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Märkische Blätter. Nr. 21. Hattingen, 13. März 1850.

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[Beginn Spaltensatz] Jn seinen Beziehungen zu der höheren Gesellschaft und
zu der Regierung änderte dieser Spruch nichts, denn man
hielt dort die Ansicht fest, daß er ein Opfer des Hasses
seiner politischen Feinde, der Männer des National, sei.
Er meldete sich auch wieder zum Abgeordneten von Bour-
ganeuf, wo ein Rath vom Kassationshofe von Paris,
Boysin de [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Gartempe, als ein Mitbewerber auftrat, nicht
aus politischem Ehrgeiz, wie er öffentlich erklärte, sondern
weil es eine Schande sein würde, wenn ein Mann wie
Girardin, die kleinste französische Ortschaft vertreten dürfte.
Die Regierung setzte aber alle ihre Hebel an, den Wäh-
lern wurden die größten Versprechungen gemacht, und
Girardin ging aus der Wahlurne hervor. Jn der Zwi-
schenzeit hatte er sich abermals an einer Schwindelei be-
theiligt, schlimmer als die erste. Die Banquiers Blum
und Cleemann stifteten eine Aktiengesellschaft zur Ausbeu-
tung der Steinkohlengruben von St. Berain. Girardin
pries in der "Presse" das Unternehmen mit vollen Backen.
Der Werth der Gruben war von den Unternehmern zu
3 1 / 2 Millionen Franken veranschlagt worden, die Aktien
wurden nahezu gezeichnet, doch bald zeigte es sich, daß
das Bergwerk nur einen Werth von 100,000 Franken
habe. Die Aktionäre waren also um sehr bedeutende
Summen geprellt worden und erhoben Klage vor dem
Polizeigericht. Dieses erkannte wie das erste Mal, daß
eine offenbare Schwindelei zwar moralisch nichtswürdig,
aber nicht juristisch strafbar sei, und erließ demnach ein
freisprechendes Urtheil. Der Unwille sprach sich so laut
gegen das Urtheil aus, daß der königliche Prokurator
gerathen fand, Berufung dagegen einzulegen. Der Ge-
richtshof des Seinedepartements [unleserliches Material - 9 Zeichen fehlen]urtheilte anders als das
Polizeigericht; er erklärte Blum und Cleemann des Be-
trugs schuldig, und verurtheilte beide zu Schadenersatz,
3000 Fr. Geldbuße und 3jährigem Gefängniß. Die
Schuldigen flüchteten, ihre Aussagen hatten Girardin nicht
kompromitirt. Die öffentliche Meinung sprach sich mit
einer Entschiedenheit gegen ihn aus, die deutlich bewies,
daß Jedermann ihn für einen Mitschuldigen halte. Den-
noch schützte ihn die Abgeordnetenkammer, als Martin
von Straßburg Beweise vorlegte, daß Girardins Wahl
durch Bestechungen und Versprechungen der Minister
Montalivet und Lacave=Laplagne bewirkt worden sei.
Bei den neuen Wahlen von 1839 stellte sich Girardin
den früheren Wählern aufs Neue vor. Da man wußte, daß die
Mehrzahl der Wähler bestochen sei, so trat ihm kein Kan-
didat ernsthaft entgegen. Die unabhängige Minderheit
gab ihre Stimme Vidocq, dem berüchtigten Galeerensträf-
ling und Polizeispion, dieser protestirte gegen die Zusam-
menstellung mit einem Girardin. Die Kammer hatte so-
gleich über ein Gesuch auf Ausschließung des Abgeordne-
ten für Bourganeuf zu entscheiden, und stimmte für den
Antrag. Nicht, daß er durch Bestechung erwählt sei,
machte man geltend, sondern, daß ihm die Eigenschaft
eines Franzosen abgehe. Er hatte dies früher selbst erklärt,
als es sich um seine Aushebung zum Soldaten handelte.
Ein paar Jahre später saß er wieder in der Kammer,
die endlich aufgab, den Unvermeidlichen zu bekämpfen.

    ( Schluß folgt. )



Eine tragische Geschichte.

Vor einigen Jahren befanden sich in dem Kranken-
hause des Dr. Clarke in der Nähe von London ein Mann
von sechszig und ein Jüngling von sechszehn bis zwan-
zig Jahren, denen man an der braunen Gesichtsfarbe, an
den schwarzen Augen, den dicken Braunen und den scharfen
Zügen die südliche Abkunft ansah. Nur der Arzt kannte
[Spaltenumbruch] ihre Namen. Der Jüngling war geisteskrank, stierte je-
den Tag mehrere Stunden lang vor sich hin, rief dann
mit einem herzzerreißenden Schrei aus: "Gnade!" und
sank ohnmächtig in die Arme des alten Mannes, der sein
Vater war und ihn pflegte. Alle Kranken des Hauses
nahmen ihr Mittagsmahl gemeinschaftlich ein, und eines
Tages erschien an dem Tische ein neuer Gast, ein hage-
rer dürrer Mann, mit langem braunen Gesicht, der im
Knopfloch zwei portugiesische Orden trug. Die beiden
Fremden namentlich beobachteten ihn unverwandt, und der
ältere fragte endlich nach dem Namen desselben. "Es ist
ein Portugiese, der Herzog von Ribeiro, der an einer
Herzkrankheit leidet," antwortete man ihm. Bei diesem
Namen fuhr der junge Geisteskranke auf, ergriff ein Mes-
ser und [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]stürzte sich damit auf den Fremden. Aber ehe er
denselben verwunden konnte, verließen ihn die Kräfte, das
Messer entsank seiner Hand, ein Blutstrom drang aus sei-
nem Munde und nach kurzer Zeit war er todt. Der Va-
ter faßte den Arm des Fremden, sah ihn an und sprach
im Tone des Hasses und der Verzweiflung: " Unglückse-
liger, mußtest Du mir auch den zweiten Sohn rauben!" --

Bekanntlich brach am 20. August 1820 in Oporto
eine Revolution aus, worauf eine Constitution proclamirt
wurde. Auf die Nachricht davon kam Johann VI. von
Portugal aus Brasilien zurück und es erfolgte 1823 eine
Contrerevolution, welche die Urheber der Constitution
wie diese selbst beseitigte. Der Marquis von Oliveira
entging der Reaction und zog sich mit seiner Familie auf
das Land zurück. Sein älterer Sohn, Jacinto, studirte
in Coimbra, nahm an dem Aufstande der Liberalen Theil
der gewaltsam unterdrückt wurde, und fiel mit einigen
Andern in die Hände der königlichen Truppen. Es wur-
de eine Commission niedergesetzt, welche die Rebellen rich-
ten sollte, und trotz der hohen Stellung Oliveira's er-
wartete man keine Begnadigung Jacinto's, da der Vor-
sitzende jener Commission, der Herzog von Ribeiro, der
Todfeind der Familie Oliveiro war. Jacinto wurde wirk-
lich verurtheilt, nebst dreien seiner Mitschuldigen erschossen
zu werden. Da eilte die Mutter des Unglücklichen mit
ihrem zweiten Sohne dem dreizehnjährigen Manoel, nach
Lissabon, um die Königin Donna Carlota ( Die Mutter
Don Miguels ) um Gnade zu bitten. Der kleine Manoel
sollte sich an die Kapelle von Bemposta stellen und vor
die Königin, sobald dieselbe erscheine, auf die Knie sinken.
Es geschah also, und die Königin fragte: "was will die-
ser Knabe von mir?"

"Gnade, Gnade für meinen Bruder," sprach Manoel
"für den älteren Sohn des Marquis von Oliveira, der
zum Tode verurtheilt ist."

Die Königin sah überrascht den sie begleitenden Her-
zog von Ribeiro an, der ihr zuflüsterte: "es gibt unab-
weisliche Nothwendigkeiten," worauf sie Mannoel nach
dem Alter seines Bruders fragte.

"Jacinto wird erst 17 Jahre alt," stammelte das
Kind.

"Um so besser," entgegnete Donna Carlota, "so kommt
er um so schneller und sicherer in den Himmel."

Diese Worte sind vollkommen historisch. Wer würde
sie zu erfinden wagen, wenn sie es nicht wären? Die
Königin verweigerte aber nicht blos die Begnadigung, sie
befahl auch, daß Manoel seinen Bruder auf den Richt-
platz begleite und Zeuge der Hinrichtung sei. Als der
alte Oliveira dies erfuhr, gab er die Antwort, die eines
alten Römers würdig gewesen wäre: "man erspart mir
dadurch eine Sorge; ich selbst würde den Knaben hinge-
führt haben."

"Am 26. September 1823 erfolgte die Hinrichtung
und der kleine Manoel wankte zwischen den gekreuzten
Gewehren von vier Soldaten seinem Bruder nach, den
der Muth keinen Augenblick verließ. Als aber die Schüsse
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Jn seinen Beziehungen zu der höheren Gesellschaft und
zu der Regierung änderte dieser Spruch nichts, denn man
hielt dort die Ansicht fest, daß er ein Opfer des Hasses
seiner politischen Feinde, der Männer des National, sei.
Er meldete sich auch wieder zum Abgeordneten von Bour-
ganeuf, wo ein Rath vom Kassationshofe von Paris,
Boysin de [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Gartempe, als ein Mitbewerber auftrat, nicht
aus politischem Ehrgeiz, wie er öffentlich erklärte, sondern
weil es eine Schande sein würde, wenn ein Mann wie
Girardin, die kleinste französische Ortschaft vertreten dürfte.
Die Regierung setzte aber alle ihre Hebel an, den Wäh-
lern wurden die größten Versprechungen gemacht, und
Girardin ging aus der Wahlurne hervor. Jn der Zwi-
schenzeit hatte er sich abermals an einer Schwindelei be-
theiligt, schlimmer als die erste. Die Banquiers Blum
und Cleemann stifteten eine Aktiengesellschaft zur Ausbeu-
tung der Steinkohlengruben von St. Berain. Girardin
pries in der „Presse“ das Unternehmen mit vollen Backen.
Der Werth der Gruben war von den Unternehmern zu
3 1 / 2 Millionen Franken veranschlagt worden, die Aktien
wurden nahezu gezeichnet, doch bald zeigte es sich, daß
das Bergwerk nur einen Werth von 100,000 Franken
habe. Die Aktionäre waren also um sehr bedeutende
Summen geprellt worden und erhoben Klage vor dem
Polizeigericht. Dieses erkannte wie das erste Mal, daß
eine offenbare Schwindelei zwar moralisch nichtswürdig,
aber nicht juristisch strafbar sei, und erließ demnach ein
freisprechendes Urtheil. Der Unwille sprach sich so laut
gegen das Urtheil aus, daß der königliche Prokurator
gerathen fand, Berufung dagegen einzulegen. Der Ge-
richtshof des Seinedepartements [unleserliches Material – 9 Zeichen fehlen]urtheilte anders als das
Polizeigericht; er erklärte Blum und Cleemann des Be-
trugs schuldig, und verurtheilte beide zu Schadenersatz,
3000 Fr. Geldbuße und 3jährigem Gefängniß. Die
Schuldigen flüchteten, ihre Aussagen hatten Girardin nicht
kompromitirt. Die öffentliche Meinung sprach sich mit
einer Entschiedenheit gegen ihn aus, die deutlich bewies,
daß Jedermann ihn für einen Mitschuldigen halte. Den-
noch schützte ihn die Abgeordnetenkammer, als Martin
von Straßburg Beweise vorlegte, daß Girardins Wahl
durch Bestechungen und Versprechungen der Minister
Montalivet und Lacave=Laplagne bewirkt worden sei.
Bei den neuen Wahlen von 1839 stellte sich Girardin
den früheren Wählern aufs Neue vor. Da man wußte, daß die
Mehrzahl der Wähler bestochen sei, so trat ihm kein Kan-
didat ernsthaft entgegen. Die unabhängige Minderheit
gab ihre Stimme Vidocq, dem berüchtigten Galeerensträf-
ling und Polizeispion, dieser protestirte gegen die Zusam-
menstellung mit einem Girardin. Die Kammer hatte so-
gleich über ein Gesuch auf Ausschließung des Abgeordne-
ten für Bourganeuf zu entscheiden, und stimmte für den
Antrag. Nicht, daß er durch Bestechung erwählt sei,
machte man geltend, sondern, daß ihm die Eigenschaft
eines Franzosen abgehe. Er hatte dies früher selbst erklärt,
als es sich um seine Aushebung zum Soldaten handelte.
Ein paar Jahre später saß er wieder in der Kammer,
die endlich aufgab, den Unvermeidlichen zu bekämpfen.

    ( Schluß folgt. )



Eine tragische Geschichte.

Vor einigen Jahren befanden sich in dem Kranken-
hause des Dr. Clarke in der Nähe von London ein Mann
von sechszig und ein Jüngling von sechszehn bis zwan-
zig Jahren, denen man an der braunen Gesichtsfarbe, an
den schwarzen Augen, den dicken Braunen und den scharfen
Zügen die südliche Abkunft ansah. Nur der Arzt kannte
[Spaltenumbruch] ihre Namen. Der Jüngling war geisteskrank, stierte je-
den Tag mehrere Stunden lang vor sich hin, rief dann
mit einem herzzerreißenden Schrei aus: „Gnade!“ und
sank ohnmächtig in die Arme des alten Mannes, der sein
Vater war und ihn pflegte. Alle Kranken des Hauses
nahmen ihr Mittagsmahl gemeinschaftlich ein, und eines
Tages erschien an dem Tische ein neuer Gast, ein hage-
rer dürrer Mann, mit langem braunen Gesicht, der im
Knopfloch zwei portugiesische Orden trug. Die beiden
Fremden namentlich beobachteten ihn unverwandt, und der
ältere fragte endlich nach dem Namen desselben. „Es ist
ein Portugiese, der Herzog von Ribeiro, der an einer
Herzkrankheit leidet,“ antwortete man ihm. Bei diesem
Namen fuhr der junge Geisteskranke auf, ergriff ein Mes-
ser und [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]stürzte sich damit auf den Fremden. Aber ehe er
denselben verwunden konnte, verließen ihn die Kräfte, das
Messer entsank seiner Hand, ein Blutstrom drang aus sei-
nem Munde und nach kurzer Zeit war er todt. Der Va-
ter faßte den Arm des Fremden, sah ihn an und sprach
im Tone des Hasses und der Verzweiflung: „ Unglückse-
liger, mußtest Du mir auch den zweiten Sohn rauben!“ —

Bekanntlich brach am 20. August 1820 in Oporto
eine Revolution aus, worauf eine Constitution proclamirt
wurde. Auf die Nachricht davon kam Johann VI. von
Portugal aus Brasilien zurück und es erfolgte 1823 eine
Contrerevolution, welche die Urheber der Constitution
wie diese selbst beseitigte. Der Marquis von Oliveira
entging der Reaction und zog sich mit seiner Familie auf
das Land zurück. Sein älterer Sohn, Jacinto, studirte
in Coimbra, nahm an dem Aufstande der Liberalen Theil
der gewaltsam unterdrückt wurde, und fiel mit einigen
Andern in die Hände der königlichen Truppen. Es wur-
de eine Commission niedergesetzt, welche die Rebellen rich-
ten sollte, und trotz der hohen Stellung Oliveira's er-
wartete man keine Begnadigung Jacinto's, da der Vor-
sitzende jener Commission, der Herzog von Ribeiro, der
Todfeind der Familie Oliveiro war. Jacinto wurde wirk-
lich verurtheilt, nebst dreien seiner Mitschuldigen erschossen
zu werden. Da eilte die Mutter des Unglücklichen mit
ihrem zweiten Sohne dem dreizehnjährigen Manoel, nach
Lissabon, um die Königin Donna Carlota ( Die Mutter
Don Miguels ) um Gnade zu bitten. Der kleine Manoel
sollte sich an die Kapelle von Bemposta stellen und vor
die Königin, sobald dieselbe erscheine, auf die Knie sinken.
Es geschah also, und die Königin fragte: „was will die-
ser Knabe von mir?“

„Gnade, Gnade für meinen Bruder,“ sprach Manoel
„für den älteren Sohn des Marquis von Oliveira, der
zum Tode verurtheilt ist.“

Die Königin sah überrascht den sie begleitenden Her-
zog von Ribeiro an, der ihr zuflüsterte: „es gibt unab-
weisliche Nothwendigkeiten,“ worauf sie Mannoel nach
dem Alter seines Bruders fragte.

„Jacinto wird erst 17 Jahre alt,“ stammelte das
Kind.

„Um so besser,“ entgegnete Donna Carlota, „so kommt
er um so schneller und sicherer in den Himmel.“

Diese Worte sind vollkommen historisch. Wer würde
sie zu erfinden wagen, wenn sie es nicht wären? Die
Königin verweigerte aber nicht blos die Begnadigung, sie
befahl auch, daß Manoel seinen Bruder auf den Richt-
platz begleite und Zeuge der Hinrichtung sei. Als der
alte Oliveira dies erfuhr, gab er die Antwort, die eines
alten Römers würdig gewesen wäre: „man erspart mir
dadurch eine Sorge; ich selbst würde den Knaben hinge-
führt haben.“

„Am 26. September 1823 erfolgte die Hinrichtung
und der kleine Manoel wankte zwischen den gekreuzten
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[Ende Spaltensatz]

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Die Schuldigen flüchteten, ihre Aussagen hatten Girardin nicht kompromitirt. Die öffentliche Meinung sprach sich mit einer Entschiedenheit gegen ihn aus, die deutlich bewies, daß Jedermann ihn für einen Mitschuldigen halte. Den- noch schützte ihn die Abgeordnetenkammer, als Martin von Straßburg Beweise vorlegte, daß Girardins Wahl durch Bestechungen und Versprechungen der Minister Montalivet und Lacave=Laplagne bewirkt worden sei. Bei den neuen Wahlen von 1839 stellte sich Girardin den früheren Wählern aufs Neue vor. Da man wußte, daß die Mehrzahl der Wähler bestochen sei, so trat ihm kein Kan- didat ernsthaft entgegen. Die unabhängige Minderheit gab ihre Stimme Vidocq, dem berüchtigten Galeerensträf- ling und Polizeispion, dieser protestirte gegen die Zusam- menstellung mit einem Girardin. Die Kammer hatte so- gleich über ein Gesuch auf Ausschließung des Abgeordne- ten für Bourganeuf zu entscheiden, und stimmte für den Antrag. Nicht, daß er durch Bestechung erwählt sei, machte man geltend, sondern, daß ihm die Eigenschaft eines Franzosen abgehe. Er hatte dies früher selbst erklärt, als es sich um seine Aushebung zum Soldaten handelte. Ein paar Jahre später saß er wieder in der Kammer, die endlich aufgab, den Unvermeidlichen zu bekämpfen. ( Schluß folgt. ) Eine tragische Geschichte. Vor einigen Jahren befanden sich in dem Kranken- hause des Dr. Clarke in der Nähe von London ein Mann von sechszig und ein Jüngling von sechszehn bis zwan- zig Jahren, denen man an der braunen Gesichtsfarbe, an den schwarzen Augen, den dicken Braunen und den scharfen Zügen die südliche Abkunft ansah. Nur der Arzt kannte ihre Namen. Der Jüngling war geisteskrank, stierte je- den Tag mehrere Stunden lang vor sich hin, rief dann mit einem herzzerreißenden Schrei aus: „Gnade!“ und sank ohnmächtig in die Arme des alten Mannes, der sein Vater war und ihn pflegte. Alle Kranken des Hauses nahmen ihr Mittagsmahl gemeinschaftlich ein, und eines Tages erschien an dem Tische ein neuer Gast, ein hage- rer dürrer Mann, mit langem braunen Gesicht, der im Knopfloch zwei portugiesische Orden trug. Die beiden Fremden namentlich beobachteten ihn unverwandt, und der ältere fragte endlich nach dem Namen desselben. „Es ist ein Portugiese, der Herzog von Ribeiro, der an einer Herzkrankheit leidet,“ antwortete man ihm. Bei diesem Namen fuhr der junge Geisteskranke auf, ergriff ein Mes- ser und _______stürzte sich damit auf den Fremden. Aber ehe er denselben verwunden konnte, verließen ihn die Kräfte, das Messer entsank seiner Hand, ein Blutstrom drang aus sei- nem Munde und nach kurzer Zeit war er todt. Der Va- ter faßte den Arm des Fremden, sah ihn an und sprach im Tone des Hasses und der Verzweiflung: „ Unglückse- liger, mußtest Du mir auch den zweiten Sohn rauben!“ — Bekanntlich brach am 20. August 1820 in Oporto eine Revolution aus, worauf eine Constitution proclamirt wurde. Auf die Nachricht davon kam Johann VI. von Portugal aus Brasilien zurück und es erfolgte 1823 eine Contrerevolution, welche die Urheber der Constitution wie diese selbst beseitigte. Der Marquis von Oliveira entging der Reaction und zog sich mit seiner Familie auf das Land zurück. Sein älterer Sohn, Jacinto, studirte in Coimbra, nahm an dem Aufstande der Liberalen Theil der gewaltsam unterdrückt wurde, und fiel mit einigen Andern in die Hände der königlichen Truppen. Es wur- de eine Commission niedergesetzt, welche die Rebellen rich- ten sollte, und trotz der hohen Stellung Oliveira's er- wartete man keine Begnadigung Jacinto's, da der Vor- sitzende jener Commission, der Herzog von Ribeiro, der Todfeind der Familie Oliveiro war. Jacinto wurde wirk- lich verurtheilt, nebst dreien seiner Mitschuldigen erschossen zu werden. Da eilte die Mutter des Unglücklichen mit ihrem zweiten Sohne dem dreizehnjährigen Manoel, nach Lissabon, um die Königin Donna Carlota ( Die Mutter Don Miguels ) um Gnade zu bitten. Der kleine Manoel sollte sich an die Kapelle von Bemposta stellen und vor die Königin, sobald dieselbe erscheine, auf die Knie sinken. Es geschah also, und die Königin fragte: „was will die- ser Knabe von mir?“ „Gnade, Gnade für meinen Bruder,“ sprach Manoel „für den älteren Sohn des Marquis von Oliveira, der zum Tode verurtheilt ist.“ Die Königin sah überrascht den sie begleitenden Her- zog von Ribeiro an, der ihr zuflüsterte: „es gibt unab- weisliche Nothwendigkeiten,“ worauf sie Mannoel nach dem Alter seines Bruders fragte. „Jacinto wird erst 17 Jahre alt,“ stammelte das Kind. „Um so besser,“ entgegnete Donna Carlota, „so kommt er um so schneller und sicherer in den Himmel.“ Diese Worte sind vollkommen historisch. Wer würde sie zu erfinden wagen, wenn sie es nicht wären? Die Königin verweigerte aber nicht blos die Begnadigung, sie befahl auch, daß Manoel seinen Bruder auf den Richt- platz begleite und Zeuge der Hinrichtung sei. Als der alte Oliveira dies erfuhr, gab er die Antwort, die eines alten Römers würdig gewesen wäre: „man erspart mir dadurch eine Sorge; ich selbst würde den Knaben hinge- führt haben.“ „Am 26. September 1823 erfolgte die Hinrichtung und der kleine Manoel wankte zwischen den gekreuzten Gewehren von vier Soldaten seinem Bruder nach, den der Muth keinen Augenblick verließ. Als aber die Schüsse

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Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 21. Hattingen, 13. März 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische021_1850/2>, abgerufen am 21.11.2024.