[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.haben meynte, und durch diese Vorstellungen nur noch mehr erbittert wur- ber
haben meynte, und durch dieſe Vorſtellungen nur noch mehr erbittert wur- ber
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="4"/> haben meynte, und durch dieſe Vorſtellungen nur noch mehr erbittert wur-<lb/> de. Jn ſolchen ungluͤcklichen Umſtaͤnden wuchs die bedaurenswuͤrdige <hi rendition="#aq">A-<lb/> mariane</hi> in die Hoͤhe, und ihr Elend nahm mit den Jahren zu, da es we-<lb/> gen ihres hervorleuchtenden Verſtandes und damit verknuͤpften ungemeinen<lb/> Schoͤnheit haͤtte ſollen vermindert werden. Das Geruͤchte breitete ſich hier-<lb/> von in der gantzen Gegend aus, und ich erfuhr ſolches kaum, da ich ſo gleich<lb/> auf eine unbekandte Art ein zaͤrtliches Mitleyden in mir fuͤhlte. Jch war<lb/> ſo wohl begierig, die rechte Urſache zu wiſſen, als auch dieſe Schoͤne zu ſe-<lb/> hen, wovon mir ſo viel Wunderwuͤrdiges erzehlet wurde, biß ich dazu Gele-<lb/> genheit erlangte, als der Graf von <hi rendition="#aq">Landhorſt</hi> mich nebſt einer anſehnlichen<lb/> Anzahl von andern Standes-Perſonen zu Feyrung ſeines Gebuhrts-Tags<lb/> auf ſein Schloß einladen ließ. Jch ermangelte nicht, mich verlangtermaſſen<lb/> einzufinden, und wurde keines Frauenzimmers an den Tafeln gewahr, wel-<lb/> ches ich vor die betruͤbte <hi rendition="#aq">Amariane</hi> haͤtte halten koͤnnen. Meine Neugie-<lb/> rigkeit wurde endlich ſo groß, daß ich mich nicht laͤnger nach ihr zu fragen,<lb/> enthalten konte. Es erfolgte darauf der Bericht, daß es diejenige Perſon<lb/> ſey, welche in dem Schloſſe zu dieſem Feſtin alles zu beſorgen, und anzu-<lb/> ordnen haͤtte, und ſich faſt durch nichts als eine gelaſſene, und dabey uͤber-<lb/> aus angenehme Mine von den andern Bedienten unterſcheiden ließ. Jch<lb/> gab genauere Achtung als zuvor, und erblickte bald ein Frauenzimmer, von<lb/> einer ſo vollkommen ſchoͤnen Geſtalt, daß ich ſie augenblicklich vor diejenige<lb/> hielte, die ſie in der That war. Jhr Bildniß praͤgte ſich durch dieſen An-<lb/> blick ſo ſtarck in mein Gemuͤthe ein, daß es nach dieſem nie wieder heraus<lb/> zu bringen geweſen. Eine auſſerordentliche Gewogenheit, ſo ich ihr ſo gleich<lb/> widmete, zeigte von einer bevorſtehenden Liebe und ein ſorgſames Nach-<lb/> dencken erfuͤllte mich ſo gar uͤber der Tafel, daß die luſtigſten Geſpraͤche mich<lb/> daraus zu verſtoͤren nicht im Stande waren. Dieſe Zuneigung nahm alle<lb/> Minuten zu, und zwang mich, dem Grafen von <hi rendition="#aq">Landhorſt</hi> das Geheim-<lb/> niß meines Hertzens zu eroͤfnen, und ihn zu verſichern, daß ich mich vor den<lb/> gluͤckſeeligſten in der Welt achten wuͤrde, wenn ich mit ſeiner unvergleichlichen<lb/><hi rendition="#fr">Pflege-Tochter</hi> den Neſt meines Lebens hinbringen koͤnte. Er war uͤber<lb/> dieſe Erklaͤrung ſehr erfreut, und bat mich, ſo lange in Gedult zu ſtehen, biß<lb/> er mit ſeiner Gemahlin und meiner Geliebten ſelbſt hiervon geſprochen haͤt-<lb/> te, da denn der Ausſpruch ohnfehlbar zu meinem Vergnuͤgen ausfallen wuͤr-<lb/> de. Jch war hiermit in ſoweit zu frieden, und nahm alſo in des Grafens<lb/> Schloß die unruhige Ruhe, indem mir das Bildniß der <hi rendition="#aq">Amariane</hi> nicht<lb/> den geringſten Schlaf vergoͤnnte. Der Graf hatte nach meiner Entfernung<lb/> mit ſeiner Gemahlin geſprochen, und ihr meine Meynung entdecket, woruͤ-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ber</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0014]
haben meynte, und durch dieſe Vorſtellungen nur noch mehr erbittert wur-
de. Jn ſolchen ungluͤcklichen Umſtaͤnden wuchs die bedaurenswuͤrdige A-
mariane in die Hoͤhe, und ihr Elend nahm mit den Jahren zu, da es we-
gen ihres hervorleuchtenden Verſtandes und damit verknuͤpften ungemeinen
Schoͤnheit haͤtte ſollen vermindert werden. Das Geruͤchte breitete ſich hier-
von in der gantzen Gegend aus, und ich erfuhr ſolches kaum, da ich ſo gleich
auf eine unbekandte Art ein zaͤrtliches Mitleyden in mir fuͤhlte. Jch war
ſo wohl begierig, die rechte Urſache zu wiſſen, als auch dieſe Schoͤne zu ſe-
hen, wovon mir ſo viel Wunderwuͤrdiges erzehlet wurde, biß ich dazu Gele-
genheit erlangte, als der Graf von Landhorſt mich nebſt einer anſehnlichen
Anzahl von andern Standes-Perſonen zu Feyrung ſeines Gebuhrts-Tags
auf ſein Schloß einladen ließ. Jch ermangelte nicht, mich verlangtermaſſen
einzufinden, und wurde keines Frauenzimmers an den Tafeln gewahr, wel-
ches ich vor die betruͤbte Amariane haͤtte halten koͤnnen. Meine Neugie-
rigkeit wurde endlich ſo groß, daß ich mich nicht laͤnger nach ihr zu fragen,
enthalten konte. Es erfolgte darauf der Bericht, daß es diejenige Perſon
ſey, welche in dem Schloſſe zu dieſem Feſtin alles zu beſorgen, und anzu-
ordnen haͤtte, und ſich faſt durch nichts als eine gelaſſene, und dabey uͤber-
aus angenehme Mine von den andern Bedienten unterſcheiden ließ. Jch
gab genauere Achtung als zuvor, und erblickte bald ein Frauenzimmer, von
einer ſo vollkommen ſchoͤnen Geſtalt, daß ich ſie augenblicklich vor diejenige
hielte, die ſie in der That war. Jhr Bildniß praͤgte ſich durch dieſen An-
blick ſo ſtarck in mein Gemuͤthe ein, daß es nach dieſem nie wieder heraus
zu bringen geweſen. Eine auſſerordentliche Gewogenheit, ſo ich ihr ſo gleich
widmete, zeigte von einer bevorſtehenden Liebe und ein ſorgſames Nach-
dencken erfuͤllte mich ſo gar uͤber der Tafel, daß die luſtigſten Geſpraͤche mich
daraus zu verſtoͤren nicht im Stande waren. Dieſe Zuneigung nahm alle
Minuten zu, und zwang mich, dem Grafen von Landhorſt das Geheim-
niß meines Hertzens zu eroͤfnen, und ihn zu verſichern, daß ich mich vor den
gluͤckſeeligſten in der Welt achten wuͤrde, wenn ich mit ſeiner unvergleichlichen
Pflege-Tochter den Neſt meines Lebens hinbringen koͤnte. Er war uͤber
dieſe Erklaͤrung ſehr erfreut, und bat mich, ſo lange in Gedult zu ſtehen, biß
er mit ſeiner Gemahlin und meiner Geliebten ſelbſt hiervon geſprochen haͤt-
te, da denn der Ausſpruch ohnfehlbar zu meinem Vergnuͤgen ausfallen wuͤr-
de. Jch war hiermit in ſoweit zu frieden, und nahm alſo in des Grafens
Schloß die unruhige Ruhe, indem mir das Bildniß der Amariane nicht
den geringſten Schlaf vergoͤnnte. Der Graf hatte nach meiner Entfernung
mit ſeiner Gemahlin geſprochen, und ihr meine Meynung entdecket, woruͤ-
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