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Mainzer Journal. Nr. 13. Mainz, 28. Juni 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 13. Mittwoch, den 28. Juni. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Frankfurt 26. Juni 1). Die heutige Abendsitzung der con-
stimirenden Nationalversammlung begann um5 1 / 4 Uhr. Zuerst
erhielt Heckscher das Wort. Er erklärte, daß er nach reiflicher
Ueberlegung sein Unteramendement nicht zurücknehmen könne.
Nachdem nun eine Berathung über die Reihenfolge der Anträge
eröffnet worden, wurde von der linken Seite angekündigt, daß
sie jetzt ebenfalls neue Anträge einbringen werde ( Aeußerung des
Beifalls von der Gallerie ) . Später nahm Heckscher nochmals
das Wort, und äußerte in Bezug auf diese Anträge ( soweit wir
den Redner bei der großen Bewegung im Saale vernehmen konn-
ten ) : siehätten schon im Voraus, noch ehe sie bekannt ge-
worden, den Beifall der Gallerie gefunden. Ueber diese
Aeußerung wurde von der linken Seite mit großer Heftigkeit der
Ordnungsruf erhoben. "Das ist eine Verdächtigung! eine Verleum-
dung! man beschuldigt uns des Einverständnisses mit der Gal-
lerie!" Vergebens suchte der Vorsitzende, v. Soiron, dem Red-
ner ( der die Tribüne nicht verlassen ) das Wort zu erhalten; es
wurde darauf gedrungen, daß er zur Ordnung gerufen werde.
Die Erklärung v. Soiron's, daß er in den Worten Heckscher's
keine Beleidigung gefunden, vermehrte nur den Sturm. Nach-
dem der Präsident sich vergebens bemüht hatte, für Heckscher
zum Zweck einer Erläuterung das Wort zu erhalten, der Tumult
im Saale und theilweise auf der Gallerie immer höher gestiegen
war, verkündigte der Vorsitzende, daß die Sitzung auf eine halbe
Stunde vertagt sey. Sie wurde um 6 Uhr wieder eröffnet. Heck-
scher betrat aufs Neue die Rednerbühne; der Präsident ersuchte
die Versammlung, die Erläuterung desselben anzuhören; es
wurde jedoch abermals darauf gedrungen, daß er vor Allem zur
Ordnung gerufen werde. Zugleich waren mehrere Anträge ge-
stellt; unter Anderem wurde ( wie schon während der Pause R.
Blum beantragt hatte ) verlangt, daß Präsident v. Gagern den
Vorsitz wieder übernehmen solle. Der Vorsitzende erklärte endlich,
da für heute eine ruhige Berathung unmöglich er-
scheine,
die Sitzung für geschlossen, und beraumte die nächste
auf morgen für 9 Uhr an. ( Fr. Bl. )

Wien 22. Juni. Jetzt ist Wien vollkommen ruhig, man-
nichfache Besorgnisse den Arbeitern gegenüber hatten sich in der
letzten Zeit verbreitet, jeden Tag rückte die Nationalgarde aus,
und kam dann am Abend furchtbar ermüdet und mit verlornem
Tagewerk nach Hause. Es ist ein eigenes Schauspiel. Viele
Tausende von Bürgern bringen mehrere Tage in der Woche ganz
ohne eigentliche Thätigkeit zu, und würde ein Oeconomist die Ca-
pitalien berechnen, die auf solche Weise verloren oder nicht er-
zeugt werden, der Ausfall müßte ein furchtbarer seyn. Das poli-
tische Leben erwachender Völker hat gewiß seine eigenen Bedin-
gungen, und wir möchten kein schmähendes Wort über diese ersten
Regungen der Freiheit sprechen, aber die Führer, sie mögen nun
Minister, Mitglieder des Ausschusses oder anders heißen, müßten
auf eine Weise denken, wie ohne Anwendung so großer Mittel,
wie das Ausrücken der ganzen Nationalgarde, ein paar tausend
Handwerker, von denen nur die Minderzahl trubulent ist, in
Ordnung gehalten werden könnten. Die Lähmung in allen Ge-
schäften ist unendlich groß, die Klagen der Geschäftsleute hört man
fortwährend und die Störung in den Verhältnissen allen macht
sich auf bedeutende Weise fühlbar. ( A. Z. )

Wien 22. Juni. Das gegen den ehemaligen Stadt= und
Festungscommandanten Zichy eingeleitete kriegsrechtliche Verfah-

[Spaltenumbruch] ren ist nun beendet. Graf Zichy soll zum Tode verurtheilt seyn,
und das Kriegsministerium hat beim Kaiser beantragt, das Ur-
theil zu bestätigen. Der ehemalige Gouverneur von Venedig,
Graf Palffy, welcher weniger compromittirt erscheint, soll ohne
Pension entlassen werden. ( A. Z. )

Wien 21. Juni. Jch kann Jhnen als Augenzeuge der Pra-
ger Ereignisse die Versicherung geben, daß nicht die Kraft der
Czechen und Deutschen sich gegen eine, der Reaktion Vorschub
gebende Militärherrschaft wandte, sondern, daß die in Prag
vollbrachte Revolution eine von den Ultra=Czechen und den ihnen
zur Seite stehenden Panslavisten längst vorbereitete war. Hier-
für sprechen die Arretirung des Grafen Bouquoi, Deym, Baron
Villani und mehrerer Anderer, bei denen man Schriften fand,
welche über Manches, was in der letzten Zeit unerklärlich blieb,
ein grelles Licht verbreiten werden. Daß der commandirende Ge-
neral Fürst Windischgrätz Sieger der Bewegung blieb, müssen
wir als unverdientes Glück ansehen, da es der Regierung in
Wien nicht schwer gewesen wäre, die revolutionären separatisti-
schen Umtriebe und Bewegungen der Ultra=Czechen im Keime zu
ersticken. Wer aber jetzt glaubt, daß es dem Fürsten Windisch-
grätz durch die Eroberung Prag's und durch ein Bombardement
der Stadt gelungen ist, den Kampf des slawischen Elementes
gegen das deutsche in Böhmen zu unterdrücken, wer die Hoff-
nung hegt, das Streben der Czechen und Slawen, sich eine
ganz ungebundene Selbstständigkeit zu erkämpfen, sey besiegt,
der kennt den Charakter der slawischen Nation schlecht. Es ist
gelungen, die Hauptstadt zu bezwingen, aber Böhmen zählt 16
Kreise, von denen gewiß 10 Kreise durchaus slawisch und für die
Prager Swornost und deren politische Bewegungen gestimmt
sind. Jn den östlichen und südlichen Kreisen, und in den Krei-
sen, welche das Centrum Böhmens bilden, habe ich mich selbst
überzeugt, daß ein großer Theil der Bewohner den Prager Brü-
dern, so nennen sie die Swornost, zu Hülfe eilen wollten. Ein
großer Theil der Bureaukratie in Böhmen ist schwach, muth-
und rathlos, entbehrt jeder Achtung, die Deut-
schen sind ohne Willenskraft und Energie,
sie
schwanken wie leichtes Rohr im Winde. Den 26. Jum sollte
der Reichstag in Wien zusammentreten, und am 18. d. M. war
in den Kreisstädten und in allen Orten Böhmens, die ich durch-
reiste, weder ein Wahlgesetz und noch viel weniger die häufigen
nachträglichen Modificationen des Wahlgesetzes bekannt gegeben
worden. Graf Leo Thun hatte alle diesfälligen Ministerial-
erlässe unterschlagen! Möge jetzt wenigstens unser Mini-
sterium kräftige Maßregeln ergreifen, aber auch überzeugt seyn,
daß die Macht der Bajonette uns die Czechen nimmer günstiger
stimmen, einem Bürgerkriege nicht vorbeugen wird! ( A. O. Z. )

Prag 20. Juni. Unser Schutzengel Fürst Windisch=Grätz
hat gesiegt, ebenso muthig als klug und menschlich, nachdem man
seine Frau und seinen Sohn meuchlings erschossen hat, denn letz-
terer ist seitdem auch gestorben, weil er sich das verwundete Bein
nicht wollte abnehmen lassen, fest erklärend, er wollte lieber ster-
ben als mit einem Bein zu leben und nicht mehr Soldat seyn zu
können! Wäre es den Tschechen hier gelungen, so sollte am
Frohnleichnamfest das nämliche Blutbad in Pilsen stattfinden.
Um aber den Erfolg von Windisch=Grätzens Sieg zu verbürgen,
muß man der Rädelsführer dieser entsetzlichen Pläne sich ver-
sichern, sonst versuchen sie in kurzer Zeit dasselbe Spiel, denn wir
kennen die Zähigkeit der Tschechen. Ferner muß die provisorische
Regierung, so wie der Nationalausschuß und die Swornost ein
für allemal aufgelöst, die ganze Stadt entwaffnet und die Natio-
nalgarde mit Vorsicht und Umsicht neu gestaltet werden. Die
Studenten haben wohl genug, indem sie jetzt einsehen, daß sie das
[Ende Spaltensatz]

1) Wir geben diesen Artikel zur Erläuterung unserer Mittheilung
in der Beilage von heute morgen.
1 ) Wir geben diesen Artikel zur Erläuterung unserer Mittheilung
in der Beilage von heute morgen.
Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 13. Mittwoch, den 28. Juni. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Frankfurt 26. Juni 1). Die heutige Abendsitzung der con-
stimirenden Nationalversammlung begann um5 1 / 4 Uhr. Zuerst
erhielt Heckscher das Wort. Er erklärte, daß er nach reiflicher
Ueberlegung sein Unteramendement nicht zurücknehmen könne.
Nachdem nun eine Berathung über die Reihenfolge der Anträge
eröffnet worden, wurde von der linken Seite angekündigt, daß
sie jetzt ebenfalls neue Anträge einbringen werde ( Aeußerung des
Beifalls von der Gallerie ) . Später nahm Heckscher nochmals
das Wort, und äußerte in Bezug auf diese Anträge ( soweit wir
den Redner bei der großen Bewegung im Saale vernehmen konn-
ten ) : siehätten schon im Voraus, noch ehe sie bekannt ge-
worden, den Beifall der Gallerie gefunden. Ueber diese
Aeußerung wurde von der linken Seite mit großer Heftigkeit der
Ordnungsruf erhoben. „Das ist eine Verdächtigung! eine Verleum-
dung! man beschuldigt uns des Einverständnisses mit der Gal-
lerie!“ Vergebens suchte der Vorsitzende, v. Soiron, dem Red-
ner ( der die Tribüne nicht verlassen ) das Wort zu erhalten; es
wurde darauf gedrungen, daß er zur Ordnung gerufen werde.
Die Erklärung v. Soiron's, daß er in den Worten Heckscher's
keine Beleidigung gefunden, vermehrte nur den Sturm. Nach-
dem der Präsident sich vergebens bemüht hatte, für Heckscher
zum Zweck einer Erläuterung das Wort zu erhalten, der Tumult
im Saale und theilweise auf der Gallerie immer höher gestiegen
war, verkündigte der Vorsitzende, daß die Sitzung auf eine halbe
Stunde vertagt sey. Sie wurde um 6 Uhr wieder eröffnet. Heck-
scher betrat aufs Neue die Rednerbühne; der Präsident ersuchte
die Versammlung, die Erläuterung desselben anzuhören; es
wurde jedoch abermals darauf gedrungen, daß er vor Allem zur
Ordnung gerufen werde. Zugleich waren mehrere Anträge ge-
stellt; unter Anderem wurde ( wie schon während der Pause R.
Blum beantragt hatte ) verlangt, daß Präsident v. Gagern den
Vorsitz wieder übernehmen solle. Der Vorsitzende erklärte endlich,
da für heute eine ruhige Berathung unmöglich er-
scheine,
die Sitzung für geschlossen, und beraumte die nächste
auf morgen für 9 Uhr an. ( Fr. Bl. )

Wien 22. Juni. Jetzt ist Wien vollkommen ruhig, man-
nichfache Besorgnisse den Arbeitern gegenüber hatten sich in der
letzten Zeit verbreitet, jeden Tag rückte die Nationalgarde aus,
und kam dann am Abend furchtbar ermüdet und mit verlornem
Tagewerk nach Hause. Es ist ein eigenes Schauspiel. Viele
Tausende von Bürgern bringen mehrere Tage in der Woche ganz
ohne eigentliche Thätigkeit zu, und würde ein Oeconomist die Ca-
pitalien berechnen, die auf solche Weise verloren oder nicht er-
zeugt werden, der Ausfall müßte ein furchtbarer seyn. Das poli-
tische Leben erwachender Völker hat gewiß seine eigenen Bedin-
gungen, und wir möchten kein schmähendes Wort über diese ersten
Regungen der Freiheit sprechen, aber die Führer, sie mögen nun
Minister, Mitglieder des Ausschusses oder anders heißen, müßten
auf eine Weise denken, wie ohne Anwendung so großer Mittel,
wie das Ausrücken der ganzen Nationalgarde, ein paar tausend
Handwerker, von denen nur die Minderzahl trubulent ist, in
Ordnung gehalten werden könnten. Die Lähmung in allen Ge-
schäften ist unendlich groß, die Klagen der Geschäftsleute hört man
fortwährend und die Störung in den Verhältnissen allen macht
sich auf bedeutende Weise fühlbar. ( A. Z. )

Wien 22. Juni. Das gegen den ehemaligen Stadt= und
Festungscommandanten Zichy eingeleitete kriegsrechtliche Verfah-

[Spaltenumbruch] ren ist nun beendet. Graf Zichy soll zum Tode verurtheilt seyn,
und das Kriegsministerium hat beim Kaiser beantragt, das Ur-
theil zu bestätigen. Der ehemalige Gouverneur von Venedig,
Graf Palffy, welcher weniger compromittirt erscheint, soll ohne
Pension entlassen werden. ( A. Z. )

Wien 21. Juni. Jch kann Jhnen als Augenzeuge der Pra-
ger Ereignisse die Versicherung geben, daß nicht die Kraft der
Czechen und Deutschen sich gegen eine, der Reaktion Vorschub
gebende Militärherrschaft wandte, sondern, daß die in Prag
vollbrachte Revolution eine von den Ultra=Czechen und den ihnen
zur Seite stehenden Panslavisten längst vorbereitete war. Hier-
für sprechen die Arretirung des Grafen Bouquoi, Deym, Baron
Villani und mehrerer Anderer, bei denen man Schriften fand,
welche über Manches, was in der letzten Zeit unerklärlich blieb,
ein grelles Licht verbreiten werden. Daß der commandirende Ge-
neral Fürst Windischgrätz Sieger der Bewegung blieb, müssen
wir als unverdientes Glück ansehen, da es der Regierung in
Wien nicht schwer gewesen wäre, die revolutionären separatisti-
schen Umtriebe und Bewegungen der Ultra=Czechen im Keime zu
ersticken. Wer aber jetzt glaubt, daß es dem Fürsten Windisch-
grätz durch die Eroberung Prag's und durch ein Bombardement
der Stadt gelungen ist, den Kampf des slawischen Elementes
gegen das deutsche in Böhmen zu unterdrücken, wer die Hoff-
nung hegt, das Streben der Czechen und Slawen, sich eine
ganz ungebundene Selbstständigkeit zu erkämpfen, sey besiegt,
der kennt den Charakter der slawischen Nation schlecht. Es ist
gelungen, die Hauptstadt zu bezwingen, aber Böhmen zählt 16
Kreise, von denen gewiß 10 Kreise durchaus slawisch und für die
Prager Swornost und deren politische Bewegungen gestimmt
sind. Jn den östlichen und südlichen Kreisen, und in den Krei-
sen, welche das Centrum Böhmens bilden, habe ich mich selbst
überzeugt, daß ein großer Theil der Bewohner den Prager Brü-
dern, so nennen sie die Swornost, zu Hülfe eilen wollten. Ein
großer Theil der Bureaukratie in Böhmen ist schwach, muth-
und rathlos, entbehrt jeder Achtung, die Deut-
schen sind ohne Willenskraft und Energie,
sie
schwanken wie leichtes Rohr im Winde. Den 26. Jum sollte
der Reichstag in Wien zusammentreten, und am 18. d. M. war
in den Kreisstädten und in allen Orten Böhmens, die ich durch-
reiste, weder ein Wahlgesetz und noch viel weniger die häufigen
nachträglichen Modificationen des Wahlgesetzes bekannt gegeben
worden. Graf Leo Thun hatte alle diesfälligen Ministerial-
erlässe unterschlagen! Möge jetzt wenigstens unser Mini-
sterium kräftige Maßregeln ergreifen, aber auch überzeugt seyn,
daß die Macht der Bajonette uns die Czechen nimmer günstiger
stimmen, einem Bürgerkriege nicht vorbeugen wird! ( A. O. Z. )

Prag 20. Juni. Unser Schutzengel Fürst Windisch=Grätz
hat gesiegt, ebenso muthig als klug und menschlich, nachdem man
seine Frau und seinen Sohn meuchlings erschossen hat, denn letz-
terer ist seitdem auch gestorben, weil er sich das verwundete Bein
nicht wollte abnehmen lassen, fest erklärend, er wollte lieber ster-
ben als mit einem Bein zu leben und nicht mehr Soldat seyn zu
können! Wäre es den Tschechen hier gelungen, so sollte am
Frohnleichnamfest das nämliche Blutbad in Pilsen stattfinden.
Um aber den Erfolg von Windisch=Grätzens Sieg zu verbürgen,
muß man der Rädelsführer dieser entsetzlichen Pläne sich ver-
sichern, sonst versuchen sie in kurzer Zeit dasselbe Spiel, denn wir
kennen die Zähigkeit der Tschechen. Ferner muß die provisorische
Regierung, so wie der Nationalausschuß und die Swornost ein
für allemal aufgelöst, die ganze Stadt entwaffnet und die Natio-
nalgarde mit Vorsicht und Umsicht neu gestaltet werden. Die
Studenten haben wohl genug, indem sie jetzt einsehen, daß sie das
[Ende Spaltensatz]

1) Wir geben diesen Artikel zur Erläuterung unserer Mittheilung
in der Beilage von heute morgen.
1 ) Wir geben diesen Artikel zur Erläuterung unserer Mittheilung
in der Beilage von heute morgen.
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[0001] Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an; für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben- falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet. Nro 13. Mittwoch, den 28. Juni. 1848. Deutschland. Frankfurt 26. Juni 1). Die heutige Abendsitzung der con- stimirenden Nationalversammlung begann um5 1 / 4 Uhr. Zuerst erhielt Heckscher das Wort. Er erklärte, daß er nach reiflicher Ueberlegung sein Unteramendement nicht zurücknehmen könne. Nachdem nun eine Berathung über die Reihenfolge der Anträge eröffnet worden, wurde von der linken Seite angekündigt, daß sie jetzt ebenfalls neue Anträge einbringen werde ( Aeußerung des Beifalls von der Gallerie ) . Später nahm Heckscher nochmals das Wort, und äußerte in Bezug auf diese Anträge ( soweit wir den Redner bei der großen Bewegung im Saale vernehmen konn- ten ) : siehätten schon im Voraus, noch ehe sie bekannt ge- worden, den Beifall der Gallerie gefunden. Ueber diese Aeußerung wurde von der linken Seite mit großer Heftigkeit der Ordnungsruf erhoben. „Das ist eine Verdächtigung! eine Verleum- dung! man beschuldigt uns des Einverständnisses mit der Gal- lerie!“ Vergebens suchte der Vorsitzende, v. Soiron, dem Red- ner ( der die Tribüne nicht verlassen ) das Wort zu erhalten; es wurde darauf gedrungen, daß er zur Ordnung gerufen werde. Die Erklärung v. Soiron's, daß er in den Worten Heckscher's keine Beleidigung gefunden, vermehrte nur den Sturm. Nach- dem der Präsident sich vergebens bemüht hatte, für Heckscher zum Zweck einer Erläuterung das Wort zu erhalten, der Tumult im Saale und theilweise auf der Gallerie immer höher gestiegen war, verkündigte der Vorsitzende, daß die Sitzung auf eine halbe Stunde vertagt sey. Sie wurde um 6 Uhr wieder eröffnet. Heck- scher betrat aufs Neue die Rednerbühne; der Präsident ersuchte die Versammlung, die Erläuterung desselben anzuhören; es wurde jedoch abermals darauf gedrungen, daß er vor Allem zur Ordnung gerufen werde. Zugleich waren mehrere Anträge ge- stellt; unter Anderem wurde ( wie schon während der Pause R. Blum beantragt hatte ) verlangt, daß Präsident v. Gagern den Vorsitz wieder übernehmen solle. Der Vorsitzende erklärte endlich, da für heute eine ruhige Berathung unmöglich er- scheine, die Sitzung für geschlossen, und beraumte die nächste auf morgen für 9 Uhr an. ( Fr. Bl. ) Wien 22. Juni. Jetzt ist Wien vollkommen ruhig, man- nichfache Besorgnisse den Arbeitern gegenüber hatten sich in der letzten Zeit verbreitet, jeden Tag rückte die Nationalgarde aus, und kam dann am Abend furchtbar ermüdet und mit verlornem Tagewerk nach Hause. Es ist ein eigenes Schauspiel. Viele Tausende von Bürgern bringen mehrere Tage in der Woche ganz ohne eigentliche Thätigkeit zu, und würde ein Oeconomist die Ca- pitalien berechnen, die auf solche Weise verloren oder nicht er- zeugt werden, der Ausfall müßte ein furchtbarer seyn. Das poli- tische Leben erwachender Völker hat gewiß seine eigenen Bedin- gungen, und wir möchten kein schmähendes Wort über diese ersten Regungen der Freiheit sprechen, aber die Führer, sie mögen nun Minister, Mitglieder des Ausschusses oder anders heißen, müßten auf eine Weise denken, wie ohne Anwendung so großer Mittel, wie das Ausrücken der ganzen Nationalgarde, ein paar tausend Handwerker, von denen nur die Minderzahl trubulent ist, in Ordnung gehalten werden könnten. Die Lähmung in allen Ge- schäften ist unendlich groß, die Klagen der Geschäftsleute hört man fortwährend und die Störung in den Verhältnissen allen macht sich auf bedeutende Weise fühlbar. ( A. Z. ) Wien 22. Juni. Das gegen den ehemaligen Stadt= und Festungscommandanten Zichy eingeleitete kriegsrechtliche Verfah- ren ist nun beendet. Graf Zichy soll zum Tode verurtheilt seyn, und das Kriegsministerium hat beim Kaiser beantragt, das Ur- theil zu bestätigen. Der ehemalige Gouverneur von Venedig, Graf Palffy, welcher weniger compromittirt erscheint, soll ohne Pension entlassen werden. ( A. Z. ) Wien 21. Juni. Jch kann Jhnen als Augenzeuge der Pra- ger Ereignisse die Versicherung geben, daß nicht die Kraft der Czechen und Deutschen sich gegen eine, der Reaktion Vorschub gebende Militärherrschaft wandte, sondern, daß die in Prag vollbrachte Revolution eine von den Ultra=Czechen und den ihnen zur Seite stehenden Panslavisten längst vorbereitete war. Hier- für sprechen die Arretirung des Grafen Bouquoi, Deym, Baron Villani und mehrerer Anderer, bei denen man Schriften fand, welche über Manches, was in der letzten Zeit unerklärlich blieb, ein grelles Licht verbreiten werden. Daß der commandirende Ge- neral Fürst Windischgrätz Sieger der Bewegung blieb, müssen wir als unverdientes Glück ansehen, da es der Regierung in Wien nicht schwer gewesen wäre, die revolutionären separatisti- schen Umtriebe und Bewegungen der Ultra=Czechen im Keime zu ersticken. Wer aber jetzt glaubt, daß es dem Fürsten Windisch- grätz durch die Eroberung Prag's und durch ein Bombardement der Stadt gelungen ist, den Kampf des slawischen Elementes gegen das deutsche in Böhmen zu unterdrücken, wer die Hoff- nung hegt, das Streben der Czechen und Slawen, sich eine ganz ungebundene Selbstständigkeit zu erkämpfen, sey besiegt, der kennt den Charakter der slawischen Nation schlecht. Es ist gelungen, die Hauptstadt zu bezwingen, aber Böhmen zählt 16 Kreise, von denen gewiß 10 Kreise durchaus slawisch und für die Prager Swornost und deren politische Bewegungen gestimmt sind. Jn den östlichen und südlichen Kreisen, und in den Krei- sen, welche das Centrum Böhmens bilden, habe ich mich selbst überzeugt, daß ein großer Theil der Bewohner den Prager Brü- dern, so nennen sie die Swornost, zu Hülfe eilen wollten. Ein großer Theil der Bureaukratie in Böhmen ist schwach, muth- und rathlos, entbehrt jeder Achtung, die Deut- schen sind ohne Willenskraft und Energie, sie schwanken wie leichtes Rohr im Winde. Den 26. Jum sollte der Reichstag in Wien zusammentreten, und am 18. d. M. war in den Kreisstädten und in allen Orten Böhmens, die ich durch- reiste, weder ein Wahlgesetz und noch viel weniger die häufigen nachträglichen Modificationen des Wahlgesetzes bekannt gegeben worden. Graf Leo Thun hatte alle diesfälligen Ministerial- erlässe unterschlagen! Möge jetzt wenigstens unser Mini- sterium kräftige Maßregeln ergreifen, aber auch überzeugt seyn, daß die Macht der Bajonette uns die Czechen nimmer günstiger stimmen, einem Bürgerkriege nicht vorbeugen wird! ( A. O. Z. ) Prag 20. Juni. Unser Schutzengel Fürst Windisch=Grätz hat gesiegt, ebenso muthig als klug und menschlich, nachdem man seine Frau und seinen Sohn meuchlings erschossen hat, denn letz- terer ist seitdem auch gestorben, weil er sich das verwundete Bein nicht wollte abnehmen lassen, fest erklärend, er wollte lieber ster- ben als mit einem Bein zu leben und nicht mehr Soldat seyn zu können! Wäre es den Tschechen hier gelungen, so sollte am Frohnleichnamfest das nämliche Blutbad in Pilsen stattfinden. Um aber den Erfolg von Windisch=Grätzens Sieg zu verbürgen, muß man der Rädelsführer dieser entsetzlichen Pläne sich ver- sichern, sonst versuchen sie in kurzer Zeit dasselbe Spiel, denn wir kennen die Zähigkeit der Tschechen. Ferner muß die provisorische Regierung, so wie der Nationalausschuß und die Swornost ein für allemal aufgelöst, die ganze Stadt entwaffnet und die Natio- nalgarde mit Vorsicht und Umsicht neu gestaltet werden. Die Studenten haben wohl genug, indem sie jetzt einsehen, daß sie das 1) Wir geben diesen Artikel zur Erläuterung unserer Mittheilung in der Beilage von heute morgen. 1 ) Wir geben diesen Artikel zur Erläuterung unserer Mittheilung in der Beilage von heute morgen.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 13. Mainz, 28. Juni 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal013_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.