Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905.

Bild:
<< vorherige Seite
Dr. Eduard David: Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.
[Abbildung]
Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.
Von Dr. Eduard David, M. d. R., Friedenau.

Herr Landgerichtsrat W. Kulemann hat in seinem Aufsatz über
" Kollektivismus " in Heft 9 der "Europa" den Wunsch ausgesprochen,
es möge ein Meinungsaustausch stattfinden über das gegensätzliche wirtschaft-
liche Grundprinzip des Liberalismus und Sozialismus. Da auch ich eine rein
sachliche Auseinandersetzung über dieses Thema für geeignet halte, das gegen-
seitige Verständnis zwischen den Sozialisten und der Gruppe der sozial den-
kenden Liberalen zu fördern und dadurch das zeitweilige Zusammenstehen ge-
genüber reaktionären Vorstößen des feudal=klerikalen Heerbanns zu erleichtern,
so will ich die angebotene Diskussion aufnehmen.*)

Der Versuch Kulemanns, die Verfehltheit des Kollektivismus zu erweisen,
ist meines Erachtens völlig mißglückt. Seine ganze Beweismethode ist ver-
fehlt. Statt klar festzustellen, was denn das kollektivistische Wirtschaftsprinzip
eigentlich besage, und dann den Beweis seiner angeblichen ökonomischen Ver-
fehltheit oder psychologischen Unmöglichkeit anzutreten, liefert Kulemann nur
die Kritik einiger Begriffsfolgen im prinzipiellen Teil des Erfurter Pro-
gramms, die, selbst wenn sie zutreffend wäre, höchstens die logische Unzuläng-
lichkeit des Programms, aber keineswegs die sachliche Hinfälligkeit der so-
zialistischen Wirtschaftsidee bewiese.

Die Kulemannsche Kritik ist aber auch gar nicht zutreffend. Jch habe
bei anderen Gelegenheiten keinen Zweifel darüber gelassen, daß ich den prin-
zipiellen Teil des Programms für sehr revisionsbedürftig halte. Jch glaube
also nicht, dem Verdacht ausgesetzt zu sein, Gefühle zu hegen, die mich jeder
an ihm versuchten Kritik feindselig entgegenzutreten veranlaßten. Aber
gegen die Aussetzungen, die Kulemann zu machen hat, muß ich denn doch die

*) Mein Aufsatz war geschrieben, bevor mir Richard Calwer's Erwiderung zu
Gesicht kam. Er ergänzt diese in verschiedener Hinsicht und mag darum, auch wenn
er sich in einigen Punkten mit Calwers Ausführungen deckt, unverkürzt in die Oeffent-
lichkeit gehen. E. D.
Dr. Eduard David: Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.
[Abbildung]
Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.
Von Dr. Eduard David, M. d. R., Friedenau.

Herr Landgerichtsrat W. Kulemann hat in seinem Aufsatz über
Kollektivismus “ in Heft 9 der „Europa“ den Wunsch ausgesprochen,
es möge ein Meinungsaustausch stattfinden über das gegensätzliche wirtschaft-
liche Grundprinzip des Liberalismus und Sozialismus. Da auch ich eine rein
sachliche Auseinandersetzung über dieses Thema für geeignet halte, das gegen-
seitige Verständnis zwischen den Sozialisten und der Gruppe der sozial den-
kenden Liberalen zu fördern und dadurch das zeitweilige Zusammenstehen ge-
genüber reaktionären Vorstößen des feudal=klerikalen Heerbanns zu erleichtern,
so will ich die angebotene Diskussion aufnehmen.*)

Der Versuch Kulemanns, die Verfehltheit des Kollektivismus zu erweisen,
ist meines Erachtens völlig mißglückt. Seine ganze Beweismethode ist ver-
fehlt. Statt klar festzustellen, was denn das kollektivistische Wirtschaftsprinzip
eigentlich besage, und dann den Beweis seiner angeblichen ökonomischen Ver-
fehltheit oder psychologischen Unmöglichkeit anzutreten, liefert Kulemann nur
die Kritik einiger Begriffsfolgen im prinzipiellen Teil des Erfurter Pro-
gramms, die, selbst wenn sie zutreffend wäre, höchstens die logische Unzuläng-
lichkeit des Programms, aber keineswegs die sachliche Hinfälligkeit der so-
zialistischen Wirtschaftsidee bewiese.

Die Kulemannsche Kritik ist aber auch gar nicht zutreffend. Jch habe
bei anderen Gelegenheiten keinen Zweifel darüber gelassen, daß ich den prin-
zipiellen Teil des Programms für sehr revisionsbedürftig halte. Jch glaube
also nicht, dem Verdacht ausgesetzt zu sein, Gefühle zu hegen, die mich jeder
an ihm versuchten Kritik feindselig entgegenzutreten veranlaßten. Aber
gegen die Aussetzungen, die Kulemann zu machen hat, muß ich denn doch die

*) Mein Aufsatz war geschrieben, bevor mir Richard Calwer's Erwiderung zu
Gesicht kam. Er ergänzt diese in verschiedener Hinsicht und mag darum, auch wenn
er sich in einigen Punkten mit Calwers Ausführungen deckt, unverkürzt in die Oeffent-
lichkeit gehen. E. D.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0017" n="609"/>
      <fw type="header" place="top">Dr. Eduard David: Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.</fw><lb/>
      <figure/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip.</hi><lb/>
          <bibl>Von <author>Dr. Eduard David, M. d. R.</author>, Friedenau.</bibl>
        </head><lb/>
        <p>Herr Landgerichtsrat W. <hi rendition="#g">Kulemann</hi> hat in seinem Aufsatz über<lb/>
&#x201E; <hi rendition="#g">Kollektivismus</hi> &#x201C; in Heft 9 der &#x201E;Europa&#x201C; den Wunsch ausgesprochen,<lb/>
es möge ein Meinungsaustausch stattfinden über das gegensätzliche wirtschaft-<lb/>
liche Grundprinzip des Liberalismus und Sozialismus. Da auch ich eine rein<lb/>
sachliche Auseinandersetzung über dieses Thema für geeignet halte, das gegen-<lb/>
seitige Verständnis zwischen den Sozialisten und der Gruppe der sozial den-<lb/>
kenden Liberalen zu fördern und dadurch das zeitweilige Zusammenstehen ge-<lb/>
genüber reaktionären Vorstößen des feudal=klerikalen Heerbanns zu erleichtern,<lb/>
so will ich die angebotene Diskussion aufnehmen.<note place="foot" n="*)">Mein Aufsatz war geschrieben, bevor mir Richard Calwer's Erwiderung zu<lb/>
Gesicht kam. Er ergänzt diese in verschiedener Hinsicht und mag darum, auch wenn<lb/>
er sich in einigen Punkten mit Calwers Ausführungen deckt, unverkürzt in die Oeffent-<lb/>
lichkeit gehen. E. D.</note></p><lb/>
        <p>Der Versuch Kulemanns, die Verfehltheit des Kollektivismus zu erweisen,<lb/>
ist meines Erachtens völlig mißglückt. Seine ganze Beweismethode ist ver-<lb/>
fehlt. Statt klar festzustellen, was denn das kollektivistische Wirtschaftsprinzip<lb/>
eigentlich besage, und dann den Beweis seiner angeblichen ökonomischen Ver-<lb/>
fehltheit oder psychologischen Unmöglichkeit anzutreten, liefert Kulemann nur<lb/>
die Kritik einiger Begriffsfolgen im prinzipiellen Teil des Erfurter Pro-<lb/>
gramms, die, selbst wenn sie zutreffend wäre, höchstens die logische Unzuläng-<lb/>
lichkeit des Programms, aber keineswegs die sachliche Hinfälligkeit der so-<lb/>
zialistischen Wirtschaftsidee bewiese.</p><lb/>
        <p>Die Kulemannsche Kritik ist aber auch gar nicht zutreffend. Jch habe<lb/>
bei anderen Gelegenheiten keinen Zweifel darüber gelassen, daß ich den prin-<lb/>
zipiellen Teil des Programms für sehr revisionsbedürftig halte. Jch glaube<lb/>
also nicht, dem Verdacht ausgesetzt zu sein, Gefühle zu hegen, die mich jeder<lb/>
an ihm versuchten Kritik feindselig entgegenzutreten veranlaßten. Aber<lb/>
gegen die Aussetzungen, die Kulemann zu machen hat, muß ich denn doch die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[609/0017] Dr. Eduard David: Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip. [Abbildung] Das kollektivistische Wirtschaftsprinzip. Von Dr. Eduard David, M. d. R., Friedenau. Herr Landgerichtsrat W. Kulemann hat in seinem Aufsatz über „ Kollektivismus “ in Heft 9 der „Europa“ den Wunsch ausgesprochen, es möge ein Meinungsaustausch stattfinden über das gegensätzliche wirtschaft- liche Grundprinzip des Liberalismus und Sozialismus. Da auch ich eine rein sachliche Auseinandersetzung über dieses Thema für geeignet halte, das gegen- seitige Verständnis zwischen den Sozialisten und der Gruppe der sozial den- kenden Liberalen zu fördern und dadurch das zeitweilige Zusammenstehen ge- genüber reaktionären Vorstößen des feudal=klerikalen Heerbanns zu erleichtern, so will ich die angebotene Diskussion aufnehmen. *) Der Versuch Kulemanns, die Verfehltheit des Kollektivismus zu erweisen, ist meines Erachtens völlig mißglückt. Seine ganze Beweismethode ist ver- fehlt. Statt klar festzustellen, was denn das kollektivistische Wirtschaftsprinzip eigentlich besage, und dann den Beweis seiner angeblichen ökonomischen Ver- fehltheit oder psychologischen Unmöglichkeit anzutreten, liefert Kulemann nur die Kritik einiger Begriffsfolgen im prinzipiellen Teil des Erfurter Pro- gramms, die, selbst wenn sie zutreffend wäre, höchstens die logische Unzuläng- lichkeit des Programms, aber keineswegs die sachliche Hinfälligkeit der so- zialistischen Wirtschaftsidee bewiese. Die Kulemannsche Kritik ist aber auch gar nicht zutreffend. Jch habe bei anderen Gelegenheiten keinen Zweifel darüber gelassen, daß ich den prin- zipiellen Teil des Programms für sehr revisionsbedürftig halte. Jch glaube also nicht, dem Verdacht ausgesetzt zu sein, Gefühle zu hegen, die mich jeder an ihm versuchten Kritik feindselig entgegenzutreten veranlaßten. Aber gegen die Aussetzungen, die Kulemann zu machen hat, muß ich denn doch die *) Mein Aufsatz war geschrieben, bevor mir Richard Calwer's Erwiderung zu Gesicht kam. Er ergänzt diese in verschiedener Hinsicht und mag darum, auch wenn er sich in einigen Punkten mit Calwers Ausführungen deckt, unverkürzt in die Oeffent- lichkeit gehen. E. D.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/17
Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905, S. 609. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/17>, abgerufen am 24.11.2024.