[N. N.]: Ausführliche und sicherste Nachricht, des entsetzlichen Erdbebens/ der Stadt Lissabon. [s. l.], 1755.schütterung auf den Gassen niedergeworffen, und dorten Unglückliche, die durch ſchuͤtterung auf den Gaſſen niedergeworffen, und dorten Ungluͤckliche, die durch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0003"/> ſchuͤtterung auf den Gaſſen niedergeworffen, und dorten Ungluͤckliche, die durch<lb/> den unglaublichen Staub, den das Einſtuͤrtzen der Haͤuſer verurſachte, erſtickt<lb/> waren. Weil es um die Zeit war, daß in allen Haͤuſern Anſtalten in der Kuͤ-<lb/> che zur Mittags-Mahlzeit gemacht wurden, und alſo, zumal in den groſſen Kuͤ-<lb/> chen, viel Feuer auf den Herden war; ſo geriethen die Haͤuſer, wann ſie ein-<lb/> ſtuͤrtzten, in Brand. Das Blut-Bad bey Einnehmung einer Stadt mit ſtuͤr-<lb/> mender Hand iſt ſo erſchrecklich nicht, als das Erdbeben, ſo man hier ausge-<lb/> ſtanden hat. Dieſe Stadt ſchloß in ihrem Umkreis 3. Gebirge, alle mit Haͤuſer<lb/> beſetzet, ein, und von dieſen ſind nur wenige, ausgenommen die, welche ſehr<lb/> hoch ſtunden, ſtehen geblieben, die aber nachher auch von dem Feuer verzehret<lb/> worden ſind. Die hier befindlichen Engliſchen Kauffleute haben am meiſten<lb/> gelitten, weil ſie die groͤßte Handlung hier fuͤhren, und viele mit Waaren an-<lb/> gefuͤllte Magazine hatten; und da dieſelben an dem Fuſſe des Gebirges lagen,<lb/> um nahe bey dem Fluſſe zu ſeyn, ſo ſind ſie alle mit den Menſchen und den da-<lb/> rinn befindlichen Koſtbarkeiten weggeſpuͤhlet worden. Dreyhundert Jeſuiten<lb/> ſind mit ihren Haͤuſern verſchlungen worden. Die Gefangenen der Jnqviſiti-<lb/> on oͤffneten, wie ihre Waͤchter ſie verlieſſen, ihre Gefaͤngniſſe, und machten ſich<lb/> die allgemeine Verwirrung zu Nutze, eine unmenſchliche Rache an ihren Rich-<lb/> tern zu nehmen. Zum groſſen Gluͤcke befand ſich der Koͤnig auf dem Luſt-<lb/> Schloſſe Belem, welches Sr. Majeſtaͤt laͤngs dem Tago haben bauen laſſen.<lb/> Das Koͤnigliche Schloß in dieſer Stadt iſt gaͤntzlich verwuͤſtet; und wenn Sr.<lb/> Majeſtaͤt hier geweſen waͤren, wuͤrden ſie unfehlbahr das Leben verlohren haben.<lb/> Dieſe erſchroͤckliche Verwuͤſtung iſt in weniger als 10. Minuten geſchehen.<lb/> Aus den Haͤuſern, welche zuletzt umgeſtuͤrtzt ſind, haben die Menſchen ſich mit<lb/> genauer Noth gerettet. Was den unausſprechlichen Schaden noch vergroͤſſert,<lb/> iſt, daß die Braſiliſche Flotte, welche groſſe Schaͤtze mitgebracht hatte, kurtz<lb/> vorher auf dem Tago angekommen war, und daß man weder die Diaman-<lb/> ten, noch das Gold oder Silber, welches daraus geloͤſcht worden, wird wie-<lb/> der finden koͤnnen. Verſchiedene Engliſche und Portugiſiſche Schiffe, wel-<lb/> che auf der Rheede gelegen, ſind von den wuͤttenden Wellen auf das trockene<lb/> Land geworffen worden. Die kleine Anzahl Menſchen, <choice><sic>wleche</sic><corr>welche</corr></choice> das Gluͤck<lb/> gehabt aus der Stadt zu kommen, begab ſich theils faſt nackend, und theils<lb/> halb gekleidet nach einer groſſen Ebene unweit der Stadt. Unter denſelben ſa-<lb/> he man auch den Frantzoͤſiſchen Ambaſſadeur nebſt ſeiner Gemahlin, in bloſſen<lb/> Unter-Kleidern. Andere vornehme Damen ſahen noch viel unordentlicher<lb/> aus. Die Menſchen haben ſich 3. Tage lang unter Zelten, welche man aufge-<lb/> ſchlagen hatte, aufgehalten, und der Koͤnig ſelbſt hat ſich in dieſen Tagen im offe-<lb/> nen Felde, und ſogar in ſeinem Reit-Zeuge behelffen muͤſſen. Durch die Be-<lb/> ſtuͤrtzung und Unordnung hat man an keine Lebens-Mittel dencken koͤnnen; und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
ſchuͤtterung auf den Gaſſen niedergeworffen, und dorten Ungluͤckliche, die durch
den unglaublichen Staub, den das Einſtuͤrtzen der Haͤuſer verurſachte, erſtickt
waren. Weil es um die Zeit war, daß in allen Haͤuſern Anſtalten in der Kuͤ-
che zur Mittags-Mahlzeit gemacht wurden, und alſo, zumal in den groſſen Kuͤ-
chen, viel Feuer auf den Herden war; ſo geriethen die Haͤuſer, wann ſie ein-
ſtuͤrtzten, in Brand. Das Blut-Bad bey Einnehmung einer Stadt mit ſtuͤr-
mender Hand iſt ſo erſchrecklich nicht, als das Erdbeben, ſo man hier ausge-
ſtanden hat. Dieſe Stadt ſchloß in ihrem Umkreis 3. Gebirge, alle mit Haͤuſer
beſetzet, ein, und von dieſen ſind nur wenige, ausgenommen die, welche ſehr
hoch ſtunden, ſtehen geblieben, die aber nachher auch von dem Feuer verzehret
worden ſind. Die hier befindlichen Engliſchen Kauffleute haben am meiſten
gelitten, weil ſie die groͤßte Handlung hier fuͤhren, und viele mit Waaren an-
gefuͤllte Magazine hatten; und da dieſelben an dem Fuſſe des Gebirges lagen,
um nahe bey dem Fluſſe zu ſeyn, ſo ſind ſie alle mit den Menſchen und den da-
rinn befindlichen Koſtbarkeiten weggeſpuͤhlet worden. Dreyhundert Jeſuiten
ſind mit ihren Haͤuſern verſchlungen worden. Die Gefangenen der Jnqviſiti-
on oͤffneten, wie ihre Waͤchter ſie verlieſſen, ihre Gefaͤngniſſe, und machten ſich
die allgemeine Verwirrung zu Nutze, eine unmenſchliche Rache an ihren Rich-
tern zu nehmen. Zum groſſen Gluͤcke befand ſich der Koͤnig auf dem Luſt-
Schloſſe Belem, welches Sr. Majeſtaͤt laͤngs dem Tago haben bauen laſſen.
Das Koͤnigliche Schloß in dieſer Stadt iſt gaͤntzlich verwuͤſtet; und wenn Sr.
Majeſtaͤt hier geweſen waͤren, wuͤrden ſie unfehlbahr das Leben verlohren haben.
Dieſe erſchroͤckliche Verwuͤſtung iſt in weniger als 10. Minuten geſchehen.
Aus den Haͤuſern, welche zuletzt umgeſtuͤrtzt ſind, haben die Menſchen ſich mit
genauer Noth gerettet. Was den unausſprechlichen Schaden noch vergroͤſſert,
iſt, daß die Braſiliſche Flotte, welche groſſe Schaͤtze mitgebracht hatte, kurtz
vorher auf dem Tago angekommen war, und daß man weder die Diaman-
ten, noch das Gold oder Silber, welches daraus geloͤſcht worden, wird wie-
der finden koͤnnen. Verſchiedene Engliſche und Portugiſiſche Schiffe, wel-
che auf der Rheede gelegen, ſind von den wuͤttenden Wellen auf das trockene
Land geworffen worden. Die kleine Anzahl Menſchen, welche das Gluͤck
gehabt aus der Stadt zu kommen, begab ſich theils faſt nackend, und theils
halb gekleidet nach einer groſſen Ebene unweit der Stadt. Unter denſelben ſa-
he man auch den Frantzoͤſiſchen Ambaſſadeur nebſt ſeiner Gemahlin, in bloſſen
Unter-Kleidern. Andere vornehme Damen ſahen noch viel unordentlicher
aus. Die Menſchen haben ſich 3. Tage lang unter Zelten, welche man aufge-
ſchlagen hatte, aufgehalten, und der Koͤnig ſelbſt hat ſich in dieſen Tagen im offe-
nen Felde, und ſogar in ſeinem Reit-Zeuge behelffen muͤſſen. Durch die Be-
ſtuͤrtzung und Unordnung hat man an keine Lebens-Mittel dencken koͤnnen; und
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