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Mährisches Tagblatt. Nr. 299, Olmütz, 31.12.1888.

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[Spaltenumbruch]

erzählt Herr Cremer, daß ich den Fürsten Bismarck
für die Leitung der deutschen Politik vorläufig noch
in höherem Maße verantwortlich erachte, als Herrn
Hofprediger Stöcker, und auch die Verdienste des
Herrn Reichskanzlers um das deutsche Vaterland
fogar noch über die des Herrn Stöcker stellte, er-
wiederte mir jener Zukunftsminister: "Ach was,
selbstständige Politik, das ist die Hauptsache!" --
Drohungen, der Regierung einmal zu zeigen, welche
Opposition man ihr machen könne, wenn sie die
christlich-socialen Führer und Forderungen nicht ein-
gehender berücksichtige, fallen bei jeder Gelegenheit.
In manchen untergeordneten Köpfen hat sich auf
Grund dessen die Vorstellung, daß der Fürst Reichs-
kanzler der eigentlich zu bekämpfende Gegner sei,
bereits so sehr festgesetzt, daß man von ihnen den
Ausruf vernehmen kann: "Wir jagen den Fürsten
Biswarck, falls er es nicht anders macht!" Wenn
auch diese Dinge sich bisher nicht vor dem großen
Publicum abgespielt haben, so deutet doch Alles
darauf hin, daß in allernächster Zeit offenkundige
Bethätigungen des gekennzeichneten Geistes erfolgen
werden. So lange es sich vermeiden ließ, habe ich
allen Angriffen zum Trotz darüber geschwiegen. Nach-
dem aber längeres Vertuschen unmöglich geworden,
trage ich kein Bedenken mehr, es unumwunden aus-
zusprechen, daß die Berliner Bewegung unter der
ausschließlichen Führung des Herrn Stöcker dazu
ausersehen ist, ihre Spitze gegen den Fürsten Bis-
marck zu richten."

(Eine neue Encyclica.)

Der Papst richtete
unterm 25. d. an sämmtliche Bischöfe eine Ency-
clica: "bxeunte jam anno". Er dankt in der-
selben Gott für die Tröstungen, welche ihm durch
die Jubelfeier geworden, und spricht dem Epis-
copat wie den Katholiken seinen Dank für die
Bekundung ihrer Zuneigung und Ergebenheit
aus. Bei diesem Anlasse habe die Vorsehung den
Glauben und die Gesinnung der Völker wieder-
belebt. -- Der Papst erinnert daran, daß
seine Hauptfürsorge immer auf die grund-
sätzlichen Puncte der christlichen Lehre gerichtet
gewesen. In dieser Encyklica wolle er die Auf-
merksamkeit auf die Pflichten des christlichen Lebens
lenken; denn der Glaube ohne die christlichen
Tugenden und Werke sei eitel. Leider weichen die
Sitten unserer Zeit von den evangelischen Prin-
cipien ab. Die Tendenz des Jahrhunderts ist auf
die materiellen Interessen gerichtet, denen der
Hochmuth, die schlechte Presse und das schlechte
Theater, die Demoralisirung der Künste, das
Betreten einer falschen Bahn beim Unterrichte in
den Schulen, die materialistischen und atheistischen
Tendenzen, die Verdunkelung der wahren Rechts-
begriffe, die Störung des Privatlebens wie des
öffentlichen Lebens entspringen. Auch Socialis-
mus, Nihilismus und Communismus sind Früchte
dieser auf die materiellen Bequemlichkeiten gerich-
teten Tendenz. Das Heil liegt im Christenthum:
instaurare omnia in Christo. Der Papst em-
pfiehlt sohin die allgemeine Wiederherstellung des
christlichen Lebens, Demuth, Selbstverleugnung,
[Spaltenumbruch] Ergebung und muthvolle Uebung der Tugenden.
Er betont schließlich die besondere Nothwendigkeit
der Tugend für den Clerus und erfleht den
Frieden für das Menschengeschlecht, damit Alles
zur Ruhe und Ordnung zurückkehre.

(Wahlkampf in Frankreich.)

In Paris
herrscht Rathlosigkeit. Boulanger will, nachdem
er sich mit wechselndem Glück als Abgeordneten-
Candidat im Norden und Süden Frankreichs
versucht, nun auch im Herzen des Landes, in
Paris selbst, an die Gunst der Wähler appelliren
und d'rob Zähneklappern im republikanischen
Lager. Es findet sich kein ehrlicher Republikaner,
selbstbewußt genug, um dem Ex-General mit
voller Siegeszuversicht entgegentreten zu können
und so weit sind die verschiedenen Fractionen der
republikanischen Parteien auseinander gerückt, daß
sie keinen Patrioten finden, dem sie ihr Mandat
mit gleichem Vertrauen anbieten könnten. Als ob
die Wahl Sadi Carnot's zum Präsidenten der
Republik die letzte That des republikanischen
Solidaritäts-Bewußtseins hätte sein sollen und
als ob sich die Energie des republikanischen Staats
gedankens hiefür in unfruchtbaren Negationen
erschöpfen müßte! Und wenn zuerst der Schrif-
steller Vacquerie, dann aber der Senator Schoel-
cher als der republikanische Gegencandidat Bou-
langer's genannt wurde, sah es immer so aus,
als wollte sich Jemand in voller Rüstung in den
Abgrund stürzen, um Unheil vom Vaterlande ab-
zuwehren, nicht aber als träte ein mannhafter
Recke mit Schild und Speer dem frechen Usur-
pator entgegen, der des Landes Farben sich wider-
rechtlich anzueignen vermaß. Wie groß daher auch
das Unbehagen der herrschenden Partei sein
möchte, wenn ein thatsächlich bereits erfolgter
Pariser Wahlsieg Boulanger's vorläge und welch'
schwerwiegende Folgen sich auch aus solch' einem
Ereignisse ableiten ließen: beschämender als solch'
ein eventueller Wahlsieg erscheint für das repu-
blikanische Frankreich der Schrecken, den ihm schon
die Candidatur dieses Mannes allein eingejagt.

(Neue Minister in Italien)

Anstatt des
zurückgetretenen Finanzministers Magliani wurde
der gegenwärtige italienische Ackerbauminister
Grimaldi zum Finanzminister der Senator
Perazzi zum Minister des Schatzes und der
Deputirte Micali zum Ackerbauminister ernannt.
Der politische Character des Ministeriums Crispi
bleibt damit unberührt.




Locales und Provinzielles.


Olmütz im Jahre 1888.

Das Jahr 1888, das mit dem heutigen
Tage seinen Schluß erreicht, war für die Stadt
Olmütz in fortschrittlicher Beziehung von größter
Bedeutung. In dieses Jahr fällt nämlich die
Auflassung der Reichsveste Olmütz.

Die Auflassung der Veste Olmütz, welche




[Spaltenumbruch]

allein sie nicht werthlos machen. Aber wie, wenn
nun Glückwünsche, die aus dem Herzen kommen,
dennoch wirkten? Wer kennt den Zusammenhang
der Erscheinungen in der geistigen Welt? Warum
sollten Vorgänge in unserem Innern, unsere
Wünsche z. B. -- gleichviel ob sie ausgesprochen
werden, oder nicht -- ganz unwirksam bleiben,
da doch alle Kräfte-Aeußerungen in der physischen
Welt, als Ursachen Wirkungen zur Folge haben?
Will man doch die Bemerkung gemacht haben,
daß Frauen, welche in recht glücklicher Ehe leben,
sichtbar gedeihen und immer schöner werden; so
daß es scheint, als ob die Atmosphäre der Liebe,
worin sie leben, sogar auf ihre leibliche Gesund-
heit unmittelbaren Einfluß hätte. So könnten
auch die lebhaften Wünsche, welche unsere Freunde
für unser Wohlergehen hegen, auf Wegen, die
uns freilich noch verborgen sind, zu diesem Wohl-
ergehen beitragen. "Ich denke mir immer, Wünsche
mit Sinn, gute Wünsche, von den wahrinnigen,
wo man so denkt, sie müßten Sterne herabziehen
und die ganze Welt wäre doch eigentlich dazu ein-
gerichtet, müßten auch was zuwege bringen können.
Ich denke mir, sie gehören so in die Harmonie
der Dinge, daß sie auch wirken." *) Ja man geht
wohl kaum zu weit, wenn man zu behaupten
[Spaltenumbruch] wagt, daß kein Gedanke, den wir denken, kein
Gefühl, das durch unsere Seele zieht, vollständig
isolirt bleibt und spurlos in sich felbst versinkt.
Wie solche Seelenthätigkeiten nicht entstehen konn-
ten ohne mittelbaren oder unmittelbaren äußeren
Anstoß, so müssen auch sie den Anstoß auf ent-
sprechende Weise weitergeben, d. h. sie müssen
wirken.

Also nicht so geringschätzig von den Glück-
wünschen gesprochen! Vielleicht helfen sie doch,
wenn sie die rechten.

Ihr, die ihr so glücklich seid, unter euren
Bekannten einige wenige wahre und aufrichtige
Freunde zu besitzen, Freunde, von deren herzli-
chem Wohlwollen ihr überzeugt sein könnt, oh!
haltet fest an ihnen, schließet am Jahreswechsel
einen neuen Bund mit ihnen, denn wahrlich, ohne
Freundschaft und Liebe wäre das Leben nicht
werth, gelebt zu werden.

Ich schließe mit einer Mahnung des alten
Seume:

Freund, hoffe nichts und fürchte nichts auf Erden
Mit Leidenschaft, und Du wirst glücklich werden,
So glücklich, als es Menschen sind.
Denn Glück unwandelbar und ungestöret,
Das selbst der Neid mit stummer Achtung ehret,
Blüht hier für keines Menschen Kind. --

("Bohemia".)


[Spaltenumbruch]

von der hiesigen Bewohnerschaft so lange heiß
ersehnt wurde, bringt der Stadt endlich jene Vor-
theile, deren sich offene Städte erfreuen und wel-
cher sie durch Jahrhunderte nicht theilhaftig war.
Der Entwicklung der Stadt Olmütz ist nunmehr
jede hemmende Fessel benommen; sie kann sich
heute als eine offene Stadt betrachten und sich
nach allen Richtungen hin ausdehnen.

Dankbaren Sinnes gedenkt die Bewohner-
schaft unserer Stadt des Kaisers, dessen Macht-
wort ihr diese Wohlthat zutheil werden ließ.

Für eine zweite That schuldet unsere Stadt
dem Kaiser Dank, dafür nämlich, daß er einen
Prinzen des kais. Hauses, Se. kais. Hoheit den
Herrn Erzherzog Eugen dem hier garnisoniren-
den 100. Infanterie-Regimente zutheilte und da-
mit nicht nur diesem Truppenkörper, sondern der
ganzen Stadt einen Beweis seiner besonderen
Huld gab, für die die gesammte Bevölkerung
dankbar ist, die den liebenswürdigen Prinzen hoch-
achtet.

Gleichzeitig mit der Auflassung der Festung
Olmütz erfolgte jene des hiesigen Festungs-Com-
mandos.

Ein Ereigniß von nicht minder großer Be-
deutung war fur unsere Stadt die Auffindung
einer sehr ergiebigen Quelle nächst Chwalkowitz,
welche ein Wasser von vorzüglicher Beschaffenheit
liefert. Die Wasserfrage, welche die Stadt-
gemeinde seit Jahrzehnten beschäftigte, ist hiedurch
ihrer Lösung so nahe gerückt, daß schon im näch-
sten Frühjahre mit der Anlage des Wasserwerkes
wird begonnen werden können. Mit der Lösung
der Wasserfrage ist auch jene der Canalisirungs-
frage verbunden und steht zu erwarten, daß sowohl
das Werk der Wasserleitung wie jenes der
Canalisirung gleichzeitig zur Ausführung gelangen.

Die Erbauung eines Schlachthauses wurde
einem späteren Zeitpuncte vorbehalten, während
die Frage der Erbauung der Artillerie-Caserne
die Stadtgemeinde und das h. Militär-Aerar
mehrfach beschäftigt. Es scheint alle Aussicht vor-
handen zu sein, daß diese Angelegenheit in einer
für beide Theile ersprießlichen Weise erledigt wer-
den wird.

Was die Erbauung des Justizge-
bäudes
anbelangt, so stand diese Angelegenheit
ebenfalls wiederholt auf der Tagesordnung, war
aber bis zum Jahresschlusse nicht in das Sta-
dium der Erledigung getreten.

In erfreulicher Weise hat die Stadtgemeinde
Olmütz die Frage der Beleuchtung des
städt. Theaters mit electrischem Lichte

gelöst. Auf Grund eines mit der Firma M. & H.
Passinger abgeschlossenen Vertrages hat letztere
Firma die Beleuchtung des Theaters mit electri-
schem Lichte übernommen und wurde die Instal-
lirung der Beleuchtungsanlage, welche in bester
Weise functionirt, von der Firma Gülcher aus-
geführt. Gleichzeitig wurden im Theater jene Vor-
kehrungen getroffen, welche von Seite der hohen
Statthalterei, in Bezug auf die Sicherheit des
das Theater besuchenden Publicums gefordert
wurden.

Die Leitung der hiesigen Bühne wurde, nach-
dem Dieector Westen von derselben zurückgetreten
war, dem Director Carl Stick übertragen, welcher
wegen Mangels an Verständniß und eines ent-
sprechenden Fundus die Olmützer Bühne auf
ein ziemlich tiefes Niveau brachte.

Die vielfachen Auslagen, welche die Stadt-
gemeinde Olmütz im abgelaufenen Jahre zu machen
hatte und in nächster Zeit zu machen haben wird,
veranlaßten das Stadtverordneten-Collegium zur
Deckung derselben vom h. mähr. Landesausschuße
die Bewilligung zur Aufnahme eines größeren
Darlehens einzuholen, welche derselben auch
mit Rücksicht darauf, daß diese Auslagen
nur für gemeinnützige Zwecke verwendet
werden sollen, ertheilt wurde; ebenso ertheilte
der h. mähr. Landtag der Stadtgemeinde
die Bewilligung zur Einhebung einer Mauthge-
bühr auf der neuen Bahnhofftraße.

Die neue Bahnhofstraße selbst,
deren Ausführung der Firma Aulegk und Zaple-
tal übertragen wurde, wurde am 2. December
l. J. durch Herrn Bürgermeister v. Engel in
feierlicher Weise eröffnet und dem Verkehre über-
geben. Diese Straßeneröffnung bildete einen
Theil jener Festlichkeiten, welche die Stadtge-
meinde Olmütz anläßlich des 40jährigen Regie-
rungs-Jubiläums Sr. Majestät des Kaisers ver-
anstaltete.




Fortsetzung in der Beilage.


*) Die mit Gänsefüßchen eingeschlossene Stelle findet
[si]ch in einem Briefe der geistvollen Rahel Lewin an
ihren nachmaligen Gatten Varnhagen von Ense.
[Spaltenumbruch]

erzählt Herr Cremer, daß ich den Fürſten Bismarck
für die Leitung der deutſchen Politik vorläufig noch
in höherem Maße verantwortlich erachte, als Herrn
Hofprediger Stöcker, und auch die Verdienſte des
Herrn Reichskanzlers um das deutſche Vaterland
fogar noch über die des Herrn Stöcker ſtellte, er-
wiederte mir jener Zukunftsminiſter: „Ach was,
ſelbſtſtändige Politik, das iſt die Hauptſache!“ —
Drohungen, der Regierung einmal zu zeigen, welche
Oppoſition man ihr machen könne, wenn ſie die
chriſtlich-ſocialen Führer und Forderungen nicht ein-
gehender berückſichtige, fallen bei jeder Gelegenheit.
In manchen untergeordneten Köpfen hat ſich auf
Grund deſſen die Vorſtellung, daß der Fürſt Reichs-
kanzler der eigentlich zu bekämpfende Gegner ſei,
bereits ſo ſehr feſtgeſetzt, daß man von ihnen den
Ausruf vernehmen kann: „Wir jagen den Fürſten
Biswarck, falls er es nicht anders macht!“ Wenn
auch dieſe Dinge ſich bisher nicht vor dem großen
Publicum abgeſpielt haben, ſo deutet doch Alles
darauf hin, daß in allernächſter Zeit offenkundige
Bethätigungen des gekennzeichneten Geiſtes erfolgen
werden. So lange es ſich vermeiden ließ, habe ich
allen Angriffen zum Trotz darüber geſchwiegen. Nach-
dem aber längeres Vertuſchen unmöglich geworden,
trage ich kein Bedenken mehr, es unumwunden aus-
zuſprechen, daß die Berliner Bewegung unter der
ausſchließlichen Führung des Herrn Stöcker dazu
auserſehen iſt, ihre Spitze gegen den Fürſten Bis-
marck zu richten.“

(Eine neue Encyclica.)

Der Papſt richtete
unterm 25. d. an ſämmtliche Biſchöfe eine Ency-
clica: „bxeunte jam anno“. Er dankt in der-
ſelben Gott für die Tröſtungen, welche ihm durch
die Jubelfeier geworden, und ſpricht dem Epis-
copat wie den Katholiken ſeinen Dank für die
Bekundung ihrer Zuneigung und Ergebenheit
aus. Bei dieſem Anlaſſe habe die Vorſehung den
Glauben und die Geſinnung der Völker wieder-
belebt. — Der Papſt erinnert daran, daß
ſeine Hauptfürſorge immer auf die grund-
ſätzlichen Puncte der chriſtlichen Lehre gerichtet
geweſen. In dieſer Encyklica wolle er die Auf-
merkſamkeit auf die Pflichten des chriſtlichen Lebens
lenken; denn der Glaube ohne die chriſtlichen
Tugenden und Werke ſei eitel. Leider weichen die
Sitten unſerer Zeit von den evangeliſchen Prin-
cipien ab. Die Tendenz des Jahrhunderts iſt auf
die materiellen Intereſſen gerichtet, denen der
Hochmuth, die ſchlechte Preſſe und das ſchlechte
Theater, die Demoraliſirung der Künſte, das
Betreten einer falſchen Bahn beim Unterrichte in
den Schulen, die materialiſtiſchen und atheiſtiſchen
Tendenzen, die Verdunkelung der wahren Rechts-
begriffe, die Störung des Privatlebens wie des
öffentlichen Lebens entſpringen. Auch Socialis-
mus, Nihilismus und Communismus ſind Früchte
dieſer auf die materiellen Bequemlichkeiten gerich-
teten Tendenz. Das Heil liegt im Chriſtenthum:
instaurare omnia in Christo. Der Papſt em-
pfiehlt ſohin die allgemeine Wiederherſtellung des
chriſtlichen Lebens, Demuth, Selbſtverleugnung,
[Spaltenumbruch] Ergebung und muthvolle Uebung der Tugenden.
Er betont ſchließlich die beſondere Nothwendigkeit
der Tugend für den Clerus und erfleht den
Frieden für das Menſchengeſchlecht, damit Alles
zur Ruhe und Ordnung zurückkehre.

(Wahlkampf in Frankreich.)

In Paris
herrſcht Rathloſigkeit. Boulanger will, nachdem
er ſich mit wechſelndem Glück als Abgeordneten-
Candidat im Norden und Süden Frankreichs
verſucht, nun auch im Herzen des Landes, in
Paris ſelbſt, an die Gunſt der Wähler appelliren
und d’rob Zähneklappern im republikaniſchen
Lager. Es findet ſich kein ehrlicher Republikaner,
ſelbſtbewußt genug, um dem Ex-General mit
voller Siegeszuverſicht entgegentreten zu können
und ſo weit ſind die verſchiedenen Fractionen der
republikaniſchen Parteien auseinander gerückt, daß
ſie keinen Patrioten finden, dem ſie ihr Mandat
mit gleichem Vertrauen anbieten könnten. Als ob
die Wahl Sadi Carnot’s zum Präſidenten der
Republik die letzte That des republikaniſchen
Solidaritäts-Bewußtſeins hätte ſein ſollen und
als ob ſich die Energie des republikaniſchen Staats
gedankens hiefür in unfruchtbaren Negationen
erſchöpfen müßte! Und wenn zuerſt der Schrif-
ſteller Vacquerie, dann aber der Senator Schoel-
cher als der republikaniſche Gegencandidat Bou-
langer’s genannt wurde, ſah es immer ſo aus,
als wollte ſich Jemand in voller Rüſtung in den
Abgrund ſtürzen, um Unheil vom Vaterlande ab-
zuwehren, nicht aber als träte ein mannhafter
Recke mit Schild und Speer dem frechen Uſur-
pator entgegen, der des Landes Farben ſich wider-
rechtlich anzueignen vermaß. Wie groß daher auch
das Unbehagen der herrſchenden Partei ſein
möchte, wenn ein thatſächlich bereits erfolgter
Pariſer Wahlſieg Boulanger’s vorläge und welch’
ſchwerwiegende Folgen ſich auch aus ſolch’ einem
Ereigniſſe ableiten ließen: beſchämender als ſolch’
ein eventueller Wahlſieg erſcheint für das repu-
blikaniſche Frankreich der Schrecken, den ihm ſchon
die Candidatur dieſes Mannes allein eingejagt.

(Neue Miniſter in Italien)

Anſtatt des
zurückgetretenen Finanzminiſters Magliani wurde
der gegenwärtige italieniſche Ackerbauminiſter
Grimaldi zum Finanzminiſter der Senator
Perazzi zum Miniſter des Schatzes und der
Deputirte Micali zum Ackerbauminiſter ernannt.
Der politiſche Character des Miniſteriums Crispi
bleibt damit unberührt.




Locales und Provinzielles.


Olmütz im Jahre 1888.

Das Jahr 1888, das mit dem heutigen
Tage ſeinen Schluß erreicht, war für die Stadt
Olmütz in fortſchrittlicher Beziehung von größter
Bedeutung. In dieſes Jahr fällt nämlich die
Auflaſſung der Reichsveſte Olmütz.

Die Auflaſſung der Veſte Olmütz, welche




[Spaltenumbruch]

allein ſie nicht werthlos machen. Aber wie, wenn
nun Glückwünſche, die aus dem Herzen kommen,
dennoch wirkten? Wer kennt den Zuſammenhang
der Erſcheinungen in der geiſtigen Welt? Warum
ſollten Vorgänge in unſerem Innern, unſere
Wünſche z. B. — gleichviel ob ſie ausgeſprochen
werden, oder nicht — ganz unwirkſam bleiben,
da doch alle Kräfte-Aeußerungen in der phyſiſchen
Welt, als Urſachen Wirkungen zur Folge haben?
Will man doch die Bemerkung gemacht haben,
daß Frauen, welche in recht glücklicher Ehe leben,
ſichtbar gedeihen und immer ſchöner werden; ſo
daß es ſcheint, als ob die Atmoſphäre der Liebe,
worin ſie leben, ſogar auf ihre leibliche Geſund-
heit unmittelbaren Einfluß hätte. So könnten
auch die lebhaften Wünſche, welche unſere Freunde
für unſer Wohlergehen hegen, auf Wegen, die
uns freilich noch verborgen ſind, zu dieſem Wohl-
ergehen beitragen. „Ich denke mir immer, Wünſche
mit Sinn, gute Wünſche, von den wahrinnigen,
wo man ſo denkt, ſie müßten Sterne herabziehen
und die ganze Welt wäre doch eigentlich dazu ein-
gerichtet, müßten auch was zuwege bringen können.
Ich denke mir, ſie gehören ſo in die Harmonie
der Dinge, daß ſie auch wirken.“ *) Ja man geht
wohl kaum zu weit, wenn man zu behaupten
[Spaltenumbruch] wagt, daß kein Gedanke, den wir denken, kein
Gefühl, das durch unſere Seele zieht, vollſtändig
iſolirt bleibt und ſpurlos in ſich felbſt verſinkt.
Wie ſolche Seelenthätigkeiten nicht entſtehen konn-
ten ohne mittelbaren oder unmittelbaren äußeren
Anſtoß, ſo müſſen auch ſie den Anſtoß auf ent-
ſprechende Weiſe weitergeben, d. h. ſie müſſen
wirken.

Alſo nicht ſo geringſchätzig von den Glück-
wünſchen geſprochen! Vielleicht helfen ſie doch,
wenn ſie die rechten.

Ihr, die ihr ſo glücklich ſeid, unter euren
Bekannten einige wenige wahre und aufrichtige
Freunde zu beſitzen, Freunde, von deren herzli-
chem Wohlwollen ihr überzeugt ſein könnt, oh!
haltet feſt an ihnen, ſchließet am Jahreswechſel
einen neuen Bund mit ihnen, denn wahrlich, ohne
Freundſchaft und Liebe wäre das Leben nicht
werth, gelebt zu werden.

Ich ſchließe mit einer Mahnung des alten
Seume:

Freund, hoffe nichts und fürchte nichts auf Erden
Mit Leidenſchaft, und Du wirſt glücklich werden,
So glücklich, als es Menſchen ſind.
Denn Glück unwandelbar und ungeſtöret,
Das ſelbſt der Neid mit ſtummer Achtung ehret,
Blüht hier für keines Menſchen Kind. —

(„Bohemia“.)


[Spaltenumbruch]

von der hieſigen Bewohnerſchaft ſo lange heiß
erſehnt wurde, bringt der Stadt endlich jene Vor-
theile, deren ſich offene Städte erfreuen und wel-
cher ſie durch Jahrhunderte nicht theilhaftig war.
Der Entwicklung der Stadt Olmütz iſt nunmehr
jede hemmende Feſſel benommen; ſie kann ſich
heute als eine offene Stadt betrachten und ſich
nach allen Richtungen hin ausdehnen.

Dankbaren Sinnes gedenkt die Bewohner-
ſchaft unſerer Stadt des Kaiſers, deſſen Macht-
wort ihr dieſe Wohlthat zutheil werden ließ.

Für eine zweite That ſchuldet unſere Stadt
dem Kaiſer Dank, dafür nämlich, daß er einen
Prinzen des kaiſ. Hauſes, Se. kaiſ. Hoheit den
Herrn Erzherzog Eugen dem hier garniſoniren-
den 100. Infanterie-Regimente zutheilte und da-
mit nicht nur dieſem Truppenkörper, ſondern der
ganzen Stadt einen Beweis ſeiner beſonderen
Huld gab, für die die geſammte Bevölkerung
dankbar iſt, die den liebenswürdigen Prinzen hoch-
achtet.

Gleichzeitig mit der Auflaſſung der Feſtung
Olmütz erfolgte jene des hieſigen Feſtungs-Com-
mandos.

Ein Ereigniß von nicht minder großer Be-
deutung war fur unſere Stadt die Auffindung
einer ſehr ergiebigen Quelle nächſt Chwalkowitz,
welche ein Waſſer von vorzüglicher Beſchaffenheit
liefert. Die Waſſerfrage, welche die Stadt-
gemeinde ſeit Jahrzehnten beſchäftigte, iſt hiedurch
ihrer Löſung ſo nahe gerückt, daß ſchon im näch-
ſten Frühjahre mit der Anlage des Waſſerwerkes
wird begonnen werden können. Mit der Löſung
der Waſſerfrage iſt auch jene der Canaliſirungs-
frage verbunden und ſteht zu erwarten, daß ſowohl
das Werk der Waſſerleitung wie jenes der
Canaliſirung gleichzeitig zur Ausführung gelangen.

Die Erbauung eines Schlachthauſes wurde
einem ſpäteren Zeitpuncte vorbehalten, während
die Frage der Erbauung der Artillerie-Caſerne
die Stadtgemeinde und das h. Militär-Aerar
mehrfach beſchäftigt. Es ſcheint alle Ausſicht vor-
handen zu ſein, daß dieſe Angelegenheit in einer
für beide Theile erſprießlichen Weiſe erledigt wer-
den wird.

Was die Erbauung des Juſtizge-
bäudes
anbelangt, ſo ſtand dieſe Angelegenheit
ebenfalls wiederholt auf der Tagesordnung, war
aber bis zum Jahresſchluſſe nicht in das Sta-
dium der Erledigung getreten.

In erfreulicher Weiſe hat die Stadtgemeinde
Olmütz die Frage der Beleuchtung des
ſtädt. Theaters mit electriſchem Lichte

gelöſt. Auf Grund eines mit der Firma M. & H.
Paſſinger abgeſchloſſenen Vertrages hat letztere
Firma die Beleuchtung des Theaters mit electri-
ſchem Lichte übernommen und wurde die Inſtal-
lirung der Beleuchtungsanlage, welche in beſter
Weiſe functionirt, von der Firma Gülcher aus-
geführt. Gleichzeitig wurden im Theater jene Vor-
kehrungen getroffen, welche von Seite der hohen
Statthalterei, in Bezug auf die Sicherheit des
das Theater beſuchenden Publicums gefordert
wurden.

Die Leitung der hieſigen Bühne wurde, nach-
dem Dieector Weſten von derſelben zurückgetreten
war, dem Director Carl Stick übertragen, welcher
wegen Mangels an Verſtändniß und eines ent-
ſprechenden Fundus die Olmützer Bühne auf
ein ziemlich tiefes Niveau brachte.

Die vielfachen Auslagen, welche die Stadt-
gemeinde Olmütz im abgelaufenen Jahre zu machen
hatte und in nächſter Zeit zu machen haben wird,
veranlaßten das Stadtverordneten-Collegium zur
Deckung derſelben vom h. mähr. Landesausſchuße
die Bewilligung zur Aufnahme eines größeren
Darlehens einzuholen, welche derſelben auch
mit Rückſicht darauf, daß dieſe Auslagen
nur für gemeinnützige Zwecke verwendet
werden ſollen, ertheilt wurde; ebenſo ertheilte
der h. mähr. Landtag der Stadtgemeinde
die Bewilligung zur Einhebung einer Mauthge-
bühr auf der neuen Bahnhofftraße.

Die neue Bahnhofſtraße ſelbſt,
deren Ausführung der Firma Aulegk und Zaple-
tal übertragen wurde, wurde am 2. December
l. J. durch Herrn Bürgermeiſter v. Engel in
feierlicher Weiſe eröffnet und dem Verkehre über-
geben. Dieſe Straßeneröffnung bildete einen
Theil jener Feſtlichkeiten, welche die Stadtge-
meinde Olmütz anläßlich des 40jährigen Regie-
rungs-Jubiläums Sr. Majeſtät des Kaiſers ver-
anſtaltete.




Fortſetzung in der Beilage.


*) Die mit Gänſefüßchen eingeſchloſſene Stelle findet
[ſi]ch in einem Briefe der geiſtvollen Rahel Lewin an
ihren nachmaligen Gatten Varnhagen von Enſe.
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[[4]/0004] erzählt Herr Cremer, daß ich den Fürſten Bismarck für die Leitung der deutſchen Politik vorläufig noch in höherem Maße verantwortlich erachte, als Herrn Hofprediger Stöcker, und auch die Verdienſte des Herrn Reichskanzlers um das deutſche Vaterland fogar noch über die des Herrn Stöcker ſtellte, er- wiederte mir jener Zukunftsminiſter: „Ach was, ſelbſtſtändige Politik, das iſt die Hauptſache!“ — Drohungen, der Regierung einmal zu zeigen, welche Oppoſition man ihr machen könne, wenn ſie die chriſtlich-ſocialen Führer und Forderungen nicht ein- gehender berückſichtige, fallen bei jeder Gelegenheit. In manchen untergeordneten Köpfen hat ſich auf Grund deſſen die Vorſtellung, daß der Fürſt Reichs- kanzler der eigentlich zu bekämpfende Gegner ſei, bereits ſo ſehr feſtgeſetzt, daß man von ihnen den Ausruf vernehmen kann: „Wir jagen den Fürſten Biswarck, falls er es nicht anders macht!“ Wenn auch dieſe Dinge ſich bisher nicht vor dem großen Publicum abgeſpielt haben, ſo deutet doch Alles darauf hin, daß in allernächſter Zeit offenkundige Bethätigungen des gekennzeichneten Geiſtes erfolgen werden. So lange es ſich vermeiden ließ, habe ich allen Angriffen zum Trotz darüber geſchwiegen. Nach- dem aber längeres Vertuſchen unmöglich geworden, trage ich kein Bedenken mehr, es unumwunden aus- zuſprechen, daß die Berliner Bewegung unter der ausſchließlichen Führung des Herrn Stöcker dazu auserſehen iſt, ihre Spitze gegen den Fürſten Bis- marck zu richten.“ (Eine neue Encyclica.) Der Papſt richtete unterm 25. d. an ſämmtliche Biſchöfe eine Ency- clica: „bxeunte jam anno“. Er dankt in der- ſelben Gott für die Tröſtungen, welche ihm durch die Jubelfeier geworden, und ſpricht dem Epis- copat wie den Katholiken ſeinen Dank für die Bekundung ihrer Zuneigung und Ergebenheit aus. Bei dieſem Anlaſſe habe die Vorſehung den Glauben und die Geſinnung der Völker wieder- belebt. — Der Papſt erinnert daran, daß ſeine Hauptfürſorge immer auf die grund- ſätzlichen Puncte der chriſtlichen Lehre gerichtet geweſen. In dieſer Encyklica wolle er die Auf- merkſamkeit auf die Pflichten des chriſtlichen Lebens lenken; denn der Glaube ohne die chriſtlichen Tugenden und Werke ſei eitel. Leider weichen die Sitten unſerer Zeit von den evangeliſchen Prin- cipien ab. Die Tendenz des Jahrhunderts iſt auf die materiellen Intereſſen gerichtet, denen der Hochmuth, die ſchlechte Preſſe und das ſchlechte Theater, die Demoraliſirung der Künſte, das Betreten einer falſchen Bahn beim Unterrichte in den Schulen, die materialiſtiſchen und atheiſtiſchen Tendenzen, die Verdunkelung der wahren Rechts- begriffe, die Störung des Privatlebens wie des öffentlichen Lebens entſpringen. Auch Socialis- mus, Nihilismus und Communismus ſind Früchte dieſer auf die materiellen Bequemlichkeiten gerich- teten Tendenz. Das Heil liegt im Chriſtenthum: instaurare omnia in Christo. Der Papſt em- pfiehlt ſohin die allgemeine Wiederherſtellung des chriſtlichen Lebens, Demuth, Selbſtverleugnung, Ergebung und muthvolle Uebung der Tugenden. Er betont ſchließlich die beſondere Nothwendigkeit der Tugend für den Clerus und erfleht den Frieden für das Menſchengeſchlecht, damit Alles zur Ruhe und Ordnung zurückkehre. (Wahlkampf in Frankreich.) In Paris herrſcht Rathloſigkeit. Boulanger will, nachdem er ſich mit wechſelndem Glück als Abgeordneten- Candidat im Norden und Süden Frankreichs verſucht, nun auch im Herzen des Landes, in Paris ſelbſt, an die Gunſt der Wähler appelliren und d’rob Zähneklappern im republikaniſchen Lager. Es findet ſich kein ehrlicher Republikaner, ſelbſtbewußt genug, um dem Ex-General mit voller Siegeszuverſicht entgegentreten zu können und ſo weit ſind die verſchiedenen Fractionen der republikaniſchen Parteien auseinander gerückt, daß ſie keinen Patrioten finden, dem ſie ihr Mandat mit gleichem Vertrauen anbieten könnten. Als ob die Wahl Sadi Carnot’s zum Präſidenten der Republik die letzte That des republikaniſchen Solidaritäts-Bewußtſeins hätte ſein ſollen und als ob ſich die Energie des republikaniſchen Staats gedankens hiefür in unfruchtbaren Negationen erſchöpfen müßte! Und wenn zuerſt der Schrif- ſteller Vacquerie, dann aber der Senator Schoel- cher als der republikaniſche Gegencandidat Bou- langer’s genannt wurde, ſah es immer ſo aus, als wollte ſich Jemand in voller Rüſtung in den Abgrund ſtürzen, um Unheil vom Vaterlande ab- zuwehren, nicht aber als träte ein mannhafter Recke mit Schild und Speer dem frechen Uſur- pator entgegen, der des Landes Farben ſich wider- rechtlich anzueignen vermaß. Wie groß daher auch das Unbehagen der herrſchenden Partei ſein möchte, wenn ein thatſächlich bereits erfolgter Pariſer Wahlſieg Boulanger’s vorläge und welch’ ſchwerwiegende Folgen ſich auch aus ſolch’ einem Ereigniſſe ableiten ließen: beſchämender als ſolch’ ein eventueller Wahlſieg erſcheint für das repu- blikaniſche Frankreich der Schrecken, den ihm ſchon die Candidatur dieſes Mannes allein eingejagt. (Neue Miniſter in Italien) Anſtatt des zurückgetretenen Finanzminiſters Magliani wurde der gegenwärtige italieniſche Ackerbauminiſter Grimaldi zum Finanzminiſter der Senator Perazzi zum Miniſter des Schatzes und der Deputirte Micali zum Ackerbauminiſter ernannt. Der politiſche Character des Miniſteriums Crispi bleibt damit unberührt. Locales und Provinzielles. Olmütz, 31. December. Olmütz im Jahre 1888. Das Jahr 1888, das mit dem heutigen Tage ſeinen Schluß erreicht, war für die Stadt Olmütz in fortſchrittlicher Beziehung von größter Bedeutung. In dieſes Jahr fällt nämlich die Auflaſſung der Reichsveſte Olmütz. Die Auflaſſung der Veſte Olmütz, welche allein ſie nicht werthlos machen. Aber wie, wenn nun Glückwünſche, die aus dem Herzen kommen, dennoch wirkten? Wer kennt den Zuſammenhang der Erſcheinungen in der geiſtigen Welt? Warum ſollten Vorgänge in unſerem Innern, unſere Wünſche z. B. — gleichviel ob ſie ausgeſprochen werden, oder nicht — ganz unwirkſam bleiben, da doch alle Kräfte-Aeußerungen in der phyſiſchen Welt, als Urſachen Wirkungen zur Folge haben? Will man doch die Bemerkung gemacht haben, daß Frauen, welche in recht glücklicher Ehe leben, ſichtbar gedeihen und immer ſchöner werden; ſo daß es ſcheint, als ob die Atmoſphäre der Liebe, worin ſie leben, ſogar auf ihre leibliche Geſund- heit unmittelbaren Einfluß hätte. So könnten auch die lebhaften Wünſche, welche unſere Freunde für unſer Wohlergehen hegen, auf Wegen, die uns freilich noch verborgen ſind, zu dieſem Wohl- ergehen beitragen. „Ich denke mir immer, Wünſche mit Sinn, gute Wünſche, von den wahrinnigen, wo man ſo denkt, ſie müßten Sterne herabziehen und die ganze Welt wäre doch eigentlich dazu ein- gerichtet, müßten auch was zuwege bringen können. Ich denke mir, ſie gehören ſo in die Harmonie der Dinge, daß ſie auch wirken.“ *) Ja man geht wohl kaum zu weit, wenn man zu behaupten wagt, daß kein Gedanke, den wir denken, kein Gefühl, das durch unſere Seele zieht, vollſtändig iſolirt bleibt und ſpurlos in ſich felbſt verſinkt. Wie ſolche Seelenthätigkeiten nicht entſtehen konn- ten ohne mittelbaren oder unmittelbaren äußeren Anſtoß, ſo müſſen auch ſie den Anſtoß auf ent- ſprechende Weiſe weitergeben, d. h. ſie müſſen wirken. Alſo nicht ſo geringſchätzig von den Glück- wünſchen geſprochen! Vielleicht helfen ſie doch, wenn ſie die rechten. Ihr, die ihr ſo glücklich ſeid, unter euren Bekannten einige wenige wahre und aufrichtige Freunde zu beſitzen, Freunde, von deren herzli- chem Wohlwollen ihr überzeugt ſein könnt, oh! haltet feſt an ihnen, ſchließet am Jahreswechſel einen neuen Bund mit ihnen, denn wahrlich, ohne Freundſchaft und Liebe wäre das Leben nicht werth, gelebt zu werden. Ich ſchließe mit einer Mahnung des alten Seume: Freund, hoffe nichts und fürchte nichts auf Erden Mit Leidenſchaft, und Du wirſt glücklich werden, So glücklich, als es Menſchen ſind. Denn Glück unwandelbar und ungeſtöret, Das ſelbſt der Neid mit ſtummer Achtung ehret, Blüht hier für keines Menſchen Kind. — („Bohemia“.) von der hieſigen Bewohnerſchaft ſo lange heiß erſehnt wurde, bringt der Stadt endlich jene Vor- theile, deren ſich offene Städte erfreuen und wel- cher ſie durch Jahrhunderte nicht theilhaftig war. Der Entwicklung der Stadt Olmütz iſt nunmehr jede hemmende Feſſel benommen; ſie kann ſich heute als eine offene Stadt betrachten und ſich nach allen Richtungen hin ausdehnen. Dankbaren Sinnes gedenkt die Bewohner- ſchaft unſerer Stadt des Kaiſers, deſſen Macht- wort ihr dieſe Wohlthat zutheil werden ließ. Für eine zweite That ſchuldet unſere Stadt dem Kaiſer Dank, dafür nämlich, daß er einen Prinzen des kaiſ. Hauſes, Se. kaiſ. Hoheit den Herrn Erzherzog Eugen dem hier garniſoniren- den 100. Infanterie-Regimente zutheilte und da- mit nicht nur dieſem Truppenkörper, ſondern der ganzen Stadt einen Beweis ſeiner beſonderen Huld gab, für die die geſammte Bevölkerung dankbar iſt, die den liebenswürdigen Prinzen hoch- achtet. Gleichzeitig mit der Auflaſſung der Feſtung Olmütz erfolgte jene des hieſigen Feſtungs-Com- mandos. Ein Ereigniß von nicht minder großer Be- deutung war fur unſere Stadt die Auffindung einer ſehr ergiebigen Quelle nächſt Chwalkowitz, welche ein Waſſer von vorzüglicher Beſchaffenheit liefert. Die Waſſerfrage, welche die Stadt- gemeinde ſeit Jahrzehnten beſchäftigte, iſt hiedurch ihrer Löſung ſo nahe gerückt, daß ſchon im näch- ſten Frühjahre mit der Anlage des Waſſerwerkes wird begonnen werden können. Mit der Löſung der Waſſerfrage iſt auch jene der Canaliſirungs- frage verbunden und ſteht zu erwarten, daß ſowohl das Werk der Waſſerleitung wie jenes der Canaliſirung gleichzeitig zur Ausführung gelangen. Die Erbauung eines Schlachthauſes wurde einem ſpäteren Zeitpuncte vorbehalten, während die Frage der Erbauung der Artillerie-Caſerne die Stadtgemeinde und das h. Militär-Aerar mehrfach beſchäftigt. Es ſcheint alle Ausſicht vor- handen zu ſein, daß dieſe Angelegenheit in einer für beide Theile erſprießlichen Weiſe erledigt wer- den wird. Was die Erbauung des Juſtizge- bäudes anbelangt, ſo ſtand dieſe Angelegenheit ebenfalls wiederholt auf der Tagesordnung, war aber bis zum Jahresſchluſſe nicht in das Sta- dium der Erledigung getreten. In erfreulicher Weiſe hat die Stadtgemeinde Olmütz die Frage der Beleuchtung des ſtädt. Theaters mit electriſchem Lichte gelöſt. Auf Grund eines mit der Firma M. & H. Paſſinger abgeſchloſſenen Vertrages hat letztere Firma die Beleuchtung des Theaters mit electri- ſchem Lichte übernommen und wurde die Inſtal- lirung der Beleuchtungsanlage, welche in beſter Weiſe functionirt, von der Firma Gülcher aus- geführt. Gleichzeitig wurden im Theater jene Vor- kehrungen getroffen, welche von Seite der hohen Statthalterei, in Bezug auf die Sicherheit des das Theater beſuchenden Publicums gefordert wurden. Die Leitung der hieſigen Bühne wurde, nach- dem Dieector Weſten von derſelben zurückgetreten war, dem Director Carl Stick übertragen, welcher wegen Mangels an Verſtändniß und eines ent- ſprechenden Fundus die Olmützer Bühne auf ein ziemlich tiefes Niveau brachte. Die vielfachen Auslagen, welche die Stadt- gemeinde Olmütz im abgelaufenen Jahre zu machen hatte und in nächſter Zeit zu machen haben wird, veranlaßten das Stadtverordneten-Collegium zur Deckung derſelben vom h. mähr. Landesausſchuße die Bewilligung zur Aufnahme eines größeren Darlehens einzuholen, welche derſelben auch mit Rückſicht darauf, daß dieſe Auslagen nur für gemeinnützige Zwecke verwendet werden ſollen, ertheilt wurde; ebenſo ertheilte der h. mähr. Landtag der Stadtgemeinde die Bewilligung zur Einhebung einer Mauthge- bühr auf der neuen Bahnhofftraße. Die neue Bahnhofſtraße ſelbſt, deren Ausführung der Firma Aulegk und Zaple- tal übertragen wurde, wurde am 2. December l. J. durch Herrn Bürgermeiſter v. Engel in feierlicher Weiſe eröffnet und dem Verkehre über- geben. Dieſe Straßeneröffnung bildete einen Theil jener Feſtlichkeiten, welche die Stadtge- meinde Olmütz anläßlich des 40jährigen Regie- rungs-Jubiläums Sr. Majeſtät des Kaiſers ver- anſtaltete. Fortſetzung in der Beilage. *) Die mit Gänſefüßchen eingeſchloſſene Stelle findet ſich in einem Briefe der geiſtvollen Rahel Lewin an ihren nachmaligen Gatten Varnhagen von Enſe.

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 299, Olmütz, 31.12.1888, S. [4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches299_1888/4>, abgerufen am 19.04.2024.