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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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Brodt-Schranck aufgemacht, die Brodte herausgenommen, und an des-
sen Statt etliche Pflaster-Steine mit diesen auf einen Zettel geschriebenen
Worten hinein gelegt habe: HErr, gib daß diese Steine Brodt
werden.
Sie lachten über die sinnreiche Application dieser Worte,
welche eben so wohl zu unrechter Zeit als damahls von dem Teufel ge-
braucht worden, und weil sie von der Schneider-Werckstädte des be-
rühmten Johann Beckolds so viel gehöret hatten, würdigten sie dieselbe
noch ihrer Beschauung. Sie hielten sich hierauf nicht lange mehr
in Leyden auf, sondern setzten sich nebst ihren Bedienten in eine Treck-
schuyte,
um nach dem Haag ihre Reise fortzusetzen. Diese Manier, ge-
schwinde von einem Ort zum andern zu kommen, gefiel ihnen überaus wohl.
Denn weil Holland allenthalben mit Canälen durchschnidten ist, so findet
man unzehlige kleine Fahrzeuge, welche Trekschuyten genennet und von
Pferden, an einem Seile gezogen werden. Da sie nun auf dieser kurtzen
Reise dennoch ein müßig Stündgen hatten, so kamen die beyden Lords
wieder auf die obengedachte Schneider-Werckstadt zu reden, und diese
gab Gelegenheit, daß sich Childron bey seinem Freunde erkundigte, ob er
ihm diese Historie zuerzehlen nicht belieben wolte? dieser war ohnedem zu al-
len, was seinem Freunde vergnügen machte, willig, und berichtete ihn also
von dieses Schneiders Leben und Zufällen.
Bingley.
Johann Beckhold, sagte er, war seines Handwercks ein Schnei-
der,
aus Leyden bürtig, und ist heut zu tage unter dem Nahmen Jo-
hann
von Leyden bekand. Die damahls in Schwang gehende Ana-
baptisten-
oder Wiedertäufer Secte brachte ihn zu dem närrischen Ent-
schluß, sein an sich ehrliches Handwerck an den Nagel zu hängen, und die-
sem schwärmenden Haufen zu folgen, dieser vermehrte sich auf eine unglaub-
liche Weise, und theilte sich wieder in verschiedene Secten ab, worunter
die Adamiten ohne Zweifel die schlimmsten waren. Denn die wolten nach
dem Exempel Adams im Stande der Unschuld wandeln, und brachten
es dahin, daß sich Männer und Weiber in den Kirchen nackend auszo-
gen, und in einer unverantwortlichen Entblösung unter einander sassen.
Childron.
Wie würden nicht die Kirchen mit Leuten angefüllet seyn, wenn man
heut zu tage dergleichen gestatten könte und wolte. Gewiß eine unzehlige
Menge geiler Böcke würde sich diese Gelegenheit vortreflich zu Nutze ma-
chen, ihre, mit der galanten Welt zu reden, verliebte Augen an einem so
angenehmen Spectacul zu ergötzen. Jch bin versichert, daß man gar nicht
Ursach
Brodt-Schranck aufgemacht, die Brodte herausgenommen, und an deſ-
ſen Statt etliche Pflaſter-Steine mit dieſen auf einen Zettel geſchriebenen
Worten hinein gelegt habe: HErr, gib daß dieſe Steine Brodt
werden.
Sie lachten uͤber die ſinnreiche Application dieſer Worte,
welche eben ſo wohl zu unrechter Zeit als damahls von dem Teufel ge-
braucht worden, und weil ſie von der Schneider-Werckſtaͤdte des be-
ruͤhmten Johann Beckolds ſo viel gehoͤret hatten, wuͤrdigten ſie dieſelbe
noch ihrer Beſchauung. Sie hielten ſich hierauf nicht lange mehr
in Leyden auf, ſondern ſetzten ſich nebſt ihren Bedienten in eine Treck-
ſchuyte,
um nach dem Haag ihre Reiſe fortzuſetzen. Dieſe Manier, ge-
ſchwinde von einem Ort zum andern zu kommen, gefiel ihnen uͤberaus wohl.
Denn weil Holland allenthalben mit Canaͤlen durchſchnidten iſt, ſo findet
man unzehlige kleine Fahrzeuge, welche Trekſchuyten genennet und von
Pferden, an einem Seile gezogen werden. Da ſie nun auf dieſer kurtzen
Reiſe dennoch ein muͤßig Stuͤndgen hatten, ſo kamen die beyden Lords
wieder auf die obengedachte Schneider-Werckſtadt zu reden, und dieſe
gab Gelegenheit, daß ſich Childron bey ſeinem Freunde erkundigte, ob er
ihm dieſe Hiſtorie zuerzehlen nicht belieben wolte? dieſer war ohnedem zu al-
len, was ſeinem Freunde vergnuͤgen machte, willig, und berichtete ihn alſo
von dieſes Schneiders Leben und Zufaͤllen.
Bingley.
Johann Beckhold, ſagte er, war ſeines Handwercks ein Schnei-
der,
aus Leyden buͤrtig, und iſt heut zu tage unter dem Nahmen Jo-
hann
von Leyden bekand. Die damahls in Schwang gehende Ana-
baptiſten-
oder Wiedertaͤufer Secte brachte ihn zu dem naͤrriſchen Ent-
ſchluß, ſein an ſich ehrliches Handwerck an den Nagel zu haͤngen, und die-
ſem ſchwaͤrmenden Haufen zu folgen, dieſer vermehrte ſich auf eine unglaub-
liche Weiſe, und theilte ſich wieder in verſchiedene Secten ab, worunter
die Adamiten ohne Zweifel die ſchlimmſten waren. Denn die wolten nach
dem Exempel Adams im Stande der Unſchuld wandeln, und brachten
es dahin, daß ſich Maͤnner und Weiber in den Kirchen nackend auszo-
gen, und in einer unverantwortlichen Entbloͤſung unter einander ſaſſen.
Childron.
Wie wuͤrden nicht die Kirchen mit Leuten angefuͤllet ſeyn, wenn man
heut zu tage dergleichen geſtatten koͤnte und wolte. Gewiß eine unzehlige
Menge geiler Boͤcke wuͤrde ſich dieſe Gelegenheit vortreflich zu Nutze ma-
chen, ihre, mit der galanten Welt zu reden, verliebte Augen an einem ſo
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[34/0044] Brodt-Schranck aufgemacht, die Brodte herausgenommen, und an deſ- ſen Statt etliche Pflaſter-Steine mit dieſen auf einen Zettel geſchriebenen Worten hinein gelegt habe: HErr, gib daß dieſe Steine Brodt werden. Sie lachten uͤber die ſinnreiche Application dieſer Worte, welche eben ſo wohl zu unrechter Zeit als damahls von dem Teufel ge- braucht worden, und weil ſie von der Schneider-Werckſtaͤdte des be- ruͤhmten Johann Beckolds ſo viel gehoͤret hatten, wuͤrdigten ſie dieſelbe noch ihrer Beſchauung. Sie hielten ſich hierauf nicht lange mehr in Leyden auf, ſondern ſetzten ſich nebſt ihren Bedienten in eine Treck- ſchuyte, um nach dem Haag ihre Reiſe fortzuſetzen. Dieſe Manier, ge- ſchwinde von einem Ort zum andern zu kommen, gefiel ihnen uͤberaus wohl. Denn weil Holland allenthalben mit Canaͤlen durchſchnidten iſt, ſo findet man unzehlige kleine Fahrzeuge, welche Trekſchuyten genennet und von Pferden, an einem Seile gezogen werden. Da ſie nun auf dieſer kurtzen Reiſe dennoch ein muͤßig Stuͤndgen hatten, ſo kamen die beyden Lords wieder auf die obengedachte Schneider-Werckſtadt zu reden, und dieſe gab Gelegenheit, daß ſich Childron bey ſeinem Freunde erkundigte, ob er ihm dieſe Hiſtorie zuerzehlen nicht belieben wolte? dieſer war ohnedem zu al- len, was ſeinem Freunde vergnuͤgen machte, willig, und berichtete ihn alſo von dieſes Schneiders Leben und Zufaͤllen. Bingley. Johann Beckhold, ſagte er, war ſeines Handwercks ein Schnei- der, aus Leyden buͤrtig, und iſt heut zu tage unter dem Nahmen Jo- hann von Leyden bekand. Die damahls in Schwang gehende Ana- baptiſten- oder Wiedertaͤufer Secte brachte ihn zu dem naͤrriſchen Ent- ſchluß, ſein an ſich ehrliches Handwerck an den Nagel zu haͤngen, und die- ſem ſchwaͤrmenden Haufen zu folgen, dieſer vermehrte ſich auf eine unglaub- liche Weiſe, und theilte ſich wieder in verſchiedene Secten ab, worunter die Adamiten ohne Zweifel die ſchlimmſten waren. Denn die wolten nach dem Exempel Adams im Stande der Unſchuld wandeln, und brachten es dahin, daß ſich Maͤnner und Weiber in den Kirchen nackend auszo- gen, und in einer unverantwortlichen Entbloͤſung unter einander ſaſſen. Childron. Wie wuͤrden nicht die Kirchen mit Leuten angefuͤllet ſeyn, wenn man heut zu tage dergleichen geſtatten koͤnte und wolte. Gewiß eine unzehlige Menge geiler Boͤcke wuͤrde ſich dieſe Gelegenheit vortreflich zu Nutze ma- chen, ihre, mit der galanten Welt zu reden, verliebte Augen an einem ſo angenehmen Spectacul zu ergoͤtzen. Jch bin verſichert, daß man gar nicht Urſach

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/44>, abgerufen am 24.11.2024.