Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Märkische Blätter. Nr. 15. Hattingen, 19. Februar 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]

Bei diesen Worten blähte sich Herr Michel denn ein wenig
und lächelte mit dem Ausdruck innerer Zufriedenheit; der Ba-
ron konnte aber nun nicht länger an sich halten, und ließ die
obige Apostrophe los:

"Also Du bist's wirklich infamer Schlingel?"

"Verzeihen Sie Herr Baron! es ist das eine Benennuug[unleserliches Material],
die --"

"Aber da Du es wirklich einmal bist, so sag' mir ums
Himmels Willen! was bedeutet dieser Aufzug, dieser Besuch?
Sollte es etwa ein Spaß sein, den Du --"

"Wenn Sie mich anhören wollen, so werden Sie sehen,
daß Alles so ernst wie möglich gemeint ist!"

"Auch der Ankauf meines Hotels?"

"Und alles dessen, was dazu gehört!"

"Nun das ist wahrhaftig merkwürdig! doch sprich, ich
höre!"

"Während der Zeit, die ich bei Jhnen zubrachte, Herr Ba-
ron, haben sie wahrscheinlich bemerkt, daß ich für den Bedien-
tenstand nicht geschaffen war. Die Art und Weise, wie wir
uns gegenseitig trennten, verleidete ihn mir vollens, und so be-
schloß ich denn, diesem Stande gänzlich zu entsagen. Jch hatte
mir hübsch etwas gespart --"

"Ja zum Henker! Das was Du mir gestohlen!"

"Bitte tausendmal um Verzeihung, Herr Baron! ich bin
nich mehr an den Ton gewöhnt, den es Jhnen gegen mich
anzunehmen beliebt. Um Jhnen zu beweisen, wie berechtigt
ich bin, deshalb etwas empfindlich zu sein, will ich Jhnen nur
in aller Eile mittheilen daß ich nach meiner Dienstentlassung
bei Jhnen nach Californien ging; und wissen Sie was ich
von dort mit zurückbringe?

"Wie können Sie verlangen, Herr Michel, daß ich das
wisse?"

"Jch habe diesen Morgen ein Capital von 1,600,000 Fr.
bei Herrn v. Rothschild deponirt."

"Zum Geier! da müssen Sie herrliche Geschäfte gemacht
haben!"

"Ja mein Herr! ja. Jch sage Jhnen, es ist ein herrliches
Land, das Californien! man braucht sich nur zu bücken, um
ganze Hände voll Gold aufzuraffen. Jch hatte ein Bündel
Waaren mitgenommen, wie man solches als Schiffspassagier
frei mit sich führen darf; das habe ich dort im Einzelnen
verhandelt und zwar zu unglaublichen Preisen. Darauf kaufte
ich mir zwei Barken, mit denen ich Passagiere und Waaren
den Sakramento=Fluß hinauf und hinab fuhr. Jede Reise
brachte mir Summen ein, die Jhnen fabelhaft dünken würden.
Leicht hätte ich dort so viele Millionen verdienen können wie
mir nur[unleserliches Material] beliebte; allein ich bin Philosoph, weiß also meine
Begierden zu zügeln, und als ich mich in Besitz von andert-
halb Millionen Fr. fand, kehrte ich zurück. Die Liebe zum
Vaterlande, das Verlangen, dasselbe zu genießen, rief mich heim,
ich sehnte mich, meine Rolle als reicher Mann zu spielen.

Auf der Rückreise dachte ich an Sie und beschloß, Sie künf-
tig zu meinem Vorbild zu wählen."

"Das ist allerdings viel Ehre für mich, Herr Michel!"

"Als ich erfuhr, Jhr Hotel sei zu verkaufen, dachte ich im
Stillen: das sei gerade etwas für mich! ich kenne das Hotel,
habe ja darin gewohnt, es wird mir sofort sein als wäre ich
darin zu Hause; auch die innere Einrichtung, das Ameuble-
ment gefällt mir, und ich will Jhnen einen annehmbaren Preis
dafür zahlen. Es wird Jhnen ohne Zweifel etwas schmerzlich
sein, sich von Jhrem Lurns zu trennen; doch, was hilfts am
Ende, der Eine geht vorwärts, der Andere rückwärts; so ist's
ja nun einmal in der Welt! Man muß sich geduldig diesem
Schaukelspiele fügen und als Philosoph des Schicksals Gunst
und Ungunst in gleicher Weise zu ertragen wissen. Seien Sie
übrigens versichert, daß ich an Jhrem Unglücke den innigsten
Antheil nehme.

"Der Beweis Jhres Mitgefühls, Jhrer Theilnahme rührt
mich auf's Tiefste Herr Michel! Aber da Sie nun, Jhrer eig-
nen Aussage gemäß, ein reicher Mann geworden sind, und un-
streitig auch als ein solcher Sich behandelt wissen wollen, so
[Spaltenumbruch] glaube ich nicht umhin zu können, Jhnen eine Satisfikation
für jene Aufwallung meiner Lebhaftigkeit anbieten zu müssen,
die ich mir gegen Sie erlaubte, als ich Sie verabschiedete.
Sie erinnern sich doch jedenfalls noch, daß --"

"Ja, ja," unterbrach Michel den Baron, "es schwebt mir
dunkel so etwas vor."

"Es steht Jhnen die Wahl der Waffen zu."

"Sie sind sehr gütig, Herr Baron! allein ich habe die Ver-
gangenheit gänzlich vergessen; lassen Sie uns nicht weiter dar-
über sprechen, sondern wenns Jhnen recht ist, von unserer An-
gelegenheit reden, denn ich muß Jhnen gestehen, daß ich kaum
die Zeit erwarten kann, wo ich in Jhrem Hotel Jhre Stelle
einnehmen werde."

"Es thut mir unendlich leid, Herr Michel! Sie werdeu
aber dies Vergnügen niemals haben. Jch mag Sie nicht,
weder als Käufer noch als Stellvertreter."

"Hm! Sie sind neidisch auf mein Glück."

"Hören Sie, Herr Michel! da das Glück Sie von Jhrer
Jnsolenz nicht geheilt hat, so werde ich mir die Freiheit nehmen
Sie auch ferner als meinen unverschämten Bedienten zu behan-
deln, den ich, wenn er auch ein Mann mit 75,000 Fr. jähr-
licher Einkünfte ist, zur Thüre hinaus werfe."

"Wie ich gesagt hatte so that ich's!" schloß Herr von Saint-
G. seine Erzählung. -- "Jst's nicht eine höchst widersinnige
Laune des Glücks, daß in Californien in zwei Jahren Men-
schen, wie z. B. meinen Herrn Michel, in Millionäre umzu-
schaffen vermag?"



Russische Miscellen.

Es ist bekannt, daß kein Mensch in Rußland es wagen darf,
den Kaiser auf öffentlfcher Straße, weder schriftlich noch münd-
lich, anzureden. Das ist ein altes, schreckliches Gesetz und wer
es übertritt, ber hat keine geringe Strafe zu erwarten. Der
Kaiser erscheint öffentlich, wie oben bemerkt, stets in Generals-
uniform; er geht oder fährt durch die Straßen von St. Pe-
tersburg wie Jedermann und großentheils ohne irgend einen
Begleiter; wer ihn nicht kennt glaubt einen General, deren es
in der Residenzstadt so viele giebt zu sehen. Erblickt man ihn
in einer Straße, die sehr belebt ist, wie z. B. auf dem News-
kischen Prospekte, so kann man ihn leicht daran erkennen, daß
Jeder ehrfuhrchtsvoll den Hut vor ihm zieht. Möge aber der
Kaiser fahren, gehen oder stehen, wo er wolle, die Polizeileute
sind immer in seiner Nähe, theils sichtbar, theils unsichtbar.
Wer Rußland kennt, muß manchmal erstaunen über das plötz-
liche Erscheinen der Polizei, so weiß sie überall die Nähe des
Kaisers zu errathen. Es traf sich einige Male, daß ich sah,
wie der Czar in einer einsamen Straße von Jemandem ange-
redet wurde, den er aber jedes Mal kurz abfertigte. Kaum
war er 10--20 Schritte weiter gegangen, so erschien auch schon
die Polizei, plötzlich, als wäre sie vom Himmel oder aus der
Erde gestiegen, und schleppte den Verbrecher mit sich ( ! ) fort,
Es trifft sich auch, wenngleich selten, daß der Kaiser selber Je-
manden, der ihm entgegen kommt, anredet; aber auch solch Ei-
ner wird ohne Gnade von der Polizei fortgeschleppt und vor
allen Dingen will sie dann wissen, was der Czar gesagt
hat.

Es ist bekannt, daß die Polizei in Rußland gegen den Adel,
zu welchem jeder Beamte ohne Ausnahme gehört, keine Gewalt
hat, es sei denn, daß er sich eines Verbrechens schuldig machte.
Nur gegen den Bürger, wie überhaupt, gegen
jeden Nichtadeligen verfährt sie mit äußerster Willkür! Jeder
Beamte ist an seinem Frack ( Vice=Montur ) zu erkennen, und
diese Vice=Montur oder auch die Staats=Uniform ist der Schild
der ihn gegen die dreiste Willkür der Polizei schützt.

Einmal sah ich, wie Kaiser Nicolaus einen Beamten anredete
der mit den Orden des h. Wladimir IV. und der h. Anna
III. Klasse geschmückt, aber ziemlich betrunken war und die
Straße entlang schlenderte. "Wie heißen Sie?" fragte der
Kaiser. Der Trunkenbold fchien plötzlich nüchtern geworden, er
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz]

Bei diesen Worten blähte sich Herr Michel denn ein wenig
und lächelte mit dem Ausdruck innerer Zufriedenheit; der Ba-
ron konnte aber nun nicht länger an sich halten, und ließ die
obige Apostrophe los:

„Also Du bist's wirklich infamer Schlingel?“

„Verzeihen Sie Herr Baron! es ist das eine Benennuug[unleserliches Material],
die —“

„Aber da Du es wirklich einmal bist, so sag' mir ums
Himmels Willen! was bedeutet dieser Aufzug, dieser Besuch?
Sollte es etwa ein Spaß sein, den Du —“

„Wenn Sie mich anhören wollen, so werden Sie sehen,
daß Alles so ernst wie möglich gemeint ist!“

„Auch der Ankauf meines Hotels?“

„Und alles dessen, was dazu gehört!“

„Nun das ist wahrhaftig merkwürdig! doch sprich, ich
höre!“

„Während der Zeit, die ich bei Jhnen zubrachte, Herr Ba-
ron, haben sie wahrscheinlich bemerkt, daß ich für den Bedien-
tenstand nicht geschaffen war. Die Art und Weise, wie wir
uns gegenseitig trennten, verleidete ihn mir vollens, und so be-
schloß ich denn, diesem Stande gänzlich zu entsagen. Jch hatte
mir hübsch etwas gespart —“

„Ja zum Henker! Das was Du mir gestohlen!“

„Bitte tausendmal um Verzeihung, Herr Baron! ich bin
nich mehr an den Ton gewöhnt, den es Jhnen gegen mich
anzunehmen beliebt. Um Jhnen zu beweisen, wie berechtigt
ich bin, deshalb etwas empfindlich zu sein, will ich Jhnen nur
in aller Eile mittheilen daß ich nach meiner Dienstentlassung
bei Jhnen nach Californien ging; und wissen Sie was ich
von dort mit zurückbringe?

„Wie können Sie verlangen, Herr Michel, daß ich das
wisse?“

„Jch habe diesen Morgen ein Capital von 1,600,000 Fr.
bei Herrn v. Rothschild deponirt.“

„Zum Geier! da müssen Sie herrliche Geschäfte gemacht
haben!“

„Ja mein Herr! ja. Jch sage Jhnen, es ist ein herrliches
Land, das Californien! man braucht sich nur zu bücken, um
ganze Hände voll Gold aufzuraffen. Jch hatte ein Bündel
Waaren mitgenommen, wie man solches als Schiffspassagier
frei mit sich führen darf; das habe ich dort im Einzelnen
verhandelt und zwar zu unglaublichen Preisen. Darauf kaufte
ich mir zwei Barken, mit denen ich Passagiere und Waaren
den Sakramento=Fluß hinauf und hinab fuhr. Jede Reise
brachte mir Summen ein, die Jhnen fabelhaft dünken würden.
Leicht hätte ich dort so viele Millionen verdienen können wie
mir nur[unleserliches Material] beliebte; allein ich bin Philosoph, weiß also meine
Begierden zu zügeln, und als ich mich in Besitz von andert-
halb Millionen Fr. fand, kehrte ich zurück. Die Liebe zum
Vaterlande, das Verlangen, dasselbe zu genießen, rief mich heim,
ich sehnte mich, meine Rolle als reicher Mann zu spielen.

Auf der Rückreise dachte ich an Sie und beschloß, Sie künf-
tig zu meinem Vorbild zu wählen.“

„Das ist allerdings viel Ehre für mich, Herr Michel!“

„Als ich erfuhr, Jhr Hotel sei zu verkaufen, dachte ich im
Stillen: das sei gerade etwas für mich! ich kenne das Hotel,
habe ja darin gewohnt, es wird mir sofort sein als wäre ich
darin zu Hause; auch die innere Einrichtung, das Ameuble-
ment gefällt mir, und ich will Jhnen einen annehmbaren Preis
dafür zahlen. Es wird Jhnen ohne Zweifel etwas schmerzlich
sein, sich von Jhrem Lurns zu trennen; doch, was hilfts am
Ende, der Eine geht vorwärts, der Andere rückwärts; so ist's
ja nun einmal in der Welt! Man muß sich geduldig diesem
Schaukelspiele fügen und als Philosoph des Schicksals Gunst
und Ungunst in gleicher Weise zu ertragen wissen. Seien Sie
übrigens versichert, daß ich an Jhrem Unglücke den innigsten
Antheil nehme.

„Der Beweis Jhres Mitgefühls, Jhrer Theilnahme rührt
mich auf's Tiefste Herr Michel! Aber da Sie nun, Jhrer eig-
nen Aussage gemäß, ein reicher Mann geworden sind, und un-
streitig auch als ein solcher Sich behandelt wissen wollen, so
[Spaltenumbruch] glaube ich nicht umhin zu können, Jhnen eine Satisfikation
für jene Aufwallung meiner Lebhaftigkeit anbieten zu müssen,
die ich mir gegen Sie erlaubte, als ich Sie verabschiedete.
Sie erinnern sich doch jedenfalls noch, daß —“

„Ja, ja,“ unterbrach Michel den Baron, „es schwebt mir
dunkel so etwas vor.“

„Es steht Jhnen die Wahl der Waffen zu.“

„Sie sind sehr gütig, Herr Baron! allein ich habe die Ver-
gangenheit gänzlich vergessen; lassen Sie uns nicht weiter dar-
über sprechen, sondern wenns Jhnen recht ist, von unserer An-
gelegenheit reden, denn ich muß Jhnen gestehen, daß ich kaum
die Zeit erwarten kann, wo ich in Jhrem Hotel Jhre Stelle
einnehmen werde.“

„Es thut mir unendlich leid, Herr Michel! Sie werdeu
aber dies Vergnügen niemals haben. Jch mag Sie nicht,
weder als Käufer noch als Stellvertreter.“

„Hm! Sie sind neidisch auf mein Glück.“

„Hören Sie, Herr Michel! da das Glück Sie von Jhrer
Jnsolenz nicht geheilt hat, so werde ich mir die Freiheit nehmen
Sie auch ferner als meinen unverschämten Bedienten zu behan-
deln, den ich, wenn er auch ein Mann mit 75,000 Fr. jähr-
licher Einkünfte ist, zur Thüre hinaus werfe.“

„Wie ich gesagt hatte so that ich's!“ schloß Herr von Saint-
G. seine Erzählung. — „Jst's nicht eine höchst widersinnige
Laune des Glücks, daß in Californien in zwei Jahren Men-
schen, wie z. B. meinen Herrn Michel, in Millionäre umzu-
schaffen vermag?“



Russische Miscellen.

Es ist bekannt, daß kein Mensch in Rußland es wagen darf,
den Kaiser auf öffentlfcher Straße, weder schriftlich noch münd-
lich, anzureden. Das ist ein altes, schreckliches Gesetz und wer
es übertritt, ber hat keine geringe Strafe zu erwarten. Der
Kaiser erscheint öffentlich, wie oben bemerkt, stets in Generals-
uniform; er geht oder fährt durch die Straßen von St. Pe-
tersburg wie Jedermann und großentheils ohne irgend einen
Begleiter; wer ihn nicht kennt glaubt einen General, deren es
in der Residenzstadt so viele giebt zu sehen. Erblickt man ihn
in einer Straße, die sehr belebt ist, wie z. B. auf dem News-
kischen Prospekte, so kann man ihn leicht daran erkennen, daß
Jeder ehrfuhrchtsvoll den Hut vor ihm zieht. Möge aber der
Kaiser fahren, gehen oder stehen, wo er wolle, die Polizeileute
sind immer in seiner Nähe, theils sichtbar, theils unsichtbar.
Wer Rußland kennt, muß manchmal erstaunen über das plötz-
liche Erscheinen der Polizei, so weiß sie überall die Nähe des
Kaisers zu errathen. Es traf sich einige Male, daß ich sah,
wie der Czar in einer einsamen Straße von Jemandem ange-
redet wurde, den er aber jedes Mal kurz abfertigte. Kaum
war er 10—20 Schritte weiter gegangen, so erschien auch schon
die Polizei, plötzlich, als wäre sie vom Himmel oder aus der
Erde gestiegen, und schleppte den Verbrecher mit sich ( ! ) fort,
Es trifft sich auch, wenngleich selten, daß der Kaiser selber Je-
manden, der ihm entgegen kommt, anredet; aber auch solch Ei-
ner wird ohne Gnade von der Polizei fortgeschleppt und vor
allen Dingen will sie dann wissen, was der Czar gesagt
hat.

Es ist bekannt, daß die Polizei in Rußland gegen den Adel,
zu welchem jeder Beamte ohne Ausnahme gehört, keine Gewalt
hat, es sei denn, daß er sich eines Verbrechens schuldig machte.
Nur gegen den Bürger, wie überhaupt, gegen
jeden Nichtadeligen verfährt sie mit äußerster Willkür! Jeder
Beamte ist an seinem Frack ( Vice=Montur ) zu erkennen, und
diese Vice=Montur oder auch die Staats=Uniform ist der Schild
der ihn gegen die dreiste Willkür der Polizei schützt.

Einmal sah ich, wie Kaiser Nicolaus einen Beamten anredete
der mit den Orden des h. Wladimir IV. und der h. Anna
III. Klasse geschmückt, aber ziemlich betrunken war und die
Straße entlang schlenderte. „Wie heißen Sie?“ fragte der
Kaiser. Der Trunkenbold fchien plötzlich nüchtern geworden, er
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jVarious" n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <pb facs="#f0002"/>
          <cb type="start"/>
          <p>Bei diesen Worten blähte sich Herr Michel denn ein wenig<lb/>
und lächelte mit dem Ausdruck innerer Zufriedenheit; der Ba-<lb/>
ron konnte aber nun nicht länger an sich halten, und ließ die<lb/>
obige Apostrophe los:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Also Du bist's wirklich infamer Schlingel?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Verzeihen Sie Herr Baron! es ist das eine Benennuug<gap reason="illegible"/>,<lb/>
die &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Aber da Du es wirklich einmal bist, so sag' mir ums<lb/>
Himmels Willen! was bedeutet dieser Aufzug, dieser Besuch?<lb/>
Sollte es etwa ein Spaß sein, den Du &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn Sie mich anhören wollen, so werden Sie sehen,<lb/>
daß Alles so ernst wie möglich gemeint ist!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Auch der Ankauf meines Hotels?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und alles dessen, was dazu gehört!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun das ist wahrhaftig merkwürdig! doch sprich, ich<lb/>
höre!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Während der Zeit, die ich bei Jhnen zubrachte, Herr Ba-<lb/>
ron, haben sie wahrscheinlich bemerkt, daß ich für den Bedien-<lb/>
tenstand nicht geschaffen war. Die Art und Weise, wie wir<lb/>
uns gegenseitig trennten, verleidete ihn mir vollens, und so be-<lb/>
schloß ich denn, diesem Stande gänzlich zu entsagen. Jch hatte<lb/>
mir hübsch etwas gespart &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja zum Henker! Das was Du mir gestohlen!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Bitte tausendmal um Verzeihung, Herr Baron! ich bin<lb/>
nich mehr an den Ton gewöhnt, den es Jhnen gegen mich<lb/>
anzunehmen beliebt. Um Jhnen zu beweisen, wie berechtigt<lb/>
ich bin, deshalb etwas empfindlich zu sein, will ich Jhnen nur<lb/>
in aller Eile mittheilen daß ich nach meiner Dienstentlassung<lb/>
bei Jhnen nach Californien ging; und wissen Sie was ich<lb/>
von dort mit zurückbringe?</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wie können Sie verlangen, Herr Michel, daß ich das<lb/>
wisse?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch habe diesen Morgen ein Capital von 1,600,000 Fr.<lb/>
bei Herrn v. Rothschild deponirt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Zum Geier! da müssen Sie herrliche Geschäfte gemacht<lb/>
haben!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja mein Herr! ja. Jch sage Jhnen, es ist ein herrliches<lb/>
Land, das Californien! man braucht sich nur zu bücken, um<lb/>
ganze Hände voll Gold aufzuraffen. Jch hatte ein Bündel<lb/>
Waaren mitgenommen, wie man solches als Schiffspassagier<lb/>
frei mit sich führen darf; das habe ich dort im Einzelnen<lb/>
verhandelt und zwar zu unglaublichen Preisen. Darauf kaufte<lb/>
ich mir zwei Barken, mit denen ich Passagiere und Waaren<lb/>
den Sakramento=Fluß hinauf und hinab fuhr. Jede Reise<lb/>
brachte mir Summen ein, die Jhnen fabelhaft dünken würden.<lb/>
Leicht hätte ich dort so viele Millionen verdienen können wie<lb/>
mir nur<gap reason="illegible"/> beliebte; allein ich bin Philosoph, weiß also meine<lb/>
Begierden zu zügeln, und als ich mich in Besitz von andert-<lb/>
halb Millionen Fr. fand, kehrte ich zurück. Die Liebe zum<lb/>
Vaterlande, das Verlangen, dasselbe zu genießen, rief mich heim,<lb/>
ich sehnte mich, meine Rolle als reicher Mann zu spielen.</p><lb/>
          <p>Auf der Rückreise dachte ich an Sie und beschloß, Sie künf-<lb/>
tig zu meinem Vorbild zu wählen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das ist allerdings viel Ehre für mich, Herr Michel!&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Als ich erfuhr, Jhr Hotel sei zu verkaufen, dachte ich im<lb/>
Stillen: das sei gerade etwas für mich! ich kenne das Hotel,<lb/>
habe ja darin gewohnt, es wird mir sofort sein als wäre ich<lb/>
darin zu Hause; auch die innere Einrichtung, das Ameuble-<lb/>
ment gefällt mir, und ich will Jhnen einen annehmbaren Preis<lb/>
dafür zahlen. Es wird Jhnen ohne Zweifel etwas schmerzlich<lb/>
sein, sich von Jhrem Lurns zu trennen; doch, was hilfts am<lb/>
Ende, der Eine geht vorwärts, der Andere rückwärts; so ist's<lb/>
ja nun einmal in der Welt! Man muß sich geduldig diesem<lb/>
Schaukelspiele fügen und als Philosoph des Schicksals Gunst<lb/>
und <hi rendition="#aq">U</hi>ngunst in gleicher Weise zu ertragen wissen. Seien Sie<lb/>
übrigens versichert, daß ich an Jhrem Unglücke den innigsten<lb/>
Antheil nehme.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Beweis Jhres Mitgefühls, Jhrer Theilnahme rührt<lb/>
mich auf's Tiefste Herr Michel! Aber da Sie nun, Jhrer eig-<lb/>
nen Aussage gemäß, ein reicher Mann geworden sind, und un-<lb/>
streitig auch als ein solcher Sich behandelt wissen wollen, so<lb/><cb n="2"/>
glaube ich nicht umhin zu können, Jhnen eine Satisfikation<lb/>
für jene Aufwallung meiner Lebhaftigkeit anbieten zu müssen,<lb/>
die ich mir gegen Sie erlaubte, als ich Sie verabschiedete.<lb/>
Sie erinnern sich doch jedenfalls noch, daß &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja, ja,&#x201C; unterbrach Michel den Baron, &#x201E;es schwebt mir<lb/>
dunkel so etwas vor.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es steht Jhnen die Wahl der Waffen zu.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Sie sind sehr gütig, Herr Baron! allein ich habe die Ver-<lb/>
gangenheit gänzlich vergessen; lassen Sie uns nicht weiter dar-<lb/>
über sprechen, sondern wenns Jhnen recht ist, von unserer An-<lb/>
gelegenheit reden, denn ich muß Jhnen gestehen, daß ich kaum<lb/>
die Zeit erwarten kann, wo ich in Jhrem Hotel Jhre Stelle<lb/>
einnehmen werde.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es thut mir unendlich leid, Herr Michel! Sie werdeu<lb/>
aber dies Vergnügen niemals haben. Jch mag Sie nicht,<lb/>
weder als Käufer noch als Stellvertreter.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Hm! Sie sind neidisch auf mein Glück.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Hören Sie, Herr Michel! da das Glück Sie von Jhrer<lb/>
Jnsolenz nicht geheilt hat, so werde ich mir die Freiheit nehmen<lb/>
Sie auch ferner als meinen unverschämten Bedienten zu behan-<lb/>
deln, den ich, wenn er auch ein Mann mit 75,000 Fr. jähr-<lb/>
licher Einkünfte ist, zur Thüre hinaus werfe.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wie ich gesagt hatte so that ich's!&#x201C; schloß Herr von Saint-<lb/>
G. seine Erzählung. &#x2014; &#x201E;Jst's nicht eine höchst widersinnige<lb/>
Laune des Glücks, daß in Californien in zwei Jahren Men-<lb/>
schen, wie z. B. meinen Herrn Michel, in Millionäre umzu-<lb/>
schaffen vermag?&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Russische Miscellen.</hi> </head><lb/>
          <p>Es ist bekannt, daß kein Mensch in Rußland es wagen darf,<lb/>
den Kaiser auf öffentlfcher Straße, weder schriftlich noch münd-<lb/>
lich, anzureden. Das ist ein altes, schreckliches Gesetz und wer<lb/>
es übertritt, ber hat keine geringe Strafe zu erwarten. Der<lb/>
Kaiser erscheint öffentlich, wie oben bemerkt, stets in Generals-<lb/>
uniform; er geht oder fährt durch die Straßen von St. Pe-<lb/>
tersburg wie Jedermann und großentheils ohne irgend einen<lb/>
Begleiter; wer ihn nicht kennt glaubt einen General, deren es<lb/>
in der Residenzstadt so viele giebt zu sehen. Erblickt man ihn<lb/>
in einer Straße, die sehr belebt ist, wie z. B. auf dem News-<lb/>
kischen Prospekte, so kann man ihn leicht daran erkennen, daß<lb/>
Jeder ehrfuhrchtsvoll den Hut vor ihm zieht. Möge aber der<lb/>
Kaiser fahren, gehen oder stehen, wo er wolle, die Polizeileute<lb/>
sind immer in seiner Nähe, theils sichtbar, theils unsichtbar.<lb/>
Wer Rußland kennt, muß manchmal erstaunen über das plötz-<lb/>
liche Erscheinen der Polizei, so weiß sie überall die Nähe des<lb/>
Kaisers zu errathen. Es traf sich einige Male, daß ich sah,<lb/>
wie der Czar in einer einsamen Straße von Jemandem ange-<lb/>
redet wurde, den er aber jedes Mal kurz abfertigte. Kaum<lb/>
war er 10&#x2014;20 Schritte weiter gegangen, so erschien auch schon<lb/>
die Polizei, plötzlich, als wäre sie vom Himmel oder aus der<lb/>
Erde gestiegen, und schleppte den Verbrecher mit sich ( ! ) fort,<lb/>
Es trifft sich auch, wenngleich selten, daß der Kaiser selber Je-<lb/>
manden, der ihm entgegen kommt, anredet; aber auch solch Ei-<lb/>
ner wird ohne Gnade von der Polizei fortgeschleppt und vor<lb/>
allen Dingen will sie dann wissen, was der Czar gesagt<lb/>
hat.</p><lb/>
          <p>Es ist bekannt, daß die Polizei in Rußland gegen den Adel,<lb/>
zu welchem jeder Beamte ohne Ausnahme gehört, keine Gewalt<lb/>
hat, es sei denn, daß er sich eines Verbrechens schuldig machte.<lb/>
Nur gegen den Bürger, wie überhaupt, gegen<lb/>
jeden Nichtadeligen verfährt sie mit äußerster Willkür! Jeder<lb/>
Beamte ist an seinem Frack ( Vice=Montur ) zu erkennen, und<lb/>
diese Vice=Montur oder auch die Staats=Uniform ist der Schild<lb/>
der ihn gegen die dreiste Willkür der Polizei schützt.</p><lb/>
          <p>Einmal sah ich, wie Kaiser Nicolaus einen Beamten anredete<lb/>
der mit den Orden des h. Wladimir <hi rendition="#aq">IV</hi>. und der h. Anna<lb/><hi rendition="#aq">III</hi>. Klasse geschmückt, aber ziemlich betrunken war und die<lb/>
Straße entlang schlenderte. &#x201E;Wie heißen Sie?&#x201C; fragte der<lb/>
Kaiser. Der Trunkenbold fchien plötzlich nüchtern geworden, er<lb/><cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0002] Bei diesen Worten blähte sich Herr Michel denn ein wenig und lächelte mit dem Ausdruck innerer Zufriedenheit; der Ba- ron konnte aber nun nicht länger an sich halten, und ließ die obige Apostrophe los: „Also Du bist's wirklich infamer Schlingel?“ „Verzeihen Sie Herr Baron! es ist das eine Benennuug_ , die —“ „Aber da Du es wirklich einmal bist, so sag' mir ums Himmels Willen! was bedeutet dieser Aufzug, dieser Besuch? Sollte es etwa ein Spaß sein, den Du —“ „Wenn Sie mich anhören wollen, so werden Sie sehen, daß Alles so ernst wie möglich gemeint ist!“ „Auch der Ankauf meines Hotels?“ „Und alles dessen, was dazu gehört!“ „Nun das ist wahrhaftig merkwürdig! doch sprich, ich höre!“ „Während der Zeit, die ich bei Jhnen zubrachte, Herr Ba- ron, haben sie wahrscheinlich bemerkt, daß ich für den Bedien- tenstand nicht geschaffen war. Die Art und Weise, wie wir uns gegenseitig trennten, verleidete ihn mir vollens, und so be- schloß ich denn, diesem Stande gänzlich zu entsagen. Jch hatte mir hübsch etwas gespart —“ „Ja zum Henker! Das was Du mir gestohlen!“ „Bitte tausendmal um Verzeihung, Herr Baron! ich bin nich mehr an den Ton gewöhnt, den es Jhnen gegen mich anzunehmen beliebt. Um Jhnen zu beweisen, wie berechtigt ich bin, deshalb etwas empfindlich zu sein, will ich Jhnen nur in aller Eile mittheilen daß ich nach meiner Dienstentlassung bei Jhnen nach Californien ging; und wissen Sie was ich von dort mit zurückbringe? „Wie können Sie verlangen, Herr Michel, daß ich das wisse?“ „Jch habe diesen Morgen ein Capital von 1,600,000 Fr. bei Herrn v. Rothschild deponirt.“ „Zum Geier! da müssen Sie herrliche Geschäfte gemacht haben!“ „Ja mein Herr! ja. Jch sage Jhnen, es ist ein herrliches Land, das Californien! man braucht sich nur zu bücken, um ganze Hände voll Gold aufzuraffen. Jch hatte ein Bündel Waaren mitgenommen, wie man solches als Schiffspassagier frei mit sich führen darf; das habe ich dort im Einzelnen verhandelt und zwar zu unglaublichen Preisen. Darauf kaufte ich mir zwei Barken, mit denen ich Passagiere und Waaren den Sakramento=Fluß hinauf und hinab fuhr. Jede Reise brachte mir Summen ein, die Jhnen fabelhaft dünken würden. Leicht hätte ich dort so viele Millionen verdienen können wie mir nur_ beliebte; allein ich bin Philosoph, weiß also meine Begierden zu zügeln, und als ich mich in Besitz von andert- halb Millionen Fr. fand, kehrte ich zurück. Die Liebe zum Vaterlande, das Verlangen, dasselbe zu genießen, rief mich heim, ich sehnte mich, meine Rolle als reicher Mann zu spielen. Auf der Rückreise dachte ich an Sie und beschloß, Sie künf- tig zu meinem Vorbild zu wählen.“ „Das ist allerdings viel Ehre für mich, Herr Michel!“ „Als ich erfuhr, Jhr Hotel sei zu verkaufen, dachte ich im Stillen: das sei gerade etwas für mich! ich kenne das Hotel, habe ja darin gewohnt, es wird mir sofort sein als wäre ich darin zu Hause; auch die innere Einrichtung, das Ameuble- ment gefällt mir, und ich will Jhnen einen annehmbaren Preis dafür zahlen. Es wird Jhnen ohne Zweifel etwas schmerzlich sein, sich von Jhrem Lurns zu trennen; doch, was hilfts am Ende, der Eine geht vorwärts, der Andere rückwärts; so ist's ja nun einmal in der Welt! Man muß sich geduldig diesem Schaukelspiele fügen und als Philosoph des Schicksals Gunst und Ungunst in gleicher Weise zu ertragen wissen. Seien Sie übrigens versichert, daß ich an Jhrem Unglücke den innigsten Antheil nehme. „Der Beweis Jhres Mitgefühls, Jhrer Theilnahme rührt mich auf's Tiefste Herr Michel! Aber da Sie nun, Jhrer eig- nen Aussage gemäß, ein reicher Mann geworden sind, und un- streitig auch als ein solcher Sich behandelt wissen wollen, so glaube ich nicht umhin zu können, Jhnen eine Satisfikation für jene Aufwallung meiner Lebhaftigkeit anbieten zu müssen, die ich mir gegen Sie erlaubte, als ich Sie verabschiedete. Sie erinnern sich doch jedenfalls noch, daß —“ „Ja, ja,“ unterbrach Michel den Baron, „es schwebt mir dunkel so etwas vor.“ „Es steht Jhnen die Wahl der Waffen zu.“ „Sie sind sehr gütig, Herr Baron! allein ich habe die Ver- gangenheit gänzlich vergessen; lassen Sie uns nicht weiter dar- über sprechen, sondern wenns Jhnen recht ist, von unserer An- gelegenheit reden, denn ich muß Jhnen gestehen, daß ich kaum die Zeit erwarten kann, wo ich in Jhrem Hotel Jhre Stelle einnehmen werde.“ „Es thut mir unendlich leid, Herr Michel! Sie werdeu aber dies Vergnügen niemals haben. Jch mag Sie nicht, weder als Käufer noch als Stellvertreter.“ „Hm! Sie sind neidisch auf mein Glück.“ „Hören Sie, Herr Michel! da das Glück Sie von Jhrer Jnsolenz nicht geheilt hat, so werde ich mir die Freiheit nehmen Sie auch ferner als meinen unverschämten Bedienten zu behan- deln, den ich, wenn er auch ein Mann mit 75,000 Fr. jähr- licher Einkünfte ist, zur Thüre hinaus werfe.“ „Wie ich gesagt hatte so that ich's!“ schloß Herr von Saint- G. seine Erzählung. — „Jst's nicht eine höchst widersinnige Laune des Glücks, daß in Californien in zwei Jahren Men- schen, wie z. B. meinen Herrn Michel, in Millionäre umzu- schaffen vermag?“ Russische Miscellen. Es ist bekannt, daß kein Mensch in Rußland es wagen darf, den Kaiser auf öffentlfcher Straße, weder schriftlich noch münd- lich, anzureden. Das ist ein altes, schreckliches Gesetz und wer es übertritt, ber hat keine geringe Strafe zu erwarten. Der Kaiser erscheint öffentlich, wie oben bemerkt, stets in Generals- uniform; er geht oder fährt durch die Straßen von St. Pe- tersburg wie Jedermann und großentheils ohne irgend einen Begleiter; wer ihn nicht kennt glaubt einen General, deren es in der Residenzstadt so viele giebt zu sehen. Erblickt man ihn in einer Straße, die sehr belebt ist, wie z. B. auf dem News- kischen Prospekte, so kann man ihn leicht daran erkennen, daß Jeder ehrfuhrchtsvoll den Hut vor ihm zieht. Möge aber der Kaiser fahren, gehen oder stehen, wo er wolle, die Polizeileute sind immer in seiner Nähe, theils sichtbar, theils unsichtbar. Wer Rußland kennt, muß manchmal erstaunen über das plötz- liche Erscheinen der Polizei, so weiß sie überall die Nähe des Kaisers zu errathen. Es traf sich einige Male, daß ich sah, wie der Czar in einer einsamen Straße von Jemandem ange- redet wurde, den er aber jedes Mal kurz abfertigte. Kaum war er 10—20 Schritte weiter gegangen, so erschien auch schon die Polizei, plötzlich, als wäre sie vom Himmel oder aus der Erde gestiegen, und schleppte den Verbrecher mit sich ( ! ) fort, Es trifft sich auch, wenngleich selten, daß der Kaiser selber Je- manden, der ihm entgegen kommt, anredet; aber auch solch Ei- ner wird ohne Gnade von der Polizei fortgeschleppt und vor allen Dingen will sie dann wissen, was der Czar gesagt hat. Es ist bekannt, daß die Polizei in Rußland gegen den Adel, zu welchem jeder Beamte ohne Ausnahme gehört, keine Gewalt hat, es sei denn, daß er sich eines Verbrechens schuldig machte. Nur gegen den Bürger, wie überhaupt, gegen jeden Nichtadeligen verfährt sie mit äußerster Willkür! Jeder Beamte ist an seinem Frack ( Vice=Montur ) zu erkennen, und diese Vice=Montur oder auch die Staats=Uniform ist der Schild der ihn gegen die dreiste Willkür der Polizei schützt. Einmal sah ich, wie Kaiser Nicolaus einen Beamten anredete der mit den Orden des h. Wladimir IV. und der h. Anna III. Klasse geschmückt, aber ziemlich betrunken war und die Straße entlang schlenderte. „Wie heißen Sie?“ fragte der Kaiser. Der Trunkenbold fchien plötzlich nüchtern geworden, er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz, Benjamin Fiechter: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische015_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische015_1851/2
Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 15. Hattingen, 19. Februar 1851, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische015_1851/2>, abgerufen am 24.11.2024.