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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905.

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Pläne des sächsischen Hofes.
Von Heinrich Michalski.

König Karl August von Sachsen ist bis vor kurzem der weiteren Öffent-
lichkeit nur durch das traurige Ende seiner Ehe mit Luise von Toskana bekannt
geworden. Bei der erregten Diskussion über diese nach jeder Richtung hin
peinliche Angelegenheit ist er nicht gerade immer gut fortgekommen. Nicht
nur die alte Sitte, den Hahnrei zu seinem Unglück auch noch mit Spott zu
übergießen, war die Veranlassung davon, sondern in einer Zeit, die im Grunde
so antimonarchisch ist, wie noch nie eine vorher, stellt man sich ohne weitere
genaue Prüfung auf die Seite der mit ihrem Geliebten entflohenen Frau,
gerade wegen der hohen Stellung ihres Gatten. Keinem Menschen wäre es
sonst eingefallen, die jetzige Gräfin von Montignoso mit ihrem eigenartigen
Gemisch von Bigotterie und naiv=fröhlicher Sinnenlust als das Jdeal eines
modernen freien Weibes hinzustellen. Dafür aber wurde ihr Mann als ein
bornierter Finsterling hingestellt, von dem man außerdem bald erzählte, er sei
ein brutaler Sinnenmensch, der die feine Psyche seiner Gattin fortgesetzt ver-
letzt und abgestoßen habe, und bald wieder mehr oder weniger laut tuschelte,
er habe der kraftstrotzenden Physis seiner Frau nicht Genüge tun können.

Unterdessen hatte die Debatte der unerquicklichen Privatangelegenheit so
ziemlich ein Ende genommen. Da auf einmal erschien die Gräfin Montignoso
in Dresden fast auf den Tag zwei Jahre, nachdem sie es mit ihrem Geliebten
in heimlicher Flucht verlassen hatte, um sich eine Zusammenkunft mit ihren
Kindern und auch ihrem Manne zu erzwingen. Man mag zu der Angelegen-
heit sonst stehen wie man will, man wird zugeben müssen, daß dieser Schritt
der Gräfin als ein übereilter und auch nicht gerade taktvoller erscheint. Aber
um ein endgültiges Urteil fällen zu können, müßte man erst genauer wissen,
welche Bemühungen sie vorher vergeblich getan hatte, um die Versprechungen
eingelöst zu erhalten, die ihr seinerzeit über zeitweilige Zusammenkünfte mit
ihren Kindern gemacht worden waren. Wenn man ihr wiederholt die Erfüllung
dieses Versprechens verweigert hat, wenn sie weiter bereits in Kenntnis war
über die Machinationen, die man in Dresden wie in Florenz gegen sie vor-
bereitete, wenn sie auf andere Weise nicht Gelegenheit hatte, den König über
die Unwahrheit der Behauptungen über ihren Lebenswandel in Florenz aufzu-
klären, dann hatte sie ein Recht, die Sympathien, welche sie nun einmal im
sächsischen Volke genießt, durch ihr Erscheinen wieder aufzurufen und auf diese
Weise den Zutritt zu ihren Kindern und zu ihrem geschiedenen Manne zu
erzwingen. Soviel steht jedenfalls fest, das, was neuerdings über das Ver-
fahren des sächsischen Hofes gegen die ehemalige Kronprinzessin in die Öffent-
lichkeit gedrungen ist, kann nur den Ekel jedes einigermaßen fein empfindenden


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Pläne des sächsischen Hofes.
Von Heinrich Michalski.

König Karl August von Sachsen ist bis vor kurzem der weiteren Öffent-
lichkeit nur durch das traurige Ende seiner Ehe mit Luise von Toskana bekannt
geworden. Bei der erregten Diskussion über diese nach jeder Richtung hin
peinliche Angelegenheit ist er nicht gerade immer gut fortgekommen. Nicht
nur die alte Sitte, den Hahnrei zu seinem Unglück auch noch mit Spott zu
übergießen, war die Veranlassung davon, sondern in einer Zeit, die im Grunde
so antimonarchisch ist, wie noch nie eine vorher, stellt man sich ohne weitere
genaue Prüfung auf die Seite der mit ihrem Geliebten entflohenen Frau,
gerade wegen der hohen Stellung ihres Gatten. Keinem Menschen wäre es
sonst eingefallen, die jetzige Gräfin von Montignoso mit ihrem eigenartigen
Gemisch von Bigotterie und naiv=fröhlicher Sinnenlust als das Jdeal eines
modernen freien Weibes hinzustellen. Dafür aber wurde ihr Mann als ein
bornierter Finsterling hingestellt, von dem man außerdem bald erzählte, er sei
ein brutaler Sinnenmensch, der die feine Psyche seiner Gattin fortgesetzt ver-
letzt und abgestoßen habe, und bald wieder mehr oder weniger laut tuschelte,
er habe der kraftstrotzenden Physis seiner Frau nicht Genüge tun können.

Unterdessen hatte die Debatte der unerquicklichen Privatangelegenheit so
ziemlich ein Ende genommen. Da auf einmal erschien die Gräfin Montignoso
in Dresden fast auf den Tag zwei Jahre, nachdem sie es mit ihrem Geliebten
in heimlicher Flucht verlassen hatte, um sich eine Zusammenkunft mit ihren
Kindern und auch ihrem Manne zu erzwingen. Man mag zu der Angelegen-
heit sonst stehen wie man will, man wird zugeben müssen, daß dieser Schritt
der Gräfin als ein übereilter und auch nicht gerade taktvoller erscheint. Aber
um ein endgültiges Urteil fällen zu können, müßte man erst genauer wissen,
welche Bemühungen sie vorher vergeblich getan hatte, um die Versprechungen
eingelöst zu erhalten, die ihr seinerzeit über zeitweilige Zusammenkünfte mit
ihren Kindern gemacht worden waren. Wenn man ihr wiederholt die Erfüllung
dieses Versprechens verweigert hat, wenn sie weiter bereits in Kenntnis war
über die Machinationen, die man in Dresden wie in Florenz gegen sie vor-
bereitete, wenn sie auf andere Weise nicht Gelegenheit hatte, den König über
die Unwahrheit der Behauptungen über ihren Lebenswandel in Florenz aufzu-
klären, dann hatte sie ein Recht, die Sympathien, welche sie nun einmal im
sächsischen Volke genießt, durch ihr Erscheinen wieder aufzurufen und auf diese
Weise den Zutritt zu ihren Kindern und zu ihrem geschiedenen Manne zu
erzwingen. Soviel steht jedenfalls fest, das, was neuerdings über das Ver-
fahren des sächsischen Hofes gegen die ehemalige Kronprinzessin in die Öffent-
lichkeit gedrungen ist, kann nur den Ekel jedes einigermaßen fein empfindenden

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[246/0006] [Abbildung] Pläne des sächsischen Hofes. Von Heinrich Michalski. König Karl August von Sachsen ist bis vor kurzem der weiteren Öffent- lichkeit nur durch das traurige Ende seiner Ehe mit Luise von Toskana bekannt geworden. Bei der erregten Diskussion über diese nach jeder Richtung hin peinliche Angelegenheit ist er nicht gerade immer gut fortgekommen. Nicht nur die alte Sitte, den Hahnrei zu seinem Unglück auch noch mit Spott zu übergießen, war die Veranlassung davon, sondern in einer Zeit, die im Grunde so antimonarchisch ist, wie noch nie eine vorher, stellt man sich ohne weitere genaue Prüfung auf die Seite der mit ihrem Geliebten entflohenen Frau, gerade wegen der hohen Stellung ihres Gatten. Keinem Menschen wäre es sonst eingefallen, die jetzige Gräfin von Montignoso mit ihrem eigenartigen Gemisch von Bigotterie und naiv=fröhlicher Sinnenlust als das Jdeal eines modernen freien Weibes hinzustellen. Dafür aber wurde ihr Mann als ein bornierter Finsterling hingestellt, von dem man außerdem bald erzählte, er sei ein brutaler Sinnenmensch, der die feine Psyche seiner Gattin fortgesetzt ver- letzt und abgestoßen habe, und bald wieder mehr oder weniger laut tuschelte, er habe der kraftstrotzenden Physis seiner Frau nicht Genüge tun können. Unterdessen hatte die Debatte der unerquicklichen Privatangelegenheit so ziemlich ein Ende genommen. Da auf einmal erschien die Gräfin Montignoso in Dresden fast auf den Tag zwei Jahre, nachdem sie es mit ihrem Geliebten in heimlicher Flucht verlassen hatte, um sich eine Zusammenkunft mit ihren Kindern und auch ihrem Manne zu erzwingen. Man mag zu der Angelegen- heit sonst stehen wie man will, man wird zugeben müssen, daß dieser Schritt der Gräfin als ein übereilter und auch nicht gerade taktvoller erscheint. Aber um ein endgültiges Urteil fällen zu können, müßte man erst genauer wissen, welche Bemühungen sie vorher vergeblich getan hatte, um die Versprechungen eingelöst zu erhalten, die ihr seinerzeit über zeitweilige Zusammenkünfte mit ihren Kindern gemacht worden waren. Wenn man ihr wiederholt die Erfüllung dieses Versprechens verweigert hat, wenn sie weiter bereits in Kenntnis war über die Machinationen, die man in Dresden wie in Florenz gegen sie vor- bereitete, wenn sie auf andere Weise nicht Gelegenheit hatte, den König über die Unwahrheit der Behauptungen über ihren Lebenswandel in Florenz aufzu- klären, dann hatte sie ein Recht, die Sympathien, welche sie nun einmal im sächsischen Volke genießt, durch ihr Erscheinen wieder aufzurufen und auf diese Weise den Zutritt zu ihren Kindern und zu ihrem geschiedenen Manne zu erzwingen. Soviel steht jedenfalls fest, das, was neuerdings über das Ver- fahren des sächsischen Hofes gegen die ehemalige Kronprinzessin in die Öffent- lichkeit gedrungen ist, kann nur den Ekel jedes einigermaßen fein empfindenden

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0106_1905/6>, abgerufen am 24.11.2024.