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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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kostbaren Tracht, welche ihre Schönheit nicht wenig vermehrte, und Vi-
ctoria redete ihn, nachdem sie sich an einem bequemen Ort niedergelassen,
also an: Jch halte vor nöthig mein Herr, euch anfangs gleich
meinen Stand und Nahmen zu eröfnen, um euch nicht in
der Ungedult alzulange zu lassen, worinnen ihr seyd, um es zu
wissen. Jch bin aus Hoiland von einem vornehmen Geschlecht,
und habe das Unglück gehabt, in meinem siebzehenden Jahre mei-
nen Gemahl zu verlieren. Nach diesen habe ich 3. Jahr in Wittwen-
Stande gelebt, biß mich endlich Joseph von Reinstadt zu dem
Fehler gebracht, mich mit ihm in ein eheliches Verbündniß ein-
zulassen.
Womit sie ihm die Eheverschreibung übergab, und nach deren
Durchlesung ihre Rede fortsetzte: Meine Verwandten sind mächtig
genug, mir zu meinem Rechte zu verhelffen, ich habe aber, al-
le Weitläuftigkeiten zu vermeiden, vor billig erachtet, euch von
meinen Forderungen zuförderst Nachricht zu geben, damit ihr
nicht etwa in der Heyrath weiter fortfahren möget. Eure vor-
treffliche Tochter verdienet etwas bessers als einen ungetreuen
Gemahl, und ich weiß, daß ihr viel zu gerecht seyd, euch da-
rinnen zu widersetzen. Wenn es ein Graf wär,
(antwortete Don
Pedro, gantz entrüstet,) so solte er doch nicht bey solchen Umstän-
den mein Schwieger-Sohn seyn. Jch habe ohnedem schon von
dem Joseph von Reinstadt so viel gehöret, daß er ein Mensch
sey, welcher seinen Appetit, bey allen wo es angeht, zu stillen
pflegt, und einen solchen verlange ich nicht vor meine Tochter.
Jch will ihm so gleich mein Haus verbieten, und alle Hofnung
zur Vollziehung der Vermählung untersagen lassen.
Mit welchen
Worten er um Erlaubniß bat, sich nach Hause zu begeben, nach dessen Ab-
schied der erfreute Don Diego sich alsobald aus seinem Schlupfwinckel her-
vorbegab, und zur Bekräfftigung dessen was er gehöret, noch dazu den
Brief der Elvira aus der Victoria Händen erhielt. Er antwortete seiner
Geliebten so gleich in den verpflichtesten Ausdrückungen wieder, welches
Billet Victoria zu bestellen auf sich nahm, und geschwinde zurück nach ihrer
Wohnung kehrte, alwo sie in möglichster Eil den prächtigen Habit, und
dargegen ihre Wittwen-Kleider anzog. Don Pedro traf den ungetreuen
Joseph eben bey seiner Tochter an, welcher sich wegen dem nachgemachten
Brief rechtfertigen wolte, aber so wenig angehöret wurde, daß vielmehr der
entrüstete Schwiegervater sagte: Daß wenn auch wegen der Lucre-
tia ein Betrug mit untergelaufen wär, so hätte er doch alle weile

mit
koſtbaren Tracht, welche ihre Schoͤnheit nicht wenig vermehrte, und Vi-
ctoria redete ihn, nachdem ſie ſich an einem bequemen Ort niedergelaſſen,
alſo an: Jch halte vor noͤthig mein Herr, euch anfangs gleich
meinen Stand und Nahmen zu eroͤfnen, um euch nicht in
der Ungedult alzulange zu laſſen, worinnen ihr ſeyd, um es zu
wiſſen. Jch bin aus Hoiland von einem vornehmen Geſchlecht,
und habe das Ungluͤck gehabt, in meinem ſiebzehenden Jahre mei-
nen Gemahl zu verlieren. Nach dieſen habe ich 3. Jahr in Wittwen-
Stande gelebt, biß mich endlich Joſeph von Reinſtadt zu dem
Fehler gebracht, mich mit ihm in ein eheliches Verbuͤndniß ein-
zulaſſen.
Womit ſie ihm die Eheverſchreibung uͤbergab, und nach deren
Durchleſung ihre Rede fortſetzte: Meine Verwandten ſind maͤchtig
genug, mir zu meinem Rechte zu verhelffen, ich habe aber, al-
le Weitlaͤuftigkeiten zu vermeiden, vor billig erachtet, euch von
meinen Forderungen zufoͤrderſt Nachricht zu geben, damit ihr
nicht etwa in der Heyrath weiter fortfahren moͤget. Eure vor-
treffliche Tochter verdienet etwas beſſers als einen ungetreuen
Gemahl, und ich weiß, daß ihr viel zu gerecht ſeyd, euch da-
rinnen zu widerſetzen. Wenn es ein Graf waͤr,
(antwortete Don
Pedro, gantz entruͤſtet,) ſo ſolte er doch nicht bey ſolchen Umſtaͤn-
den mein Schwieger-Sohn ſeyn. Jch habe ohnedem ſchon von
dem Joſeph von Reinſtadt ſo viel gehoͤret, daß er ein Menſch
ſey, welcher ſeinen Appetit, bey allen wo es angeht, zu ſtillen
pflegt, und einen ſolchen verlange ich nicht vor meine Tochter.
Jch will ihm ſo gleich mein Haus verbieten, und alle Hofnung
zur Vollziehung der Vermaͤhlung unterſagen laſſen.
Mit welchen
Worten er um Erlaubniß bat, ſich nach Hauſe zu begeben, nach deſſen Ab-
ſchied der erfreute Don Diego ſich alſobald aus ſeinem Schlupfwinckel her-
vorbegab, und zur Bekraͤfftigung deſſen was er gehoͤret, noch dazu den
Brief der Elvira aus der Victoria Haͤnden erhielt. Er antwortete ſeiner
Geliebten ſo gleich in den verpflichteſten Ausdruͤckungen wieder, welches
Billet Victoria zu beſtellen auf ſich nahm, und geſchwinde zuruͤck nach ihrer
Wohnung kehrte, alwo ſie in moͤglichſter Eil den praͤchtigen Habit, und
dargegen ihre Wittwen-Kleider anzog. Don Pedro traf den ungetreuen
Joſeph eben bey ſeiner Tochter an, welcher ſich wegen dem nachgemachten
Brief rechtfertigen wolte, aber ſo wenig angehoͤret wurde, daß vielmehr der
entruͤſtete Schwiegervater ſagte: Daß wenn auch wegen der Lucre-
tia ein Betrug mit untergelaufen waͤr, ſo haͤtte er doch alle weile

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[78/0088] koſtbaren Tracht, welche ihre Schoͤnheit nicht wenig vermehrte, und Vi- ctoria redete ihn, nachdem ſie ſich an einem bequemen Ort niedergelaſſen, alſo an: Jch halte vor noͤthig mein Herr, euch anfangs gleich meinen Stand und Nahmen zu eroͤfnen, um euch nicht in der Ungedult alzulange zu laſſen, worinnen ihr ſeyd, um es zu wiſſen. Jch bin aus Hoiland von einem vornehmen Geſchlecht, und habe das Ungluͤck gehabt, in meinem ſiebzehenden Jahre mei- nen Gemahl zu verlieren. Nach dieſen habe ich 3. Jahr in Wittwen- Stande gelebt, biß mich endlich Joſeph von Reinſtadt zu dem Fehler gebracht, mich mit ihm in ein eheliches Verbuͤndniß ein- zulaſſen. Womit ſie ihm die Eheverſchreibung uͤbergab, und nach deren Durchleſung ihre Rede fortſetzte: Meine Verwandten ſind maͤchtig genug, mir zu meinem Rechte zu verhelffen, ich habe aber, al- le Weitlaͤuftigkeiten zu vermeiden, vor billig erachtet, euch von meinen Forderungen zufoͤrderſt Nachricht zu geben, damit ihr nicht etwa in der Heyrath weiter fortfahren moͤget. Eure vor- treffliche Tochter verdienet etwas beſſers als einen ungetreuen Gemahl, und ich weiß, daß ihr viel zu gerecht ſeyd, euch da- rinnen zu widerſetzen. Wenn es ein Graf waͤr, (antwortete Don Pedro, gantz entruͤſtet,) ſo ſolte er doch nicht bey ſolchen Umſtaͤn- den mein Schwieger-Sohn ſeyn. Jch habe ohnedem ſchon von dem Joſeph von Reinſtadt ſo viel gehoͤret, daß er ein Menſch ſey, welcher ſeinen Appetit, bey allen wo es angeht, zu ſtillen pflegt, und einen ſolchen verlange ich nicht vor meine Tochter. Jch will ihm ſo gleich mein Haus verbieten, und alle Hofnung zur Vollziehung der Vermaͤhlung unterſagen laſſen. Mit welchen Worten er um Erlaubniß bat, ſich nach Hauſe zu begeben, nach deſſen Ab- ſchied der erfreute Don Diego ſich alſobald aus ſeinem Schlupfwinckel her- vorbegab, und zur Bekraͤfftigung deſſen was er gehoͤret, noch dazu den Brief der Elvira aus der Victoria Haͤnden erhielt. Er antwortete ſeiner Geliebten ſo gleich in den verpflichteſten Ausdruͤckungen wieder, welches Billet Victoria zu beſtellen auf ſich nahm, und geſchwinde zuruͤck nach ihrer Wohnung kehrte, alwo ſie in moͤglichſter Eil den praͤchtigen Habit, und dargegen ihre Wittwen-Kleider anzog. Don Pedro traf den ungetreuen Joſeph eben bey ſeiner Tochter an, welcher ſich wegen dem nachgemachten Brief rechtfertigen wolte, aber ſo wenig angehoͤret wurde, daß vielmehr der entruͤſtete Schwiegervater ſagte: Daß wenn auch wegen der Lucre- tia ein Betrug mit untergelaufen waͤr, ſo haͤtte er doch alle weile mit

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/88>, abgerufen am 24.11.2024.