas anders ausgefallen, als die „Kölner Zeitung“ es gestern verkün- digt hatte. Der „Preuß. Staatsanzeiger“ verkündet heute fol- genden k. Erlaß: „Nachdem der Präsident des Staatsministe- riums, Staatsminister Camphausen, so wie die Staatsminister Graf von Schwerin, von Auerswald, Bornemann und Freiherr von Schleinitz, ingleichen der Chef des Ministeriums für Han- del, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, Freiherr von Patow, von Mir auf ihren Antrag aus ihren bisherigen Stellungen entlassen worden sind, habe Jch 1 ) den Oberpräsidenten von Auerswald zum Präsidenten des Staatsministeriums und zu- gleich interimistisch zum Minister der auswärtigen Angelegenhei- ten, 2 ) den Präsidenten der Nationalversammlung, Abgeordneten Milde, zum Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Ar- beiten, 3 ) den General=Landschafts=Rath, Abgeordneten Rod- bertus, zum Minister der geistlichen, Unterrichts= und Medizinalangelegenheiten, und 4 ) den Kriminalgerichts=Di- rector Maerker zum Justiz=Minister ernannt. 5 ) Von dem Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Ar- beiten soll die Verwaltung der landwirthschaftlichen Angele- genheiten getrennt und ein eigenes Ministerium für diese An- gelegenheiten gebildet werden, dessen Leitung Jch dem Stadt- Syndicus Abgeordneten Gierke, unter Ernennung desselben zum Staatsminister, übertragen habe. 6 ) Die Leitung des Mi- nisteriums des Jnnern habe Jch dem Regierungspräsidenten Kühlwetter, jedoch auf seinen Wunsch nur intermistisch übertragen. Der Finanzminister Hansemann und der Kriegs- minister Freiherr von Schreckenstein bleiben in ihren bisherigen Stellungen. Mein gegenwärtiger Erlaß ist durch die Gesetzsammlung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Sanssouci, den 25 Juni 1848. ( Gez. ) Friedrich Wilhelm. ( contras. ) Hansemann. An das Staatsministerium. Jn einem ziemlich ausführlichen Programme verspricht das Ministerium die „ dauer- hafte Begründung der constitutionellen Monarchie.“ Ueber seine Stellung zur Kirche, der man wahrscheinlich keine Concessionen zu machen gedenkt, weil sie nicht crawallt, scheint es jedoch zur Zeit noch nicht im Klaren zu seyn, denn es kommt in dem ganzen Actenstücke kein Wort davon vor! Posen 23. Juni. Unsere Nachrichten von der Grenze lauten so widersprechend, daß es durchaus unmöglich ist, sich daraus ein klares Bild zu entwerfen. Zwar stimmen alle darin überein, daß die ganze jenseitige Grenzlinie mit russischen Truppen stark besetzt und daß vielfältig von dem bevorstehenden Einrücken derselben in preußisches Gebiet die Rede sey, indessen dürften diesen Nachrich- ten doch nicht so unbedingt Glauben beizumessen seyn, weil es bald heißt, daß der Uebertritt bei Krakau, bald dagegen, daß er bei Thorn erfolgen werde; ja heute ist hier sogar das jedenfalls falsche Gerücht verbreitet, die Russen seyen gestern bei Powizd, östlich von Gnesen, auf preußischem Gebiet eingerückt. Wir glau- ben, daß die Russen vorläufig nur an ihren äußersten Westgren- zen auf der Lauer stehen, um die Erfolge der jetzigen Bewegungen der Slawen abzuwarten, jedoch nicht etwa, um sich, falls sie eine günstige Wendung nehmen sollten, an die Spitze derselben zu stellen, wie eine gewisse Partei das Publi- kum glauben zu machen sucht, sondern um die slawische Erhebung, so bald sie den Russen gefährlich zu werden scheint, als bald durch massenhaften Angriff zu unterdrük- ken. Die Bewegung der Germanen wird die Russen nicht bestim- men, ihre Grenzen zu überschreiten, denn von diesen besorgen sie, wegen der gänzlichen Verschiedenheit der Volksstämme, nichts; dagegen überwachen sie mit scharfem Auge alle Regungen der Slawen, die ihnen freilich gefährlich werden können. Die pan- slawistische Bewegung arbeitet, in unpassender Nachahmung der französischen, auf eine große slawische Republik hin und zerstört dadurch ihr Werk noch, ehe dessen Fundament gelegt ist; denn ein größeres Unding als eine slawische Republik kann es bei der politischen Unreife des slawischen Volkes in der That nicht geben. Nur ehrsüchtige Agitatoren, die um jeden Preis eine hervortre- tende Rolle spielen wollen, können ein solches Traumbild zum Verderben des Volkes zur Wirklichkeit machen wollen. Ueberdies wird dadurch von vornherein der Krieg gegen Rußland erklärt, denn die erste und letzte Bedingung des Fortbestehens der russischen Herrschaft ist der unbedingte Monarchismus 1). ( D. A. Z. ) Stuttgart 26. Juni. An der Spitze der hiesigen republika- nisch=communistischen Bestrebungen steht ein durch schlecht berechnete Spekulation in Conkurs gerathener Fabrikant ( G. Rau ) , dessen einziges Bestreben es bisher war, vom Staate für sich und seine ohne gehörige Erwägung der nöthigen Mittel unternommenen Geschäfte Betriebskapitalien zu erlangen, und der nun den Arbeitern das Himmelreich im Staate der reinen Demokratie predigt, welches er so nahe gekommen wähnt, daß er, als sein heimathliches Oberamtsgericht ihn wegen seines Vermögensverfalls vorlud, dasselbe in der Antwort als „provisorisches Oberamtsgericht“ anredete, — als ob die definitive Regierung, natürlich mit Hrn. Rau, oder etwa Hans Mögling, oder Bürger Loose als Statthalter von Schwaben an der Spitze, schon in Wirklichkeit bestände. — Die Kriegszucht ist nun bei den meisten Regimentern wieder hergestellt. ( Karlsr. Z. ) O Speyer 28. Juni. Die fürchterlichen Ereignisse, von wel- chen Paris heimgesucht ist, haben, wie allenthalben, so auch hier nicht verfehlt, einen tiefen Eindruck hervorzubringen. Diktator Cavaignac proklamirt, die Republik werde siegreich aus diesem letzten Kampfe gegen die Anarchie hervorgehen. Hat er so sichere Gewähr, daß die letzte Barrikade in den Cité=Winkel- straßen der Pariser Altstadt aufgethürmt worden ist? Und welche Bürgschaft des Friedens und der Ordnung hat Deutschland neben einem solchen Vulkane? Das sind Fragen, welche die erregten Gemüther in straffer Spannung halten und überall die bedenk- lichen Mienen vermehren. Uebrigens gibt es keine gute Tragödie ohne das Jntermezzo einer Farce. Und so fehlt es auch uns nicht inmitten der politischen Stürme an den komischsten Possen. Zu den letztern rechnen wir einen Artikel der Neuen Speyerer Zeitung vom gestrigen ( wenn wir nicht irren ) . Es wird darin über die Versammlung der katholischen Geistlichen aus der Pfalz, welche vor vierzehn Tagen in Kaiserslautern Statt hatte, mit un- gemein ungeschickter, Blößen gebender Gehässigkeit berichtet. Das Mainzer Journal hat schon einen Correspondenzartikel über diese Versammlung gebracht, worauf wir uns beziehen können. Die Haltung der Versammelten war eine entschieden kirchliche. Das erklärt hinlänglich den verhaltenen Jngrimm, der aus jenem Ar- tikel spricht und wir verlieren kein Wort weiter darüber. Jetzt aber kommt das Lustige. Am Schlusse des Artikels wird unserer Regierung der Vorwurf gemacht, sie „kokettire“ mit dem „ Ultra- montanismus “. Ein solches Wort kann bei den kirchlich gesinnten Katholiken der Pfalz lediglich eine ungeheuere Heiterkeit hervorrufen. Wenn wir über Etwas bitter zu klagen haben, so ist es gerade, daß der Polizeistaat, der in allen übrigen Beziehun- gen schmachvoll zu Grunde gegangen ist, auf religiösem Gebiete gegenüber den Katholiken das Regiment fortzusetzen gedenkt, als ob seit dem März 1848 gar nichts in der Welt geschehen wäre. Wir hoffen mit Zuversicht, daß dieser Standpunkt der Regierun- gen überhaupt in nächster Zukunft ein völlig unhaltbarer seyn werde. Drum kann es lediglich auf unsere Lachmuskeln wirken, wenn man diesem Regimente den Vorwurf des Kokettirens macht, und — wohlgemerkt! — immer wieder von Seiten der Afterfrei- sinnigkeit, welche die eigene Ohnmacht fühlend, den Arm der Po- lizei gegen jede freie Bewegung in der Kirche anruft, welche letz- tere in der jetzigen Zeit nichts Anderes wünschen und anstreben kann, als unverkümmerte Freiheit des Bekenntnisses für sich und volle Gleichheit hierin mit allen übrigen Confessionen. Jn München ist der Minister der Lola und Erminister des Jnnern Staatsrath von Berks endlich in völligen Ruhestand versetzt worden. Die Augsburger Allgemeine Zeitung, die dem Manne früher den Staub von den Füßen geküßt, nennt ihn jetzt kurzweg den „bekannten“ Freisinn! Fallmerayer hat Heim- 1) Vergl. unten Rußland und Polen. 1 ) Vergl. unten Rußland und Polen.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 15. Mainz, 30. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal015_1848/2>, abgerufen am 06.06.2024.