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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 8. Berlin-Charlottenburg, 9. März 1905.

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Dr. Monty Jacobs: Elga.

Er war geistig zusammengebrochen, hatte den Verstand verloren.

Man rief einen berühmten Psychiater und Spezialisten für Untersuchungen
des Geisteszustandes eheirrender Prinzessinnen.

Die Kapazität zuckte die Achseln. " Delirium illustrans! Jllustrationskoller.
Unheilbar. Endet mit totaler Verblödung und Hirnschwund. Herr Schluck-
specht muß isoliert werden, denn die Krankheit ist ansteckend, kann eine nationale
Gefahr werden. Verblödung des ganzen Volksstammes."

*

Am anderen Morgen brachte die "Jllustrierte Stunde" in der Elf=Uhr-
Ausgabe das Bild ihres Verlegers in der Zwangsjacke -- vor sich die Photo-
graphie des Seitengewehrs --, der darüber verrückt geworden, daß er dieses
Photo des Seitengewehrs, womit der Grenadier Karzke den feindlichen japanischen
Fahnenträger erstochen, dessen Fahne er erobert, -- nicht hatte bringen können.

So kam die Abbildung des Seitengewehrs doch noch in die "J. St.", der
unglückliche Verleger Schluckspecht aber blieb verrückt.

[Abbildung]
Elga.
Von Dr. Monty Jacobs, Berlin.

Es war einmal ein kunstsinniger Fürst, Otto geheißen. An seinem Hofe
waltete in Pracht und Reife eines begnadeten Talents Meister Gerhart, der
Bildhauer. An ihn hatte sich der Fürst derart gewöhnt, daß er nur noch den
Namen des Lieblings aussprechen konnte, sobald von Kunst die Rede war.
Solchermaßen bekam Gerhart alle Aufträge, die der Monarch zu vergeben, alle
Preise, die er zu verleihen hatte. Die Gemächer des Schlosses, die Gärten
und Landhäuser waren mit den Werken des Künstlers gefüllt. Da fiel es dem
Fürsten bei, ein Marmorbild auf den Giebel seines Palastes zu setzen. Er
rief den Liebling, doch dieser wies auf seine leere Werkstatt und zuckte die
Achseln. Junge Bildner drängten herbei und boten ihre Schöpfungen an,
ausgegrabene Meisterwerke wurden herangeschafft und in lauten Worten ge-
priesen. Der Fürst aber sah nicht rechts, noch links, sondern murmelte unver-
drossen: Meister Gerhart, Meister Gerhart.... Endlich entdeckte er im
Winkel der Werkstatt ein kleines, unfertiges Tonmodell, das der Künstler im
Unmut über vergebliches Mühen mit einem Fußtritt fortgestoßen hatte. Er
hob bittend die Hände. Da lachte der Meister und sprach: "Dies armselige
Ding willst du auf den Giebel deines stolzen Palastes setzen? Wenn du dich
auslachen lassen willst, mir kann's recht sein!" Der Fürst aber hüpfte vor
Freuden und rief ein über das andere mal: Meister Gerhart, Meister Gerhart....

Dr. Monty Jacobs: Elga.

Er war geistig zusammengebrochen, hatte den Verstand verloren.

Man rief einen berühmten Psychiater und Spezialisten für Untersuchungen
des Geisteszustandes eheirrender Prinzessinnen.

Die Kapazität zuckte die Achseln. „ Delirium illustrans! Jllustrationskoller.
Unheilbar. Endet mit totaler Verblödung und Hirnschwund. Herr Schluck-
specht muß isoliert werden, denn die Krankheit ist ansteckend, kann eine nationale
Gefahr werden. Verblödung des ganzen Volksstammes.“

*

Am anderen Morgen brachte die „Jllustrierte Stunde“ in der Elf=Uhr-
Ausgabe das Bild ihres Verlegers in der Zwangsjacke — vor sich die Photo-
graphie des Seitengewehrs —, der darüber verrückt geworden, daß er dieses
Photo des Seitengewehrs, womit der Grenadier Karzke den feindlichen japanischen
Fahnenträger erstochen, dessen Fahne er erobert, — nicht hatte bringen können.

So kam die Abbildung des Seitengewehrs doch noch in die „J. St.“, der
unglückliche Verleger Schluckspecht aber blieb verrückt.

[Abbildung]
Elga.
Von Dr. Monty Jacobs, Berlin.

Es war einmal ein kunstsinniger Fürst, Otto geheißen. An seinem Hofe
waltete in Pracht und Reife eines begnadeten Talents Meister Gerhart, der
Bildhauer. An ihn hatte sich der Fürst derart gewöhnt, daß er nur noch den
Namen des Lieblings aussprechen konnte, sobald von Kunst die Rede war.
Solchermaßen bekam Gerhart alle Aufträge, die der Monarch zu vergeben, alle
Preise, die er zu verleihen hatte. Die Gemächer des Schlosses, die Gärten
und Landhäuser waren mit den Werken des Künstlers gefüllt. Da fiel es dem
Fürsten bei, ein Marmorbild auf den Giebel seines Palastes zu setzen. Er
rief den Liebling, doch dieser wies auf seine leere Werkstatt und zuckte die
Achseln. Junge Bildner drängten herbei und boten ihre Schöpfungen an,
ausgegrabene Meisterwerke wurden herangeschafft und in lauten Worten ge-
priesen. Der Fürst aber sah nicht rechts, noch links, sondern murmelte unver-
drossen: Meister Gerhart, Meister Gerhart.... Endlich entdeckte er im
Winkel der Werkstatt ein kleines, unfertiges Tonmodell, das der Künstler im
Unmut über vergebliches Mühen mit einem Fußtritt fortgestoßen hatte. Er
hob bittend die Hände. Da lachte der Meister und sprach: „Dies armselige
Ding willst du auf den Giebel deines stolzen Palastes setzen? Wenn du dich
auslachen lassen willst, mir kann's recht sein!“ Der Fürst aber hüpfte vor
Freuden und rief ein über das andere mal: Meister Gerhart, Meister Gerhart....

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[378/0042] Dr. Monty Jacobs: Elga. Er war geistig zusammengebrochen, hatte den Verstand verloren. Man rief einen berühmten Psychiater und Spezialisten für Untersuchungen des Geisteszustandes eheirrender Prinzessinnen. Die Kapazität zuckte die Achseln. „ Delirium illustrans! Jllustrationskoller. Unheilbar. Endet mit totaler Verblödung und Hirnschwund. Herr Schluck- specht muß isoliert werden, denn die Krankheit ist ansteckend, kann eine nationale Gefahr werden. Verblödung des ganzen Volksstammes.“ * Am anderen Morgen brachte die „Jllustrierte Stunde“ in der Elf=Uhr- Ausgabe das Bild ihres Verlegers in der Zwangsjacke — vor sich die Photo- graphie des Seitengewehrs —, der darüber verrückt geworden, daß er dieses Photo des Seitengewehrs, womit der Grenadier Karzke den feindlichen japanischen Fahnenträger erstochen, dessen Fahne er erobert, — nicht hatte bringen können. So kam die Abbildung des Seitengewehrs doch noch in die „J. St.“, der unglückliche Verleger Schluckspecht aber blieb verrückt. [Abbildung] Elga. Von Dr. Monty Jacobs, Berlin. Es war einmal ein kunstsinniger Fürst, Otto geheißen. An seinem Hofe waltete in Pracht und Reife eines begnadeten Talents Meister Gerhart, der Bildhauer. An ihn hatte sich der Fürst derart gewöhnt, daß er nur noch den Namen des Lieblings aussprechen konnte, sobald von Kunst die Rede war. Solchermaßen bekam Gerhart alle Aufträge, die der Monarch zu vergeben, alle Preise, die er zu verleihen hatte. Die Gemächer des Schlosses, die Gärten und Landhäuser waren mit den Werken des Künstlers gefüllt. Da fiel es dem Fürsten bei, ein Marmorbild auf den Giebel seines Palastes zu setzen. Er rief den Liebling, doch dieser wies auf seine leere Werkstatt und zuckte die Achseln. Junge Bildner drängten herbei und boten ihre Schöpfungen an, ausgegrabene Meisterwerke wurden herangeschafft und in lauten Worten ge- priesen. Der Fürst aber sah nicht rechts, noch links, sondern murmelte unver- drossen: Meister Gerhart, Meister Gerhart.... Endlich entdeckte er im Winkel der Werkstatt ein kleines, unfertiges Tonmodell, das der Künstler im Unmut über vergebliches Mühen mit einem Fußtritt fortgestoßen hatte. Er hob bittend die Hände. Da lachte der Meister und sprach: „Dies armselige Ding willst du auf den Giebel deines stolzen Palastes setzen? Wenn du dich auslachen lassen willst, mir kann's recht sein!“ Der Fürst aber hüpfte vor Freuden und rief ein über das andere mal: Meister Gerhart, Meister Gerhart....

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 8. Berlin-Charlottenburg, 9. März 1905, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0108_1905/42>, abgerufen am 24.11.2024.