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Mainzer Journal. Nr. 13. Mainz, 28. Juni 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Werkzeug eines schauderhaften Zweckes waren. Geht jetzt die
Regierung mit Ernst, Strenge und Beharrlichkeit vor, was sie
wohl kann, da sie nicht mehr in den fürchterlichen Fesseln der
Tschechen liegt, so sind wir, so ist Böhmen der Monarchie und
diese wahrscheinlich selbst gerettet. Erkennt man in Wien den
Sieg des Fürsten Windisch=Grätz, würdigt man die Folgen,
gehen die deutsch=österreichischen Provinzen mit uns, unter-
stützt man unsere Armee in Jtalien kräftiger, damit sie uns das
Venezianische erhalten, und wir mit der Lombardei wenigstens einen
ehrenvollen Frieden mit Zuschiebung eines ansehnlichen Betrags
der Staatsschuld machen können, erkennen die Ungarn ihr Jnter-
esse, sich wieder fest an Oesterreich anzuschließen -- auch ihnen
hat Fürst Windisch=Grätz durch den Sieg über die Tschechen einen
großen Dienst erwiesen, weil die Slaven in Ungarn nun auch
kleiner zugeben werden -- übernimmt auch Ungarn einen Theil
unserer Staatsschuld, so wird die österreichische Monarchie, eher
als man es seither erwarten konnte, wieder zusammengegliedert
seyn. Und alle diese Voraussetzungen werden nicht so schwer in
Erfüllung gehen, sobald nur alle Provinzen ihren Vortheil erken-
nen und man in Wien diesen Plan mit Eifer und Consequenz ver-
folgt, statt sich um ein bischen Freiheit mehr oder weniger herum-
zuschlagen. 1) ( A. Z. )

Jnnsbruk 23. Juni. Aus Jtalien nicht Neues. Gestern kam
abermals ein Courier aus Prag. Den erhaltenen Nachrichten
zufolge ist die Swornostpartei nichts weniger als
gesonnen sich aufzulösen
und ruhig zu verhalten. Sie
behauptet vielmehr der Wenzelbadclub müsse fortbestehen, und man
dürfe ihn nicht auflösen, denn man habe das Associationsrecht,
und das dürfe nicht verletzt werden. Man findet es natürlich be-
quem den Hochverrath am hellen Tage auszukochen. ( A. Z. )

== Aus der bayerischen Pfalz 25. Juni. Neuigkeiten wün-
schen Sie? Aber es erfreut sich die Pfalz noch fortwährend jener
seltenen Ruhe, durch welche sie sich schon seit vier Monaten vor-
theilhaft vor den übrigen Kreisen des Königreichs und vor vielen
deutschen Provinzen auszeichnet. Manche meinen, das Crawalli-
ren fände schon deßhalb keinen Anklang mehr bei uns, weil man
im Anfange der dreißiger Jahre Lehrgelds genug gegeben. Ge-
brannt Kind scheut's Feuer: sagt das gute alte deutsche Sprüch-
wort. Ach, wie lange werden wir noch die lieben Klänge der
theuern deutschen Sprache, dieser natürlichen Mutter der berühm-
ten deutschen Philosophien hören! Jch fürchte fast, man wird die
Sprüchwörter der Heimath ins Russische und Französische über-
setzen müssen, wenn sie das Volk, das nach fünfzig Jahren die
Landstriche bewohnt, welche früher Deutschland genannt waren,
verstehen soll. Jch fühle es mit Jhnen, daß der Spott heute zu
Tage am unrechten Platze ist; aber nichs wird so leicht bitter,
als die Ohnmacht, und klägliche, schmachvolle Ohnmacht muß
jeder Deutsche fühlen, der nach dem kranken Pulsschlage des
Vaterlandes zu tasten wagt und über die Schlagwörter der Gasse
im Reinen ist. Jm Abend sträubt der gallische Hahn sein Gefie-
der und stellt den dunkelrothen Kamm. Vom Morgen her streicht
mit leisem Flügelschlage nächtiger Weise ein Adler, -- nein ein
Geier. Und was ist die Beute, auf die er stößt? Deutsch-
land, in acht und dreißig " Nationen " zerrissen, in tausend
Meinungen zerspalten, vom öffentlichen Bankbruche der Staaten,
vom völligen Ruine des Privatkredites, des Verkehres und der
Jndustrie bedroht, von anarchischen Bestrebungen mehr, als
geahnt wird, unterwühlt, ohne Haupt, ohne Feldherr, ohne kampf-
geübtes Heer gegenüber von Armeen, welche bei Beduinen und
Tscherkessen in die Schule gegangen sind. Wer kann uns retten?
-- Wir selbst! Einigung, Versöhnung, ein Absehen von allen
individuellen Wünschen, von allen Sonderinteressen thut Noth,
dringend Noth. O, die Zeit ist eine furchtbare Drängerin gewor-
den! Wem klingt nicht schon auch hier in die Ohren das verhäng-
volle: zu spät!

== Aus der bayerischen Pfalz 26. Juni. Allmählig wird
das deutsche Volk inne, von Wem es theilweise in Frankfurt sich
vertreten lassen muß. Daß Entrüstung über solche Gesinnungen,
wie sie hie und da ungescheut im Reichstage zu Tage treten, durch
ganz Deutschland, keine Provinz ausgenommen, gehen werde,
davon sind wir fest überzeugt. Am wenigsten wird sich aber der
Kern des Volkes, der draußen auf dem platten Lande sitzt und
bis jetzt keine Gelegenheit hatte, der faulen und vergifteten Bil-
dung der Städte theilhaftig zu werden, mit solchen Volksvertre-
tern zufrieden finden. Wie Jhnen berichtet worden, predigte

[Spaltenumbruch] Robert Blum an unserer Haardt in den Pfingsttagen den
Pantheismus. Die Pfälzer haben Kritik. Sie verstanden die
Rede, aber wir glauben, der Redner würde auch die Antwort
verstehen, die ihm in gutem derben Deutsch werden würde, wenn
er sich die Mühe nehmen wollte, bei den einzelnen Bewohnern
des Haardtgebirges, die alle zum souveränen deutschen Volke ge-
hören, dem Effekte des von ihm aufgestellten Dogma's nachzu-
fragen. Sodann vernehmen wir den Minister der Gerechtigkeit
Römer aus Württemberg in einer Ausschußsitzung. "Meine
Herren!" spricht er, "ich habe in meinem Leben nie viel auf
Religion gehalten," und schlägt vor, das Kirchengut einzuziehen,
um die Religionsgesellschaften arm zu machen, "dann sind die
Religionen am besten!" Wir müssen gestehen, wenn die Blüthe
von Jungdeutschland solche ehrbare Ansichten ausspräche, wir
fänden sie nicht auffallend. Daß aber ein württembergischer Ge-
rechtigkeitsminister sich zu solcher Fahne bekennen kann, scheint
uns ein starkes Zeichen der Zeit. Wir weisen solche Gesinnungen
mit Entschiedenheit, mit Abscheu zurück! Wir haben ein Recht,
eine Pflicht dazu! Und nun Folgendes: Die "Neue Speyerer
Zeitung" vom 25. Juni berichtet über die Berathung des Reichs-
tages bezüglich der Centralgewalt. Der Abgeordnete Lassaulr
aus München hat das Wort. "Da der Redner unter Anderm
die Aeußerung ausspricht: ,,,,Allmächtig ist im Himmel und auf
Erden nur Einer'''' -- entsteht ein großes Gelächter. " Wir
fassen die Stelle auf, wie sie die Neue Speyerer Zeitung gibt
und wissen, Gottlob, daß in der Pfalz die ungeheuere Mehrzahl
im Volke nicht auf der Seite jener Lacher steht. Aber auch in
Oesterreich und Bayern, in Tyrol und im Schwarzwalde, in
Westphalen, an der Elbe und Oder und weiter hin am deutschen
Meere, in ganz Deutschland mit einem Worte -- wir sprechen
es mit Zuversicht aus -- werden gar keine oder wenige Ur-
wähler zum deutschen Reichstage seyn, welche sich von Män-
nern vertreten wissen wollen, die in "ein großes Gelächter" aus-
brechen, wenn in ihrer Mitte es Einer wagt, eine Wahrheit
auszusprechen, welche die tiefste Grundlage aller menschlichen
Ordnung, alles Staatenglückes bildet. Wahrlich! betrachten wir
die Lage der deutschen Dinge in diesem Augenblicke, und hören
jenes Hohngelächter -- die Sache hat etwas furchtbar Tragisches!
Der Alte der Tage ist langmüthig. Frechen Uebermuth hat er
aber noch stets gezüchtigt. Vergeblich wird man in den Annalen
des englischen Parlamentes und des Congresses der vereinigten
Staaten nach so gefärbten Verhandlungen suchen. Selbst die
erste französische Republik wird kaum Solches aufzuweisen haben,
geschweige denn die zweite. Das blieb unserem Vaterlande, das
blieb dem verfassungsgebenden Reichstage von Deutschland vor-
behalten. Und die Neue Speyerer Zeitung, die jenes höhnische
Gelächter nicht schnell genug berichten kann, um über einen ver-
haßten Ultramontanen, der zu den gebildetsten und edelsten Män-
nern der Versammlung zählt, vermeintlich Spott zu bringen!
Die N. Sp. Z. gibt sich seit lange her für die Trägerin der Ge-
sinnungen und der Ueberzeugung der Pfalz aus. Wir für unsern
Theil finden hier neue Gelegenheit, das entschieden in Abrede zu
stellen, und sind überzeugt, daß wir es hier zugleich für das
Pfälzer Volk in der großartigsten Majorität thuen.

O Darmstadt 24. Juni. Die neuen Staatsverhältnisse ma-
chen auch eine neue Gestaltung unseres gelehrten Schulwesens
nothwendig und es muß auch hierin eine größere Selbstständigkeit
anerkannt und durchgeführt werden, denn bisher waren die An-
stalten allzusehr durch die Staatsbehörden an einer freien Ent-
wickelung gehemmt. Bereits sind hierauf bezügliche Anträge von
Seiten der Gymnasiallehrer bei der Staatsregierung gestellt wor-
den, und wie die neuesten Erlasse beweisen, ist man von Oben
herab gesonnen, den ausgesprochenen Wünschen zu entsprechen,
indem bei neuen Anstellungen, bei der Revision der Schulgesetze
u. dgl. das Gutachten des Lehrercollegs eingeholt, und überhaupt
demselben eine größere Berechtigung an der Verwaltung und Lei-
tung der Schule eingeräumt wird. Noch ist freilich die neue Ord-
nung nicht festgestellt, und was bis jetzt geschehen, könnte auch
als eine vorübergehende Begünstigung erscheinen, wüßte man
höheren Ortes nicht selbst, daß die Forderung der Zeit und das
Jnteresse der Schule gleich sehr ein Abgehen von den früheren
Verwaltungsmarimen verlangen.

P Mainz 25. Juni. Aus allen Theilen der Provinz laufen
Adressen, mit zahlreichen Unterschriften bedeckt, bei dem Vor-
stande des "Piusvereins für religiöse Freiheit" ein, worin die
Unterzeichner von der Nationalversammlung die Sicherung voller
Kirchenfreiheit begehren, und bereits von etwa 30 Gemeinden
sind sie nach Frankfurt abgegangen. Wie ausdrücklich in den
Adressen hervorgehoben ist, berührt diese Forderung nicht nur
die Religion, sondern nicht weniger die Jnteressen des Vater-
landes,
denn Allen ist es klar, und wahrhaftig es konnte ihnen
[Ende Spaltensatz]

1) Wir geben diese wahrscheinlich von einem etwas sanguinischen
Beamten herrührende Correspondenz lediglich als Curiosum. Mit der
Politik "des Vortheiles" ist es heutzutage aus, und ohne großartige
leitende Jdeen lassen sich auch Staaten nicht mehr "zusammengliedern"
oder "zusammenleimen". Von dieser Jdee aber, die das Ganze zusam-
menhalten soll, gewahrenwir in Oesterreich leider keine Spur.
1 ) Wir geben diese wahrscheinlich von einem etwas sanguinischen
Beamten herrührende Correspondenz lediglich als Curiosum. Mit der
Politik "des Vortheiles" ist es heutzutage aus, und ohne großartige
leitende Jdeen lassen sich auch Staaten nicht mehr "zusammengliedern"
oder "zusammenleimen". Von dieser Jdee aber, die das Ganze zusam-
menhalten soll, gewahrenwir in Oesterreich leider keine Spur.

[Beginn Spaltensatz] Werkzeug eines schauderhaften Zweckes waren. Geht jetzt die
Regierung mit Ernst, Strenge und Beharrlichkeit vor, was sie
wohl kann, da sie nicht mehr in den fürchterlichen Fesseln der
Tschechen liegt, so sind wir, so ist Böhmen der Monarchie und
diese wahrscheinlich selbst gerettet. Erkennt man in Wien den
Sieg des Fürsten Windisch=Grätz, würdigt man die Folgen,
gehen die deutsch=österreichischen Provinzen mit uns, unter-
stützt man unsere Armee in Jtalien kräftiger, damit sie uns das
Venezianische erhalten, und wir mit der Lombardei wenigstens einen
ehrenvollen Frieden mit Zuschiebung eines ansehnlichen Betrags
der Staatsschuld machen können, erkennen die Ungarn ihr Jnter-
esse, sich wieder fest an Oesterreich anzuschließen — auch ihnen
hat Fürst Windisch=Grätz durch den Sieg über die Tschechen einen
großen Dienst erwiesen, weil die Slaven in Ungarn nun auch
kleiner zugeben werden — übernimmt auch Ungarn einen Theil
unserer Staatsschuld, so wird die österreichische Monarchie, eher
als man es seither erwarten konnte, wieder zusammengegliedert
seyn. Und alle diese Voraussetzungen werden nicht so schwer in
Erfüllung gehen, sobald nur alle Provinzen ihren Vortheil erken-
nen und man in Wien diesen Plan mit Eifer und Consequenz ver-
folgt, statt sich um ein bischen Freiheit mehr oder weniger herum-
zuschlagen. 1) ( A. Z. )

Jnnsbruk 23. Juni. Aus Jtalien nicht Neues. Gestern kam
abermals ein Courier aus Prag. Den erhaltenen Nachrichten
zufolge ist die Swornostpartei nichts weniger als
gesonnen sich aufzulösen
und ruhig zu verhalten. Sie
behauptet vielmehr der Wenzelbadclub müsse fortbestehen, und man
dürfe ihn nicht auflösen, denn man habe das Associationsrecht,
und das dürfe nicht verletzt werden. Man findet es natürlich be-
quem den Hochverrath am hellen Tage auszukochen. ( A. Z. )

== Aus der bayerischen Pfalz 25. Juni. Neuigkeiten wün-
schen Sie? Aber es erfreut sich die Pfalz noch fortwährend jener
seltenen Ruhe, durch welche sie sich schon seit vier Monaten vor-
theilhaft vor den übrigen Kreisen des Königreichs und vor vielen
deutschen Provinzen auszeichnet. Manche meinen, das Crawalli-
ren fände schon deßhalb keinen Anklang mehr bei uns, weil man
im Anfange der dreißiger Jahre Lehrgelds genug gegeben. Ge-
brannt Kind scheut's Feuer: sagt das gute alte deutsche Sprüch-
wort. Ach, wie lange werden wir noch die lieben Klänge der
theuern deutschen Sprache, dieser natürlichen Mutter der berühm-
ten deutschen Philosophien hören! Jch fürchte fast, man wird die
Sprüchwörter der Heimath ins Russische und Französische über-
setzen müssen, wenn sie das Volk, das nach fünfzig Jahren die
Landstriche bewohnt, welche früher Deutschland genannt waren,
verstehen soll. Jch fühle es mit Jhnen, daß der Spott heute zu
Tage am unrechten Platze ist; aber nichs wird so leicht bitter,
als die Ohnmacht, und klägliche, schmachvolle Ohnmacht muß
jeder Deutsche fühlen, der nach dem kranken Pulsschlage des
Vaterlandes zu tasten wagt und über die Schlagwörter der Gasse
im Reinen ist. Jm Abend sträubt der gallische Hahn sein Gefie-
der und stellt den dunkelrothen Kamm. Vom Morgen her streicht
mit leisem Flügelschlage nächtiger Weise ein Adler, — nein ein
Geier. Und was ist die Beute, auf die er stößt? Deutsch-
land, in acht und dreißig „ Nationen “ zerrissen, in tausend
Meinungen zerspalten, vom öffentlichen Bankbruche der Staaten,
vom völligen Ruine des Privatkredites, des Verkehres und der
Jndustrie bedroht, von anarchischen Bestrebungen mehr, als
geahnt wird, unterwühlt, ohne Haupt, ohne Feldherr, ohne kampf-
geübtes Heer gegenüber von Armeen, welche bei Beduinen und
Tscherkessen in die Schule gegangen sind. Wer kann uns retten?
— Wir selbst! Einigung, Versöhnung, ein Absehen von allen
individuellen Wünschen, von allen Sonderinteressen thut Noth,
dringend Noth. O, die Zeit ist eine furchtbare Drängerin gewor-
den! Wem klingt nicht schon auch hier in die Ohren das verhäng-
volle: zu spät!

== Aus der bayerischen Pfalz 26. Juni. Allmählig wird
das deutsche Volk inne, von Wem es theilweise in Frankfurt sich
vertreten lassen muß. Daß Entrüstung über solche Gesinnungen,
wie sie hie und da ungescheut im Reichstage zu Tage treten, durch
ganz Deutschland, keine Provinz ausgenommen, gehen werde,
davon sind wir fest überzeugt. Am wenigsten wird sich aber der
Kern des Volkes, der draußen auf dem platten Lande sitzt und
bis jetzt keine Gelegenheit hatte, der faulen und vergifteten Bil-
dung der Städte theilhaftig zu werden, mit solchen Volksvertre-
tern zufrieden finden. Wie Jhnen berichtet worden, predigte

[Spaltenumbruch] Robert Blum an unserer Haardt in den Pfingsttagen den
Pantheismus. Die Pfälzer haben Kritik. Sie verstanden die
Rede, aber wir glauben, der Redner würde auch die Antwort
verstehen, die ihm in gutem derben Deutsch werden würde, wenn
er sich die Mühe nehmen wollte, bei den einzelnen Bewohnern
des Haardtgebirges, die alle zum souveränen deutschen Volke ge-
hören, dem Effekte des von ihm aufgestellten Dogma's nachzu-
fragen. Sodann vernehmen wir den Minister der Gerechtigkeit
Römer aus Württemberg in einer Ausschußsitzung. „Meine
Herren!“ spricht er, „ich habe in meinem Leben nie viel auf
Religion gehalten,“ und schlägt vor, das Kirchengut einzuziehen,
um die Religionsgesellschaften arm zu machen, „dann sind die
Religionen am besten!“ Wir müssen gestehen, wenn die Blüthe
von Jungdeutschland solche ehrbare Ansichten ausspräche, wir
fänden sie nicht auffallend. Daß aber ein württembergischer Ge-
rechtigkeitsminister sich zu solcher Fahne bekennen kann, scheint
uns ein starkes Zeichen der Zeit. Wir weisen solche Gesinnungen
mit Entschiedenheit, mit Abscheu zurück! Wir haben ein Recht,
eine Pflicht dazu! Und nun Folgendes: Die „Neue Speyerer
Zeitung“ vom 25. Juni berichtet über die Berathung des Reichs-
tages bezüglich der Centralgewalt. Der Abgeordnete Lassaulr
aus München hat das Wort. „Da der Redner unter Anderm
die Aeußerung ausspricht: ‚‚‚‚Allmächtig ist im Himmel und auf
Erden nur Einer'''' — entsteht ein großes Gelächter. “ Wir
fassen die Stelle auf, wie sie die Neue Speyerer Zeitung gibt
und wissen, Gottlob, daß in der Pfalz die ungeheuere Mehrzahl
im Volke nicht auf der Seite jener Lacher steht. Aber auch in
Oesterreich und Bayern, in Tyrol und im Schwarzwalde, in
Westphalen, an der Elbe und Oder und weiter hin am deutschen
Meere, in ganz Deutschland mit einem Worte — wir sprechen
es mit Zuversicht aus — werden gar keine oder wenige Ur-
wähler zum deutschen Reichstage seyn, welche sich von Män-
nern vertreten wissen wollen, die in „ein großes Gelächter“ aus-
brechen, wenn in ihrer Mitte es Einer wagt, eine Wahrheit
auszusprechen, welche die tiefste Grundlage aller menschlichen
Ordnung, alles Staatenglückes bildet. Wahrlich! betrachten wir
die Lage der deutschen Dinge in diesem Augenblicke, und hören
jenes Hohngelächter — die Sache hat etwas furchtbar Tragisches!
Der Alte der Tage ist langmüthig. Frechen Uebermuth hat er
aber noch stets gezüchtigt. Vergeblich wird man in den Annalen
des englischen Parlamentes und des Congresses der vereinigten
Staaten nach so gefärbten Verhandlungen suchen. Selbst die
erste französische Republik wird kaum Solches aufzuweisen haben,
geschweige denn die zweite. Das blieb unserem Vaterlande, das
blieb dem verfassungsgebenden Reichstage von Deutschland vor-
behalten. Und die Neue Speyerer Zeitung, die jenes höhnische
Gelächter nicht schnell genug berichten kann, um über einen ver-
haßten Ultramontanen, der zu den gebildetsten und edelsten Män-
nern der Versammlung zählt, vermeintlich Spott zu bringen!
Die N. Sp. Z. gibt sich seit lange her für die Trägerin der Ge-
sinnungen und der Ueberzeugung der Pfalz aus. Wir für unsern
Theil finden hier neue Gelegenheit, das entschieden in Abrede zu
stellen, und sind überzeugt, daß wir es hier zugleich für das
Pfälzer Volk in der großartigsten Majorität thuen.

O Darmstadt 24. Juni. Die neuen Staatsverhältnisse ma-
chen auch eine neue Gestaltung unseres gelehrten Schulwesens
nothwendig und es muß auch hierin eine größere Selbstständigkeit
anerkannt und durchgeführt werden, denn bisher waren die An-
stalten allzusehr durch die Staatsbehörden an einer freien Ent-
wickelung gehemmt. Bereits sind hierauf bezügliche Anträge von
Seiten der Gymnasiallehrer bei der Staatsregierung gestellt wor-
den, und wie die neuesten Erlasse beweisen, ist man von Oben
herab gesonnen, den ausgesprochenen Wünschen zu entsprechen,
indem bei neuen Anstellungen, bei der Revision der Schulgesetze
u. dgl. das Gutachten des Lehrercollegs eingeholt, und überhaupt
demselben eine größere Berechtigung an der Verwaltung und Lei-
tung der Schule eingeräumt wird. Noch ist freilich die neue Ord-
nung nicht festgestellt, und was bis jetzt geschehen, könnte auch
als eine vorübergehende Begünstigung erscheinen, wüßte man
höheren Ortes nicht selbst, daß die Forderung der Zeit und das
Jnteresse der Schule gleich sehr ein Abgehen von den früheren
Verwaltungsmarimen verlangen.

P Mainz 25. Juni. Aus allen Theilen der Provinz laufen
Adressen, mit zahlreichen Unterschriften bedeckt, bei dem Vor-
stande des „Piusvereins für religiöse Freiheit“ ein, worin die
Unterzeichner von der Nationalversammlung die Sicherung voller
Kirchenfreiheit begehren, und bereits von etwa 30 Gemeinden
sind sie nach Frankfurt abgegangen. Wie ausdrücklich in den
Adressen hervorgehoben ist, berührt diese Forderung nicht nur
die Religion, sondern nicht weniger die Jnteressen des Vater-
landes,
denn Allen ist es klar, und wahrhaftig es konnte ihnen
[Ende Spaltensatz]

1) Wir geben diese wahrscheinlich von einem etwas sanguinischen
Beamten herrührende Correspondenz lediglich als Curiosum. Mit der
Politik „des Vortheiles“ ist es heutzutage aus, und ohne großartige
leitende Jdeen lassen sich auch Staaten nicht mehr „zusammengliedern“
oder „zusammenleimen“. Von dieser Jdee aber, die das Ganze zusam-
menhalten soll, gewahrenwir in Oesterreich leider keine Spur.
1 ) Wir geben diese wahrscheinlich von einem etwas sanguinischen
Beamten herrührende Correspondenz lediglich als Curiosum. Mit der
Politik „des Vortheiles“ ist es heutzutage aus, und ohne großartige
leitende Jdeen lassen sich auch Staaten nicht mehr „zusammengliedern“
oder „zusammenleimen“. Von dieser Jdee aber, die das Ganze zusam-
menhalten soll, gewahrenwir in Oesterreich leider keine Spur.
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[0002] Werkzeug eines schauderhaften Zweckes waren. Geht jetzt die Regierung mit Ernst, Strenge und Beharrlichkeit vor, was sie wohl kann, da sie nicht mehr in den fürchterlichen Fesseln der Tschechen liegt, so sind wir, so ist Böhmen der Monarchie und diese wahrscheinlich selbst gerettet. Erkennt man in Wien den Sieg des Fürsten Windisch=Grätz, würdigt man die Folgen, gehen die deutsch=österreichischen Provinzen mit uns, unter- stützt man unsere Armee in Jtalien kräftiger, damit sie uns das Venezianische erhalten, und wir mit der Lombardei wenigstens einen ehrenvollen Frieden mit Zuschiebung eines ansehnlichen Betrags der Staatsschuld machen können, erkennen die Ungarn ihr Jnter- esse, sich wieder fest an Oesterreich anzuschließen — auch ihnen hat Fürst Windisch=Grätz durch den Sieg über die Tschechen einen großen Dienst erwiesen, weil die Slaven in Ungarn nun auch kleiner zugeben werden — übernimmt auch Ungarn einen Theil unserer Staatsschuld, so wird die österreichische Monarchie, eher als man es seither erwarten konnte, wieder zusammengegliedert seyn. Und alle diese Voraussetzungen werden nicht so schwer in Erfüllung gehen, sobald nur alle Provinzen ihren Vortheil erken- nen und man in Wien diesen Plan mit Eifer und Consequenz ver- folgt, statt sich um ein bischen Freiheit mehr oder weniger herum- zuschlagen. 1) ( A. Z. ) Jnnsbruk 23. Juni. Aus Jtalien nicht Neues. Gestern kam abermals ein Courier aus Prag. Den erhaltenen Nachrichten zufolge ist die Swornostpartei nichts weniger als gesonnen sich aufzulösen und ruhig zu verhalten. Sie behauptet vielmehr der Wenzelbadclub müsse fortbestehen, und man dürfe ihn nicht auflösen, denn man habe das Associationsrecht, und das dürfe nicht verletzt werden. Man findet es natürlich be- quem den Hochverrath am hellen Tage auszukochen. ( A. Z. ) == Aus der bayerischen Pfalz 25. Juni. Neuigkeiten wün- schen Sie? Aber es erfreut sich die Pfalz noch fortwährend jener seltenen Ruhe, durch welche sie sich schon seit vier Monaten vor- theilhaft vor den übrigen Kreisen des Königreichs und vor vielen deutschen Provinzen auszeichnet. Manche meinen, das Crawalli- ren fände schon deßhalb keinen Anklang mehr bei uns, weil man im Anfange der dreißiger Jahre Lehrgelds genug gegeben. Ge- brannt Kind scheut's Feuer: sagt das gute alte deutsche Sprüch- wort. Ach, wie lange werden wir noch die lieben Klänge der theuern deutschen Sprache, dieser natürlichen Mutter der berühm- ten deutschen Philosophien hören! Jch fürchte fast, man wird die Sprüchwörter der Heimath ins Russische und Französische über- setzen müssen, wenn sie das Volk, das nach fünfzig Jahren die Landstriche bewohnt, welche früher Deutschland genannt waren, verstehen soll. Jch fühle es mit Jhnen, daß der Spott heute zu Tage am unrechten Platze ist; aber nichs wird so leicht bitter, als die Ohnmacht, und klägliche, schmachvolle Ohnmacht muß jeder Deutsche fühlen, der nach dem kranken Pulsschlage des Vaterlandes zu tasten wagt und über die Schlagwörter der Gasse im Reinen ist. Jm Abend sträubt der gallische Hahn sein Gefie- der und stellt den dunkelrothen Kamm. Vom Morgen her streicht mit leisem Flügelschlage nächtiger Weise ein Adler, — nein ein Geier. Und was ist die Beute, auf die er stößt? Deutsch- land, in acht und dreißig „ Nationen “ zerrissen, in tausend Meinungen zerspalten, vom öffentlichen Bankbruche der Staaten, vom völligen Ruine des Privatkredites, des Verkehres und der Jndustrie bedroht, von anarchischen Bestrebungen mehr, als geahnt wird, unterwühlt, ohne Haupt, ohne Feldherr, ohne kampf- geübtes Heer gegenüber von Armeen, welche bei Beduinen und Tscherkessen in die Schule gegangen sind. Wer kann uns retten? — Wir selbst! Einigung, Versöhnung, ein Absehen von allen individuellen Wünschen, von allen Sonderinteressen thut Noth, dringend Noth. O, die Zeit ist eine furchtbare Drängerin gewor- den! Wem klingt nicht schon auch hier in die Ohren das verhäng- volle: zu spät! == Aus der bayerischen Pfalz 26. Juni. Allmählig wird das deutsche Volk inne, von Wem es theilweise in Frankfurt sich vertreten lassen muß. Daß Entrüstung über solche Gesinnungen, wie sie hie und da ungescheut im Reichstage zu Tage treten, durch ganz Deutschland, keine Provinz ausgenommen, gehen werde, davon sind wir fest überzeugt. Am wenigsten wird sich aber der Kern des Volkes, der draußen auf dem platten Lande sitzt und bis jetzt keine Gelegenheit hatte, der faulen und vergifteten Bil- dung der Städte theilhaftig zu werden, mit solchen Volksvertre- tern zufrieden finden. Wie Jhnen berichtet worden, predigte Robert Blum an unserer Haardt in den Pfingsttagen den Pantheismus. Die Pfälzer haben Kritik. Sie verstanden die Rede, aber wir glauben, der Redner würde auch die Antwort verstehen, die ihm in gutem derben Deutsch werden würde, wenn er sich die Mühe nehmen wollte, bei den einzelnen Bewohnern des Haardtgebirges, die alle zum souveränen deutschen Volke ge- hören, dem Effekte des von ihm aufgestellten Dogma's nachzu- fragen. Sodann vernehmen wir den Minister der Gerechtigkeit Römer aus Württemberg in einer Ausschußsitzung. „Meine Herren!“ spricht er, „ich habe in meinem Leben nie viel auf Religion gehalten,“ und schlägt vor, das Kirchengut einzuziehen, um die Religionsgesellschaften arm zu machen, „dann sind die Religionen am besten!“ Wir müssen gestehen, wenn die Blüthe von Jungdeutschland solche ehrbare Ansichten ausspräche, wir fänden sie nicht auffallend. Daß aber ein württembergischer Ge- rechtigkeitsminister sich zu solcher Fahne bekennen kann, scheint uns ein starkes Zeichen der Zeit. Wir weisen solche Gesinnungen mit Entschiedenheit, mit Abscheu zurück! Wir haben ein Recht, eine Pflicht dazu! Und nun Folgendes: Die „Neue Speyerer Zeitung“ vom 25. Juni berichtet über die Berathung des Reichs- tages bezüglich der Centralgewalt. Der Abgeordnete Lassaulr aus München hat das Wort. „Da der Redner unter Anderm die Aeußerung ausspricht: ‚‚‚‚Allmächtig ist im Himmel und auf Erden nur Einer'''' — entsteht ein großes Gelächter. “ Wir fassen die Stelle auf, wie sie die Neue Speyerer Zeitung gibt und wissen, Gottlob, daß in der Pfalz die ungeheuere Mehrzahl im Volke nicht auf der Seite jener Lacher steht. Aber auch in Oesterreich und Bayern, in Tyrol und im Schwarzwalde, in Westphalen, an der Elbe und Oder und weiter hin am deutschen Meere, in ganz Deutschland mit einem Worte — wir sprechen es mit Zuversicht aus — werden gar keine oder wenige Ur- wähler zum deutschen Reichstage seyn, welche sich von Män- nern vertreten wissen wollen, die in „ein großes Gelächter“ aus- brechen, wenn in ihrer Mitte es Einer wagt, eine Wahrheit auszusprechen, welche die tiefste Grundlage aller menschlichen Ordnung, alles Staatenglückes bildet. Wahrlich! betrachten wir die Lage der deutschen Dinge in diesem Augenblicke, und hören jenes Hohngelächter — die Sache hat etwas furchtbar Tragisches! Der Alte der Tage ist langmüthig. Frechen Uebermuth hat er aber noch stets gezüchtigt. Vergeblich wird man in den Annalen des englischen Parlamentes und des Congresses der vereinigten Staaten nach so gefärbten Verhandlungen suchen. Selbst die erste französische Republik wird kaum Solches aufzuweisen haben, geschweige denn die zweite. Das blieb unserem Vaterlande, das blieb dem verfassungsgebenden Reichstage von Deutschland vor- behalten. Und die Neue Speyerer Zeitung, die jenes höhnische Gelächter nicht schnell genug berichten kann, um über einen ver- haßten Ultramontanen, der zu den gebildetsten und edelsten Män- nern der Versammlung zählt, vermeintlich Spott zu bringen! Die N. Sp. Z. gibt sich seit lange her für die Trägerin der Ge- sinnungen und der Ueberzeugung der Pfalz aus. Wir für unsern Theil finden hier neue Gelegenheit, das entschieden in Abrede zu stellen, und sind überzeugt, daß wir es hier zugleich für das Pfälzer Volk in der großartigsten Majorität thuen. O Darmstadt 24. Juni. Die neuen Staatsverhältnisse ma- chen auch eine neue Gestaltung unseres gelehrten Schulwesens nothwendig und es muß auch hierin eine größere Selbstständigkeit anerkannt und durchgeführt werden, denn bisher waren die An- stalten allzusehr durch die Staatsbehörden an einer freien Ent- wickelung gehemmt. Bereits sind hierauf bezügliche Anträge von Seiten der Gymnasiallehrer bei der Staatsregierung gestellt wor- den, und wie die neuesten Erlasse beweisen, ist man von Oben herab gesonnen, den ausgesprochenen Wünschen zu entsprechen, indem bei neuen Anstellungen, bei der Revision der Schulgesetze u. dgl. das Gutachten des Lehrercollegs eingeholt, und überhaupt demselben eine größere Berechtigung an der Verwaltung und Lei- tung der Schule eingeräumt wird. Noch ist freilich die neue Ord- nung nicht festgestellt, und was bis jetzt geschehen, könnte auch als eine vorübergehende Begünstigung erscheinen, wüßte man höheren Ortes nicht selbst, daß die Forderung der Zeit und das Jnteresse der Schule gleich sehr ein Abgehen von den früheren Verwaltungsmarimen verlangen. P Mainz 25. Juni. Aus allen Theilen der Provinz laufen Adressen, mit zahlreichen Unterschriften bedeckt, bei dem Vor- stande des „Piusvereins für religiöse Freiheit“ ein, worin die Unterzeichner von der Nationalversammlung die Sicherung voller Kirchenfreiheit begehren, und bereits von etwa 30 Gemeinden sind sie nach Frankfurt abgegangen. Wie ausdrücklich in den Adressen hervorgehoben ist, berührt diese Forderung nicht nur die Religion, sondern nicht weniger die Jnteressen des Vater- landes, denn Allen ist es klar, und wahrhaftig es konnte ihnen 1) Wir geben diese wahrscheinlich von einem etwas sanguinischen Beamten herrührende Correspondenz lediglich als Curiosum. Mit der Politik „des Vortheiles“ ist es heutzutage aus, und ohne großartige leitende Jdeen lassen sich auch Staaten nicht mehr „zusammengliedern“ oder „zusammenleimen“. Von dieser Jdee aber, die das Ganze zusam- menhalten soll, gewahrenwir in Oesterreich leider keine Spur. 1 ) Wir geben diese wahrscheinlich von einem etwas sanguinischen Beamten herrührende Correspondenz lediglich als Curiosum. Mit der Politik „des Vortheiles“ ist es heutzutage aus, und ohne großartige leitende Jdeen lassen sich auch Staaten nicht mehr „zusammengliedern“ oder „zusammenleimen“. Von dieser Jdee aber, die das Ganze zusam- menhalten soll, gewahrenwir in Oesterreich leider keine Spur.

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 13. Mainz, 28. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal013_1848/2>, abgerufen am 03.12.2024.