Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

R. Calwer: Das Versprechen der Regierung an die Bergarbeiter.
sie ausschließlich eine Vertretung der elsaß=lothringischen Jnteressen darstellt.
Das ist aber nur dann zu erzielen, wenn die Bundesratsbevollmächtigten von
der Vertretung des Landes, dem Landesausschuß, ernannt werden. Graf
Bülow erklärte diesen Modus im Reichstag für unmöglich. Das beweist
natürlich noch lange nicht, das er unmöglich ist, sondern höchstens, daß die
maßgebende Stelle ihn vorläufig nicht will. Jn der Tat würde eine solche
Neuerung eine demokratische Maßregel darstellen. Denn so undem okratisch das
Wahlrecht zum Landesausschuß auch vorläufig ist -- die bloße Tatsache, daß
eine Volksvertretung auf die Zusammensetzung des Bundesrats Einfluß er-
hielte, würde einen demokratischen Einschlag in den Bundesrat bedeuten.
Natürlich gibt es noch Schwierigkeiten im Einzelnen zu überwinden. Allein
ihrer könnte man Herr werden, wenn man nur erst das Prinzip akzeptierte.

Summa summarum: Elsaß=Lothringen als Bundesstaat -- ein er-
strebens wertes Ziel.

Elsaß=Lothringen im Bundesrat als, wenn auch nicht rechtliche, so doch
tatsächliche Dependance Preußens -- eine Verschlechterung des bis-
herigen Zustandes.

Elsaß=Lothringen im Bundesrat vertreten durch frei gewählte Männer
des eigenen Vertrauens -- das Jdeal, allerdings kein von heute auf morgen
zu verwirklichendes.

[Abbildung]
Das Versprechen der Regierung
an die Bergarbeiter.

Von Richard Calwer, Berlin.

Die Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses, die die Berggesetz-
Novelle in erster Lesung beraten hat, leistet sich mit ihren Beschlüssen wohl einen
nachträglichen Aprilscherz.

Es ist ja das gute Recht des Abgeordnetenhauses, die Vorlage der
Regierung zu verschlechtern, soviel es Lust hat, oder sie auch ganz abzulehnen,
aber in der augenblicklichen Situation handelt es sich doch um einen äußerst
heiklen Fall mit weittragenden Konsequenzen. Es mag nicht richtig gewesen
sein, daß die Regierung über das Parlament hinweg streikenden Arbeitern
ein Versprechen gemacht hat, das die Regierung allein gar nicht abgeben konnte,
aber das ist nun einmal geschehen. Die Regierung ist an ihr Versprechen ge-
bunden, und es heißt sie in eine schiefe Lage bringen, wenn man ihre Vorlage
in einer Weise verschlechtert, daß nichts mehr von den versprochenen Be-
willigungen an die Bergarbeiter übrig bleibt.

R. Calwer: Das Versprechen der Regierung an die Bergarbeiter.
sie ausschließlich eine Vertretung der elsaß=lothringischen Jnteressen darstellt.
Das ist aber nur dann zu erzielen, wenn die Bundesratsbevollmächtigten von
der Vertretung des Landes, dem Landesausschuß, ernannt werden. Graf
Bülow erklärte diesen Modus im Reichstag für unmöglich. Das beweist
natürlich noch lange nicht, das er unmöglich ist, sondern höchstens, daß die
maßgebende Stelle ihn vorläufig nicht will. Jn der Tat würde eine solche
Neuerung eine demokratische Maßregel darstellen. Denn so undem okratisch das
Wahlrecht zum Landesausschuß auch vorläufig ist — die bloße Tatsache, daß
eine Volksvertretung auf die Zusammensetzung des Bundesrats Einfluß er-
hielte, würde einen demokratischen Einschlag in den Bundesrat bedeuten.
Natürlich gibt es noch Schwierigkeiten im Einzelnen zu überwinden. Allein
ihrer könnte man Herr werden, wenn man nur erst das Prinzip akzeptierte.

Summa summarum: Elsaß=Lothringen als Bundesstaat — ein er-
strebens wertes Ziel.

Elsaß=Lothringen im Bundesrat als, wenn auch nicht rechtliche, so doch
tatsächliche Dépendance Preußens — eine Verschlechterung des bis-
herigen Zustandes.

Elsaß=Lothringen im Bundesrat vertreten durch frei gewählte Männer
des eigenen Vertrauens — das Jdeal, allerdings kein von heute auf morgen
zu verwirklichendes.

[Abbildung]
Das Versprechen der Regierung
an die Bergarbeiter.

Von Richard Calwer, Berlin.

Die Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses, die die Berggesetz-
Novelle in erster Lesung beraten hat, leistet sich mit ihren Beschlüssen wohl einen
nachträglichen Aprilscherz.

Es ist ja das gute Recht des Abgeordnetenhauses, die Vorlage der
Regierung zu verschlechtern, soviel es Lust hat, oder sie auch ganz abzulehnen,
aber in der augenblicklichen Situation handelt es sich doch um einen äußerst
heiklen Fall mit weittragenden Konsequenzen. Es mag nicht richtig gewesen
sein, daß die Regierung über das Parlament hinweg streikenden Arbeitern
ein Versprechen gemacht hat, das die Regierung allein gar nicht abgeben konnte,
aber das ist nun einmal geschehen. Die Regierung ist an ihr Versprechen ge-
bunden, und es heißt sie in eine schiefe Lage bringen, wenn man ihre Vorlage
in einer Weise verschlechtert, daß nichts mehr von den versprochenen Be-
willigungen an die Bergarbeiter übrig bleibt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="604"/><fw type="header" place="top">R. Calwer: Das Versprechen der Regierung an die Bergarbeiter.</fw><lb/>
sie ausschließlich eine Vertretung der elsaß=lothringischen Jnteressen darstellt.<lb/>
Das ist aber nur dann zu erzielen, wenn die Bundesratsbevollmächtigten von<lb/>
der Vertretung des Landes, dem Landesausschuß, ernannt werden. Graf<lb/>
Bülow erklärte diesen Modus im Reichstag für unmöglich. Das beweist<lb/>
natürlich noch lange nicht, das er unmöglich ist, sondern höchstens, daß die<lb/>
maßgebende Stelle ihn vorläufig nicht will. Jn der Tat würde eine solche<lb/>
Neuerung eine demokratische Maßregel darstellen. Denn so undem okratisch das<lb/>
Wahlrecht zum Landesausschuß auch vorläufig ist &#x2014; die bloße Tatsache, daß<lb/>
eine Volksvertretung auf die Zusammensetzung des Bundesrats Einfluß er-<lb/>
hielte, würde einen demokratischen Einschlag in den Bundesrat bedeuten.<lb/>
Natürlich gibt es noch Schwierigkeiten im Einzelnen zu überwinden. Allein<lb/>
ihrer könnte man Herr werden, wenn man nur erst das Prinzip akzeptierte.</p><lb/>
        <p>Summa summarum: Elsaß=Lothringen als Bundesstaat &#x2014; ein <hi rendition="#g">er-<lb/>
strebens wertes Ziel.</hi> </p><lb/>
        <p>Elsaß=Lothringen im Bundesrat als, wenn auch nicht rechtliche, so doch<lb/>
tatsächliche D<hi rendition="#aq">é</hi>pendance Preußens &#x2014; eine <hi rendition="#g">Verschlechterung</hi> des bis-<lb/>
herigen Zustandes.</p><lb/>
        <p>Elsaß=Lothringen im Bundesrat vertreten durch frei gewählte Männer<lb/>
des eigenen Vertrauens &#x2014; das <hi rendition="#g">Jdeal,</hi> allerdings kein von heute auf morgen<lb/>
zu verwirklichendes.</p>
      </div><lb/>
      <figure/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Das Versprechen der Regierung<lb/>
an die Bergarbeiter.</hi><lb/>
          <bibl>Von <author><hi rendition="#g">Richard Calwer</hi></author>, Berlin.</bibl>
        </head><lb/>
        <p>Die Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses, die die Berggesetz-<lb/>
Novelle in erster Lesung beraten hat, leistet sich mit ihren Beschlüssen wohl einen<lb/>
nachträglichen Aprilscherz.</p><lb/>
        <p>Es ist ja das gute Recht des Abgeordnetenhauses, die Vorlage der<lb/>
Regierung zu verschlechtern, soviel es Lust hat, oder sie auch ganz abzulehnen,<lb/>
aber in der augenblicklichen Situation handelt es sich doch um einen äußerst<lb/>
heiklen Fall mit weittragenden Konsequenzen. Es mag nicht richtig gewesen<lb/>
sein, daß die Regierung über das Parlament hinweg streikenden Arbeitern<lb/>
ein Versprechen gemacht hat, das die Regierung allein gar nicht abgeben konnte,<lb/>
aber das ist nun einmal geschehen. Die Regierung ist an ihr Versprechen ge-<lb/>
bunden, und es heißt sie in eine schiefe Lage bringen, wenn man ihre Vorlage<lb/>
in einer Weise verschlechtert, daß nichts mehr von den versprochenen Be-<lb/>
willigungen an die Bergarbeiter übrig bleibt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[604/0012] R. Calwer: Das Versprechen der Regierung an die Bergarbeiter. sie ausschließlich eine Vertretung der elsaß=lothringischen Jnteressen darstellt. Das ist aber nur dann zu erzielen, wenn die Bundesratsbevollmächtigten von der Vertretung des Landes, dem Landesausschuß, ernannt werden. Graf Bülow erklärte diesen Modus im Reichstag für unmöglich. Das beweist natürlich noch lange nicht, das er unmöglich ist, sondern höchstens, daß die maßgebende Stelle ihn vorläufig nicht will. Jn der Tat würde eine solche Neuerung eine demokratische Maßregel darstellen. Denn so undem okratisch das Wahlrecht zum Landesausschuß auch vorläufig ist — die bloße Tatsache, daß eine Volksvertretung auf die Zusammensetzung des Bundesrats Einfluß er- hielte, würde einen demokratischen Einschlag in den Bundesrat bedeuten. Natürlich gibt es noch Schwierigkeiten im Einzelnen zu überwinden. Allein ihrer könnte man Herr werden, wenn man nur erst das Prinzip akzeptierte. Summa summarum: Elsaß=Lothringen als Bundesstaat — ein er- strebens wertes Ziel. Elsaß=Lothringen im Bundesrat als, wenn auch nicht rechtliche, so doch tatsächliche Dépendance Preußens — eine Verschlechterung des bis- herigen Zustandes. Elsaß=Lothringen im Bundesrat vertreten durch frei gewählte Männer des eigenen Vertrauens — das Jdeal, allerdings kein von heute auf morgen zu verwirklichendes. [Abbildung] Das Versprechen der Regierung an die Bergarbeiter. Von Richard Calwer, Berlin. Die Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses, die die Berggesetz- Novelle in erster Lesung beraten hat, leistet sich mit ihren Beschlüssen wohl einen nachträglichen Aprilscherz. Es ist ja das gute Recht des Abgeordnetenhauses, die Vorlage der Regierung zu verschlechtern, soviel es Lust hat, oder sie auch ganz abzulehnen, aber in der augenblicklichen Situation handelt es sich doch um einen äußerst heiklen Fall mit weittragenden Konsequenzen. Es mag nicht richtig gewesen sein, daß die Regierung über das Parlament hinweg streikenden Arbeitern ein Versprechen gemacht hat, das die Regierung allein gar nicht abgeben konnte, aber das ist nun einmal geschehen. Die Regierung ist an ihr Versprechen ge- bunden, und es heißt sie in eine schiefe Lage bringen, wenn man ihre Vorlage in einer Weise verschlechtert, daß nichts mehr von den versprochenen Be- willigungen an die Bergarbeiter übrig bleibt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/12
Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/12>, abgerufen am 10.06.2024.