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Märkische Blätter. Jahrgang 4, Nr. 69. Hattingen, 29. August 1852.

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[Beginn Spaltensatz] meinen Beistand verleihe, diese Person zu entführen und nach Amerika
zu schaffen, so müssen Sie mir Jhr Pachtgut Moirans überlassen,
welches, meines Wissens, einen Ertrag von zwanzigtausend Livres
abwirft. Dabei darf Niemand bezweifeln, daß ich Jhnen dasselbe
auf gehörige Weise abgekauft und bezahlt habe."

Der Marquis biß sich auf die Lippen, ohne irgend ein Zeichen
von Zorn oder Bestürzüng zu geben.

"Sie müssen gestehen," fuhr der Advokat fort, "daß ich meine
Forderungen hätte höher spannen können. Sie werden einsehen, daß
ich ein Recht auf Jhre Dankbarkeit habe, und ich vertraue, daß Sie
mich fortan als Jhren besten Freund betrachten werden."

Des Marquis Augen sprühten Feuer. Erbittert über die Un-
verschämtheit des Rechtsgelehrten und dennoch seine Machtlosigkeit,
ihm gegenüber, einsehend, rief er:

"Jch kann nicht glauben, daß dieß alles Wahrheit sei!"

Einen Monat später vernahm man, der Marquis habe einen
seiner Pachthöfe an den Prokurator Brossard verkauft. Mancher
wunderte sich, wie doch dieser Rechtsverdreher zu so vielem Gelde
gelangt sein möge; Niemand dachte nur einen Augenblick daran, daß
der Marquis diese schöne Besitzung verschenkt habe.

Brossard sah sich mittlerweile nach einigen Galgenvögeln um,
welche er auch bald ermittelt hatte. Mit diesen und dem Marquis
selbst überfiel er den Fuhrmann im Walde und sandte ihn mit Hilfe
Tribouts nach St Domingo. Das kleine Landgut, welches er auf
diese Weise erworben, wußte er durch Hinzufügung einiger angrenzen-
den Ländereien dergestalt zu verbessern, daß er bald als ein angesehe-
ner Mann bekannt wurde. Der Marquis von Lauzeray hingegen
verfiel in eine unheilbare Melancholie, während zugleich seine Gesund-
heit sichtlich abnahm.

Sieben Jahre waren seit dieser Zeit verflossen. Einer der Mit-
schuldigen an Martin's Entführung, ein gewisser Foulogne mit dem
Beinamen Capart, ward wegen mit bewaffneter Hand begangenen
Diebstahls vor Gericht gestellt. Jn seinem fünfundzwanzigsten Jahre
konnte er sich rühmen, bereits siebenmal verurtheilt und zweimal von
den Galeeren entsprungen zu sein; er wurde daher durch Erkenntniß
des Parlamentes zu Bordeaux zum Galgen verdammt. Vor seiner
Hinrichtung beichtete er und offenbarte bei dieser Gelegenheit alles,
was er von der Entführung des Fuhrmannes wußte. Der Priester
rieth ihm, seine desfallsige Erklärung vor dem Richter abzulegen,
was ihm längere Zeit zur Buße und zugleich die Möglichkeit ver-
schaffen würde, ein fchweres Verbrechen wieder gut zu machen. Ca-
parts Erklärung wurde in gehöriger Form niedergeschrieben; allein
das Geheimniß blieb nicht so gut bewahrt, wie es sollte.

Anton Brossard erhielt nämlich von seinem Bruder zu Bor-
deaux einen Brief nachstehenden Jnhalts:

"Jn der Kanzlei des Parlaments murmelt man davon, daß
"Du in den Bekenntnissen verwickelt seiest, welche Foulogne Capart
"kurz vor seiner Hinrichtung abgelegt hat."


Brossard eilte nach Schloß Lauzeray und ersuchte, ihn anzu-
melden. Der Bediente erwiderte, der Marquis sei unpäßlich und
seit einigen Tagen bettlägerig.

"Das hat nichts zu sagen," drängte Brossard. "Jch muß
ihn sprechen, und zwar augenblicklich. Saget ihm, Herr Brossard
wünsche sofort mit ihm eine Unterredung."

Der Diener entfernte sich, kehrte bald zurück und geleitete den
Advokaten an seines Herrn Siechbett.

"Laß uns allein. Germain," befahl der Marquis.

Der Bediente gehorchte und zog die Thüre hinter sich zu.

Verwundert über die ungewöhnliche Eile des Procurators, blieb
er neugierig im Vorzimmer und legte sein Ohr an das Schlüs-
selloch.

"Nun Brossard," fragte der Marquis; "was giebt's? -- --
Um des Himmels willen, was fehlt Jhnen?" setzte er hinzu, als er
auf dem Gesichte des sonst so kaltblütigen Advokaten Schrecken und
Verwirrung ausgedrückt sah.

"Alles ist entdeckt!" lautete Brossards Antwort. Dann erzählte
er kurz, was sein Bruder ihm geschrieben.

[Spaltenumbruch]

Der Marquis, der bei Brossards Eintritt sich im Bette empor-
gerichtet, sank in die Kissen zurück.

Brossard der mit dem Marquis einen Plan hatte verabreden
wollen, um die Justiz auf eine falsche Spur zu leiten, bemerkte, daß
sein Mitschuldiger in Ohnmacht gefallen war. Der Advocat stob so
eilig zum Zimmer hinaus daß er den lauschenden Germain über
den Haufen rannte. Ohne diesen zu fragen, wie er dorthin komme,
befahl er ihm, einen Arzt zu holen, und eilte zu seiner eigenen Woh-
nung zurück. Er beabsichtigte, außer Landes zu flüchten. Er packte
all' sein Geld und seine Kostbarkeiten ein und bestellte Postpferde.
Als jedoch am folgenden Morgen sein Bedienter erschien, ihn zu
wecken, fand dieser ihn ohne Bewegung neben seinen gepackten Koffern
liegen. Es wurden zwei Aerzte herbeigerufen, welche beide erklärten,
der Procurator sei an einem Schlagflusse gestorben.

11.

Wir müssen uns nunmehr wieder nach Westindien wenden, um
den Schluß dieser langen, aber wahrhaften Geschichte zu ver-
nehmen.

Zwei Polizei=Angenten wurden nach St. Domingo entsendet,
um Joseph Martin, dem muthmaßlichen Erben der Herrschaft Lauze-
ray, früher Frachtfuhrmann, sein Glück mitzutheilen und zugleich sei-
nen Freund Tribout zu verhaften.

Man wird leicht ermessen, mit welchem Entzücken der jetzige
Plantagen=Aufseher vernahm, daß er Marquis und, was mehr heißen
will, rechtmäßiger Besitzer einer bedeutenden Herrschaft sei. Ohne
lange sich zu bedenken, verließ er das seiner Aufsicht anvertraute
Haus und warf die Peitsche fort, mit welcher er bisher den Negern
Lust zur Arbeit eingeflößt hatte.

Tribout ward verhaftet. Da jedoch sein Gefängniß nur eine
Hütte aus Bambusrohr war, so kostete es ihm geringe Mühe, aus-
zubrechen und in die Gebirge zu entkommen. Später verbreitete sich
das Gerücht, er sei bei einer Ueberfahrt nach Cuba über Bord gefal-
len und einem Haifisch zur Beute geworden.

12.

Jofeph Martin kehrte mit der ersten Schiffsgelegenheit nach
Bordeaux zurück. Ein berühmter Advokat daselst, Namens Coutard,
übernahm die Vertheidigung seiner Sache.

Während der bisherige Marquis von Lauzeray sich vor jeder-
mann auf seinem Schlosse verbarg, aus welchem er bald vertrieben
werden sollte, ward der gewesene Fuhrmann von Freunden und Freun-
dinnen umlagert. Kleidermacher, Juveliere, Köche, Wagener und
Pferdehändler wetteiferten, seine Gunst zu erwerben.

Mittlerweile wurde die Angelegenheit des Erben von Lauzeray
gründlich untersucht, und es ergab sich, daß die Gattin des Albert
von Lauzeray wirklich von einem Sohne entbunden gewesen; zugleich
aber stellte es sich heraus, daß dieses Knäbchen acht Tage nach der
Geburt gestorben war, daß seine Mutter darauf das Kind einer ar-
men Bäuerin zu sich genommen und wie ihren eigenen Sohn erzogen
hatte. Nach ihrem Tode hatte dieser Adoptiv=Sohn sich glücklich ge-
schätzt, als Fuhrmann in die Dienste eines Speditions=Hauses zu
treten.

Brossard, von diesen Verhältnißen [unleserliches Material - 5 Zeichen fehlen]grnau unterrichtet, hatte die
geeignete Zeit abgewartet, um Nutzen daraus zu ziehen. Der Mar-
quis von Lauzeray wurde folglich getäuscht, als er dem vermessenen
Advokaten einen Theil seiner Besitzungen übergab, und er ließ sich
zu einer strafbaren Gewaltthat gegen einen Mann verleiten, von wel-
chem er nichts zu fürchten hatte. Sein Besitz war unantastbar.
Doch erlebte er den gerichtlichen Ausspruch nicht. Kurz nach Josephs
Rückkehr starb er, und da er kinderlos war, so ward die Herrschaft
Lauzeray fernen Verwandten zu Theil.

Um den vormaligen Fuhrmann bekümmerte sich die Polizei,
die ihn aus Westindien geholt, nicht weiter, und eben so wenig das
Parlament, welches ihn eine Zeit lang als den muthmaßlichen Herrn
von Lauzeray betrachtet hatte. Einen großen Theil dessen, was er
in St. Domingo erspart, hatte er während der Untersuchung verzehrt,
wo er doch einigermaßen seinem vermuthlichen Stande gemäß leben
mußte. Da er indessen nie ein Verschwender gewesen war, blieben
ihm noch einige tausend Livres übrig, welche er wohlweislich als
Sparpfennig für seine alten Tage verwahrte. Wohlgemuth vertauschte
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] meinen Beistand verleihe, diese Person zu entführen und nach Amerika
zu schaffen, so müssen Sie mir Jhr Pachtgut Moirans überlassen,
welches, meines Wissens, einen Ertrag von zwanzigtausend Livres
abwirft. Dabei darf Niemand bezweifeln, daß ich Jhnen dasselbe
auf gehörige Weise abgekauft und bezahlt habe.“

Der Marquis biß sich auf die Lippen, ohne irgend ein Zeichen
von Zorn oder Bestürzüng zu geben.

„Sie müssen gestehen,“ fuhr der Advokat fort, „daß ich meine
Forderungen hätte höher spannen können. Sie werden einsehen, daß
ich ein Recht auf Jhre Dankbarkeit habe, und ich vertraue, daß Sie
mich fortan als Jhren besten Freund betrachten werden.“

Des Marquis Augen sprühten Feuer. Erbittert über die Un-
verschämtheit des Rechtsgelehrten und dennoch seine Machtlosigkeit,
ihm gegenüber, einsehend, rief er:

„Jch kann nicht glauben, daß dieß alles Wahrheit sei!“

Einen Monat später vernahm man, der Marquis habe einen
seiner Pachthöfe an den Prokurator Brossard verkauft. Mancher
wunderte sich, wie doch dieser Rechtsverdreher zu so vielem Gelde
gelangt sein möge; Niemand dachte nur einen Augenblick daran, daß
der Marquis diese schöne Besitzung verschenkt habe.

Brossard sah sich mittlerweile nach einigen Galgenvögeln um,
welche er auch bald ermittelt hatte. Mit diesen und dem Marquis
selbst überfiel er den Fuhrmann im Walde und sandte ihn mit Hilfe
Tribouts nach St Domingo. Das kleine Landgut, welches er auf
diese Weise erworben, wußte er durch Hinzufügung einiger angrenzen-
den Ländereien dergestalt zu verbessern, daß er bald als ein angesehe-
ner Mann bekannt wurde. Der Marquis von Lauzeray hingegen
verfiel in eine unheilbare Melancholie, während zugleich seine Gesund-
heit sichtlich abnahm.

Sieben Jahre waren seit dieser Zeit verflossen. Einer der Mit-
schuldigen an Martin's Entführung, ein gewisser Foulogne mit dem
Beinamen Capart, ward wegen mit bewaffneter Hand begangenen
Diebstahls vor Gericht gestellt. Jn seinem fünfundzwanzigsten Jahre
konnte er sich rühmen, bereits siebenmal verurtheilt und zweimal von
den Galeeren entsprungen zu sein; er wurde daher durch Erkenntniß
des Parlamentes zu Bordeaux zum Galgen verdammt. Vor seiner
Hinrichtung beichtete er und offenbarte bei dieser Gelegenheit alles,
was er von der Entführung des Fuhrmannes wußte. Der Priester
rieth ihm, seine desfallsige Erklärung vor dem Richter abzulegen,
was ihm längere Zeit zur Buße und zugleich die Möglichkeit ver-
schaffen würde, ein fchweres Verbrechen wieder gut zu machen. Ca-
parts Erklärung wurde in gehöriger Form niedergeschrieben; allein
das Geheimniß blieb nicht so gut bewahrt, wie es sollte.

Anton Brossard erhielt nämlich von seinem Bruder zu Bor-
deaux einen Brief nachstehenden Jnhalts:

„Jn der Kanzlei des Parlaments murmelt man davon, daß
„Du in den Bekenntnissen verwickelt seiest, welche Foulogne Capart
„kurz vor seiner Hinrichtung abgelegt hat.“


Brossard eilte nach Schloß Lauzeray und ersuchte, ihn anzu-
melden. Der Bediente erwiderte, der Marquis sei unpäßlich und
seit einigen Tagen bettlägerig.

„Das hat nichts zu sagen,“ drängte Brossard. „Jch muß
ihn sprechen, und zwar augenblicklich. Saget ihm, Herr Brossard
wünsche sofort mit ihm eine Unterredung.“

Der Diener entfernte sich, kehrte bald zurück und geleitete den
Advokaten an seines Herrn Siechbett.

„Laß uns allein. Germain,“ befahl der Marquis.

Der Bediente gehorchte und zog die Thüre hinter sich zu.

Verwundert über die ungewöhnliche Eile des Procurators, blieb
er neugierig im Vorzimmer und legte sein Ohr an das Schlüs-
selloch.

„Nun Brossard,“ fragte der Marquis; „was giebt's? — —
Um des Himmels willen, was fehlt Jhnen?“ setzte er hinzu, als er
auf dem Gesichte des sonst so kaltblütigen Advokaten Schrecken und
Verwirrung ausgedrückt sah.

„Alles ist entdeckt!“ lautete Brossards Antwort. Dann erzählte
er kurz, was sein Bruder ihm geschrieben.

[Spaltenumbruch]

Der Marquis, der bei Brossards Eintritt sich im Bette empor-
gerichtet, sank in die Kissen zurück.

Brossard der mit dem Marquis einen Plan hatte verabreden
wollen, um die Justiz auf eine falsche Spur zu leiten, bemerkte, daß
sein Mitschuldiger in Ohnmacht gefallen war. Der Advocat stob so
eilig zum Zimmer hinaus daß er den lauschenden Germain über
den Haufen rannte. Ohne diesen zu fragen, wie er dorthin komme,
befahl er ihm, einen Arzt zu holen, und eilte zu seiner eigenen Woh-
nung zurück. Er beabsichtigte, außer Landes zu flüchten. Er packte
all' sein Geld und seine Kostbarkeiten ein und bestellte Postpferde.
Als jedoch am folgenden Morgen sein Bedienter erschien, ihn zu
wecken, fand dieser ihn ohne Bewegung neben seinen gepackten Koffern
liegen. Es wurden zwei Aerzte herbeigerufen, welche beide erklärten,
der Procurator sei an einem Schlagflusse gestorben.

11.

Wir müssen uns nunmehr wieder nach Westindien wenden, um
den Schluß dieser langen, aber wahrhaften Geschichte zu ver-
nehmen.

Zwei Polizei=Angenten wurden nach St. Domingo entsendet,
um Joseph Martin, dem muthmaßlichen Erben der Herrschaft Lauze-
ray, früher Frachtfuhrmann, sein Glück mitzutheilen und zugleich sei-
nen Freund Tribout zu verhaften.

Man wird leicht ermessen, mit welchem Entzücken der jetzige
Plantagen=Aufseher vernahm, daß er Marquis und, was mehr heißen
will, rechtmäßiger Besitzer einer bedeutenden Herrschaft sei. Ohne
lange sich zu bedenken, verließ er das seiner Aufsicht anvertraute
Haus und warf die Peitsche fort, mit welcher er bisher den Negern
Lust zur Arbeit eingeflößt hatte.

Tribout ward verhaftet. Da jedoch sein Gefängniß nur eine
Hütte aus Bambusrohr war, so kostete es ihm geringe Mühe, aus-
zubrechen und in die Gebirge zu entkommen. Später verbreitete sich
das Gerücht, er sei bei einer Ueberfahrt nach Cuba über Bord gefal-
len und einem Haifisch zur Beute geworden.

12.

Jofeph Martin kehrte mit der ersten Schiffsgelegenheit nach
Bordeaux zurück. Ein berühmter Advokat daselst, Namens Coutard,
übernahm die Vertheidigung seiner Sache.

Während der bisherige Marquis von Lauzeray sich vor jeder-
mann auf seinem Schlosse verbarg, aus welchem er bald vertrieben
werden sollte, ward der gewesene Fuhrmann von Freunden und Freun-
dinnen umlagert. Kleidermacher, Juveliere, Köche, Wagener und
Pferdehändler wetteiferten, seine Gunst zu erwerben.

Mittlerweile wurde die Angelegenheit des Erben von Lauzeray
gründlich untersucht, und es ergab sich, daß die Gattin des Albert
von Lauzeray wirklich von einem Sohne entbunden gewesen; zugleich
aber stellte es sich heraus, daß dieses Knäbchen acht Tage nach der
Geburt gestorben war, daß seine Mutter darauf das Kind einer ar-
men Bäuerin zu sich genommen und wie ihren eigenen Sohn erzogen
hatte. Nach ihrem Tode hatte dieser Adoptiv=Sohn sich glücklich ge-
schätzt, als Fuhrmann in die Dienste eines Speditions=Hauses zu
treten.

Brossard, von diesen Verhältnißen [unleserliches Material – 5 Zeichen fehlen]grnau unterrichtet, hatte die
geeignete Zeit abgewartet, um Nutzen daraus zu ziehen. Der Mar-
quis von Lauzeray wurde folglich getäuscht, als er dem vermessenen
Advokaten einen Theil seiner Besitzungen übergab, und er ließ sich
zu einer strafbaren Gewaltthat gegen einen Mann verleiten, von wel-
chem er nichts zu fürchten hatte. Sein Besitz war unantastbar.
Doch erlebte er den gerichtlichen Ausspruch nicht. Kurz nach Josephs
Rückkehr starb er, und da er kinderlos war, so ward die Herrschaft
Lauzeray fernen Verwandten zu Theil.

Um den vormaligen Fuhrmann bekümmerte sich die Polizei,
die ihn aus Westindien geholt, nicht weiter, und eben so wenig das
Parlament, welches ihn eine Zeit lang als den muthmaßlichen Herrn
von Lauzeray betrachtet hatte. Einen großen Theil dessen, was er
in St. Domingo erspart, hatte er während der Untersuchung verzehrt,
wo er doch einigermaßen seinem vermuthlichen Stande gemäß leben
mußte. Da er indessen nie ein Verschwender gewesen war, blieben
ihm noch einige tausend Livres übrig, welche er wohlweislich als
Sparpfennig für seine alten Tage verwahrte. Wohlgemuth vertauschte
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[0002] meinen Beistand verleihe, diese Person zu entführen und nach Amerika zu schaffen, so müssen Sie mir Jhr Pachtgut Moirans überlassen, welches, meines Wissens, einen Ertrag von zwanzigtausend Livres abwirft. Dabei darf Niemand bezweifeln, daß ich Jhnen dasselbe auf gehörige Weise abgekauft und bezahlt habe.“ Der Marquis biß sich auf die Lippen, ohne irgend ein Zeichen von Zorn oder Bestürzüng zu geben. „Sie müssen gestehen,“ fuhr der Advokat fort, „daß ich meine Forderungen hätte höher spannen können. Sie werden einsehen, daß ich ein Recht auf Jhre Dankbarkeit habe, und ich vertraue, daß Sie mich fortan als Jhren besten Freund betrachten werden.“ Des Marquis Augen sprühten Feuer. Erbittert über die Un- verschämtheit des Rechtsgelehrten und dennoch seine Machtlosigkeit, ihm gegenüber, einsehend, rief er: „Jch kann nicht glauben, daß dieß alles Wahrheit sei!“ Einen Monat später vernahm man, der Marquis habe einen seiner Pachthöfe an den Prokurator Brossard verkauft. Mancher wunderte sich, wie doch dieser Rechtsverdreher zu so vielem Gelde gelangt sein möge; Niemand dachte nur einen Augenblick daran, daß der Marquis diese schöne Besitzung verschenkt habe. Brossard sah sich mittlerweile nach einigen Galgenvögeln um, welche er auch bald ermittelt hatte. Mit diesen und dem Marquis selbst überfiel er den Fuhrmann im Walde und sandte ihn mit Hilfe Tribouts nach St Domingo. Das kleine Landgut, welches er auf diese Weise erworben, wußte er durch Hinzufügung einiger angrenzen- den Ländereien dergestalt zu verbessern, daß er bald als ein angesehe- ner Mann bekannt wurde. Der Marquis von Lauzeray hingegen verfiel in eine unheilbare Melancholie, während zugleich seine Gesund- heit sichtlich abnahm. Sieben Jahre waren seit dieser Zeit verflossen. Einer der Mit- schuldigen an Martin's Entführung, ein gewisser Foulogne mit dem Beinamen Capart, ward wegen mit bewaffneter Hand begangenen Diebstahls vor Gericht gestellt. Jn seinem fünfundzwanzigsten Jahre konnte er sich rühmen, bereits siebenmal verurtheilt und zweimal von den Galeeren entsprungen zu sein; er wurde daher durch Erkenntniß des Parlamentes zu Bordeaux zum Galgen verdammt. Vor seiner Hinrichtung beichtete er und offenbarte bei dieser Gelegenheit alles, was er von der Entführung des Fuhrmannes wußte. Der Priester rieth ihm, seine desfallsige Erklärung vor dem Richter abzulegen, was ihm längere Zeit zur Buße und zugleich die Möglichkeit ver- schaffen würde, ein fchweres Verbrechen wieder gut zu machen. Ca- parts Erklärung wurde in gehöriger Form niedergeschrieben; allein das Geheimniß blieb nicht so gut bewahrt, wie es sollte. Anton Brossard erhielt nämlich von seinem Bruder zu Bor- deaux einen Brief nachstehenden Jnhalts: „Jn der Kanzlei des Parlaments murmelt man davon, daß „Du in den Bekenntnissen verwickelt seiest, welche Foulogne Capart „kurz vor seiner Hinrichtung abgelegt hat.“ Brossard eilte nach Schloß Lauzeray und ersuchte, ihn anzu- melden. Der Bediente erwiderte, der Marquis sei unpäßlich und seit einigen Tagen bettlägerig. „Das hat nichts zu sagen,“ drängte Brossard. „Jch muß ihn sprechen, und zwar augenblicklich. Saget ihm, Herr Brossard wünsche sofort mit ihm eine Unterredung.“ Der Diener entfernte sich, kehrte bald zurück und geleitete den Advokaten an seines Herrn Siechbett. „Laß uns allein. Germain,“ befahl der Marquis. Der Bediente gehorchte und zog die Thüre hinter sich zu. Verwundert über die ungewöhnliche Eile des Procurators, blieb er neugierig im Vorzimmer und legte sein Ohr an das Schlüs- selloch. „Nun Brossard,“ fragte der Marquis; „was giebt's? — — Um des Himmels willen, was fehlt Jhnen?“ setzte er hinzu, als er auf dem Gesichte des sonst so kaltblütigen Advokaten Schrecken und Verwirrung ausgedrückt sah. „Alles ist entdeckt!“ lautete Brossards Antwort. Dann erzählte er kurz, was sein Bruder ihm geschrieben. Der Marquis, der bei Brossards Eintritt sich im Bette empor- gerichtet, sank in die Kissen zurück. Brossard der mit dem Marquis einen Plan hatte verabreden wollen, um die Justiz auf eine falsche Spur zu leiten, bemerkte, daß sein Mitschuldiger in Ohnmacht gefallen war. Der Advocat stob so eilig zum Zimmer hinaus daß er den lauschenden Germain über den Haufen rannte. Ohne diesen zu fragen, wie er dorthin komme, befahl er ihm, einen Arzt zu holen, und eilte zu seiner eigenen Woh- nung zurück. Er beabsichtigte, außer Landes zu flüchten. Er packte all' sein Geld und seine Kostbarkeiten ein und bestellte Postpferde. Als jedoch am folgenden Morgen sein Bedienter erschien, ihn zu wecken, fand dieser ihn ohne Bewegung neben seinen gepackten Koffern liegen. Es wurden zwei Aerzte herbeigerufen, welche beide erklärten, der Procurator sei an einem Schlagflusse gestorben. 11. Wir müssen uns nunmehr wieder nach Westindien wenden, um den Schluß dieser langen, aber wahrhaften Geschichte zu ver- nehmen. Zwei Polizei=Angenten wurden nach St. Domingo entsendet, um Joseph Martin, dem muthmaßlichen Erben der Herrschaft Lauze- ray, früher Frachtfuhrmann, sein Glück mitzutheilen und zugleich sei- nen Freund Tribout zu verhaften. Man wird leicht ermessen, mit welchem Entzücken der jetzige Plantagen=Aufseher vernahm, daß er Marquis und, was mehr heißen will, rechtmäßiger Besitzer einer bedeutenden Herrschaft sei. Ohne lange sich zu bedenken, verließ er das seiner Aufsicht anvertraute Haus und warf die Peitsche fort, mit welcher er bisher den Negern Lust zur Arbeit eingeflößt hatte. Tribout ward verhaftet. Da jedoch sein Gefängniß nur eine Hütte aus Bambusrohr war, so kostete es ihm geringe Mühe, aus- zubrechen und in die Gebirge zu entkommen. Später verbreitete sich das Gerücht, er sei bei einer Ueberfahrt nach Cuba über Bord gefal- len und einem Haifisch zur Beute geworden. 12. Jofeph Martin kehrte mit der ersten Schiffsgelegenheit nach Bordeaux zurück. Ein berühmter Advokat daselst, Namens Coutard, übernahm die Vertheidigung seiner Sache. Während der bisherige Marquis von Lauzeray sich vor jeder- mann auf seinem Schlosse verbarg, aus welchem er bald vertrieben werden sollte, ward der gewesene Fuhrmann von Freunden und Freun- dinnen umlagert. Kleidermacher, Juveliere, Köche, Wagener und Pferdehändler wetteiferten, seine Gunst zu erwerben. Mittlerweile wurde die Angelegenheit des Erben von Lauzeray gründlich untersucht, und es ergab sich, daß die Gattin des Albert von Lauzeray wirklich von einem Sohne entbunden gewesen; zugleich aber stellte es sich heraus, daß dieses Knäbchen acht Tage nach der Geburt gestorben war, daß seine Mutter darauf das Kind einer ar- men Bäuerin zu sich genommen und wie ihren eigenen Sohn erzogen hatte. Nach ihrem Tode hatte dieser Adoptiv=Sohn sich glücklich ge- schätzt, als Fuhrmann in die Dienste eines Speditions=Hauses zu treten. Brossard, von diesen Verhältnißen _____grnau unterrichtet, hatte die geeignete Zeit abgewartet, um Nutzen daraus zu ziehen. Der Mar- quis von Lauzeray wurde folglich getäuscht, als er dem vermessenen Advokaten einen Theil seiner Besitzungen übergab, und er ließ sich zu einer strafbaren Gewaltthat gegen einen Mann verleiten, von wel- chem er nichts zu fürchten hatte. Sein Besitz war unantastbar. Doch erlebte er den gerichtlichen Ausspruch nicht. Kurz nach Josephs Rückkehr starb er, und da er kinderlos war, so ward die Herrschaft Lauzeray fernen Verwandten zu Theil. Um den vormaligen Fuhrmann bekümmerte sich die Polizei, die ihn aus Westindien geholt, nicht weiter, und eben so wenig das Parlament, welches ihn eine Zeit lang als den muthmaßlichen Herrn von Lauzeray betrachtet hatte. Einen großen Theil dessen, was er in St. Domingo erspart, hatte er während der Untersuchung verzehrt, wo er doch einigermaßen seinem vermuthlichen Stande gemäß leben mußte. Da er indessen nie ein Verschwender gewesen war, blieben ihm noch einige tausend Livres übrig, welche er wohlweislich als Sparpfennig für seine alten Tage verwahrte. Wohlgemuth vertauschte

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Jahrgang 4, Nr. 69. Hattingen, 29. August 1852, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische069_1852/2>, abgerufen am 24.11.2024.