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Das Heller-Blatt. Nr. 16. Breslau, 19. April 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]

Wenn nun noch überdies aus der Mitte des Ofens
eine Röhre die geistigen Dämpfe, die aus dem Brodte
entweichen, in den Vorplatz und in einen Kühlapparat
leitet, so kann auch der im Brodte enthaltene Spiri-
tus als Nebenprodukt gewonnen werden.

Auch Feldbäckereien für eine Armee ließen sich auf
diese Art sehr leicht einrichten, und es könnte ein sol-
cher Ofen sammt der Feuerungseinrichtung auf einem
Wagen, also transportabel, eingerichtet werden, für
eine Armee, ihre Beweglichkeit und Verpflegung ein
großer, nicht zu berechnender Gewinn.



Ein Orkan in Nordamerika.
( Geschildert von J. J. Audubon. )

Verschiedene Gegenden unsers Vaterlandes haben
zu verschiedenen Zeiten viel von gewaltigen Stürmen
gelitten, von denen einige fast die ganze Ausdehnung
der Vereinigten Staaten durchzogen und so tiefe Ein-
drücke zurückließen, daß sie nicht so leicht vergessen wer-
den können. Da ich eine dieser grausigen Naturerschei-
nungen in ihrer ganzen furchtbaren Großartigkeit mit
ansah, will ich dem Leser eine Schilderung davon zu
geben versuchen.

Jch hatte das Dorf Shawaney am Ufer des Ohio
auf meiner Rückreise von Henderson verlassen, das eben-
falls an diesem schönen Strome liegt. Das Wetter
war angenehm, und mir kam es nicht wärmer vor, als
es in dieser Jahreszeit zu seyn pflegt. Mein Pferd trabte
gelassen seinen Weg hin, und ich beschäftigte mich ein-
mal im Leben in Gedanken gänzlich mit Handelsspeku-
lationen. Jch war durch den Hahland=Creek geritten
und kam eben in ein Thal zwischen diesem und dem
Lande=Creek, als ich mit einemmale eine große Verän-
derung im Aussehen des Himmels bemerkte. Ein dik-
ker Dampf fing an die Gegend zu überziehen, und ich
erwartete im Anfange ein Erdbeben, aber mein Pferd
schien keine Neigung zu fühlen, stehen zu bleiben und
sich auf ein solches Ereigniß vorzubereiten. Jch hatte
beinahe die Mitte des Thal=Landes erreicht, als ich an
einem Bache hielt und abstieg, um meinen Durst zu lö-
schen. Jch kniete und hatte mich so tief gebückt, daß
meine Lippen bereits fast das Wasser berührten, als ich
einen fernen murmelnden, unerklärlichen Ton vernahm.
Jch trank indeß und als ich aufstand, blickte ich nach
Südwesten, und bemerkte daselbst einen gelblichen, ei-
runden Fleck, wie ich ihn nie gesehen hatte. Es blieb
mir sehr wenig Zeit zur Ueberlegung, denn im nächsten
Augenblicke fing ein starker Wind die höhern Baumspiz-
zen zu bewegen an, der sich immer mehr bis zu einer
ungeahneten Höhe verstärkte, so daß bereits die kleinern
Aeste und Zweige in schiefer Richtung auf den Boden
fielen. Kaum waren zwei Minuten vergangen, als
sich der ganze Wald vor mir in der fürchterlichsten Er-
[Spaltenumbruch] schütterung befand. Hier und da wurde ein Baum an
den andern gedrückt, und es entstand ein furchtbares
Krachen und Sausen. Fast unwillkührlich wandte ich
mich nach der Richtung hin, von welcher der Wind kam,
und ich sah zu meinem größten Erstaunen die stolzesten
Bäume des Waldes ihre luftigen Wipfel tief beugen
und, unfähig dem Orkane zu widerstehen, in Stücke
fallen. Erst brachen knackend die Aeste ab, dann folg-
ten die obern Theile der gewaltigen Stämme, und bis-
weilen stürzten ganze riesige Bäume auf einmal nieder.
Der Sturm schritt so schnell vorwärts, daß, ehe ich
an Vorsichtsmaßregeln denken konnte, der Orkan an
mir vorübersausete. Nie vergesse ich den Anblick, der
sich da meinen Augen darbot. Die Baumwipfel be-
wegten sich auf unbegreifliche, nie gesehene Weise in dem
Mittelstrome des Sturms, der eine solche Masse von
Aesten und Zweigen mit sich fortriß, daß die Luft völ-
lig davon verdunkelt wurde. Mehrere der stärksten
Bäume neigten sich und rissen im Sturme auseinander,
andere brachen auf einmal mitten entzwei und viele
stürzten nach kurzem Widerstande entwurzelt zu Boden.
Die Menge der Aeste, Zweige, Blätter und des Stau-
bes, welche durch die Luft geführt wurde, ward wie
Federn fortgetrieben, und war sie vorüber, so zeigte
sich ein unabsehbarer, mit umgestürzten Bäumen, nack-
ten Stämmen und Haufen gestaltloser Ruinen bedeckter
Raum, der den Weg des Sturmes bezeichnete. Dieser
Raum war ungefähr eine Viertelmeile ( englische ) breit,
und ich stellte mir vor, das ausgetrocknete Bett des
Missisippi müsse so aussehen. Das furchtbare Getöse
glich dem des großen Niagara=Falles und brachte in mir
ein unbeschreibliches Gefühl hervor.

Die Hauptkraft des Orkans war nun vorüber, ob-
gleich noch Millionen Zweige und kleine Aeste, die aus
großer Ferne her getrieben waren, dem Sturme folgten,
als würden sie von einer geheimnißvollen Macht gezo-
gen oder schwämmen in einem Strome. Sie schwam-
men noch stundenlang in der Luft, als würden sie von
der dicken Staubwolke getragen. Der Himmel hatte
nun eine graugrünliche Farbe, und die Luft war mit ei-
nem höchst unangenehmen Schwefelgeruche geschwän-
gert. Jch wartete, da ich nicht verletzt war, in Er-
staunen und Verwunderung, bis die Natur endlich ihr
gewöhnliches Aussehen wieder annahm. Einige Au-
genblicke war ich unentschlossen, ob ich nach Morgan-
town zurückkehren, oder meinen Weg durch die Trüm-
mer des Sturmes hindurch zu erzwingen versuchen solle.
Da indeß meine Geschäfte dringend waren, so wagte
ich mich in den Weg hinein, den der Sturm genommen
hatte, und kam endlich nach tausend und aber tausend
Hindernissen darüber hin. Jch mußte mein Pferd am
Zügel führen, damit es über die umgestürzten Bäume
hinwegsteigen konnte, während ich oben darüber oder
unter hin kletterte oder kroch, wie es gerade am besten
ging. Als ich in meinem Hause ankam, erzählte ich
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]

Wenn nun noch überdies aus der Mitte des Ofens
eine Röhre die geistigen Dämpfe, die aus dem Brodte
entweichen, in den Vorplatz und in einen Kühlapparat
leitet, so kann auch der im Brodte enthaltene Spiri-
tus als Nebenprodukt gewonnen werden.

Auch Feldbäckereien für eine Armee ließen sich auf
diese Art sehr leicht einrichten, und es könnte ein sol-
cher Ofen sammt der Feuerungseinrichtung auf einem
Wagen, also transportabel, eingerichtet werden, für
eine Armee, ihre Beweglichkeit und Verpflegung ein
großer, nicht zu berechnender Gewinn.



Ein Orkan in Nordamerika.
( Geschildert von J. J. Audubon. )

Verschiedene Gegenden unsers Vaterlandes haben
zu verschiedenen Zeiten viel von gewaltigen Stürmen
gelitten, von denen einige fast die ganze Ausdehnung
der Vereinigten Staaten durchzogen und so tiefe Ein-
drücke zurückließen, daß sie nicht so leicht vergessen wer-
den können. Da ich eine dieser grausigen Naturerschei-
nungen in ihrer ganzen furchtbaren Großartigkeit mit
ansah, will ich dem Leser eine Schilderung davon zu
geben versuchen.

Jch hatte das Dorf Shawaney am Ufer des Ohio
auf meiner Rückreise von Henderson verlassen, das eben-
falls an diesem schönen Strome liegt. Das Wetter
war angenehm, und mir kam es nicht wärmer vor, als
es in dieser Jahreszeit zu seyn pflegt. Mein Pferd trabte
gelassen seinen Weg hin, und ich beschäftigte mich ein-
mal im Leben in Gedanken gänzlich mit Handelsspeku-
lationen. Jch war durch den Hahland=Creek geritten
und kam eben in ein Thal zwischen diesem und dem
Lande=Creek, als ich mit einemmale eine große Verän-
derung im Aussehen des Himmels bemerkte. Ein dik-
ker Dampf fing an die Gegend zu überziehen, und ich
erwartete im Anfange ein Erdbeben, aber mein Pferd
schien keine Neigung zu fühlen, stehen zu bleiben und
sich auf ein solches Ereigniß vorzubereiten. Jch hatte
beinahe die Mitte des Thal=Landes erreicht, als ich an
einem Bache hielt und abstieg, um meinen Durst zu lö-
schen. Jch kniete und hatte mich so tief gebückt, daß
meine Lippen bereits fast das Wasser berührten, als ich
einen fernen murmelnden, unerklärlichen Ton vernahm.
Jch trank indeß und als ich aufstand, blickte ich nach
Südwesten, und bemerkte daselbst einen gelblichen, ei-
runden Fleck, wie ich ihn nie gesehen hatte. Es blieb
mir sehr wenig Zeit zur Ueberlegung, denn im nächsten
Augenblicke fing ein starker Wind die höhern Baumspiz-
zen zu bewegen an, der sich immer mehr bis zu einer
ungeahneten Höhe verstärkte, so daß bereits die kleinern
Aeste und Zweige in schiefer Richtung auf den Boden
fielen. Kaum waren zwei Minuten vergangen, als
sich der ganze Wald vor mir in der fürchterlichsten Er-
[Spaltenumbruch] schütterung befand. Hier und da wurde ein Baum an
den andern gedrückt, und es entstand ein furchtbares
Krachen und Sausen. Fast unwillkührlich wandte ich
mich nach der Richtung hin, von welcher der Wind kam,
und ich sah zu meinem größten Erstaunen die stolzesten
Bäume des Waldes ihre luftigen Wipfel tief beugen
und, unfähig dem Orkane zu widerstehen, in Stücke
fallen. Erst brachen knackend die Aeste ab, dann folg-
ten die obern Theile der gewaltigen Stämme, und bis-
weilen stürzten ganze riesige Bäume auf einmal nieder.
Der Sturm schritt so schnell vorwärts, daß, ehe ich
an Vorsichtsmaßregeln denken konnte, der Orkan an
mir vorübersausete. Nie vergesse ich den Anblick, der
sich da meinen Augen darbot. Die Baumwipfel be-
wegten sich auf unbegreifliche, nie gesehene Weise in dem
Mittelstrome des Sturms, der eine solche Masse von
Aesten und Zweigen mit sich fortriß, daß die Luft völ-
lig davon verdunkelt wurde. Mehrere der stärksten
Bäume neigten sich und rissen im Sturme auseinander,
andere brachen auf einmal mitten entzwei und viele
stürzten nach kurzem Widerstande entwurzelt zu Boden.
Die Menge der Aeste, Zweige, Blätter und des Stau-
bes, welche durch die Luft geführt wurde, ward wie
Federn fortgetrieben, und war sie vorüber, so zeigte
sich ein unabsehbarer, mit umgestürzten Bäumen, nack-
ten Stämmen und Haufen gestaltloser Ruinen bedeckter
Raum, der den Weg des Sturmes bezeichnete. Dieser
Raum war ungefähr eine Viertelmeile ( englische ) breit,
und ich stellte mir vor, das ausgetrocknete Bett des
Missisippi müsse so aussehen. Das furchtbare Getöse
glich dem des großen Niagara=Falles und brachte in mir
ein unbeschreibliches Gefühl hervor.

Die Hauptkraft des Orkans war nun vorüber, ob-
gleich noch Millionen Zweige und kleine Aeste, die aus
großer Ferne her getrieben waren, dem Sturme folgten,
als würden sie von einer geheimnißvollen Macht gezo-
gen oder schwämmen in einem Strome. Sie schwam-
men noch stundenlang in der Luft, als würden sie von
der dicken Staubwolke getragen. Der Himmel hatte
nun eine graugrünliche Farbe, und die Luft war mit ei-
nem höchst unangenehmen Schwefelgeruche geschwän-
gert. Jch wartete, da ich nicht verletzt war, in Er-
staunen und Verwunderung, bis die Natur endlich ihr
gewöhnliches Aussehen wieder annahm. Einige Au-
genblicke war ich unentschlossen, ob ich nach Morgan-
town zurückkehren, oder meinen Weg durch die Trüm-
mer des Sturmes hindurch zu erzwingen versuchen solle.
Da indeß meine Geschäfte dringend waren, so wagte
ich mich in den Weg hinein, den der Sturm genommen
hatte, und kam endlich nach tausend und aber tausend
Hindernissen darüber hin. Jch mußte mein Pferd am
Zügel führen, damit es über die umgestürzten Bäume
hinwegsteigen konnte, während ich oben darüber oder
unter hin kletterte oder kroch, wie es gerade am besten
ging. Als ich in meinem Hause ankam, erzählte ich
[Ende Spaltensatz]

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Da ich eine dieser grausigen Naturerschei- nungen in ihrer ganzen furchtbaren Großartigkeit mit ansah, will ich dem Leser eine Schilderung davon zu geben versuchen. Jch hatte das Dorf Shawaney am Ufer des Ohio auf meiner Rückreise von Henderson verlassen, das eben- falls an diesem schönen Strome liegt. Das Wetter war angenehm, und mir kam es nicht wärmer vor, als es in dieser Jahreszeit zu seyn pflegt. Mein Pferd trabte gelassen seinen Weg hin, und ich beschäftigte mich ein- mal im Leben in Gedanken gänzlich mit Handelsspeku- lationen. Jch war durch den Hahland=Creek geritten und kam eben in ein Thal zwischen diesem und dem Lande=Creek, als ich mit einemmale eine große Verän- derung im Aussehen des Himmels bemerkte. Ein dik- ker Dampf fing an die Gegend zu überziehen, und ich erwartete im Anfange ein Erdbeben, aber mein Pferd schien keine Neigung zu fühlen, stehen zu bleiben und sich auf ein solches Ereigniß vorzubereiten. Jch hatte beinahe die Mitte des Thal=Landes erreicht, als ich an einem Bache hielt und abstieg, um meinen Durst zu lö- schen. Jch kniete und hatte mich so tief gebückt, daß meine Lippen bereits fast das Wasser berührten, als ich einen fernen murmelnden, unerklärlichen Ton vernahm. Jch trank indeß und als ich aufstand, blickte ich nach Südwesten, und bemerkte daselbst einen gelblichen, ei- runden Fleck, wie ich ihn nie gesehen hatte. Es blieb mir sehr wenig Zeit zur Ueberlegung, denn im nächsten Augenblicke fing ein starker Wind die höhern Baumspiz- zen zu bewegen an, der sich immer mehr bis zu einer ungeahneten Höhe verstärkte, so daß bereits die kleinern Aeste und Zweige in schiefer Richtung auf den Boden fielen. Kaum waren zwei Minuten vergangen, als sich der ganze Wald vor mir in der fürchterlichsten Er- schütterung befand. Hier und da wurde ein Baum an den andern gedrückt, und es entstand ein furchtbares Krachen und Sausen. Fast unwillkührlich wandte ich mich nach der Richtung hin, von welcher der Wind kam, und ich sah zu meinem größten Erstaunen die stolzesten Bäume des Waldes ihre luftigen Wipfel tief beugen und, unfähig dem Orkane zu widerstehen, in Stücke fallen. Erst brachen knackend die Aeste ab, dann folg- ten die obern Theile der gewaltigen Stämme, und bis- weilen stürzten ganze riesige Bäume auf einmal nieder. Der Sturm schritt so schnell vorwärts, daß, ehe ich an Vorsichtsmaßregeln denken konnte, der Orkan an mir vorübersausete. Nie vergesse ich den Anblick, der sich da meinen Augen darbot. Die Baumwipfel be- wegten sich auf unbegreifliche, nie gesehene Weise in dem Mittelstrome des Sturms, der eine solche Masse von Aesten und Zweigen mit sich fortriß, daß die Luft völ- lig davon verdunkelt wurde. Mehrere der stärksten Bäume neigten sich und rissen im Sturme auseinander, andere brachen auf einmal mitten entzwei und viele stürzten nach kurzem Widerstande entwurzelt zu Boden. 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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 16. Breslau, 19. April 1834, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller16_1834/3>, abgerufen am 06.06.2024.