Mährisches Tagblatt. Nr. 243, Olmütz, 24.10.1892.[Spaltenumbruch]
Das Telephon Nr. 9. [Spaltenumbruch] Mährisches Tagblatt. [Spaltenumbruch] Insertionsgebühren Außerhalb Olmütz überneh- men Insertions-Aufträge: Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haase[n]steln & Vogler, in Wien, Prag, Buda- pest, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Basel und Leipzig. Alois Opellik, in Wien. Rud. Mosse, in Wien, München u, Berlin. M. Dukes, Wien, I. Schulerstraße 8. G. L. Daube, und Co., Frankfurt a. M. Adolf Steiner's Annoncen- bureau in Hamburg, sowie sämmtl. conc. Insertionsbu- reaus des In- u. Auslandes. Manuscripte werden ni[cht] zurückgestellt. Telephon Nr. 9. Nr. 243. Olmütz, Montag den 24. October 1892. 13. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Der Sturz des Ministeriums Szapary? Olmütz, 24. October. Die neueste Budapester Militäraffaire hat Inzwischen hat die Militäraffaire die absan- Durch die neueste Wendung der Denkmal- Abg. Carl Eötvös (Unabhängigkeitspartei) Graf Albert Apponyi schließt sich zuerst dem [Spaltenumbruch] Feuilleton. Feigling! -- Von Oscar Geller. -- (Nachdruck verboten.) Die Mitglieder des Clubs der "Sanscu- Um neun Uhr Abends eröffnete der Prä- "Meine Herren," hub der Holländer an, Der alte Perinet war der Erste, der sich "Ich danke Ihnen meine Herren", begann "Meinen verbindlichsten Dank." Er reichte "Ich habe gestern," begann er sein: Rede, "Trouville, den 18 Ich habe Ihre sehr geschätzte Zuschrift von Leider zwingen mich zugleich Verhältnisse [Spaltenumbruch]
Das Telephon Nr. 9. [Spaltenumbruch] Mähriſches Tagblatt. [Spaltenumbruch] Inſertionsgebühren Außerhalb Olmütz überneh- men Inſertions-Aufträge: Heinrich Schalek, Annon- cen-Exped in Wien, I. Woll- zeile Nr. 11, Haase[n]steln & Vogler, in Wien, Prag, Buda- peſt, Berlin, Frankfurt a. M. Hamburg, Baſel und Leipzig. Alois Opellik, in Wien. Rud. Mosse, in Wien, München u, Berlin. M. Dukes, Wien, I. Schulerſtraße 8. G. L. Daube, und Co., Frankfurt a. M. Adolf Steiner’s Annoncen- bureau in Hamburg, ſowie ſämmtl. conc. Inſertionsbu- reaus des In- u. Auslandes. Manuſcripte werden ni[cht] zurückgeſtellt. Telephon Nr. 9. Nr. 243. Olmütz, Montag den 24. October 1892. 13. Jahrgang. [Spaltenumbruch] Der Sturz des Miniſteriums Szapary? Olmütz, 24. October. Die neueſte Budapeſter Militäraffaire hat Inzwiſchen hat die Militäraffaire die abſan- Durch die neueſte Wendung der Denkmal- Abg. Carl Eötvös (Unabhängigkeitspartei) Graf Albert Apponyi ſchließt ſich zuerſt dem [Spaltenumbruch] Feuilleton. Feigling! — Von Oscar Geller. — (Nachdruck verboten.) Die Mitglieder des Clubs der „Sanscu- Um neun Uhr Abends eröffnete der Prä- „Meine Herren,“ hub der Holländer an, Der alte Périnet war der Erſte, der ſich „Ich danke Ihnen meine Herren“, begann „Meinen verbindlichſten Dank.“ Er reichte „Ich habe geſtern,“ begann er ſein: Rede, „Trouville, den 18 Ich habe Ihre ſehr geſchätzte Zuſchrift von Leider zwingen mich zugleich Verhältniſſe <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001" n="[1]"/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p> Das<lb/><hi rendition="#b">„Mähriſche Tagblatt“</hi><lb/> erſcheint mit Ausnahme der<lb/> Sonn- und Feiertage täglich.<lb/> Ausgabe 2 Uhr Nachmittag<lb/> im Adminiſtrationslocale<lb/><hi rendition="#b">Riederring Nr. 41 neu.<lb/> Abonnement für Olmütz:</hi><lb/> Ganzjährig fl. 10.—<lb/> Halbjährig „ 5.—<lb/> Vierteljährig „ 2.50<lb/> Monatlich „ —.90<lb/> Zuſtellung ins Haus monat-<lb/> lich 10 kr.<lb/><hi rendition="#b">Auswärts durch die Poſt:</hi><lb/> Ganzjährig fl. 14.—<lb/> Halbjährig „ 7.—<lb/> Vierteljährig „ 3.50<lb/> Einzelne Nummern 5 kr.<lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#b">Telephon Nr. 9.</hi> </p> </div><lb/> <cb/> <titlePage type="heading"> <titlePart type="main"> <hi rendition="#b">Mähriſches<lb/> Tagblatt.</hi> </titlePart> </titlePage><lb/> <cb/> <div type="jExpedition"> <p><hi rendition="#b">Inſertionsgebühren</hi><lb/> nach aufliegendem Tari<supplied>f.</supplied><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Außerhalb <hi rendition="#b">Olmütz</hi> überneh-<lb/> men Inſertions-Aufträge:<lb/><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Heinrich Schalek,</hi></hi> Annon-<lb/> cen-Exped in Wien, <hi rendition="#aq">I.</hi> Woll-<lb/> zeile Nr. 11, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#b">Haase<supplied>n</supplied>steln &<lb/> Vogler,</hi></hi> in Wien, Prag, Buda-<lb/> peſt, Berlin, Frankfurt a. 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Hierauf erhob<lb/> ſich Miniſterpräſident Graf Szapary und erklärte:<lb/> Da eine Vertagung der Feier nothwendig gewor-<lb/> den ſei, halte er die weitere Fortſetzung der Dis-<lb/> cuſſion nicht für nothwendig und bitte die An-<lb/> tragſteller ihre Anträge zurückzuziehen und den<lb/> Gegenſtand überhaupt von der Tagesordnung ab-<lb/> zuſetzen.</p><lb/> <p>Abg. Carl Eötvös (Unabhängigkeitspartei)<lb/> zog hierauf ſeinen Antrag zurück und ſagte: Ich kann<lb/> nicht umhin, in unſer aller Namen das Geſühl<lb/> der größten Dankbarkeit für jene alten Honveds<lb/> auszuſprechen (Stürmiſche Eljen-Rufe links), welche<lb/> die Ehre unſerer Nation und auch ihre eigene Ehre ver-<lb/> theidigt haben. Aus allen Geſchehniſſen der<lb/> letzten Tage ziehe ich die Conſequenz, daß der<lb/> Chef des Cabinets ſich über die Verhältniſſe<lb/> nicht genügend orientirt hat, um den erhabenen<lb/><cb/> Träger der Krone und die gemeinſame Armee<lb/> von dem zu unterrichten, wovon hier namentlich<lb/> die Rede iſt. Aber nicht nur die Krone und die<lb/> Armee, auch die Volksvertretung und die ganze<lb/> Nation ſind falſch informirt worden. Man hat<lb/> das Land ohne Noth einer großen Erregung<lb/> überantwortet. Wenn ſich der Miniſterpräſident<lb/> hierüber pflichtgemäß informirt hätte, und zwar<lb/> mit jenem ernſten Pflichtbewußtſein, welches er<lb/> der Nation, dem Anſehen der Krone und dem<lb/> Preſtige ſeiner Regierung ſchuldet, hätte er hier<lb/> im erſten Augenblicke dazu gelangen müſſen,<lb/> wozu er erſt nach einer Woche größter Auf-<lb/> regung im ganzen Lande gekommen iſt. Nun<lb/> ſind er, die Krone, das Land und die Armee<lb/> das Opfer einer Myſtification. Wir erwarten<lb/> von der Regierung, daß ſie aus dieſer ſchweren<lb/> und bitteren Erfahrung die Conſequenz ziehen<lb/> wird. (Erneuerter Beifall links.)</p><lb/> <p>Graf Albert Apponyi ſchließt ſich zuerſt dem<lb/> Ausdruck patriotiſcher Freude darüber an, daß dieſe<lb/> odioſe Angelegenheit in einer ſolchen Weiſe für<lb/> alle Zeiten vom Horizonte verſchwunden ſei. Der<lb/> Plan iſt nun begraben. Ritterlichkeit ſchulden<lb/> wir, fährt Redner fort, Jedem, auch dem ehr-<lb/> lichen Gegner, aber wir ſchulden ſie auch unſeren<lb/> eigenen Söhnen. Wir wären Letzteren gegenüber<lb/> undankbar, wenn wir ſie mit den Feinden des<lb/> Vaterlandes in eine Linie ſtellen würden. Wir<lb/> haben nicht die Verſöhnung, ſondern dieſe Vor-<lb/> ausſetzung zurückgewieſen. Es gibt keine ſchmäh-<lb/> lichere Verdächtigung gegen die Oppoſition, als<lb/> daß dieſe in dieſer Affairee die gemeinſame Armee<lb/> angegriffen hat. 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Die Thüren des Clubſalons<lb/> waren geſchloſſen, die Portiéren niedergelaſſen, —<lb/> es herrſchte eine tiefe Stille, faſt unheimlich bange.</p><lb/> <p>„Meine Herren,“ hub der Holländer an,<lb/> ſeine Stimme feierlich dämpfend und einen tiefen<lb/> Ton dabei anſchlagend, der nicht wenig geheim-<lb/> nißvoll klang, ſo daß die Erwartung der Hörer<lb/> um ein Bedeutendes ſtieg, „ich habe Sie in einer<lb/> höchſt wichtigen Angelegenheit hergebeten, in der<lb/> Sie über die Ehre, vielleicht über das Leben<lb/> eines Mitgliedes aus unſerer Mitte zu entſcheiden<lb/> haben. Bevor ich Ihnen die Sache vorlege, muß<lb/> ich Sie bitten, mir die feierliche Erklärung ab-<lb/> zugeben, daß Sie dieſe uns allein betreffende<lb/> Angelegenheit, bei der ſo viel auf dem Spiele<lb/> ſteht, als ſtrenges Geheimniß bewahren zu wol-<lb/> len. Es genügt mir ſelbſtverſtändlich, wenn Sie,<lb/> meine lieben Freunde, mir dies mit Handſchlag<lb/> verſprechen.“</p><lb/> <p>Der alte Périnet war der Erſte, der ſich<lb/> erhob, und mit feierlichen Worten ſtrengſte<lb/> Discretion gelobte; die Anderen folgten ſeinem<lb/> Beiſpiele.</p><lb/> <p>„Ich danke Ihnen meine Herren“, begann<lb/> der Präſident von Neuem. „Wir können ſomit<lb/> den Fall erörtern; doch zuvor mögen der Sicher-<lb/> heit wegen die zwei jüngſten Herren Mitglieder<lb/> ſich überzeugen, daß wir vollkommen ſicher ſind,<lb/> daß im Vorzimmer ſich Niemand befindet, der<lb/> lauſchen könnte.“ Am Ende des langen Tiſches<lb/> entſtand eine kleine Bewegung; der Journaliſt<lb/> Everett Frank O’Morra und der Carricaturen-<lb/> Zeichner des „Journal Amuſant“, Gasparin der<lb/><cb/> Jüngere erhoben ſich, traten ins Vorzimmer,<lb/> unterſuchten daſſelbe, und meldeten dann dem<lb/> Präſidenten, daß nichts zu beſorgen ſei.</p><lb/> <p>„Meinen verbindlichſten Dank.“ Er reichte<lb/> Beiden ſeine Hand, bat ſie, ihre Plätze wieder<lb/> einzunehmen, gab endlich das Glockenzeichen und<lb/> zog aus der Bruſttaſche ein großes, weißes<lb/> Couvert hervor, auf deſſen Rückſeite ein zierliches<lb/> eirundes Wappen in Blau, Roth und Gold an-<lb/> gebracht war.</p><lb/> <p>„Ich habe geſtern,“ begann er ſein: Rede,<lb/> „folgenden Brief erhalten, den ich Ihnen vorzu-<lb/> leſen mir die Ehre gebe:</p><lb/> <p> <hi rendition="#c">„Trouville, den 18<lb/> Hochverehrteſter Herr Präſident!</hi> </p><lb/> <p>Ich habe Ihre ſehr geſchätzte Zuſchrift von<lb/> voriger Woche erhalten, und ich muß Ihnen ge-<lb/> ſtehen, daß ich nicht wenig außer mir bin. Die<lb/> Nachricht vom Hinſcheiden unſeres lieben Freundes<lb/> hat mich auf’s Tieffte ergriffen. Sie würden mich ſehr<lb/> zu Dank verbinden, wollten Sie die beſondere Freund-<lb/> lichkeit haben und in meinem Namen einen Kranz<lb/> aus Camelien, Maréchall-Niels-Roſen und be-<lb/> rauſchenden Tubablüthen an ſeinem Sarge nieder-<lb/> zulegen, zu welchem Zweck ich mir erlaube anbei<lb/> Ihnen ſechshundert Francs anzuweiſen.</p><lb/> <p>Leider zwingen mich zugleich Verhältniſſe<lb/> anderer Art Ihre Güte und Geduld für mich<lb/> ſelbſt in Anſpruch zu nehmen. Es handelt ſich<lb/> um meine Ehre, um mein Leben, — zugleich<lb/> aber auch um das Leben eines Nebenmenſchen.<lb/> Ich habe mir die redlichſte Mühe gegeben, Ihnen<lb/> den Fall in beiliegender Schrift auseinanderzu-<lb/> ſetzen. Nach § 7 unſerer Statuten, bitte ich Sie</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[1]/0001]
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peſt, Berlin, Frankfurt a. M.
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Nr. 243. Olmütz, Montag den 24. October 1892. 13. Jahrgang.
Der Sturz des Miniſteriums
Szapary?
Olmütz, 24. October.
Die neueſte Budapeſter Militäraffaire hat
nunmehr dahin geführt, daß die ohnehin durch
die Kirchenfrage ſchwierig gewordene Stellung des
Cabinets Szapary ziemlich allgemein als unhalt-
bar angeſehen wird. Bereits wird die Demiſſion
des Cabinets vielfach als nahe bevorſtehend an-
gekündigt und auch der Nachfolger des Miniſter-
präſidenten ſchon genannt. Graf Szapary — ſo
ſagt man — habe die Krone bei der Honved-
Denkmal Angelegenheit allzu ſtark engagirt und
könne unmöglich an der Spitze der Regierung
bleiben. Finanzminiſter Wekerle oder Juſtiz-
miniſter Szilagyi ſoll an die Spitze des Cabinets
treten. Die Perſonenfrage iſt indeß vorerſt noch
unentſchieden. Zweifellos dagegen iſt, daß auch
innerhalb der Regierungspartei große Unzufrie-
denheit mit Graf Szapary vorhanden iſt.
Inzwiſchen hat die Militäraffaire die abſan-
derlichſte Geſtalt angenommen. Nachdem der
Honved-Centralausſchuß vorgeſtern plötzlich nach
einer ſtürmiſch erregten Sitzung das eigene Denk-
malcomité wegen angeblicher Competenz-Ueber-
ſchreitung durch die Feſtſtellung des bekannten
Programms desavouirt und das Comité demzu-
folge demiſſionirt hat, iſt der geplanten Verſöh-
nungsfeier der Boden entzogen und die erregte
Reichstagsdebatte völlig gegenſtandslos. Die ganze
Feier wird vertagt werden, wahrſcheinlich bis zum
Frühjahr. Statt einer Verſöhnung iſt eine ver-
ſchärfte Spannung eingetreten und das vorläufige
Schlußergebniß beſteht in der Cabinetskriſe.
Durch die neueſte Wendung der Denkmal-
affaire iſt die Situation für die Perſon des Mi-
niſterpräſidenten Grafen Szapary eine äußerſt
kritiſche geworden. Darüber ſtimmen alle Be-
richte überein und darin ſcheinen alle politiſchen
Kreiſe einig. Der freitägigen Debatte ſah man in
allen Kreiſen mit großem Intereſſe entgegen. In
Folge des Beſchlußes des Honved-Centralaus-
ſchußes, die ganze Denkmalangelegenheit auf un-
beſtimmte Zeit zu vertagen, hatten ſich die oppo-
ſitionellen Parteien geeinigt, die ſeit acht Tagen
mit großer Erbitterung geführte Debatte abzu-
brechen und alle Anträge von der Tagesordnung
abzuſetzen. Der Präſident verlas die Zuſchrift
des Honved-Denkmalcentralcomités. Hierauf erhob
ſich Miniſterpräſident Graf Szapary und erklärte:
Da eine Vertagung der Feier nothwendig gewor-
den ſei, halte er die weitere Fortſetzung der Dis-
cuſſion nicht für nothwendig und bitte die An-
tragſteller ihre Anträge zurückzuziehen und den
Gegenſtand überhaupt von der Tagesordnung ab-
zuſetzen.
Abg. Carl Eötvös (Unabhängigkeitspartei)
zog hierauf ſeinen Antrag zurück und ſagte: Ich kann
nicht umhin, in unſer aller Namen das Geſühl
der größten Dankbarkeit für jene alten Honveds
auszuſprechen (Stürmiſche Eljen-Rufe links), welche
die Ehre unſerer Nation und auch ihre eigene Ehre ver-
theidigt haben. Aus allen Geſchehniſſen der
letzten Tage ziehe ich die Conſequenz, daß der
Chef des Cabinets ſich über die Verhältniſſe
nicht genügend orientirt hat, um den erhabenen
Träger der Krone und die gemeinſame Armee
von dem zu unterrichten, wovon hier namentlich
die Rede iſt. Aber nicht nur die Krone und die
Armee, auch die Volksvertretung und die ganze
Nation ſind falſch informirt worden. Man hat
das Land ohne Noth einer großen Erregung
überantwortet. Wenn ſich der Miniſterpräſident
hierüber pflichtgemäß informirt hätte, und zwar
mit jenem ernſten Pflichtbewußtſein, welches er
der Nation, dem Anſehen der Krone und dem
Preſtige ſeiner Regierung ſchuldet, hätte er hier
im erſten Augenblicke dazu gelangen müſſen,
wozu er erſt nach einer Woche größter Auf-
regung im ganzen Lande gekommen iſt. Nun
ſind er, die Krone, das Land und die Armee
das Opfer einer Myſtification. Wir erwarten
von der Regierung, daß ſie aus dieſer ſchweren
und bitteren Erfahrung die Conſequenz ziehen
wird. (Erneuerter Beifall links.)
Graf Albert Apponyi ſchließt ſich zuerſt dem
Ausdruck patriotiſcher Freude darüber an, daß dieſe
odioſe Angelegenheit in einer ſolchen Weiſe für
alle Zeiten vom Horizonte verſchwunden ſei. Der
Plan iſt nun begraben. Ritterlichkeit ſchulden
wir, fährt Redner fort, Jedem, auch dem ehr-
lichen Gegner, aber wir ſchulden ſie auch unſeren
eigenen Söhnen. Wir wären Letzteren gegenüber
undankbar, wenn wir ſie mit den Feinden des
Vaterlandes in eine Linie ſtellen würden. Wir
haben nicht die Verſöhnung, ſondern dieſe Vor-
ausſetzung zurückgewieſen. Es gibt keine ſchmäh-
lichere Verdächtigung gegen die Oppoſition, als
daß dieſe in dieſer Affairee die gemeinſame Armee
angegriffen hat. Das wäre das äußerſte und
Feuilleton.
Feigling!
— Von Oscar Geller. —
(Nachdruck verboten.)
Die Mitglieder des Clubs der „Sanscu-
lotten des Geiſtes“ waren nicht wenig erſtaunt,
als ſie durch die Einladung des Präſidenten zu
einer außerordentlichen Sitzung einberufen wurden.
Der Gegenſtand der Verhandlung war nicht be-
kannt gegeben; man erging ſich in verſchiedenen
Vermuthungen, man rieth auf galante Abenteuer
und kritiſche Beſprechungen irgend einer neuen
Erſcheinung auf dieſem oder jenem Gebiete der
Literatur; man glaubte, es handle ſich um die
endlich gefundene Lenkbarkeit des Luftballons
oder um Adelaïdes Trotzköpfigkeit (ſo hieß der
verhätſchelte Liebling eines vorſtädtiſchen Operet-
tentheaters), in Henry d’Herville’s Boulevard-
poſſe „die Tigerin“, nicht mitwirken zu wollen.
Alle ſchüttelten die Köpfe, vom jüngſten Bo-
hémien angefangen bis zum weißhaarigen, greiſen-
haften Périnet, der mit ſeinem einzigen linken
Arme ſeine helleniſchen Götter meißelte, — Alle
waren ſie neugierig und folgten der Einladung.
Um neun Uhr Abends eröffnete der Prä-
ſident, der holländiſche Thiermaler van der
Haaſſen, der ſich zwei Jahre ſpäter an einer
Straßenlaterne in der Rue du Temple auf-
knüpfte, da er juſt vom Balle der rothhaarigen
Petite maman heimkehrte, und nichts beſaß
außer dem Fracke am Leibe und das ſeidene
Tuch mit dem er ſich erdroſſelt hatte, — die
Verſammlung. Die Thüren des Clubſalons
waren geſchloſſen, die Portiéren niedergelaſſen, —
es herrſchte eine tiefe Stille, faſt unheimlich bange.
„Meine Herren,“ hub der Holländer an,
ſeine Stimme feierlich dämpfend und einen tiefen
Ton dabei anſchlagend, der nicht wenig geheim-
nißvoll klang, ſo daß die Erwartung der Hörer
um ein Bedeutendes ſtieg, „ich habe Sie in einer
höchſt wichtigen Angelegenheit hergebeten, in der
Sie über die Ehre, vielleicht über das Leben
eines Mitgliedes aus unſerer Mitte zu entſcheiden
haben. Bevor ich Ihnen die Sache vorlege, muß
ich Sie bitten, mir die feierliche Erklärung ab-
zugeben, daß Sie dieſe uns allein betreffende
Angelegenheit, bei der ſo viel auf dem Spiele
ſteht, als ſtrenges Geheimniß bewahren zu wol-
len. Es genügt mir ſelbſtverſtändlich, wenn Sie,
meine lieben Freunde, mir dies mit Handſchlag
verſprechen.“
Der alte Périnet war der Erſte, der ſich
erhob, und mit feierlichen Worten ſtrengſte
Discretion gelobte; die Anderen folgten ſeinem
Beiſpiele.
„Ich danke Ihnen meine Herren“, begann
der Präſident von Neuem. „Wir können ſomit
den Fall erörtern; doch zuvor mögen der Sicher-
heit wegen die zwei jüngſten Herren Mitglieder
ſich überzeugen, daß wir vollkommen ſicher ſind,
daß im Vorzimmer ſich Niemand befindet, der
lauſchen könnte.“ Am Ende des langen Tiſches
entſtand eine kleine Bewegung; der Journaliſt
Everett Frank O’Morra und der Carricaturen-
Zeichner des „Journal Amuſant“, Gasparin der
Jüngere erhoben ſich, traten ins Vorzimmer,
unterſuchten daſſelbe, und meldeten dann dem
Präſidenten, daß nichts zu beſorgen ſei.
„Meinen verbindlichſten Dank.“ Er reichte
Beiden ſeine Hand, bat ſie, ihre Plätze wieder
einzunehmen, gab endlich das Glockenzeichen und
zog aus der Bruſttaſche ein großes, weißes
Couvert hervor, auf deſſen Rückſeite ein zierliches
eirundes Wappen in Blau, Roth und Gold an-
gebracht war.
„Ich habe geſtern,“ begann er ſein: Rede,
„folgenden Brief erhalten, den ich Ihnen vorzu-
leſen mir die Ehre gebe:
„Trouville, den 18
Hochverehrteſter Herr Präſident!
Ich habe Ihre ſehr geſchätzte Zuſchrift von
voriger Woche erhalten, und ich muß Ihnen ge-
ſtehen, daß ich nicht wenig außer mir bin. Die
Nachricht vom Hinſcheiden unſeres lieben Freundes
hat mich auf’s Tieffte ergriffen. Sie würden mich ſehr
zu Dank verbinden, wollten Sie die beſondere Freund-
lichkeit haben und in meinem Namen einen Kranz
aus Camelien, Maréchall-Niels-Roſen und be-
rauſchenden Tubablüthen an ſeinem Sarge nieder-
zulegen, zu welchem Zweck ich mir erlaube anbei
Ihnen ſechshundert Francs anzuweiſen.
Leider zwingen mich zugleich Verhältniſſe
anderer Art Ihre Güte und Geduld für mich
ſelbſt in Anſpruch zu nehmen. Es handelt ſich
um meine Ehre, um mein Leben, — zugleich
aber auch um das Leben eines Nebenmenſchen.
Ich habe mir die redlichſte Mühe gegeben, Ihnen
den Fall in beiliegender Schrift auseinanderzu-
ſetzen. Nach § 7 unſerer Statuten, bitte ich Sie
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grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T15:49:55Z)
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Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T15:49:55Z)
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Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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