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Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 1. März 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]
Art in Norwegen zu reisen.

Jn den nordischen Reichen ist die Art zu reisen sehr
verschieden von der in Deutschland oder Frankreich.
Eigentliche Posten giebt es nicht, es findet aber eine
allgemeine Fuhrpflichtigkeit statt. Für die Reisenden
sind in Entfernungen von 1 bis 2 Meilen auf der Heer-
straße Stationen angeordnet, auf denen zwei Personen,
deren Geschäfte nur selten in Einer vereinigt sind, für
das Fortkommen sorgen. Sie sind der Wirth ( Giest-
giver ) und der Skytsskaffer, der die Pferde her-
beischafft. Der Einwohner, welchen die Reihe trifft,
muß sich als Fuhrmann zeitig einstellen, oder er ver-
fällt in eine Geldstrafe, so wie auf der andern Seite der
Reisende, welcher den Fuhrpflichtigen über1 3 / 4 Stun-
den warten läßt, außer dem gesetzlichen Fahrgelde noch
ein Wartgeld zahlen muß. Auf jeder Station liegt ein
Buch bereit, in welches der Reisende seinen Namen und
den Weg, den er einzuschlagen gedenkt, so wie etwanige
Beschwerden einträgt. Unter die letztern gehören aber
nicht Klagen über zu langsames Fahren, was der Rei-
sende sich selbst beizumessen hat, indem es ihm freisteht,
die Pferde selbst anzutreiben, da sein Verhältniß zu dem
Eigenthümer nach den Regeln des Miethsvertrages be-
urtheilt wird. Dem Vogt, welcher Polizeibeamter ist,
wird das Buch an den Gerichtstagen vorgelegt und er
bestraft nach Maßgabe desselben und der Erklärung des
Giestgiver die Pflichtversäumung. Strengt der Rei-
sende die Pferde über Gebühr an, so wird er auf der
nächsten Station nicht eher befördert, bis er sich mit
dem klagenden Fuhrmann geeiniget hat. Der Reisende
ist ferner verpflichtet auf der Station eine Stunde auf
Pferde zu warten, wenn die Fuhrpflichtigen eine viertel
Meile entfernt sind, zwei Stunden, wenn die Entfer-
nung eine halbe Meile, und drei Stunden, wenn sie
eine Meile beträgt.

Die Beförderung geschieht auf Karren oder Schlit-
ten, niemals auf einem eigentlichen Wagen, und wenn
man durch einen Forbut ( Vorboten ) die Pferde vor-
ausbestellt, so können täglich zwölf nordische Meilen
zurückgelegt werden.



Englische Särge.

Die Särge der Engländer sind sehr verschieden von
denen der andern Völker. Unsern deutschen Särgen
sieht man es an, daß dabei an Holzersparniß nicht ge-
dacht worden. Ein englischer Sarg enthält nach kubi-
schen Jnhalt blos den dritten Theil so viel Holz als ein
deutscher. Die deutschen Särge haben die Form von
Sarkophagen; aber der englische Sarg ist enge einge-
preßt, und von dünnen Brettern gemacht; der Deckel
ist ganz platt, so daß ein geschlossener Sarg, eine völlig
ebene Oberfläche darbietet. Er hat auch kein Posta-
[Spaltenumbruch] ment. Seine Höhe ist1 1 / 2 Fuß rheinländisch, und wo
ein deutscher Sarg steht, da würden beinahe drei eng-
lische übereinander Platz haben. Jn London trägt eine
Person den Sarg, auf den Rücken gebunden, fort.

Weil die Engländer einen Abscheu vor dem Zerglie-
dern haben, so giebt es Tischler, welche sich ein großes
Vermögen durch eine besondere Art von schwer oder
gar nicht zu öffnenden Särgen, erworben haben.



Das wohlschmeckende Gift.

Jemsheed, der Erbauer von Persepolis, gilt in
Persien für den Erfinder des Weins, als Getränk.

Er war ein großer Liebhaber von Weintrauben,
und suchte die gesammelten in der vorgerückten Jahres-
zeit so spät als möglich aufzubewahren. Er ließ sie
deshalb in Gefäße thun, um sie auf solche Weise an
einem kühlen Orte frisch zu erhalten.

Als der Schach nach einiger Zeit eines dieser Ge-
fäße öffnen ließ, hatten die Trauben gegohren, und der
Saft, den er kostete, war so stark, scharf und beißend,
daß er ihn für Gift hielt. Er befahl nun, auf sämmt-
liche Gefäße einen Zettel mit den Worten: Gift, zu
kleben, und so blieben sie eine geraume Zeit in der Nähe
seiner Gemächer an einem abgesonderten Orte stehen.

Eine seiner Favoritinnen litt an heftigem Kopf-
weh. Der Schmerz nahm so überhand und wurde so
unerträglich, daß sie sich den Tod wünschte. Zufällig
trat sie, von Angst getrieben, umherlaufend, in das
Gemach, wo die mit Trauben gefüllten Gefäße standen,
sie las daran das Wort: Gift, und um ihrem Schmerz
und Leben rasch ein Ende zu machen, trank sie aus
einem solchen Gefäße mit langen Zügen.

Der Wein - denn es war Wein geworden -
bemächtigte sich der Sinne der Trinkerin; sie versank in
einen tiefen Schlaf; beim Erwachen fühlte sie sich heiter
und leicht, und sie gebrauchte diese Kur so lange, bis
der ganze Vorrath verbraucht war.

Der Schach machte endlich die Entdeckung von der
Ausleerung dieser Gefäße. Er wollte wissen, wo das
Gift geblieben sei. Die Favoritin gestand ihm, daß sie
es nach und nach getrunken und welche Wirkungen sie
davon verspürt habe. Sogleich befahl der Schach,
neuen Wein zu machen, der nun vom ganzen Hofe ge-
trunken wurde. Das neue Getränk wurde damals in
Persien Zehe=e=Kroshou, das wohlschmeckende
Gift
genannt, und führt dort auch jetzt noch diesen
Namen.



Elephanten=Jagd von Golkonda.

Wenn die Jäger in Golkonda den Platz in dem
Walde erspürt haben, den eine Heerde Elephanten häu-
fig besucht, so hauen sie bequemere Pfade aus, aber sie
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]
Art in Norwegen zu reisen.

Jn den nordischen Reichen ist die Art zu reisen sehr
verschieden von der in Deutschland oder Frankreich.
Eigentliche Posten giebt es nicht, es findet aber eine
allgemeine Fuhrpflichtigkeit statt. Für die Reisenden
sind in Entfernungen von 1 bis 2 Meilen auf der Heer-
straße Stationen angeordnet, auf denen zwei Personen,
deren Geschäfte nur selten in Einer vereinigt sind, für
das Fortkommen sorgen. Sie sind der Wirth ( Giest-
giver ) und der Skytsskaffer, der die Pferde her-
beischafft. Der Einwohner, welchen die Reihe trifft,
muß sich als Fuhrmann zeitig einstellen, oder er ver-
fällt in eine Geldstrafe, so wie auf der andern Seite der
Reisende, welcher den Fuhrpflichtigen über1 3 / 4 Stun-
den warten läßt, außer dem gesetzlichen Fahrgelde noch
ein Wartgeld zahlen muß. Auf jeder Station liegt ein
Buch bereit, in welches der Reisende seinen Namen und
den Weg, den er einzuschlagen gedenkt, so wie etwanige
Beschwerden einträgt. Unter die letztern gehören aber
nicht Klagen über zu langsames Fahren, was der Rei-
sende sich selbst beizumessen hat, indem es ihm freisteht,
die Pferde selbst anzutreiben, da sein Verhältniß zu dem
Eigenthümer nach den Regeln des Miethsvertrages be-
urtheilt wird. Dem Vogt, welcher Polizeibeamter ist,
wird das Buch an den Gerichtstagen vorgelegt und er
bestraft nach Maßgabe desselben und der Erklärung des
Giestgiver die Pflichtversäumung. Strengt der Rei-
sende die Pferde über Gebühr an, so wird er auf der
nächsten Station nicht eher befördert, bis er sich mit
dem klagenden Fuhrmann geeiniget hat. Der Reisende
ist ferner verpflichtet auf der Station eine Stunde auf
Pferde zu warten, wenn die Fuhrpflichtigen eine viertel
Meile entfernt sind, zwei Stunden, wenn die Entfer-
nung eine halbe Meile, und drei Stunden, wenn sie
eine Meile beträgt.

Die Beförderung geschieht auf Karren oder Schlit-
ten, niemals auf einem eigentlichen Wagen, und wenn
man durch einen Forbut ( Vorboten ) die Pferde vor-
ausbestellt, so können täglich zwölf nordische Meilen
zurückgelegt werden.



Englische Särge.

Die Särge der Engländer sind sehr verschieden von
denen der andern Völker. Unsern deutschen Särgen
sieht man es an, daß dabei an Holzersparniß nicht ge-
dacht worden. Ein englischer Sarg enthält nach kubi-
schen Jnhalt blos den dritten Theil so viel Holz als ein
deutscher. Die deutschen Särge haben die Form von
Sarkophagen; aber der englische Sarg ist enge einge-
preßt, und von dünnen Brettern gemacht; der Deckel
ist ganz platt, so daß ein geschlossener Sarg, eine völlig
ebene Oberfläche darbietet. Er hat auch kein Posta-
[Spaltenumbruch] ment. Seine Höhe ist1 1 / 2 Fuß rheinländisch, und wo
ein deutscher Sarg steht, da würden beinahe drei eng-
lische übereinander Platz haben. Jn London trägt eine
Person den Sarg, auf den Rücken gebunden, fort.

Weil die Engländer einen Abscheu vor dem Zerglie-
dern haben, so giebt es Tischler, welche sich ein großes
Vermögen durch eine besondere Art von schwer oder
gar nicht zu öffnenden Särgen, erworben haben.



Das wohlschmeckende Gift.

Jemsheed, der Erbauer von Persepolis, gilt in
Persien für den Erfinder des Weins, als Getränk.

Er war ein großer Liebhaber von Weintrauben,
und suchte die gesammelten in der vorgerückten Jahres-
zeit so spät als möglich aufzubewahren. Er ließ sie
deshalb in Gefäße thun, um sie auf solche Weise an
einem kühlen Orte frisch zu erhalten.

Als der Schach nach einiger Zeit eines dieser Ge-
fäße öffnen ließ, hatten die Trauben gegohren, und der
Saft, den er kostete, war so stark, scharf und beißend,
daß er ihn für Gift hielt. Er befahl nun, auf sämmt-
liche Gefäße einen Zettel mit den Worten: Gift, zu
kleben, und so blieben sie eine geraume Zeit in der Nähe
seiner Gemächer an einem abgesonderten Orte stehen.

Eine seiner Favoritinnen litt an heftigem Kopf-
weh. Der Schmerz nahm so überhand und wurde so
unerträglich, daß sie sich den Tod wünschte. Zufällig
trat sie, von Angst getrieben, umherlaufend, in das
Gemach, wo die mit Trauben gefüllten Gefäße standen,
sie las daran das Wort: Gift, und um ihrem Schmerz
und Leben rasch ein Ende zu machen, trank sie aus
einem solchen Gefäße mit langen Zügen.

Der Wein – denn es war Wein geworden –
bemächtigte sich der Sinne der Trinkerin; sie versank in
einen tiefen Schlaf; beim Erwachen fühlte sie sich heiter
und leicht, und sie gebrauchte diese Kur so lange, bis
der ganze Vorrath verbraucht war.

Der Schach machte endlich die Entdeckung von der
Ausleerung dieser Gefäße. Er wollte wissen, wo das
Gift geblieben sei. Die Favoritin gestand ihm, daß sie
es nach und nach getrunken und welche Wirkungen sie
davon verspürt habe. Sogleich befahl der Schach,
neuen Wein zu machen, der nun vom ganzen Hofe ge-
trunken wurde. Das neue Getränk wurde damals in
Persien Zehe=e=Kroshou, das wohlschmeckende
Gift
genannt, und führt dort auch jetzt noch diesen
Namen.



Elephanten=Jagd von Golkonda.

Wenn die Jäger in Golkonda den Platz in dem
Walde erspürt haben, den eine Heerde Elephanten häu-
fig besucht, so hauen sie bequemere Pfade aus, aber sie
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Unter die letztern gehören aber nicht Klagen über zu langsames Fahren, was der Rei- sende sich selbst beizumessen hat, indem es ihm freisteht, die Pferde selbst anzutreiben, da sein Verhältniß zu dem Eigenthümer nach den Regeln des Miethsvertrages be- urtheilt wird. Dem Vogt, welcher Polizeibeamter ist, wird das Buch an den Gerichtstagen vorgelegt und er bestraft nach Maßgabe desselben und der Erklärung des Giestgiver die Pflichtversäumung. Strengt der Rei- sende die Pferde über Gebühr an, so wird er auf der nächsten Station nicht eher befördert, bis er sich mit dem klagenden Fuhrmann geeiniget hat. Der Reisende ist ferner verpflichtet auf der Station eine Stunde auf Pferde zu warten, wenn die Fuhrpflichtigen eine viertel Meile entfernt sind, zwei Stunden, wenn die Entfer- nung eine halbe Meile, und drei Stunden, wenn sie eine Meile beträgt. Die Beförderung geschieht auf Karren oder Schlit- ten, niemals auf einem eigentlichen Wagen, und wenn man durch einen Forbut ( Vorboten ) die Pferde vor- ausbestellt, so können täglich zwölf nordische Meilen zurückgelegt werden. Englische Särge. Die Särge der Engländer sind sehr verschieden von denen der andern Völker. Unsern deutschen Särgen sieht man es an, daß dabei an Holzersparniß nicht ge- dacht worden. Ein englischer Sarg enthält nach kubi- schen Jnhalt blos den dritten Theil so viel Holz als ein deutscher. Die deutschen Särge haben die Form von Sarkophagen; aber der englische Sarg ist enge einge- preßt, und von dünnen Brettern gemacht; der Deckel ist ganz platt, so daß ein geschlossener Sarg, eine völlig ebene Oberfläche darbietet. Er hat auch kein Posta- ment. Seine Höhe ist1 1 / 2 Fuß rheinländisch, und wo ein deutscher Sarg steht, da würden beinahe drei eng- lische übereinander Platz haben. Jn London trägt eine Person den Sarg, auf den Rücken gebunden, fort. 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Das neue Getränk wurde damals in Persien Zehe=e=Kroshou, das wohlschmeckende Gift genannt, und führt dort auch jetzt noch diesen Namen. Elephanten=Jagd von Golkonda. Wenn die Jäger in Golkonda den Platz in dem Walde erspürt haben, den eine Heerde Elephanten häu- fig besucht, so hauen sie bequemere Pfade aus, aber sie

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 1. März 1834, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller09_1834/6>, abgerufen am 29.07.2024.