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Mährisches Tagblatt. Nr. 40, Olmütz, 18.02.1889.

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[Spaltenumbruch] "Erzherzog Franz" in dem ihm vom Herrn
Bürgermeister vorgelegten Gedenkbuch. Ein in
Aussicht genommener Besuch des Kaiser Franz
Josef-Gewerbemuseuws unterblieb wegen Kürze
der Zeit, doch versprach Se. kais. Hoheit Erz-
herzog Franz Ferdinand bei seinem, demnächst
abermals stattfindenden Besuche der Stadt Olmütz
auch das gedachte Museum besichtigen zu wollen.
Die beiden Erzherzoge promenirten hierauf durch
einige Zeit am Oberringe, besuchten den Stadt-
park und begaben sich sodann in die Officiersmesse
des 100. Infanterie-Regimentes, woselbst sie an
dem Mittagmahle theilnahmen. Mit Rücksicht
auf die Hoftrauer für wei[l]. Se. kaiserl. Hoheit
Kronprinz Rudolf entfiel die Beistellung einer
Tafelmusik. Die beiden Erzherzoge wurden bei
ihrem Eintritte in die Officiersmesse von dem
Commandanten des 100. Infanterie-Regimentes
und dem löbl. Officierscorps dieses Regimentes
empfangen und an die Ehrenplätze geleitet. Nach-
mittags 3 Uhr 40 Minuten kehrte Se. kaiserl.
Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand d'Este mit
der Staatsbahn nach Prag zurück.

(Abschiedsfeier für Stadtrath Peyscha.)

Die von den städt. Beamten am Sonnabend
arrangirte Feier aus Anlaß des Scheidens des
Herrn Stadtraths Peyscha aus dem städtischen
Dienste, gestaltete sich ebenso herzlich als erhebend
für alle Theilnehmer. Es hatten sich zu derselben
nebst dem Gefeierten und seinen Collegen die
Gemeinderäthe, mehrere Stadtverordnete, ferner
viele Freunde des Jubilars und eine Anzahl von
Damen eingefunden. Die Arrangeure hatten für
die Unterhaltung der Erschienenen in bester Weise
gesorgt. Aus der Mitte der städtischen Beamten-
schaft hatte man ein kleines Orchester zusammen-
gestellt, das vortreffliche musikalische Vor-
träge brachte, die mit Quartett- und Chorge-
sängen, sowie mit Clavier-, Zither- und Couplet-
vorträgen wechselten, die sämmtlich vollendet zu
Gehör gebracht wurden und stürmischen Beifall
fanden. Man staunte über die reiche Zahl musi-
kalischer Talente, die sich in unserer städtischen
Beamtenschaft und ihren Angehörigen finden.
Von letzteren wurden besonders die Fräuleins
Lemmer und Zastiera für ihre Zithervorträge
ausgezeichnet. Während der Pausen zwischen
den Vorträgen feierte man den Jubilar
in gehaltvollen Re[d]en. Zunächst hielt Herr
Stadtsecretär Kornauth an denselben Namens
der städt. Beamten eine herzliche und kernige An-
sprache, welche folgenden Wortlaut hatte:

Hochverehrter Herr Stadtrath!

Mit dem ehrenden Auftrage betraut, Ihnen
am heutigen Festtage Namens der städt. Beam-
tenschaft, deren innigste Ergebenheit und herzlich-
sten Glückwünsche darzubringen, dürfte es mir
wohl kaum gelingen, dieser Aufgabe in einer voll-
kommen entsprechenden Weise gerecht zu werden.
Sollte es mir nämlich auch gelungen sein, all die
[Spaltenumbruch] Wünsche zu errathen, von denen die Herzen
Ihrer Collegen und Freunde besonders bei dem
heutigen Festesanlasse erfüllt sind, sollte es mir
auch gelungen sein, all die Worte der Liebe und
Freundschaft zu lesen und zu deuten, die in un-
wandelbarer Flammenschrift in unser Inneres
eingegraben sind, so muß ich dennoch besorgen, daß
es mir wohl kaum möglich sein wird, alle die
Wünsche und Gefühle in entsprechender und er-
schöpfender Form zum Ausdruck zu bringen und
so der richtige Dolmetsch unserer Herzenssprache
zu sein. Und doch will ich nicht zögern, mich der
vorerwähnten Aufgabe freudig zu unterziehen und
mein Vertrauen darauf setzen, daß die Worte, die
mein Herz mir auf die Lippen drängt, wohl auch
den Weg zum Herzen finden werden.

Zunächst möchte ich einige Worte der Ver-
anlassung widmen, die uns heute zusammenge-
führt hat und die wohl eine festliche genannt
werden muß. Haben wir uns ja doch heute ver-
sammelt, um das seltene Fest einer ebenso rast-
losen als verdienstvollen Thätigkeit im Dienste
des Gemeinwesens feierlich zu begehen und diesen
Freudenanlaß mit Kundgebungen collegialer
Freundschaft und herzlicher Ergebenheit zu be-
gleiten.

Es würde mich zu weit führen und wohl
ein eitel Beginnen sein, wollte ich all' die Ver-
dienste auch nur in der kürzesten Form aufzählen,
die Sie sich in den langen Jahren Ihrer viel-
seitigen, einsigen Thätigkeit erworben haben,
wollte ich die zahllosen Beweise ehrender Aner-
kennung wiederholen, die Ihrem rastlosen Streben
geworden.

Durch mehr als ein Menschenalter haben
Sie, hochverehrter Herr Stadtrath, Ihr Wissen
und Können einem der wichtigsten Dienste im
Staatsdienste mit den erfreulichsten Erfolgen ge-
weiht und neben der gewissenhaften Erfüllung
Ihrer Pflicht, neben den Mühen Ihres ver-
antwortungsvollen Amtes, das einen ganzen
Mann erfordert, doch noch Zeit und Muße
gefunden, der Wissenschaft und den schönen Kün-
sten als eifriger Jünger zu dienen. Gar manches
Kapitel der heimischen Geschichte haben Sie durch
geist- und stilvolle Aufzeichnungen vor der Ver-
gessenheit bewahrt und hiedurch sich selbst ein
Denkmal gesetzt, dauernder als Erz! Was Sie
auf dem Gebiete der Musik geleistet, davon
spricht die musikalische Chronik unserer Stadt
bis weit zurück in längst vergangene Tage. Wie
sehr Sie mit den zauberischen Klängen Ihrer
Geige sich in Aller Herzen einzuschmeicheln wuß-
ten, deß kann ich wohl getrost alle Anwesenden
zum Zeugen rufen. Was mir jedoch ebenso freu-
dig alle Anwesenden und weit hinaus alle Jene
bezeugen werden, die je im öffentlichen oder
privaten Leben mit Ihnen zusammenzutreffen
Gelegenheit hatten, ist die Thatsache, daß Sie,
hochverehrter Herr Stadtrath, wie selten Jemand
[Spaltenumbruch] durch Rechtlichkeit, Offenheit und Character-
festigkeit die Achtung wie die Liebe Aller
zu erwerben und zu bewahren wußten. Sollten
wir, die wir berufen waren, vereint mit Ihnen
thätig zu sein, darum nicht von der größten
Freude erfüllt sein, am heutigen Tage, wo wir
Ihr 40jähriges Dienstjubiläum feiern, freudig
ausrufen zu können: Sie waren der Un-
sere
und werden hoffentlich auch der Un-
sere bleiben, wenn Sie auch heute aus
unserem engeren Dienstesverbande scheiden, um
fern von den Mühen des Amtes der wohlver-
dienten Ruhe zu pflegen! Mögen Sie diese Ruhe
noch lange Jahre in beglückender Zufriedenheit
genießen und wenn Sie auf die Zeit zurückblicken,
in der uns gemeinsames Wirken verbunden hatte,
in Freundschaft Ihrer Collegen gedenken, die
nichts so schmerzlich empfinden würden, als wenn
die Lockerung des äußerlichen Bandes der Dienstes-
zusammengehörigkeit auch eine Lösung des uns
eng umschließenden Freundschaftsbandes und eine
Entfremdung unserer Herzen bewirken sollte. Daß
dies nicht geschehe, daß vielmehr das Verhältniß
wahrer Freundschaft und Collegialität sich, womög-
lich noch inniger gestalte, dieß ist unser Aller Wunsch,
dem ich Namens meiner Collegen noch die Bitte
anschließe, als kleines Zeichen unserer treuesten
Ergebenheit eine Ehrengabe freundlichst entgegen-
zunehmen. Möge Sie jeder Trunk aus diesem
Becher neu verjüngen, mögen Sie, wenn des
Lebens Mühen und Sorgen jemals Sie be-
drücken, wenn Unbilden jemals Sie bedrängen
sollten, Trost und Vergessenheit aus diesem Becher
trinken, möge endlich dieser Becher Sie stets er-
innern, daß unsere Freundschaft und Ergebenheit
treu wie Gold, daß jeder Tropfen, den der In-
halt faßt, einen herzlichen Glückwunsch Ihrer
Freunde und Collegen bedeutet, die jetzt freudig
mit mir einstimmen in den Ruf: "Unser lieber
College, der allverehrte Herr Stadtrath, lebe hoch!

Am Schlusse der oft von Beifall
unterbrochenen Rede überreichte der Redner Herrn
Stadtrath Franz Peyscha als Ehren-
geschenk der Beamten einen prächtigen Silberpocal.
Die Damen ehrten den Scheidenden durch ein
schönes mit feinem Monogramm in Gold gestick-
tes Notenpult, welches Forstmeisterin, Frau
Ludwig mit einer sinnigen Ansprache überreichte. Herr
Stadtrath Peyscha dankte gerührt in einer mit Humor
gewürzten Rede und bat ihm auch ferner die kund-
gegebenen Sympathieen zu bewahren. Namens
der erschienenen Gemeindevertreter toastete Herr
Director Thannabnur auf den Jubilar. Dieser
Toast fand gleichfalls stürmischen Beifall. Die
Unterhaltung währte bis lange nach Mitternacht.
Sie zeigte, daß in unserer städt. Beamtenschaft
ein Geist der Freundschaft und Collegialität herrscht,
dessen Pflege und Erhaltung ebenso wünschens-
werth ist wie die Pflege jener Geselligkeit, deren
Zeuge wir am Sonnabend waren.




[Spaltenumbruch]
Marion.

Nachdruck verboten.

28

"Ich habe mich in keiner Handlung treulos
gezeigt," entfuhr es ihr. Sie hatte, instinktmäßig
den Kopf erhoben und den Blick offen und fest
auf den Richter gewandt.

Herr de St. Grillac hielt einige Secunden
still. Sein Auge, das gierig forschend auf der
Miene der Beschuldigten geruht hatte nahm einen
sanfteren Ausdruck an.

"Ich wünsche Ihnen Glück, wenn Ihre
Aussage sich als wahr erweist," meinte er.

Marion schwieg.

"Vielleicht ist es Ihnen möglich, die Schuld
von sich zu wälzen. -- Sie wissen, weßhalb Sie
angeklagt sind?"

"Angeklagt? -- -- ich?! -- --

In Verwirrung, verstummt vor Staunen,
hielt das junge Wesen, als ob er ihr ein un-
glaubliches Märchen erzähle, den funkelnden Blick
unausgesetzt auf den Richter gewandt.

"Sie wissen nicht, daß Sie angeklagt sind?"
fragte Herr de St. Grillac scharf.

"Gewiß nicht!"

Der Richter lachte auf.

"Sie wissen doch, daß Sie im Gefängniß
sind," rief er.

"Gewiß", sagte Marion, deren Verwirrung
[Spaltenumbruch] allmählich nachließ. "Der Herr Polizeirath be-
fahl, daß ich dorthin gebracht werde, doch nur,
weil ich mich weigerte, einen Namen zu nennen,
den ich nicht nennen kann."

Herr de St. Grillac sah sie an.

"Aber Sie kennen diesen Namen," sagte
er ruhig.

Marion, augenscheinlich mit sich kämpfend,
antwortete nicht.

"Ihr Weigern, uns den Namen zu nennen,
hat den Verdacht der Schuld auf Sie selbst ge-
laden," sagte Herr de St. Grillac ernst. "Fühlen
Sie sich nach jeder Richtung hin schuldlos, so
kann Sie nichts hindern, zu veranlassen, daß
der Frevler von der Gerechtigkeit angefaßt wird.
Es gibt überdies kein anderes Mittel, Sie aus
dem Gefängniß zu erlösen.

Er wendete, während er sprach, nicht eine
Secunde das Auge von den jungen Wesen, das,
sichtbar in immer wachsendem Kampf mit sich,
den Kopf vorgebeugt hatte und den Blick in den
Schoß gerichtet hielt. Auch nachdem er geendet,
ruhte sein Auge eine lange Zeit auf ihr, bevor
er das Wort wieder nahm.

"Sie wissen vielleicht nicht, daß ihr Schwei-
gen strafbar ist," meinte er dann, "das Gesetz
beurtheilt Sie als Hehlerin des Verbrechens und
wird Sie demnächst richten, sogar wenn Ihre
Schuldlosigkeit an dem Verbrechen selbst erwiesen
sein wird."

Marion hatte die Hand auf ihr Herz gepreßt.

"Mein Gott!" bebte es von ihr.


[Spaltenumbruch]

"Nicht wahr?" sagte Herr de St. Grillac
ernst wie vordem. Es lag eine gewisse Theil-
nahme auf seiner Miene, da er zu ihr redete.
"Und haben Sie bedacht, daß diese Strafe nicht
ganz ungerechtfertigt wäre? Haben Sie daran
gedacht, daß nicht die Brandlegung allein Ihrer
Wohlthäterin Vermögen und Ehre geraubt hat,
daß ein anderes schwerwiegendes Verbrechen mit
dieser Brandlegung in Verbindung gewesen ist?"

Marion hatte den Kopf wieder aufgerichtet
und starrte halb ungläubig auf den Sprechenden.

"Noch ein anderes?" widerholte sie.

"Wissen Sie es wirklich nicht?" fragte Herr
de St. Grillac, während sein Blick, der allmäh-
lich ein gewisses Mitleiden kund gab, sich ge-
waltsam in ihrer Miene zu lesen bemühte. --
"Hörten Sie niemals den Namen Baruch? Ist
es Ihnen unbekannt, welches Verbrechen er auf
Geheiß einer anderen Person ausgeführt hat?"

Marions Erstaunen wuchs mit jedem Wort,
welches der Richter sprach.

"Ich hörte niemals den Namen Baruch,"
zitterte es von ihr. "Im Hause der Baronin
wurde dieser Name, soviel mir bewußt ist, nie-
mals genannt."

"Wirklich?" meinte Herr de St. Grillac
fast triumphirend. "So wissen Sie auch nicht,
daß die Brillanten aus dem ganzen kostbaren
Schmuck der Baronin verschwanden, daß an Stelle
der Juwelen Glas in der Fassung geschmiedet
ward?! -- Sie wissen nicht --"


[Spaltenumbruch] „Erzherzog Franz“ in dem ihm vom Herrn
Bürgermeiſter vorgelegten Gedenkbuch. Ein in
Ausſicht genommener Beſuch des Kaiſer Franz
Joſef-Gewerbemuſeuws unterblieb wegen Kürze
der Zeit, doch verſprach Se. kaiſ. Hoheit Erz-
herzog Franz Ferdinand bei ſeinem, demnächſt
abermals ſtattfindenden Beſuche der Stadt Olmütz
auch das gedachte Muſeum beſichtigen zu wollen.
Die beiden Erzherzoge promenirten hierauf durch
einige Zeit am Oberringe, beſuchten den Stadt-
park und begaben ſich ſodann in die Officiersmeſſe
des 100. Infanterie-Regimentes, woſelbſt ſie an
dem Mittagmahle theilnahmen. Mit Rückſicht
auf die Hoftrauer für wei[l]. Se. kaiſerl. Hoheit
Kronprinz Rudolf entfiel die Beiſtellung einer
Tafelmuſik. Die beiden Erzherzoge wurden bei
ihrem Eintritte in die Officiersmeſſe von dem
Commandanten des 100. Infanterie-Regimentes
und dem löbl. Officierscorps dieſes Regimentes
empfangen und an die Ehrenplätze geleitet. Nach-
mittags 3 Uhr 40 Minuten kehrte Se. kaiſerl.
Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand d’Eſte mit
der Staatsbahn nach Prag zurück.

(Abſchiedsfeier für Stadtrath Peyſcha.)

Die von den ſtädt. Beamten am Sonnabend
arrangirte Feier aus Anlaß des Scheidens des
Herrn Stadtraths Peyſcha aus dem ſtädtiſchen
Dienſte, geſtaltete ſich ebenſo herzlich als erhebend
für alle Theilnehmer. Es hatten ſich zu derſelben
nebſt dem Gefeierten und ſeinen Collegen die
Gemeinderäthe, mehrere Stadtverordnete, ferner
viele Freunde des Jubilars und eine Anzahl von
Damen eingefunden. Die Arrangeure hatten für
die Unterhaltung der Erſchienenen in beſter Weiſe
geſorgt. Aus der Mitte der ſtädtiſchen Beamten-
ſchaft hatte man ein kleines Orcheſter zuſammen-
geſtellt, das vortreffliche muſikaliſche Vor-
träge brachte, die mit Quartett- und Chorge-
ſängen, ſowie mit Clavier-, Zither- und Couplet-
vorträgen wechſelten, die ſämmtlich vollendet zu
Gehör gebracht wurden und ſtürmiſchen Beifall
fanden. Man ſtaunte über die reiche Zahl muſi-
kaliſcher Talente, die ſich in unſerer ſtädtiſchen
Beamtenſchaft und ihren Angehörigen finden.
Von letzteren wurden beſonders die Fräuleins
Lemmer und Zaſtiera für ihre Zithervorträge
ausgezeichnet. Während der Pauſen zwiſchen
den Vorträgen feierte man den Jubilar
in gehaltvollen Re[d]en. Zunächſt hielt Herr
Stadtſecretär Kornauth an denſelben Namens
der ſtädt. Beamten eine herzliche und kernige An-
ſprache, welche folgenden Wortlaut hatte:

Hochverehrter Herr Stadtrath!

Mit dem ehrenden Auftrage betraut, Ihnen
am heutigen Feſttage Namens der ſtädt. Beam-
tenſchaft, deren innigſte Ergebenheit und herzlich-
ſten Glückwünſche darzubringen, dürfte es mir
wohl kaum gelingen, dieſer Aufgabe in einer voll-
kommen entſprechenden Weiſe gerecht zu werden.
Sollte es mir nämlich auch gelungen ſein, all die
[Spaltenumbruch] Wünſche zu errathen, von denen die Herzen
Ihrer Collegen und Freunde beſonders bei dem
heutigen Feſtesanlaſſe erfüllt ſind, ſollte es mir
auch gelungen ſein, all die Worte der Liebe und
Freundſchaft zu leſen und zu deuten, die in un-
wandelbarer Flammenſchrift in unſer Inneres
eingegraben ſind, ſo muß ich dennoch beſorgen, daß
es mir wohl kaum möglich ſein wird, alle die
Wünſche und Gefühle in entſprechender und er-
ſchöpfender Form zum Ausdruck zu bringen und
ſo der richtige Dolmetſch unſerer Herzensſprache
zu ſein. Und doch will ich nicht zögern, mich der
vorerwähnten Aufgabe freudig zu unterziehen und
mein Vertrauen darauf ſetzen, daß die Worte, die
mein Herz mir auf die Lippen drängt, wohl auch
den Weg zum Herzen finden werden.

Zunächſt möchte ich einige Worte der Ver-
anlaſſung widmen, die uns heute zuſammenge-
führt hat und die wohl eine feſtliche genannt
werden muß. Haben wir uns ja doch heute ver-
ſammelt, um das ſeltene Feſt einer ebenſo raſt-
loſen als verdienſtvollen Thätigkeit im Dienſte
des Gemeinweſens feierlich zu begehen und dieſen
Freudenanlaß mit Kundgebungen collegialer
Freundſchaft und herzlicher Ergebenheit zu be-
gleiten.

Es würde mich zu weit führen und wohl
ein eitel Beginnen ſein, wollte ich all’ die Ver-
dienſte auch nur in der kürzeſten Form aufzählen,
die Sie ſich in den langen Jahren Ihrer viel-
ſeitigen, einſigen Thätigkeit erworben haben,
wollte ich die zahlloſen Beweiſe ehrender Aner-
kennung wiederholen, die Ihrem raſtloſen Streben
geworden.

Durch mehr als ein Menſchenalter haben
Sie, hochverehrter Herr Stadtrath, Ihr Wiſſen
und Können einem der wichtigſten Dienſte im
Staatsdienſte mit den erfreulichſten Erfolgen ge-
weiht und neben der gewiſſenhaften Erfüllung
Ihrer Pflicht, neben den Mühen Ihres ver-
antwortungsvollen Amtes, das einen ganzen
Mann erfordert, doch noch Zeit und Muße
gefunden, der Wiſſenſchaft und den ſchönen Kün-
ſten als eifriger Jünger zu dienen. Gar manches
Kapitel der heimiſchen Geſchichte haben Sie durch
geiſt- und ſtilvolle Aufzeichnungen vor der Ver-
geſſenheit bewahrt und hiedurch ſich ſelbſt ein
Denkmal geſetzt, dauernder als Erz! Was Sie
auf dem Gebiete der Muſik geleiſtet, davon
ſpricht die muſikaliſche Chronik unſerer Stadt
bis weit zurück in längſt vergangene Tage. Wie
ſehr Sie mit den zauberiſchen Klängen Ihrer
Geige ſich in Aller Herzen einzuſchmeicheln wuß-
ten, deß kann ich wohl getroſt alle Anweſenden
zum Zeugen rufen. Was mir jedoch ebenſo freu-
dig alle Anweſenden und weit hinaus alle Jene
bezeugen werden, die je im öffentlichen oder
privaten Leben mit Ihnen zuſammenzutreffen
Gelegenheit hatten, iſt die Thatſache, daß Sie,
hochverehrter Herr Stadtrath, wie ſelten Jemand
[Spaltenumbruch] durch Rechtlichkeit, Offenheit und Character-
feſtigkeit die Achtung wie die Liebe Aller
zu erwerben und zu bewahren wußten. Sollten
wir, die wir berufen waren, vereint mit Ihnen
thätig zu ſein, darum nicht von der größten
Freude erfüllt ſein, am heutigen Tage, wo wir
Ihr 40jähriges Dienſtjubiläum feiern, freudig
ausrufen zu können: Sie waren der Un-
ſere
und werden hoffentlich auch der Un-
ſere bleiben, wenn Sie auch heute aus
unſerem engeren Dienſtesverbande ſcheiden, um
fern von den Mühen des Amtes der wohlver-
dienten Ruhe zu pflegen! Mögen Sie dieſe Ruhe
noch lange Jahre in beglückender Zufriedenheit
genießen und wenn Sie auf die Zeit zurückblicken,
in der uns gemeinſames Wirken verbunden hatte,
in Freundſchaft Ihrer Collegen gedenken, die
nichts ſo ſchmerzlich empfinden würden, als wenn
die Lockerung des äußerlichen Bandes der Dienſtes-
zuſammengehörigkeit auch eine Löſung des uns
eng umſchließenden Freundſchaftsbandes und eine
Entfremdung unſerer Herzen bewirken ſollte. Daß
dies nicht geſchehe, daß vielmehr das Verhältniß
wahrer Freundſchaft und Collegialität ſich, womög-
lich noch inniger geſtalte, dieß iſt unſer Aller Wunſch,
dem ich Namens meiner Collegen noch die Bitte
anſchließe, als kleines Zeichen unſerer treueſten
Ergebenheit eine Ehrengabe freundlichſt entgegen-
zunehmen. Möge Sie jeder Trunk aus dieſem
Becher neu verjüngen, mögen Sie, wenn des
Lebens Mühen und Sorgen jemals Sie be-
drücken, wenn Unbilden jemals Sie bedrängen
ſollten, Troſt und Vergeſſenheit aus dieſem Becher
trinken, möge endlich dieſer Becher Sie ſtets er-
innern, daß unſere Freundſchaft und Ergebenheit
treu wie Gold, daß jeder Tropfen, den der In-
halt faßt, einen herzlichen Glückwunſch Ihrer
Freunde und Collegen bedeutet, die jetzt freudig
mit mir einſtimmen in den Ruf: „Unſer lieber
College, der allverehrte Herr Stadtrath, lebe hoch!

Am Schluſſe der oft von Beifall
unterbrochenen Rede überreichte der Redner Herrn
Stadtrath Franz Peyſcha als Ehren-
geſchenk der Beamten einen prächtigen Silberpocal.
Die Damen ehrten den Scheidenden durch ein
ſchönes mit feinem Monogramm in Gold geſtick-
tes Notenpult, welches Forſtmeiſterin, Frau
Ludwig mit einer ſinnigen Anſprache überreichte. Herr
Stadtrath Peyſcha dankte gerührt in einer mit Humor
gewürzten Rede und bat ihm auch ferner die kund-
gegebenen Sympathieen zu bewahren. Namens
der erſchienenen Gemeindevertreter toaſtete Herr
Director Thannabnur auf den Jubilar. Dieſer
Toaſt fand gleichfalls ſtürmiſchen Beifall. Die
Unterhaltung währte bis lange nach Mitternacht.
Sie zeigte, daß in unſerer ſtädt. Beamtenſchaft
ein Geiſt der Freundſchaft und Collegialität herrſcht,
deſſen Pflege und Erhaltung ebenſo wünſchens-
werth iſt wie die Pflege jener Geſelligkeit, deren
Zeuge wir am Sonnabend waren.




[Spaltenumbruch]
Marion.

Nachdruck verboten.

28

„Ich habe mich in keiner Handlung treulos
gezeigt,“ entfuhr es ihr. Sie hatte, inſtinktmäßig
den Kopf erhoben und den Blick offen und feſt
auf den Richter gewandt.

Herr de St. Grillac hielt einige Secunden
ſtill. Sein Auge, das gierig forſchend auf der
Miene der Beſchuldigten geruht hatte nahm einen
ſanfteren Ausdruck an.

„Ich wünſche Ihnen Glück, wenn Ihre
Ausſage ſich als wahr erweiſt,“ meinte er.

Marion ſchwieg.

„Vielleicht iſt es Ihnen möglich, die Schuld
von ſich zu wälzen. — Sie wiſſen, weßhalb Sie
angeklagt ſind?“

„Angeklagt? — — ich?! — —

In Verwirrung, verſtummt vor Staunen,
hielt das junge Weſen, als ob er ihr ein un-
glaubliches Märchen erzähle, den funkelnden Blick
unausgeſetzt auf den Richter gewandt.

„Sie wiſſen nicht, daß Sie angeklagt ſind?“
fragte Herr de St. Grillac ſcharf.

„Gewiß nicht!“

Der Richter lachte auf.

„Sie wiſſen doch, daß Sie im Gefängniß
ſind,“ rief er.

„Gewiß“, ſagte Marion, deren Verwirrung
[Spaltenumbruch] allmählich nachließ. „Der Herr Polizeirath be-
fahl, daß ich dorthin gebracht werde, doch nur,
weil ich mich weigerte, einen Namen zu nennen,
den ich nicht nennen kann.“

Herr de St. Grillac ſah ſie an.

„Aber Sie kennen dieſen Namen,“ ſagte
er ruhig.

Marion, augenſcheinlich mit ſich kämpfend,
antwortete nicht.

„Ihr Weigern, uns den Namen zu nennen,
hat den Verdacht der Schuld auf Sie ſelbſt ge-
laden,“ ſagte Herr de St. Grillac ernſt. „Fühlen
Sie ſich nach jeder Richtung hin ſchuldlos, ſo
kann Sie nichts hindern, zu veranlaſſen, daß
der Frevler von der Gerechtigkeit angefaßt wird.
Es gibt überdies kein anderes Mittel, Sie aus
dem Gefängniß zu erlöſen.

Er wendete, während er ſprach, nicht eine
Secunde das Auge von den jungen Weſen, das,
ſichtbar in immer wachſendem Kampf mit ſich,
den Kopf vorgebeugt hatte und den Blick in den
Schoß gerichtet hielt. Auch nachdem er geendet,
ruhte ſein Auge eine lange Zeit auf ihr, bevor
er das Wort wieder nahm.

„Sie wiſſen vielleicht nicht, daß ihr Schwei-
gen ſtrafbar iſt,“ meinte er dann, „das Geſetz
beurtheilt Sie als Hehlerin des Verbrechens und
wird Sie demnächſt richten, ſogar wenn Ihre
Schuldloſigkeit an dem Verbrechen ſelbſt erwieſen
ſein wird.“

Marion hatte die Hand auf ihr Herz gepreßt.

„Mein Gott!“ bebte es von ihr.


[Spaltenumbruch]

„Nicht wahr?“ ſagte Herr de St. Grillac
ernſt wie vordem. Es lag eine gewiſſe Theil-
nahme auf ſeiner Miene, da er zu ihr redete.
„Und haben Sie bedacht, daß dieſe Strafe nicht
ganz ungerechtfertigt wäre? Haben Sie daran
gedacht, daß nicht die Brandlegung allein Ihrer
Wohlthäterin Vermögen und Ehre geraubt hat,
daß ein anderes ſchwerwiegendes Verbrechen mit
dieſer Brandlegung in Verbindung geweſen iſt?“

Marion hatte den Kopf wieder aufgerichtet
und ſtarrte halb ungläubig auf den Sprechenden.

„Noch ein anderes?“ widerholte ſie.

„Wiſſen Sie es wirklich nicht?“ fragte Herr
de St. Grillac, während ſein Blick, der allmäh-
lich ein gewiſſes Mitleiden kund gab, ſich ge-
waltſam in ihrer Miene zu leſen bemühte. —
„Hörten Sie niemals den Namen Baruch? Iſt
es Ihnen unbekannt, welches Verbrechen er auf
Geheiß einer anderen Perſon ausgeführt hat?“

Marions Erſtaunen wuchs mit jedem Wort,
welches der Richter ſprach.

„Ich hörte niemals den Namen Baruch,“
zitterte es von ihr. „Im Hauſe der Baronin
wurde dieſer Name, ſoviel mir bewußt iſt, nie-
mals genannt.“

„Wirklich?“ meinte Herr de St. Grillac
faſt triumphirend. „So wiſſen Sie auch nicht,
daß die Brillanten aus dem ganzen koſtbaren
Schmuck der Baronin verſchwanden, daß an Stelle
der Juwelen Glas in der Faſſung geſchmiedet
ward?! — Sie wiſſen nicht —“


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[[5]/0005] „Erzherzog Franz“ in dem ihm vom Herrn Bürgermeiſter vorgelegten Gedenkbuch. Ein in Ausſicht genommener Beſuch des Kaiſer Franz Joſef-Gewerbemuſeuws unterblieb wegen Kürze der Zeit, doch verſprach Se. kaiſ. Hoheit Erz- herzog Franz Ferdinand bei ſeinem, demnächſt abermals ſtattfindenden Beſuche der Stadt Olmütz auch das gedachte Muſeum beſichtigen zu wollen. Die beiden Erzherzoge promenirten hierauf durch einige Zeit am Oberringe, beſuchten den Stadt- park und begaben ſich ſodann in die Officiersmeſſe des 100. Infanterie-Regimentes, woſelbſt ſie an dem Mittagmahle theilnahmen. Mit Rückſicht auf die Hoftrauer für weil. Se. kaiſerl. Hoheit Kronprinz Rudolf entfiel die Beiſtellung einer Tafelmuſik. Die beiden Erzherzoge wurden bei ihrem Eintritte in die Officiersmeſſe von dem Commandanten des 100. Infanterie-Regimentes und dem löbl. Officierscorps dieſes Regimentes empfangen und an die Ehrenplätze geleitet. Nach- mittags 3 Uhr 40 Minuten kehrte Se. kaiſerl. Hoheit Erzherzog Franz Ferdinand d’Eſte mit der Staatsbahn nach Prag zurück. (Abſchiedsfeier für Stadtrath Peyſcha.) Die von den ſtädt. Beamten am Sonnabend arrangirte Feier aus Anlaß des Scheidens des Herrn Stadtraths Peyſcha aus dem ſtädtiſchen Dienſte, geſtaltete ſich ebenſo herzlich als erhebend für alle Theilnehmer. Es hatten ſich zu derſelben nebſt dem Gefeierten und ſeinen Collegen die Gemeinderäthe, mehrere Stadtverordnete, ferner viele Freunde des Jubilars und eine Anzahl von Damen eingefunden. Die Arrangeure hatten für die Unterhaltung der Erſchienenen in beſter Weiſe geſorgt. Aus der Mitte der ſtädtiſchen Beamten- ſchaft hatte man ein kleines Orcheſter zuſammen- geſtellt, das vortreffliche muſikaliſche Vor- träge brachte, die mit Quartett- und Chorge- ſängen, ſowie mit Clavier-, Zither- und Couplet- vorträgen wechſelten, die ſämmtlich vollendet zu Gehör gebracht wurden und ſtürmiſchen Beifall fanden. Man ſtaunte über die reiche Zahl muſi- kaliſcher Talente, die ſich in unſerer ſtädtiſchen Beamtenſchaft und ihren Angehörigen finden. Von letzteren wurden beſonders die Fräuleins Lemmer und Zaſtiera für ihre Zithervorträge ausgezeichnet. Während der Pauſen zwiſchen den Vorträgen feierte man den Jubilar in gehaltvollen Reden. Zunächſt hielt Herr Stadtſecretär Kornauth an denſelben Namens der ſtädt. Beamten eine herzliche und kernige An- ſprache, welche folgenden Wortlaut hatte: Hochverehrter Herr Stadtrath! Mit dem ehrenden Auftrage betraut, Ihnen am heutigen Feſttage Namens der ſtädt. Beam- tenſchaft, deren innigſte Ergebenheit und herzlich- ſten Glückwünſche darzubringen, dürfte es mir wohl kaum gelingen, dieſer Aufgabe in einer voll- kommen entſprechenden Weiſe gerecht zu werden. Sollte es mir nämlich auch gelungen ſein, all die Wünſche zu errathen, von denen die Herzen Ihrer Collegen und Freunde beſonders bei dem heutigen Feſtesanlaſſe erfüllt ſind, ſollte es mir auch gelungen ſein, all die Worte der Liebe und Freundſchaft zu leſen und zu deuten, die in un- wandelbarer Flammenſchrift in unſer Inneres eingegraben ſind, ſo muß ich dennoch beſorgen, daß es mir wohl kaum möglich ſein wird, alle die Wünſche und Gefühle in entſprechender und er- ſchöpfender Form zum Ausdruck zu bringen und ſo der richtige Dolmetſch unſerer Herzensſprache zu ſein. Und doch will ich nicht zögern, mich der vorerwähnten Aufgabe freudig zu unterziehen und mein Vertrauen darauf ſetzen, daß die Worte, die mein Herz mir auf die Lippen drängt, wohl auch den Weg zum Herzen finden werden. Zunächſt möchte ich einige Worte der Ver- anlaſſung widmen, die uns heute zuſammenge- führt hat und die wohl eine feſtliche genannt werden muß. Haben wir uns ja doch heute ver- ſammelt, um das ſeltene Feſt einer ebenſo raſt- loſen als verdienſtvollen Thätigkeit im Dienſte des Gemeinweſens feierlich zu begehen und dieſen Freudenanlaß mit Kundgebungen collegialer Freundſchaft und herzlicher Ergebenheit zu be- gleiten. Es würde mich zu weit führen und wohl ein eitel Beginnen ſein, wollte ich all’ die Ver- dienſte auch nur in der kürzeſten Form aufzählen, die Sie ſich in den langen Jahren Ihrer viel- ſeitigen, einſigen Thätigkeit erworben haben, wollte ich die zahlloſen Beweiſe ehrender Aner- kennung wiederholen, die Ihrem raſtloſen Streben geworden. Durch mehr als ein Menſchenalter haben Sie, hochverehrter Herr Stadtrath, Ihr Wiſſen und Können einem der wichtigſten Dienſte im Staatsdienſte mit den erfreulichſten Erfolgen ge- weiht und neben der gewiſſenhaften Erfüllung Ihrer Pflicht, neben den Mühen Ihres ver- antwortungsvollen Amtes, das einen ganzen Mann erfordert, doch noch Zeit und Muße gefunden, der Wiſſenſchaft und den ſchönen Kün- ſten als eifriger Jünger zu dienen. Gar manches Kapitel der heimiſchen Geſchichte haben Sie durch geiſt- und ſtilvolle Aufzeichnungen vor der Ver- geſſenheit bewahrt und hiedurch ſich ſelbſt ein Denkmal geſetzt, dauernder als Erz! Was Sie auf dem Gebiete der Muſik geleiſtet, davon ſpricht die muſikaliſche Chronik unſerer Stadt bis weit zurück in längſt vergangene Tage. Wie ſehr Sie mit den zauberiſchen Klängen Ihrer Geige ſich in Aller Herzen einzuſchmeicheln wuß- ten, deß kann ich wohl getroſt alle Anweſenden zum Zeugen rufen. Was mir jedoch ebenſo freu- dig alle Anweſenden und weit hinaus alle Jene bezeugen werden, die je im öffentlichen oder privaten Leben mit Ihnen zuſammenzutreffen Gelegenheit hatten, iſt die Thatſache, daß Sie, hochverehrter Herr Stadtrath, wie ſelten Jemand durch Rechtlichkeit, Offenheit und Character- feſtigkeit die Achtung wie die Liebe Aller zu erwerben und zu bewahren wußten. Sollten wir, die wir berufen waren, vereint mit Ihnen thätig zu ſein, darum nicht von der größten Freude erfüllt ſein, am heutigen Tage, wo wir Ihr 40jähriges Dienſtjubiläum feiern, freudig ausrufen zu können: Sie waren der Un- ſere und werden hoffentlich auch der Un- ſere bleiben, wenn Sie auch heute aus unſerem engeren Dienſtesverbande ſcheiden, um fern von den Mühen des Amtes der wohlver- dienten Ruhe zu pflegen! Mögen Sie dieſe Ruhe noch lange Jahre in beglückender Zufriedenheit genießen und wenn Sie auf die Zeit zurückblicken, in der uns gemeinſames Wirken verbunden hatte, in Freundſchaft Ihrer Collegen gedenken, die nichts ſo ſchmerzlich empfinden würden, als wenn die Lockerung des äußerlichen Bandes der Dienſtes- zuſammengehörigkeit auch eine Löſung des uns eng umſchließenden Freundſchaftsbandes und eine Entfremdung unſerer Herzen bewirken ſollte. Daß dies nicht geſchehe, daß vielmehr das Verhältniß wahrer Freundſchaft und Collegialität ſich, womög- lich noch inniger geſtalte, dieß iſt unſer Aller Wunſch, dem ich Namens meiner Collegen noch die Bitte anſchließe, als kleines Zeichen unſerer treueſten Ergebenheit eine Ehrengabe freundlichſt entgegen- zunehmen. Möge Sie jeder Trunk aus dieſem Becher neu verjüngen, mögen Sie, wenn des Lebens Mühen und Sorgen jemals Sie be- drücken, wenn Unbilden jemals Sie bedrängen ſollten, Troſt und Vergeſſenheit aus dieſem Becher trinken, möge endlich dieſer Becher Sie ſtets er- innern, daß unſere Freundſchaft und Ergebenheit treu wie Gold, daß jeder Tropfen, den der In- halt faßt, einen herzlichen Glückwunſch Ihrer Freunde und Collegen bedeutet, die jetzt freudig mit mir einſtimmen in den Ruf: „Unſer lieber College, der allverehrte Herr Stadtrath, lebe hoch! Am Schluſſe der oft von Beifall unterbrochenen Rede überreichte der Redner Herrn Stadtrath Franz Peyſcha als Ehren- geſchenk der Beamten einen prächtigen Silberpocal. Die Damen ehrten den Scheidenden durch ein ſchönes mit feinem Monogramm in Gold geſtick- tes Notenpult, welches Forſtmeiſterin, Frau Ludwig mit einer ſinnigen Anſprache überreichte. Herr Stadtrath Peyſcha dankte gerührt in einer mit Humor gewürzten Rede und bat ihm auch ferner die kund- gegebenen Sympathieen zu bewahren. Namens der erſchienenen Gemeindevertreter toaſtete Herr Director Thannabnur auf den Jubilar. Dieſer Toaſt fand gleichfalls ſtürmiſchen Beifall. Die Unterhaltung währte bis lange nach Mitternacht. Sie zeigte, daß in unſerer ſtädt. Beamtenſchaft ein Geiſt der Freundſchaft und Collegialität herrſcht, deſſen Pflege und Erhaltung ebenſo wünſchens- werth iſt wie die Pflege jener Geſelligkeit, deren Zeuge wir am Sonnabend waren. Marion. Originalroman von Maria Romany. Nachdruck verboten. 28 „Ich habe mich in keiner Handlung treulos gezeigt,“ entfuhr es ihr. Sie hatte, inſtinktmäßig den Kopf erhoben und den Blick offen und feſt auf den Richter gewandt. Herr de St. Grillac hielt einige Secunden ſtill. Sein Auge, das gierig forſchend auf der Miene der Beſchuldigten geruht hatte nahm einen ſanfteren Ausdruck an. „Ich wünſche Ihnen Glück, wenn Ihre Ausſage ſich als wahr erweiſt,“ meinte er. Marion ſchwieg. „Vielleicht iſt es Ihnen möglich, die Schuld von ſich zu wälzen. — Sie wiſſen, weßhalb Sie angeklagt ſind?“ „Angeklagt? — — ich?! — — In Verwirrung, verſtummt vor Staunen, hielt das junge Weſen, als ob er ihr ein un- glaubliches Märchen erzähle, den funkelnden Blick unausgeſetzt auf den Richter gewandt. „Sie wiſſen nicht, daß Sie angeklagt ſind?“ fragte Herr de St. Grillac ſcharf. „Gewiß nicht!“ Der Richter lachte auf. „Sie wiſſen doch, daß Sie im Gefängniß ſind,“ rief er. „Gewiß“, ſagte Marion, deren Verwirrung allmählich nachließ. „Der Herr Polizeirath be- fahl, daß ich dorthin gebracht werde, doch nur, weil ich mich weigerte, einen Namen zu nennen, den ich nicht nennen kann.“ Herr de St. Grillac ſah ſie an. „Aber Sie kennen dieſen Namen,“ ſagte er ruhig. Marion, augenſcheinlich mit ſich kämpfend, antwortete nicht. „Ihr Weigern, uns den Namen zu nennen, hat den Verdacht der Schuld auf Sie ſelbſt ge- laden,“ ſagte Herr de St. Grillac ernſt. „Fühlen Sie ſich nach jeder Richtung hin ſchuldlos, ſo kann Sie nichts hindern, zu veranlaſſen, daß der Frevler von der Gerechtigkeit angefaßt wird. Es gibt überdies kein anderes Mittel, Sie aus dem Gefängniß zu erlöſen. Er wendete, während er ſprach, nicht eine Secunde das Auge von den jungen Weſen, das, ſichtbar in immer wachſendem Kampf mit ſich, den Kopf vorgebeugt hatte und den Blick in den Schoß gerichtet hielt. Auch nachdem er geendet, ruhte ſein Auge eine lange Zeit auf ihr, bevor er das Wort wieder nahm. „Sie wiſſen vielleicht nicht, daß ihr Schwei- gen ſtrafbar iſt,“ meinte er dann, „das Geſetz beurtheilt Sie als Hehlerin des Verbrechens und wird Sie demnächſt richten, ſogar wenn Ihre Schuldloſigkeit an dem Verbrechen ſelbſt erwieſen ſein wird.“ Marion hatte die Hand auf ihr Herz gepreßt. „Mein Gott!“ bebte es von ihr. „Nicht wahr?“ ſagte Herr de St. Grillac ernſt wie vordem. Es lag eine gewiſſe Theil- nahme auf ſeiner Miene, da er zu ihr redete. „Und haben Sie bedacht, daß dieſe Strafe nicht ganz ungerechtfertigt wäre? Haben Sie daran gedacht, daß nicht die Brandlegung allein Ihrer Wohlthäterin Vermögen und Ehre geraubt hat, daß ein anderes ſchwerwiegendes Verbrechen mit dieſer Brandlegung in Verbindung geweſen iſt?“ Marion hatte den Kopf wieder aufgerichtet und ſtarrte halb ungläubig auf den Sprechenden. „Noch ein anderes?“ widerholte ſie. „Wiſſen Sie es wirklich nicht?“ fragte Herr de St. Grillac, während ſein Blick, der allmäh- lich ein gewiſſes Mitleiden kund gab, ſich ge- waltſam in ihrer Miene zu leſen bemühte. — „Hörten Sie niemals den Namen Baruch? Iſt es Ihnen unbekannt, welches Verbrechen er auf Geheiß einer anderen Perſon ausgeführt hat?“ Marions Erſtaunen wuchs mit jedem Wort, welches der Richter ſprach. „Ich hörte niemals den Namen Baruch,“ zitterte es von ihr. „Im Hauſe der Baronin wurde dieſer Name, ſoviel mir bewußt iſt, nie- mals genannt.“ „Wirklich?“ meinte Herr de St. Grillac faſt triumphirend. „So wiſſen Sie auch nicht, daß die Brillanten aus dem ganzen koſtbaren Schmuck der Baronin verſchwanden, daß an Stelle der Juwelen Glas in der Faſſung geſchmiedet ward?! — Sie wiſſen nicht —“

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 40, Olmütz, 18.02.1889, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches40_1889/5>, abgerufen am 19.04.2024.