[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
merung verhinderte nicht die besondre Reinligkeit der Gassen als etwas vortrefliches zu betrachten. Die Begierde, mehr Nachricht von dieser Stadt zuerlangen, bewegte sie, sich den folgenden Tag bey dem berühmten Tul- sching, dessen Schrifften die gelehrte Welt als ein eröfnetes Geheimnis be- trachtet, anmelden zu lassen. Dieser Professor der Academie dieser Stadt empfieng sie mit einer solchen Art, welche die Hochachtung, so sie ohnedem vor ihn hegten, verdoppelte. Er unterhielt sie mit den sinnreich- sten Gesprächen, biß endlich Mylord Bingley sich von ihm einen kurtzen doch genugsamen Bericht von dieser Universität ausbat. Tulsching entschul- digte sich zwar, daß er nicht im Stande wär, ihrem Verlangen zu repon- diren, als sie aber ihn mit einer anständigen Höflichkeit widerleget, fieng er also an: Tulsching. Leyden erkennet den tapfern Heer-führer der Angel-Sachsen Hengist um das Jahr 450. zu seinen Erbauer, wiewohl mit Wiederspruch anderer, welche dieses dem Nömischen Druso zuschreiben. Sie ist die Hauptstadt des Rhynlandes, und ihre lange und saubere Gassen erwerben ihr den Nahmen der reinlichen. Jhre Zufälle wären angeführet zu werden mehr als zu wür- dig, doch Dero Gedult nicht zu mißbrauchen, will ich mit dero Erlaubniß nur der harten Belagerung gedencken, welche sie 1574. ausgehalten. Denn da sie 2. Jahr vorher von dem König in Spanien abgefallen war, sahe sie sich durch den tyrannischen Alba mit einer zahlreichen Armee 7. Monat lang umgeben, und von den drey Land-Plagen, Krieg, Hunger und Pest auf einmahl gequälet. Diese Noth zwange sie den Printzen von Oranien um Hülfe anzuflehen, welches in Ermangelung anderer Mittel durch hierzu ab- gerichtete Tauben geschah. Weil ihr aber der Printz auf keine andre Art als zu Wasser helfen konte, wurden die Dämme durchstochen, und die Spanier durch diese einbrechende Fluth vertrieben, welche Begebenheit in einer Tapete, so ein Advocate damahls gestickt, allhier anzutrefen. Bingley. Vielleicht hat dieser Advocate besser mit der Nadel, als mit der Fe- der umzugehn gewust, da er eine so weitläuftige Geschichte gesticket, wie- wohl er auch in beyden hat excelliren können. Tulsching. Von dieser Belagerung sind noch einige Reliquien übrig, als die oben- gedachte Tauben, welche, wie noch in den Morgen-Ländern gewöhn- lich ist, statt der Postillions gebraucht werden, auf dem Rathhause ein- balsamirt zu sehen sind, wie auch ein Stück von dem damahls gepräg- ten C
merung verhinderte nicht die beſondre Reinligkeit der Gaſſen als etwas vortrefliches zu betrachten. Die Begierde, mehr Nachricht von dieſer Stadt zuerlangen, bewegte ſie, ſich den folgenden Tag bey dem beruͤhmten Tul- ſching, deſſen Schrifften die gelehrte Welt als ein eroͤfnetes Geheimnis be- trachtet, anmelden zu laſſen. Dieſer Profeſſor der Academie dieſer Stadt empfieng ſie mit einer ſolchen Art, welche die Hochachtung, ſo ſie ohnedem vor ihn hegten, verdoppelte. Er unterhielt ſie mit den ſinnreich- ſten Geſpraͤchen, biß endlich Mylord Bingley ſich von ihm einen kurtzen doch genugſamen Bericht von dieſer Univerſitaͤt ausbat. Tulſching entſchul- digte ſich zwar, daß er nicht im Stande waͤr, ihrem Verlangen zu repon- diren, als ſie aber ihn mit einer anſtaͤndigen Hoͤflichkeit widerleget, fieng er alſo an: Tulſching. Leyden erkennet den tapfern Heer-fuͤhrer der Angel-Sachſen Hengiſt um das Jahr 450. zu ſeinen Erbauer, wiewohl mit Wiederſpruch anderer, welche dieſes dem Noͤmiſchen Druſo zuſchreiben. Sie iſt die Hauptſtadt des Rhynlandes, und ihre lange und ſaubere Gaſſen erwerben ihr den Nahmen der reinlichen. Jhre Zufaͤlle waͤren angefuͤhret zu werden mehr als zu wuͤr- dig, doch Dero Gedult nicht zu mißbrauchen, will ich mit dero Erlaubniß nur der harten Belagerung gedencken, welche ſie 1574. ausgehalten. Denn da ſie 2. Jahr vorher von dem Koͤnig in Spanien abgefallen war, ſahe ſie ſich durch den tyranniſchen Alba mit einer zahlreichen Armee 7. Monat lang umgeben, und von den drey Land-Plagen, Krieg, Hunger und Peſt auf einmahl gequaͤlet. Dieſe Noth zwange ſie den Printzen von Oranien um Huͤlfe anzuflehen, welches in Ermangelung anderer Mittel durch hierzu ab- gerichtete Tauben geſchah. Weil ihr aber der Printz auf keine andre Art als zu Waſſer helfen konte, wurden die Daͤmme durchſtochen, und die Spanier durch dieſe einbrechende Fluth vertrieben, welche Begebenheit in einer Tapete, ſo ein Advocate damahls geſtickt, allhier anzutrefen. Bingley. Vielleicht hat dieſer Advocate beſſer mit der Nadel, als mit der Fe- der umzugehn gewuſt, da er eine ſo weitlaͤuftige Geſchichte geſticket, wie- wohl er auch in beyden hat excelliren koͤnnen. Tulſching. Von dieſer Belagerung ſind noch einige Reliquien uͤbrig, als die oben- gedachte Tauben, welche, wie noch in den Morgen-Laͤndern gewoͤhn- lich iſt, ſtatt der Poſtillions gebraucht werden, auf dem Rathhauſe ein- balſamirt zu ſehen ſind, wie auch ein Stuͤck von dem damahls gepraͤg- ten C
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0027" n="17"/> merung verhinderte nicht die beſondre <hi rendition="#fr">Reinligkeit der Gaſſen</hi> als etwas<lb/> vortrefliches zu betrachten. Die Begierde, mehr Nachricht von dieſer Stadt<lb/> zuerlangen, bewegte ſie, ſich den folgenden Tag bey dem beruͤhmten <hi rendition="#aq">Tul-<lb/> ſching,</hi> deſſen Schrifften die gelehrte Welt als ein eroͤfnetes Geheimnis be-<lb/> trachtet, anmelden zu laſſen. Dieſer <hi rendition="#aq">Profeſſor</hi> der <hi rendition="#aq">Academie</hi> dieſer<lb/> Stadt empfieng ſie mit einer ſolchen Art, welche die Hochachtung, ſo ſie<lb/> ohnedem vor ihn hegten, verdoppelte. Er unterhielt ſie mit den ſinnreich-<lb/> ſten Geſpraͤchen, biß endlich <hi rendition="#aq">Mylord Bingley</hi> ſich von ihm einen kurtzen doch<lb/> genugſamen Bericht von dieſer Univerſitaͤt ausbat. <hi rendition="#aq">Tulſching</hi> entſchul-<lb/> digte ſich zwar, daß er nicht im Stande waͤr, ihrem Verlangen zu <hi rendition="#aq">repon-<lb/> dir</hi>en, als ſie aber ihn mit einer anſtaͤndigen Hoͤflichkeit widerleget, fieng<lb/> er alſo an:</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Tulſching.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p><hi rendition="#fr">Leyden</hi> erkennet den tapfern Heer-fuͤhrer der Angel-Sachſen <hi rendition="#fr">Hengiſt</hi><lb/> um das Jahr 450. zu ſeinen Erbauer, wiewohl mit Wiederſpruch anderer,<lb/> welche dieſes dem Noͤmiſchen <hi rendition="#aq">Druſo</hi> zuſchreiben. Sie iſt die Hauptſtadt des<lb/><hi rendition="#aq">Rhynlandes,</hi> und ihre lange und ſaubere Gaſſen erwerben ihr den Nahmen<lb/> der <hi rendition="#fr">reinlichen.</hi> Jhre Zufaͤlle waͤren angefuͤhret zu werden mehr als zu wuͤr-<lb/> dig, doch Dero Gedult nicht zu mißbrauchen, will ich mit dero Erlaubniß<lb/> nur der harten Belagerung gedencken, welche ſie 1574. ausgehalten. Denn<lb/> da ſie 2. Jahr vorher von dem Koͤnig in Spanien abgefallen war, ſahe ſie<lb/> ſich durch den tyranniſchen <hi rendition="#fr">Alba</hi> mit einer zahlreichen Armee 7. Monat lang<lb/> umgeben, und von den drey Land-Plagen, <hi rendition="#fr">Krieg, Hunger</hi> und <hi rendition="#fr">Peſt</hi> auf<lb/> einmahl gequaͤlet. Dieſe Noth zwange ſie den Printzen von Oranien um<lb/> Huͤlfe anzuflehen, welches in Ermangelung anderer Mittel durch hierzu ab-<lb/> gerichtete <hi rendition="#fr">Tauben</hi> geſchah. Weil ihr aber der Printz auf keine andre Art<lb/> als zu <hi rendition="#fr">Waſſer</hi> helfen konte, wurden die <hi rendition="#fr">Daͤmme</hi> durchſtochen, und die<lb/> Spanier durch dieſe einbrechende Fluth vertrieben, welche Begebenheit in<lb/> einer <hi rendition="#fr">Tapete,</hi> ſo ein Advocate damahls geſtickt, allhier anzutrefen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Vielleicht hat dieſer Advocate beſſer mit der <hi rendition="#fr">Nadel,</hi> als mit der <hi rendition="#fr">Fe-<lb/> der</hi> umzugehn gewuſt, da er eine ſo weitlaͤuftige Geſchichte geſticket, wie-<lb/> wohl er auch in beyden hat <hi rendition="#aq">excelli</hi>ren koͤnnen.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Tulſching.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Von dieſer Belagerung ſind noch einige <hi rendition="#aq">Reliqui</hi>en uͤbrig, als die oben-<lb/> gedachte <hi rendition="#fr">Tauben,</hi> welche, wie noch in den <hi rendition="#fr">Morgen-Laͤndern</hi> gewoͤhn-<lb/> lich iſt, ſtatt der <hi rendition="#fr">Poſtillions</hi> gebraucht werden, auf dem Rathhauſe <hi rendition="#fr">ein-<lb/> balſamirt</hi> zu ſehen ſind, wie auch ein Stuͤck von dem damahls gepraͤg-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C</fw><fw place="bottom" type="catch">ten</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [17/0027]
merung verhinderte nicht die beſondre Reinligkeit der Gaſſen als etwas
vortrefliches zu betrachten. Die Begierde, mehr Nachricht von dieſer Stadt
zuerlangen, bewegte ſie, ſich den folgenden Tag bey dem beruͤhmten Tul-
ſching, deſſen Schrifften die gelehrte Welt als ein eroͤfnetes Geheimnis be-
trachtet, anmelden zu laſſen. Dieſer Profeſſor der Academie dieſer
Stadt empfieng ſie mit einer ſolchen Art, welche die Hochachtung, ſo ſie
ohnedem vor ihn hegten, verdoppelte. Er unterhielt ſie mit den ſinnreich-
ſten Geſpraͤchen, biß endlich Mylord Bingley ſich von ihm einen kurtzen doch
genugſamen Bericht von dieſer Univerſitaͤt ausbat. Tulſching entſchul-
digte ſich zwar, daß er nicht im Stande waͤr, ihrem Verlangen zu repon-
diren, als ſie aber ihn mit einer anſtaͤndigen Hoͤflichkeit widerleget, fieng
er alſo an:
Tulſching.
Leyden erkennet den tapfern Heer-fuͤhrer der Angel-Sachſen Hengiſt
um das Jahr 450. zu ſeinen Erbauer, wiewohl mit Wiederſpruch anderer,
welche dieſes dem Noͤmiſchen Druſo zuſchreiben. Sie iſt die Hauptſtadt des
Rhynlandes, und ihre lange und ſaubere Gaſſen erwerben ihr den Nahmen
der reinlichen. Jhre Zufaͤlle waͤren angefuͤhret zu werden mehr als zu wuͤr-
dig, doch Dero Gedult nicht zu mißbrauchen, will ich mit dero Erlaubniß
nur der harten Belagerung gedencken, welche ſie 1574. ausgehalten. Denn
da ſie 2. Jahr vorher von dem Koͤnig in Spanien abgefallen war, ſahe ſie
ſich durch den tyranniſchen Alba mit einer zahlreichen Armee 7. Monat lang
umgeben, und von den drey Land-Plagen, Krieg, Hunger und Peſt auf
einmahl gequaͤlet. Dieſe Noth zwange ſie den Printzen von Oranien um
Huͤlfe anzuflehen, welches in Ermangelung anderer Mittel durch hierzu ab-
gerichtete Tauben geſchah. Weil ihr aber der Printz auf keine andre Art
als zu Waſſer helfen konte, wurden die Daͤmme durchſtochen, und die
Spanier durch dieſe einbrechende Fluth vertrieben, welche Begebenheit in
einer Tapete, ſo ein Advocate damahls geſtickt, allhier anzutrefen.
Bingley.
Vielleicht hat dieſer Advocate beſſer mit der Nadel, als mit der Fe-
der umzugehn gewuſt, da er eine ſo weitlaͤuftige Geſchichte geſticket, wie-
wohl er auch in beyden hat excelliren koͤnnen.
Tulſching.
Von dieſer Belagerung ſind noch einige Reliquien uͤbrig, als die oben-
gedachte Tauben, welche, wie noch in den Morgen-Laͤndern gewoͤhn-
lich iſt, ſtatt der Poſtillions gebraucht werden, auf dem Rathhauſe ein-
balſamirt zu ſehen ſind, wie auch ein Stuͤck von dem damahls gepraͤg-
ten
C
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |