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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 784, Czernowitz, 21.08.1906.

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21. August 1906. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]

Tod in den Flammen gefunden hat. Sofort nach
dem ersten Stoß brach Feuer aus, und jeder öffentliche
Verkehr hatte aufgehört. Die Panik und der allgemeine
Schrecken, die hierauf folgten, waren unbeschreiblich, und die,
die dem Tode entronnen waren, gebärdeten sich wie wahn-
sinnig vor Angst und konnten den Verunglückten wenig Hilfe
leisten. Das Geschäftsviertel der Stadt ist fast ganz
vom Feuer zerstört. Der Brand wütet fort, und dichte
Rauchwolken erfüllten die Straßen, wo Massen obdachlos
Umherirrender das furchtbare Unheil anstarren. Aus
Santiago de Chili sind keine Nachrichten eingetroffen.
Man fürchtet, daß die Stadt dasselbe schlimme Schicksal
gehabt hat wie Valparaiso. Züge sind seit dem ersten Stoß
weder in dieser Stadt angekommen, noch von dort abgegangen.
Es haben zwei deutlich von einander unterschiedene furchtbare
Stöße stattgefunden, deren zweiter fast unmittelbar auf den
ersten folgte und das Werk der Zerstörung vollendete. Die
ganze Stadt schien plötzlich rückwärts und vorwärts zu
schwingen, dann folgte ein plötzlicher Ruck von so ungeheurer
Gewalt, daß ganze Reihen von Häusern in wenigen
Sekunden zusammenstürzten. Unmittelbar darauf brach im
Geschäftsviertel Feuer aus, und noch in der Nacht
zum Freitag gaben Flammen in Bella-Vista-Viertel davon
Kunde, daß auch dieser Stadtteil dem Untergang geweiht
war. In der Umgebung der Stadt ereigneten sich viele
Erdrutschungen.

Aus New-York wird telegraphiert:
Nach den spärlichen dort vorliegenden Meldungen soll der
erste Erdstoß sehr heftig, aber kurz gewesen sein, während
die in der Nacht folgenden Erschütterungen milder waren.
Infolge der Unterbrechung der Kabel trafen nur losgelöste
Meldungen auf großen Umwegen ein. Danach glaubt man,
daß Valparaiso in Trümmer gelegt und das Grauen der
Katastrophe dutch Feuersbrünste erhöht wurde. Hunderte von
Personen sollen verschüttet und verbrannt sein, und viele
sollen in den Theatern verletzt worden sein. Auch Santiago
soll zerstört sein. Die hiesige Firma James und Alexander
Brown erhielt gestern abend folgendes Kabeltelegramm von
ihrer Filiale in Valparaiso: Schweres Erdbeben, Handel
gelähmt, Stadt in Flammen, Stab in Sicherheit. Ein
anderes leitendes Exportgeschäft erhielt ein um 4 Uhr nach-
miitags in Valparaiso aufgegebenes Kabeltelegramm, welches
lautete: Bureau unversehrt, die höheren Angestellten
unverletzt.

In Valparaiso brachen
infolge des Erdbebens an zahlreichen Stellen Feuerbrünste
aus, die sich von der Plaza Orden nordwärts verbreiteten.
Die Brände konnten nicht gelöscht werden. Nahezu alle
Häuser in der Stadt sind beschädigt,
und viele
von ihnen sind völlig vernichtet. Die Stadt liegt in Dunkelheit,
wodurch die Panik unter der Bevölkerung noch
verstärkt wird. Viele Familien flüchteten auf die
See.
Das Wetter ist zum Glück schön und der Seegang
ruhig.
Die Verbindung mit Santiago ist unterbrochen.
Ueber die Vorgänge dort ist hier nichts bekannt. Die Zahl
der in Valparaiso Umgekommenen und Verwundeten ist
noch nicht genau festgestellt, aber bedeutend. Die Erdstöße
wiederholen sich, wenn auch milder. Der Hafen blieb
unbeschädigt.
Am meisten litten die Blanco-, die
Condell- und die Esmeraldastraße sowie das Stadtviertel
Delicias.

(Tel. der "Cz.
Allg. Ztg.")

Valparaiso ist von allen Verbindungen
abgeschnitten.
Die Zahl der Toten wird auf 500
geschätzt.
Der größte Teil der Stadt steht in Flammen.
Es herrscht Wassermangel.
Die Eisenbahn ist be-
triebsunfähig.
Noch immer werden schwache Erder-
schütterungen
in Santiago verspürt.




Die geheimnisvollen Beziehungen zwischen der Klang-
fülle eines Wortes und unseren Sinn verleiten uns trotz
aller Enttäuschungen immer wieder dazu, etwas Unbekanntes
nur seines schönen, melodisch tönenden Namens wegen zu
schätzen, eben weil die Musik des Wohllauts ohne unser Zu-
tun eine Reihe von angenehmen, sehnsüchtigen Empfindungen
weckt. Sicherlich fordert auch der Name Valparaiso (a und i
sind getrennt zu sprechen), d. h. "Tal des Paradieses", zu
solchen günstigen Vorurteilen heraus. Wir sehen im Geiste
eine üppig exotische Landschaft, wiegende Palmenkronen, weiße,
schimmernde Paläste, betäubend duftende Blumen, kreischende
Papageien neben schönen Sennoritas in der Hängematte,
leidenschaftliche Männer und alle die Dinge, die zum Fundus
eines gut eingerichteten Tropentheaters gehören. Aber ach!
Die Wirklichkeit gefällt sich auch hier wieder darin, einen
brutalen Riß in das duftige Traumgewebe zu machen. Val-
paraiso, dessen teilweise Zerstörung durch ein Erdbeben der
Telegraph meldet, ist eine nüchterne Handelsstadt, deren
Mangel an Reizen in auffälligem Widerspruch zu ihrem
Namen steht. Nicht die geößte Stadt der Republik Chile --
denn die Hauptstadt Santiago ist doppelt so volkreich --
nimmt Valparaiso doch als der bedeutendste Handelsplatz des
Landes eine beherrschende Stellung ein und ist durch direkte
Damperlinien mit allen Welthäfen, darunter natürlich Ham-
burg, verbunden.


[Spaltenumbruch]

Rotbraune Berge steigen nackt und unwirklich aus den
Fluten des Meeres auf und bilden im Halbkreis eine Bucht,
an deren Saum in schmalen Streifen die Geschäftsstadt von
Valparaiso steht, während die Privatstraßen sich mehr land-
einwärts und bergauf hinziehen. Der Stille Ozean macht
hier seinem Namen wenig Ehre und benimmt sich vielmehr
einen großen Teil des Jahres über höchst turbulent. Die
schlimmste Zeit fällt auf die Monate Juli und August; dann
peitscht der Nordwind die Fluten oft derartig, daß trotz der
Hafendämme das Laden und Löschen der Schiffe unmöglich
wird, und die Transportdampfer nicht nur tage-,
sondern oft wochenlang untätig auf der Reede liegen. Von
den durchschnittlich 298 Arbeitstagen mußte in den letzten
fünf Jahren an je 117 Tagen das Laden und Löschen wegen
ungestümer See ausfallen! Man kann sich nach diesen Ziffern
ein drastisches Bild von dem "paradiesischen" Wetter im
"Tal des Paradieses" machen. Die internationale Schiffahrt,
dabei in erster Linie die deutsche, forderte schon längst er-
höhten Hafenschutz und dem allgemeinen Drängen nachgebend
hat die chilenische Regierung auch einen großartigen, sehr
kostspieligen Ausbau der unzulänglichen Einrichtungen in
Angriff genommen.

Das Stadtbild von Valparaiso weist keine originellen
Züge auf, sondern entspricht vollkommen dem Durchschnitts-
typus der südamerikanischen Handelsplätze mit ihrer ganzen
Nüchternheit. Die hellfarbigen, wegen der häufigen Erd-
beben nur ein- oder zweistöckig gebauten Häuser machen einen
sauberen Eindruck. Da von den 150.000 Einwohnern
12.000 Fremde sind und diese Fremden als Großkaufleute,
Industrielle und deren Angestellte das bestsituierte, tonan-
gebende Element bilden, haben sie Valparaiso den alt-
spanischen und national-chilenischen Charakter allmählich ge-
nommen und der Stadt dafür das Gepräge einer gewissen
Internationalität verliehen. Die Straßen werden von einem
Netz elektrischer Straßenbahnen durchzogen, deren Direktions-
sitz -- Berlin ist, denn Berliner Unternehmer haben sie an-
gelegt. Eine Eigentümlichkeit dieser "Elektrischen" sind ihre
-- weiblichen Kondukteure! In den Straßen der Geschäfts-
stadt wogt ein lebhaftes, aber nicht eigentlich großstädtisches
Treiben, das nach Schluß der Bureaus schnell erlischt. Dann
eilen die in den Maschinenfabriken, Zuckerraffinerien,
Salpeterwerken und Zigarrenmanifakturen tätigen Kaufherren
und Beamten in die Vororte hinaus, deren schöne Gärten
und Parkanlagen im wohltuenden Gegenreize zur Nüchternheit
der Stadt stehen.

Das bevorzugte Villenquartier der begüterten Kreise ist
Vinna del Mar, die erste Station an der nach Santiago
führenden Eisenbahn. Der Fremde, den Valparaiso ent-
täuscht, sieht sich hier durch einen Ueberfluß landschaftlicher
Schönheiten entschädigt. In den wundervollen Gärten gedeiht
eine Pflanzenwelt von exotischer Pracht; riesige Palmen,
Eukalyptusbäume, Bananen und Bamausstanden überragen
die Blumenteppiche, deren reicher, schwerer Duft die Sinne
betäubt. Aus weiter Ferne grüßt das mit ewigem Schnee
und Eis bedeckte Haupt des Aconcagua herüber, der höchsten
Audenspitze und überhaupt des höchsten Berges von ganz
Amerika. Mit einer Energie, die für die beiden Staaten
kennzeichnend ist und deutlich den nordischen Einfluß verrät,
stehen Chile und Argentinien jetzt im Begriff, in dieses un-
geheure Bollwerk der Natur eine Bresche zu schlagen und
durch eine großartige Gebirgsbahn quer durch die Anden
die längst ersehnte Verbindung von Land zu Land her-
zustellen.




[Prinzessin Helene].

Aus Belgrad, 19. d., wird
uns telegraphiert: Prinzessin Helene ist heute nach
Wien abgereist.

[Brauereiausstellung in London].

In der
Zeit vom 20. bis 26. Oktober l. J. wird in der "Royal
Agricultural Hall" in London die 28. internationale Brau-
ereiausstellung stattfinden. Anmeldungen für diese Ausstellung,
welche mit einer Malz- und Gerstenkonkurrenz sowie mit
einer Ausstellung von Maschinen und Utensilien für die
Brauerei und Mälzerei verbunden sein wird, sind bis
4. Oktober l. J. an die Ausstellungsdirektion, 46, Cannon
Street, London E. C. zu richten.

[Motorradrennen Lemberg].

Ueber 10.000
Meter, den 5. August. Sieger: H. Szybowicz, auf 4 1/2 HP,
Laurin Klement in 7:15 4/5 (entspricht einem Tempo von
82 Kilomoter die Stunde) um 1400 Meter zurück der zweite
Oblt. Hempfling auf HP Puch.

[Das Verdienstkreuz.]

Nachstehende Satire auf die
Ordenssehnsucht der Franzosen bringt Andrien Vely im
"Gaulois": Der Wähler: "Here Abgeordneter, ich möchte gern
dekoriert sein ..." -- Der Abgeordnete: "Was! Sie sind
noch nicht dekoriert? ..." -- Der Wähler: "Leider nein."
-- Der Abgeordnete: "In Ihrem Alter?" -- Der Wähler:
"Ich bin 35 Jahre alt." -- Der Abgeordnete: "Sie sind
35 Jahre alt ... Sie sind verheiratet ... Sie haben
Kinder ... Und Sie sind nicht dekoriert? ... Sie sind ein
Phänomen, mein Lieber!" -- Der Wähler, bescheiden: "Das
ist es ja gerade, Herr Abgeordneter, ich möchte gar nicht
besonders auffallen, und deshalb möchte ich einen Orden
haben ... Bis jetzt pfiff ich auf Auszeichnungen, weil ich
ja doch wußte, daß ich nie etwas Außerordentliches getan
habe ... Aber meine Frau machte mich darauf aufmerksam,
daß dieser Stolz am unrechten Platze sei ..." -- Der Ab-
geordnete: "Und sie hatte recht ... In einer Demokratie,
unter einem Gleichheitsregime, muß man nicht durch etwas
Besonderes auffallen wollen ... Wenn man einen netten
kleinen Orden besitzt, kann man sicher sein, unbemerkt zu
bleiben ... Wollen Sie die Ehrenlegion? -- Der Wähler:
"Das fehlte mir gerade noch! ... Zunächst bin ich ihrer
gar nicht würdig ... Und dann habe ich nicht die geringste
Lust, mich von dem Ordenscat abgelehnt zu sehen ..." --
Der Abgeordnete: "Sie ziehen vielleicht die akademischen
Palmen vor?" -- Der Wähler: "Ich bin niemals Professor
und nicht einmal Komödiant gewesen ..." -- Der Abge-
[Spaltenumbruch] ordnete: "Dann haben wir noch den landwirtschaftlichen Ver-
dienstorden ..." -- Der Wähler: "Ich habe mich nie mit
Landwirtschaft beschäftigt ... Ich kann nicht eine Artischoke
von einer Birne unterscheiden ..." -- Der Abgeordnete:
"Bleiben noch die Kolonialelden ... Nicham, Anjouan,
Kombodscha ..." -- Der Wähler: "Ich habe die Kolonien
niemals betreten ... Bin kaum einmal über Asnieres hinaus-
gekommen ..." -- Der Abgeordnete: "Sie sind ein Unikum,
mein Freund ... Einen Menschen wie Sie habe ich noch
niemals ge[s]ehen! ... Sie wollen also nur einen Orden, den
Sie wirklich zu verdienen glauben?" -- Der Wähler: "Ja ...
Und das Unglück ist, daß ich das Bewußtsein habe, gar keinen
zu verdienen ..." -- Der Abgeordnete: "Sie verdienen gar
keinen? Aber das ist ja herrlich! .."

[Der Schuster von heutzutage.]

Wir lesen in
der Kölnischen Volkszeitung: "Wie man weiß, ist es längst
nicht mehr der ehrsame Schustermeister, welcher die große
Masse der Bevölkerung mit Schuhen und Stiefeln versorgt,
sondern dies geschieht von maschinell eingerichteten und mit
Kraftbetrieb versehenen Schuhfabriken, von denen die größten
deutschen Betriebe je 1000 und mehr Arbeiter und
Arbeiterinnen beschäftigen. Kürzlich, so schreibt uns ein Leser,
hatte ich Gelegenheit, Einblick in einen solchen Schuhfabrik-
betrieb zu erhalten. Das Fabriksgebäude stellt einen impo-
santen Bau dar mit fünf übereinanderliegenden Arbeitssälen
von je 56 Meter Länge. In dieser Fabrik werden Tag für
Tag 1000 bis 1200 Paar Schuhe und Stiefel fertiggestellt,
und zwar nur feinere Sorten. Fast zu allen Arbeitsver-
richtungen dienen Spezialmaschinen, welche durch Dampf-
kraft betrieben werden. Lediglich das Zuschneiden der Ober-
leder wird noch von Handarbeitern ausgeführt, bei allen
anderen Arbeitsverrichtungen tritt jedoch die Maschine in
Funktion. Es ist ganz erstaunlich, welche große Zahl von
komplizierten Maschinen zur Herstellung eines modernen
Stiefels erforderlich ist. Ich will nur einige Beispiele an-
führen: Die Kanten der Leder werden mit Hilfe einer be-
sonderen Maschine auf jede beliebige Stärke beschnitten oder
"geschärft", wie es der Fachmann nennt. Das Zusammen-
nähen der Lederteile geschieht von Arbeiterinnen auf Näh-
maschinen, welche für jeden besonderen Zweck konstruiert sind.
An einer anderen Stelle sah ich eine Arbeitergruppe, welche
das Ueberziehen der Oberteile auf den Leisten mit Hilfe von
sinnreichen Zwickmaschinen ausführte. Diese Maschinen be-
sorgten alles mit automatisch bewegten Zangen, die Arbeiter
hatten das Arbeitsstück lediglich der Maschine entgegenzu-
führen. Wieder andere Arbeiter beschäftigen sich nur mit
dem Annähen der Rahmen und Sohlen, was wiederum mit
Hilfe von besonderen Maschinen in erstaunlicher Schnelligkeit
vor sich ging. Ferner sah ich Maschinen, welche das Be-
schneiden der Sohlenkanten mit rotierenden Messern aus-
führten, dann solche, welche die Absätze auf die Schuhe
nagelten und preßten, wieder andere, welche die Sohlen der
Schuhe mit Tinte und Wachs sauber verputzten. Es würde
zu weit führen, jeden einzeinen Teil der Fabrikation anzu-
führen. Nur will ich noch bemerken, daß mir diese moderne
Schusterei Respekt einflößte, denn es ist darin eine Summe
von Intilligenz und technischem Können enthalten."

[Pariser Enten.]

Ueber kleine Geheimnisse der Pariser
Restaurants plaudert das "Petit Journal": Ein Engländer
und seine drei Töchter nahmen dieser Tage in einem mo-
dernen Restaurant in der Nähe des Obstbahnhofes Platz.
Der Engländer sah die Speisekarte durch und schien nichts
zu finden, das ihm paßte. Plötzlich hörte er eine Donner-
stimme an der Kasse melden: "Viermal Ente!"

"Geben Sie uns auch viermal Ente," sagte er zu dem
Kellner, der ihn bediente.

Ente ist heute nicht da, mein Herr," antwortete der
Kellner, "vielleicht wählen sie etwas anderes!"

Da schallte aus dem Hintergrunde des Zimmers eine
Stimme herüber: "Und dreimal Ente auf 61."

Der Engländer wurde wütend. "Ich will Ente haben!
Warum werden hier bestimmte Gäste vorgezogen?

Der Besitzer des Restaurants hatte große Mühe, dem
Gast zu erklären, daß das verlangte Gericht an diesem Tage
tatsächlich nicht zu haben war und daß "Enten" in der
Pariser Restaurantsprache die Gäste sind, die nur Wasser
trinken.
Man meldet sie an der Kasse, weil sie für jede
Speise 10 Centimes "Zuschlag" zu zahlen haben.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Der Vogel- und Baumtag in Ungarn.

Des Volkes Wohlfahrt ist die
höchste Pflicht. -- (Schiller.)

Der ungarische Minister für Kultus und Unterricht, Graf
Albert Apponyi, hat mit Verordnung vom 27. April 1906,
Z. 26.120 den Vogel- und Baumtag für sämtliche Elementar-
Volksschulen des Landes instituiert.

Diese Verfügung des Ministers wurde im ganzen Lande
günstig aufgenommen und erweckt auch im Auslande ein
großes Interesse.

Umso erfreulicher ist diese Idee zu begrüßen, als sie
nicht nur die Hebung des Bildungswesens bezweckt, sondern
sie soll auch in der Schule der heranwachsenden Generation
die ersten Begriffe über die Bedeutung und Tragweite der
Volkswirtschaft geben.

Das Reelle und Ideelle dieser Verordnung liegt aber
auch darin, daß die der Jugend eingeimpften Begriffe der
selbständige, an Grund und Boden angewiesene
Mann,
im praktischen Leben zu verwerten wisse.

Anregung zu dieser Verordnung des Ministers für Kultns

21. Auguſt 1906. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch]

Tod in den Flammen gefunden hat. Sofort nach
dem erſten Stoß brach Feuer aus, und jeder öffentliche
Verkehr hatte aufgehört. Die Panik und der allgemeine
Schrecken, die hierauf folgten, waren unbeſchreiblich, und die,
die dem Tode entronnen waren, gebärdeten ſich wie wahn-
ſinnig vor Angſt und konnten den Verunglückten wenig Hilfe
leiſten. Das Geſchäftsviertel der Stadt iſt faſt ganz
vom Feuer zerſtört. Der Brand wütet fort, und dichte
Rauchwolken erfüllten die Straßen, wo Maſſen obdachlos
Umherirrender das furchtbare Unheil anſtarren. Aus
Santiago de Chili ſind keine Nachrichten eingetroffen.
Man fürchtet, daß die Stadt dasſelbe ſchlimme Schickſal
gehabt hat wie Valparaiſo. Züge ſind ſeit dem erſten Stoß
weder in dieſer Stadt angekommen, noch von dort abgegangen.
Es haben zwei deutlich von einander unterſchiedene furchtbare
Stöße ſtattgefunden, deren zweiter faſt unmittelbar auf den
erſten folgte und das Werk der Zerſtörung vollendete. Die
ganze Stadt ſchien plötzlich rückwärts und vorwärts zu
ſchwingen, dann folgte ein plötzlicher Ruck von ſo ungeheurer
Gewalt, daß ganze Reihen von Häuſern in wenigen
Sekunden zuſammenſtürzten. Unmittelbar darauf brach im
Geſchäftsviertel Feuer aus, und noch in der Nacht
zum Freitag gaben Flammen in Bella-Viſta-Viertel davon
Kunde, daß auch dieſer Stadtteil dem Untergang geweiht
war. In der Umgebung der Stadt ereigneten ſich viele
Erdrutſchungen.

Aus New-York wird telegraphiert:
Nach den ſpärlichen dort vorliegenden Meldungen ſoll der
erſte Erdſtoß ſehr heftig, aber kurz geweſen ſein, während
die in der Nacht folgenden Erſchütterungen milder waren.
Infolge der Unterbrechung der Kabel trafen nur losgelöſte
Meldungen auf großen Umwegen ein. Danach glaubt man,
daß Valparaiſo in Trümmer gelegt und das Grauen der
Kataſtrophe dutch Feuersbrünſte erhöht wurde. Hunderte von
Perſonen ſollen verſchüttet und verbrannt ſein, und viele
ſollen in den Theatern verletzt worden ſein. Auch Santiago
ſoll zerſtört ſein. Die hieſige Firma James und Alexander
Brown erhielt geſtern abend folgendes Kabeltelegramm von
ihrer Filiale in Valparaiſo: Schweres Erdbeben, Handel
gelähmt, Stadt in Flammen, Stab in Sicherheit. Ein
anderes leitendes Exportgeſchäft erhielt ein um 4 Uhr nach-
miitags in Valparaiſo aufgegebenes Kabeltelegramm, welches
lautete: Bureau unverſehrt, die höheren Angeſtellten
unverletzt.

In Valparaiſo brachen
infolge des Erdbebens an zahlreichen Stellen Feuerbrünſte
aus, die ſich von der Plaza Orden nordwärts verbreiteten.
Die Brände konnten nicht gelöſcht werden. Nahezu alle
Häuſer in der Stadt ſind beſchädigt,
und viele
von ihnen ſind völlig vernichtet. Die Stadt liegt in Dunkelheit,
wodurch die Panik unter der Bevölkerung noch
verſtärkt wird. Viele Familien flüchteten auf die
See.
Das Wetter iſt zum Glück ſchön und der Seegang
ruhig.
Die Verbindung mit Santiago iſt unterbrochen.
Ueber die Vorgänge dort iſt hier nichts bekannt. Die Zahl
der in Valparaiſo Umgekommenen und Verwundeten iſt
noch nicht genau feſtgeſtellt, aber bedeutend. Die Erdſtöße
wiederholen ſich, wenn auch milder. Der Hafen blieb
unbeſchädigt.
Am meiſten litten die Blanco-, die
Condell- und die Esmeraldaſtraße ſowie das Stadtviertel
Delicias.

(Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“)

Valparaiſo iſt von allen Verbindungen
abgeſchnitten.
Die Zahl der Toten wird auf 500
geſchätzt.
Der größte Teil der Stadt ſteht in Flammen.
Es herrſcht Waſſermangel.
Die Eiſenbahn iſt be-
triebsunfähig.
Noch immer werden ſchwache Erder-
ſchütterungen
in Santiago verſpürt.




Die geheimnisvollen Beziehungen zwiſchen der Klang-
fülle eines Wortes und unſeren Sinn verleiten uns trotz
aller Enttäuſchungen immer wieder dazu, etwas Unbekanntes
nur ſeines ſchönen, melodiſch tönenden Namens wegen zu
ſchätzen, eben weil die Muſik des Wohllauts ohne unſer Zu-
tun eine Reihe von angenehmen, ſehnſüchtigen Empfindungen
weckt. Sicherlich fordert auch der Name Valparaiſo (a und i
ſind getrennt zu ſprechen), d. h. „Tal des Paradieſes“, zu
ſolchen günſtigen Vorurteilen heraus. Wir ſehen im Geiſte
eine üppig exotiſche Landſchaft, wiegende Palmenkronen, weiße,
ſchimmernde Paläſte, betäubend duftende Blumen, kreiſchende
Papageien neben ſchönen Sennoritas in der Hängematte,
leidenſchaftliche Männer und alle die Dinge, die zum Fundus
eines gut eingerichteten Tropentheaters gehören. Aber ach!
Die Wirklichkeit gefällt ſich auch hier wieder darin, einen
brutalen Riß in das duftige Traumgewebe zu machen. Val-
paraiſo, deſſen teilweiſe Zerſtörung durch ein Erdbeben der
Telegraph meldet, iſt eine nüchterne Handelsſtadt, deren
Mangel an Reizen in auffälligem Widerſpruch zu ihrem
Namen ſteht. Nicht die geößte Stadt der Republik Chile —
denn die Hauptſtadt Santiago iſt doppelt ſo volkreich —
nimmt Valparaiſo doch als der bedeutendſte Handelsplatz des
Landes eine beherrſchende Stellung ein und iſt durch direkte
Damperlinien mit allen Welthäfen, darunter natürlich Ham-
burg, verbunden.


[Spaltenumbruch]

Rotbraune Berge ſteigen nackt und unwirklich aus den
Fluten des Meeres auf und bilden im Halbkreis eine Bucht,
an deren Saum in ſchmalen Streifen die Geſchäftsſtadt von
Valparaiſo ſteht, während die Privatſtraßen ſich mehr land-
einwärts und bergauf hinziehen. Der Stille Ozean macht
hier ſeinem Namen wenig Ehre und benimmt ſich vielmehr
einen großen Teil des Jahres über höchſt turbulent. Die
ſchlimmſte Zeit fällt auf die Monate Juli und Auguſt; dann
peitſcht der Nordwind die Fluten oft derartig, daß trotz der
Hafendämme das Laden und Löſchen der Schiffe unmöglich
wird, und die Transportdampfer nicht nur tage-,
ſondern oft wochenlang untätig auf der Reede liegen. Von
den durchſchnittlich 298 Arbeitstagen mußte in den letzten
fünf Jahren an je 117 Tagen das Laden und Löſchen wegen
ungeſtümer See ausfallen! Man kann ſich nach dieſen Ziffern
ein draſtiſches Bild von dem „paradieſiſchen“ Wetter im
„Tal des Paradieſes“ machen. Die internationale Schiffahrt,
dabei in erſter Linie die deutſche, forderte ſchon längſt er-
höhten Hafenſchutz und dem allgemeinen Drängen nachgebend
hat die chileniſche Regierung auch einen großartigen, ſehr
koſtſpieligen Ausbau der unzulänglichen Einrichtungen in
Angriff genommen.

Das Stadtbild von Valparaiſo weiſt keine originellen
Züge auf, ſondern entſpricht vollkommen dem Durchſchnitts-
typus der ſüdamerikaniſchen Handelsplätze mit ihrer ganzen
Nüchternheit. Die hellfarbigen, wegen der häufigen Erd-
beben nur ein- oder zweiſtöckig gebauten Häuſer machen einen
ſauberen Eindruck. Da von den 150.000 Einwohnern
12.000 Fremde ſind und dieſe Fremden als Großkaufleute,
Induſtrielle und deren Angeſtellte das beſtſituierte, tonan-
gebende Element bilden, haben ſie Valparaiſo den alt-
ſpaniſchen und national-chileniſchen Charakter allmählich ge-
nommen und der Stadt dafür das Gepräge einer gewiſſen
Internationalität verliehen. Die Straßen werden von einem
Netz elektriſcher Straßenbahnen durchzogen, deren Direktions-
ſitz — Berlin iſt, denn Berliner Unternehmer haben ſie an-
gelegt. Eine Eigentümlichkeit dieſer „Elektriſchen“ ſind ihre
— weiblichen Kondukteure! In den Straßen der Geſchäfts-
ſtadt wogt ein lebhaftes, aber nicht eigentlich großſtädtiſches
Treiben, das nach Schluß der Bureaus ſchnell erliſcht. Dann
eilen die in den Maſchinenfabriken, Zuckerraffinerien,
Salpeterwerken und Zigarrenmanifakturen tätigen Kaufherren
und Beamten in die Vororte hinaus, deren ſchöne Gärten
und Parkanlagen im wohltuenden Gegenreize zur Nüchternheit
der Stadt ſtehen.

Das bevorzugte Villenquartier der begüterten Kreiſe iſt
Vinna del Mar, die erſte Station an der nach Santiago
führenden Eiſenbahn. Der Fremde, den Valparaiſo ent-
täuſcht, ſieht ſich hier durch einen Ueberfluß landſchaftlicher
Schönheiten entſchädigt. In den wundervollen Gärten gedeiht
eine Pflanzenwelt von exotiſcher Pracht; rieſige Palmen,
Eukalyptusbäume, Bananen und Bamausſtanden überragen
die Blumenteppiche, deren reicher, ſchwerer Duft die Sinne
betäubt. Aus weiter Ferne grüßt das mit ewigem Schnee
und Eis bedeckte Haupt des Aconcagua herüber, der höchſten
Audenſpitze und überhaupt des höchſten Berges von ganz
Amerika. Mit einer Energie, die für die beiden Staaten
kennzeichnend iſt und deutlich den nordiſchen Einfluß verrät,
ſtehen Chile und Argentinien jetzt im Begriff, in dieſes un-
geheure Bollwerk der Natur eine Breſche zu ſchlagen und
durch eine großartige Gebirgsbahn quer durch die Anden
die längſt erſehnte Verbindung von Land zu Land her-
zuſtellen.




[Prinzeſſin Helene].

Aus Belgrad, 19. d., wird
uns telegraphiert: Prinzeſſin Helene iſt heute nach
Wien abgereiſt.

[Brauereiausſtellung in London].

In der
Zeit vom 20. bis 26. Oktober l. J. wird in der „Royal
Agricultural Hall“ in London die 28. internationale Brau-
ereiausſtellung ſtattfinden. Anmeldungen für dieſe Ausſtellung,
welche mit einer Malz- und Gerſtenkonkurrenz ſowie mit
einer Ausſtellung von Maſchinen und Utenſilien für die
Brauerei und Mälzerei verbunden ſein wird, ſind bis
4. Oktober l. J. an die Ausſtellungsdirektion, 46, Cannon
Street, London E. C. zu richten.

[Motorradrennen Lemberg].

Ueber 10.000
Meter, den 5. Auguſt. Sieger: H. Szybowicz, auf 4 ½ HP,
Laurin Klement in 7:15 ⅘ (entſpricht einem Tempo von
82 Kilomoter die Stunde) um 1400 Meter zurück der zweite
Oblt. Hempfling auf HP Puch.

[Das Verdienſtkreuz.]

Nachſtehende Satire auf die
Ordensſehnſucht der Franzoſen bringt Andrien Vely im
„Gaulois“: Der Wähler: „Here Abgeordneter, ich möchte gern
dekoriert ſein ...“ — Der Abgeordnete: „Was! Sie ſind
noch nicht dekoriert? ...“ — Der Wähler: „Leider nein.“
— Der Abgeordnete: „In Ihrem Alter?“ — Der Wähler:
„Ich bin 35 Jahre alt.“ — Der Abgeordnete: „Sie ſind
35 Jahre alt ... Sie ſind verheiratet ... Sie haben
Kinder ... Und Sie ſind nicht dekoriert? ... Sie ſind ein
Phänomen, mein Lieber!“ — Der Wähler, beſcheiden: „Das
iſt es ja gerade, Herr Abgeordneter, ich möchte gar nicht
beſonders auffallen, und deshalb möchte ich einen Orden
haben ... Bis jetzt pfiff ich auf Auszeichnungen, weil ich
ja doch wußte, daß ich nie etwas Außerordentliches getan
habe ... Aber meine Frau machte mich darauf aufmerkſam,
daß dieſer Stolz am unrechten Platze ſei ...“ — Der Ab-
geordnete: „Und ſie hatte recht ... In einer Demokratie,
unter einem Gleichheitsregime, muß man nicht durch etwas
Beſonderes auffallen wollen ... Wenn man einen netten
kleinen Orden beſitzt, kann man ſicher ſein, unbemerkt zu
bleiben ... Wollen Sie die Ehrenlegion? — Der Wähler:
„Das fehlte mir gerade noch! ... Zunächſt bin ich ihrer
gar nicht würdig ... Und dann habe ich nicht die geringſte
Luſt, mich von dem Ordenscat abgelehnt zu ſehen ...“ —
Der Abgeordnete: „Sie ziehen vielleicht die akademiſchen
Palmen vor?“ — Der Wähler: „Ich bin niemals Profeſſor
und nicht einmal Komödiant geweſen ...“ — Der Abge-
[Spaltenumbruch] ordnete: „Dann haben wir noch den landwirtſchaftlichen Ver-
dienſtorden ...“ — Der Wähler: „Ich habe mich nie mit
Landwirtſchaft beſchäftigt ... Ich kann nicht eine Artiſchoke
von einer Birne unterſcheiden ...“ — Der Abgeordnete:
„Bleiben noch die Kolonialelden ... Nicham, Anjouan,
Kombodſcha ...“ — Der Wähler: „Ich habe die Kolonien
niemals betreten ... Bin kaum einmal über Aſnieres hinaus-
gekommen ...“ — Der Abgeordnete: „Sie ſind ein Unikum,
mein Freund ... Einen Menſchen wie Sie habe ich noch
niemals ge[ſ]ehen! ... Sie wollen alſo nur einen Orden, den
Sie wirklich zu verdienen glauben?“ — Der Wähler: „Ja ...
Und das Unglück iſt, daß ich das Bewußtſein habe, gar keinen
zu verdienen ...“ — Der Abgeordnete: „Sie verdienen gar
keinen? Aber das iſt ja herrlich! ..“

[Der Schuſter von heutzutage.]

Wir leſen in
der Kölniſchen Volkszeitung: „Wie man weiß, iſt es längſt
nicht mehr der ehrſame Schuſtermeiſter, welcher die große
Maſſe der Bevölkerung mit Schuhen und Stiefeln verſorgt,
ſondern dies geſchieht von maſchinell eingerichteten und mit
Kraftbetrieb verſehenen Schuhfabriken, von denen die größten
deutſchen Betriebe je 1000 und mehr Arbeiter und
Arbeiterinnen beſchäftigen. Kürzlich, ſo ſchreibt uns ein Leſer,
hatte ich Gelegenheit, Einblick in einen ſolchen Schuhfabrik-
betrieb zu erhalten. Das Fabriksgebäude ſtellt einen impo-
ſanten Bau dar mit fünf übereinanderliegenden Arbeitsſälen
von je 56 Meter Länge. In dieſer Fabrik werden Tag für
Tag 1000 bis 1200 Paar Schuhe und Stiefel fertiggeſtellt,
und zwar nur feinere Sorten. Faſt zu allen Arbeitsver-
richtungen dienen Spezialmaſchinen, welche durch Dampf-
kraft betrieben werden. Lediglich das Zuſchneiden der Ober-
leder wird noch von Handarbeitern ausgeführt, bei allen
anderen Arbeitsverrichtungen tritt jedoch die Maſchine in
Funktion. Es iſt ganz erſtaunlich, welche große Zahl von
komplizierten Maſchinen zur Herſtellung eines modernen
Stiefels erforderlich iſt. Ich will nur einige Beiſpiele an-
führen: Die Kanten der Leder werden mit Hilfe einer be-
ſonderen Maſchine auf jede beliebige Stärke beſchnitten oder
„geſchärft“, wie es der Fachmann nennt. Das Zuſammen-
nähen der Lederteile geſchieht von Arbeiterinnen auf Näh-
maſchinen, welche für jeden beſonderen Zweck konſtruiert ſind.
An einer anderen Stelle ſah ich eine Arbeitergruppe, welche
das Ueberziehen der Oberteile auf den Leiſten mit Hilfe von
ſinnreichen Zwickmaſchinen ausführte. Dieſe Maſchinen be-
ſorgten alles mit automatiſch bewegten Zangen, die Arbeiter
hatten das Arbeitsſtück lediglich der Maſchine entgegenzu-
führen. Wieder andere Arbeiter beſchäftigen ſich nur mit
dem Annähen der Rahmen und Sohlen, was wiederum mit
Hilfe von beſonderen Maſchinen in erſtaunlicher Schnelligkeit
vor ſich ging. Ferner ſah ich Maſchinen, welche das Be-
ſchneiden der Sohlenkanten mit rotierenden Meſſern aus-
führten, dann ſolche, welche die Abſätze auf die Schuhe
nagelten und preßten, wieder andere, welche die Sohlen der
Schuhe mit Tinte und Wachs ſauber verputzten. Es würde
zu weit führen, jeden einzeinen Teil der Fabrikation anzu-
führen. Nur will ich noch bemerken, daß mir dieſe moderne
Schuſterei Reſpekt einflößte, denn es iſt darin eine Summe
von Intilligenz und techniſchem Können enthalten.“

[Pariſer Enten.]

Ueber kleine Geheimniſſe der Pariſer
Reſtaurants plaudert das „Petit Journal“: Ein Engländer
und ſeine drei Töchter nahmen dieſer Tage in einem mo-
dernen Reſtaurant in der Nähe des Obſtbahnhofes Platz.
Der Engländer ſah die Speiſekarte durch und ſchien nichts
zu finden, das ihm paßte. Plötzlich hörte er eine Donner-
ſtimme an der Kaſſe melden: „Viermal Ente!“

„Geben Sie uns auch viermal Ente,“ ſagte er zu dem
Kellner, der ihn bediente.

Ente iſt heute nicht da, mein Herr,“ antwortete der
Kellner, „vielleicht wählen ſie etwas anderes!“

Da ſchallte aus dem Hintergrunde des Zimmers eine
Stimme herüber: „Und dreimal Ente auf 61.“

Der Engländer wurde wütend. „Ich will Ente haben!
Warum werden hier beſtimmte Gäſte vorgezogen?

Der Beſitzer des Reſtaurants hatte große Mühe, dem
Gaſt zu erklären, daß das verlangte Gericht an dieſem Tage
tatſächlich nicht zu haben war und daß „Enten“ in der
Pariſer Reſtaurantſprache die Gäſte ſind, die nur Waſſer
trinken.
Man meldet ſie an der Kaſſe, weil ſie für jede
Speiſe 10 Centimes „Zuſchlag“ zu zahlen haben.




Czernowitzer Angelegenheiten.


Der Vogel- und Baumtag in Ungarn.

Des Volkes Wohlfahrt iſt die
höchſte Pflicht. — (Schiller.)

Der ungariſche Miniſter für Kultus und Unterricht, Graf
Albert Apponyi, hat mit Verordnung vom 27. April 1906,
Z. 26.120 den Vogel- und Baumtag für ſämtliche Elementar-
Volksſchulen des Landes inſtituiert.

Dieſe Verfügung des Miniſters wurde im ganzen Lande
günſtig aufgenommen und erweckt auch im Auslande ein
großes Intereſſe.

Umſo erfreulicher iſt dieſe Idee zu begrüßen, als ſie
nicht nur die Hebung des Bildungsweſens bezweckt, ſondern
ſie ſoll auch in der Schule der heranwachſenden Generation
die erſten Begriffe über die Bedeutung und Tragweite der
Volkswirtſchaft geben.

Das Reelle und Ideelle dieſer Verordnung liegt aber
auch darin, daß die der Jugend eingeimpften Begriffe der
ſelbſtändige, an Grund und Boden angewieſene
Mann,
im praktiſchen Leben zu verwerten wiſſe.

Anregung zu dieſer Verordnung des Miniſters für Kultns

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[3/0003] 21. Auguſt 1906. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Tod in den Flammen gefunden hat. Sofort nach dem erſten Stoß brach Feuer aus, und jeder öffentliche Verkehr hatte aufgehört. Die Panik und der allgemeine Schrecken, die hierauf folgten, waren unbeſchreiblich, und die, die dem Tode entronnen waren, gebärdeten ſich wie wahn- ſinnig vor Angſt und konnten den Verunglückten wenig Hilfe leiſten. Das Geſchäftsviertel der Stadt iſt faſt ganz vom Feuer zerſtört. Der Brand wütet fort, und dichte Rauchwolken erfüllten die Straßen, wo Maſſen obdachlos Umherirrender das furchtbare Unheil anſtarren. Aus Santiago de Chili ſind keine Nachrichten eingetroffen. Man fürchtet, daß die Stadt dasſelbe ſchlimme Schickſal gehabt hat wie Valparaiſo. Züge ſind ſeit dem erſten Stoß weder in dieſer Stadt angekommen, noch von dort abgegangen. Es haben zwei deutlich von einander unterſchiedene furchtbare Stöße ſtattgefunden, deren zweiter faſt unmittelbar auf den erſten folgte und das Werk der Zerſtörung vollendete. Die ganze Stadt ſchien plötzlich rückwärts und vorwärts zu ſchwingen, dann folgte ein plötzlicher Ruck von ſo ungeheurer Gewalt, daß ganze Reihen von Häuſern in wenigen Sekunden zuſammenſtürzten. Unmittelbar darauf brach im Geſchäftsviertel Feuer aus, und noch in der Nacht zum Freitag gaben Flammen in Bella-Viſta-Viertel davon Kunde, daß auch dieſer Stadtteil dem Untergang geweiht war. In der Umgebung der Stadt ereigneten ſich viele Erdrutſchungen. London, 19. Auguſt. Aus New-York wird telegraphiert: Nach den ſpärlichen dort vorliegenden Meldungen ſoll der erſte Erdſtoß ſehr heftig, aber kurz geweſen ſein, während die in der Nacht folgenden Erſchütterungen milder waren. Infolge der Unterbrechung der Kabel trafen nur losgelöſte Meldungen auf großen Umwegen ein. Danach glaubt man, daß Valparaiſo in Trümmer gelegt und das Grauen der Kataſtrophe dutch Feuersbrünſte erhöht wurde. Hunderte von Perſonen ſollen verſchüttet und verbrannt ſein, und viele ſollen in den Theatern verletzt worden ſein. Auch Santiago ſoll zerſtört ſein. Die hieſige Firma James und Alexander Brown erhielt geſtern abend folgendes Kabeltelegramm von ihrer Filiale in Valparaiſo: Schweres Erdbeben, Handel gelähmt, Stadt in Flammen, Stab in Sicherheit. Ein anderes leitendes Exportgeſchäft erhielt ein um 4 Uhr nach- miitags in Valparaiſo aufgegebenes Kabeltelegramm, welches lautete: Bureau unverſehrt, die höheren Angeſtellten unverletzt. Lima (Peru), 18. Auguſt. In Valparaiſo brachen infolge des Erdbebens an zahlreichen Stellen Feuerbrünſte aus, die ſich von der Plaza Orden nordwärts verbreiteten. Die Brände konnten nicht gelöſcht werden. Nahezu alle Häuſer in der Stadt ſind beſchädigt, und viele von ihnen ſind völlig vernichtet. Die Stadt liegt in Dunkelheit, wodurch die Panik unter der Bevölkerung noch verſtärkt wird. Viele Familien flüchteten auf die See. Das Wetter iſt zum Glück ſchön und der Seegang ruhig. Die Verbindung mit Santiago iſt unterbrochen. Ueber die Vorgänge dort iſt hier nichts bekannt. Die Zahl der in Valparaiſo Umgekommenen und Verwundeten iſt noch nicht genau feſtgeſtellt, aber bedeutend. Die Erdſtöße wiederholen ſich, wenn auch milder. Der Hafen blieb unbeſchädigt. Am meiſten litten die Blanco-, die Condell- und die Esmeraldaſtraße ſowie das Stadtviertel Delicias. Santiago de Chile, 20. Auguſt. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Valparaiſo iſt von allen Verbindungen abgeſchnitten. Die Zahl der Toten wird auf 500 geſchätzt. Der größte Teil der Stadt ſteht in Flammen. Es herrſcht Waſſermangel. Die Eiſenbahn iſt be- triebsunfähig. Noch immer werden ſchwache Erder- ſchütterungen in Santiago verſpürt. Die geheimnisvollen Beziehungen zwiſchen der Klang- fülle eines Wortes und unſeren Sinn verleiten uns trotz aller Enttäuſchungen immer wieder dazu, etwas Unbekanntes nur ſeines ſchönen, melodiſch tönenden Namens wegen zu ſchätzen, eben weil die Muſik des Wohllauts ohne unſer Zu- tun eine Reihe von angenehmen, ſehnſüchtigen Empfindungen weckt. Sicherlich fordert auch der Name Valparaiſo (a und i ſind getrennt zu ſprechen), d. h. „Tal des Paradieſes“, zu ſolchen günſtigen Vorurteilen heraus. Wir ſehen im Geiſte eine üppig exotiſche Landſchaft, wiegende Palmenkronen, weiße, ſchimmernde Paläſte, betäubend duftende Blumen, kreiſchende Papageien neben ſchönen Sennoritas in der Hängematte, leidenſchaftliche Männer und alle die Dinge, die zum Fundus eines gut eingerichteten Tropentheaters gehören. Aber ach! Die Wirklichkeit gefällt ſich auch hier wieder darin, einen brutalen Riß in das duftige Traumgewebe zu machen. Val- paraiſo, deſſen teilweiſe Zerſtörung durch ein Erdbeben der Telegraph meldet, iſt eine nüchterne Handelsſtadt, deren Mangel an Reizen in auffälligem Widerſpruch zu ihrem Namen ſteht. Nicht die geößte Stadt der Republik Chile — denn die Hauptſtadt Santiago iſt doppelt ſo volkreich — nimmt Valparaiſo doch als der bedeutendſte Handelsplatz des Landes eine beherrſchende Stellung ein und iſt durch direkte Damperlinien mit allen Welthäfen, darunter natürlich Ham- burg, verbunden. Rotbraune Berge ſteigen nackt und unwirklich aus den Fluten des Meeres auf und bilden im Halbkreis eine Bucht, an deren Saum in ſchmalen Streifen die Geſchäftsſtadt von Valparaiſo ſteht, während die Privatſtraßen ſich mehr land- einwärts und bergauf hinziehen. Der Stille Ozean macht hier ſeinem Namen wenig Ehre und benimmt ſich vielmehr einen großen Teil des Jahres über höchſt turbulent. Die ſchlimmſte Zeit fällt auf die Monate Juli und Auguſt; dann peitſcht der Nordwind die Fluten oft derartig, daß trotz der Hafendämme das Laden und Löſchen der Schiffe unmöglich wird, und die Transportdampfer nicht nur tage-, ſondern oft wochenlang untätig auf der Reede liegen. Von den durchſchnittlich 298 Arbeitstagen mußte in den letzten fünf Jahren an je 117 Tagen das Laden und Löſchen wegen ungeſtümer See ausfallen! Man kann ſich nach dieſen Ziffern ein draſtiſches Bild von dem „paradieſiſchen“ Wetter im „Tal des Paradieſes“ machen. Die internationale Schiffahrt, dabei in erſter Linie die deutſche, forderte ſchon längſt er- höhten Hafenſchutz und dem allgemeinen Drängen nachgebend hat die chileniſche Regierung auch einen großartigen, ſehr koſtſpieligen Ausbau der unzulänglichen Einrichtungen in Angriff genommen. Das Stadtbild von Valparaiſo weiſt keine originellen Züge auf, ſondern entſpricht vollkommen dem Durchſchnitts- typus der ſüdamerikaniſchen Handelsplätze mit ihrer ganzen Nüchternheit. Die hellfarbigen, wegen der häufigen Erd- beben nur ein- oder zweiſtöckig gebauten Häuſer machen einen ſauberen Eindruck. Da von den 150.000 Einwohnern 12.000 Fremde ſind und dieſe Fremden als Großkaufleute, Induſtrielle und deren Angeſtellte das beſtſituierte, tonan- gebende Element bilden, haben ſie Valparaiſo den alt- ſpaniſchen und national-chileniſchen Charakter allmählich ge- nommen und der Stadt dafür das Gepräge einer gewiſſen Internationalität verliehen. Die Straßen werden von einem Netz elektriſcher Straßenbahnen durchzogen, deren Direktions- ſitz — Berlin iſt, denn Berliner Unternehmer haben ſie an- gelegt. Eine Eigentümlichkeit dieſer „Elektriſchen“ ſind ihre — weiblichen Kondukteure! In den Straßen der Geſchäfts- ſtadt wogt ein lebhaftes, aber nicht eigentlich großſtädtiſches Treiben, das nach Schluß der Bureaus ſchnell erliſcht. Dann eilen die in den Maſchinenfabriken, Zuckerraffinerien, Salpeterwerken und Zigarrenmanifakturen tätigen Kaufherren und Beamten in die Vororte hinaus, deren ſchöne Gärten und Parkanlagen im wohltuenden Gegenreize zur Nüchternheit der Stadt ſtehen. Das bevorzugte Villenquartier der begüterten Kreiſe iſt Vinna del Mar, die erſte Station an der nach Santiago führenden Eiſenbahn. Der Fremde, den Valparaiſo ent- täuſcht, ſieht ſich hier durch einen Ueberfluß landſchaftlicher Schönheiten entſchädigt. In den wundervollen Gärten gedeiht eine Pflanzenwelt von exotiſcher Pracht; rieſige Palmen, Eukalyptusbäume, Bananen und Bamausſtanden überragen die Blumenteppiche, deren reicher, ſchwerer Duft die Sinne betäubt. Aus weiter Ferne grüßt das mit ewigem Schnee und Eis bedeckte Haupt des Aconcagua herüber, der höchſten Audenſpitze und überhaupt des höchſten Berges von ganz Amerika. Mit einer Energie, die für die beiden Staaten kennzeichnend iſt und deutlich den nordiſchen Einfluß verrät, ſtehen Chile und Argentinien jetzt im Begriff, in dieſes un- geheure Bollwerk der Natur eine Breſche zu ſchlagen und durch eine großartige Gebirgsbahn quer durch die Anden die längſt erſehnte Verbindung von Land zu Land her- zuſtellen. [Prinzeſſin Helene]. Aus Belgrad, 19. d., wird uns telegraphiert: Prinzeſſin Helene iſt heute nach Wien abgereiſt. [Brauereiausſtellung in London]. In der Zeit vom 20. bis 26. Oktober l. J. wird in der „Royal Agricultural Hall“ in London die 28. internationale Brau- ereiausſtellung ſtattfinden. Anmeldungen für dieſe Ausſtellung, welche mit einer Malz- und Gerſtenkonkurrenz ſowie mit einer Ausſtellung von Maſchinen und Utenſilien für die Brauerei und Mälzerei verbunden ſein wird, ſind bis 4. Oktober l. J. an die Ausſtellungsdirektion, 46, Cannon Street, London E. C. zu richten. [Motorradrennen Lemberg]. Ueber 10.000 Meter, den 5. Auguſt. Sieger: H. Szybowicz, auf 4 ½ HP, Laurin Klement in 7:15 ⅘ (entſpricht einem Tempo von 82 Kilomoter die Stunde) um 1400 Meter zurück der zweite Oblt. Hempfling auf HP Puch. [Das Verdienſtkreuz.] Nachſtehende Satire auf die Ordensſehnſucht der Franzoſen bringt Andrien Vely im „Gaulois“: Der Wähler: „Here Abgeordneter, ich möchte gern dekoriert ſein ...“ — Der Abgeordnete: „Was! Sie ſind noch nicht dekoriert? ...“ — Der Wähler: „Leider nein.“ — Der Abgeordnete: „In Ihrem Alter?“ — Der Wähler: „Ich bin 35 Jahre alt.“ — Der Abgeordnete: „Sie ſind 35 Jahre alt ... Sie ſind verheiratet ... Sie haben Kinder ... Und Sie ſind nicht dekoriert? ... Sie ſind ein Phänomen, mein Lieber!“ — Der Wähler, beſcheiden: „Das iſt es ja gerade, Herr Abgeordneter, ich möchte gar nicht beſonders auffallen, und deshalb möchte ich einen Orden haben ... Bis jetzt pfiff ich auf Auszeichnungen, weil ich ja doch wußte, daß ich nie etwas Außerordentliches getan habe ... Aber meine Frau machte mich darauf aufmerkſam, daß dieſer Stolz am unrechten Platze ſei ...“ — Der Ab- geordnete: „Und ſie hatte recht ... In einer Demokratie, unter einem Gleichheitsregime, muß man nicht durch etwas Beſonderes auffallen wollen ... Wenn man einen netten kleinen Orden beſitzt, kann man ſicher ſein, unbemerkt zu bleiben ... Wollen Sie die Ehrenlegion? — Der Wähler: „Das fehlte mir gerade noch! ... Zunächſt bin ich ihrer gar nicht würdig ... Und dann habe ich nicht die geringſte Luſt, mich von dem Ordenscat abgelehnt zu ſehen ...“ — Der Abgeordnete: „Sie ziehen vielleicht die akademiſchen Palmen vor?“ — Der Wähler: „Ich bin niemals Profeſſor und nicht einmal Komödiant geweſen ...“ — Der Abge- ordnete: „Dann haben wir noch den landwirtſchaftlichen Ver- dienſtorden ...“ — Der Wähler: „Ich habe mich nie mit Landwirtſchaft beſchäftigt ... Ich kann nicht eine Artiſchoke von einer Birne unterſcheiden ...“ — Der Abgeordnete: „Bleiben noch die Kolonialelden ... Nicham, Anjouan, Kombodſcha ...“ — Der Wähler: „Ich habe die Kolonien niemals betreten ... Bin kaum einmal über Aſnieres hinaus- gekommen ...“ — Der Abgeordnete: „Sie ſind ein Unikum, mein Freund ... Einen Menſchen wie Sie habe ich noch niemals geſehen! ... Sie wollen alſo nur einen Orden, den Sie wirklich zu verdienen glauben?“ — Der Wähler: „Ja ... Und das Unglück iſt, daß ich das Bewußtſein habe, gar keinen zu verdienen ...“ — Der Abgeordnete: „Sie verdienen gar keinen? Aber das iſt ja herrlich! ..“ [Der Schuſter von heutzutage.] Wir leſen in der Kölniſchen Volkszeitung: „Wie man weiß, iſt es längſt nicht mehr der ehrſame Schuſtermeiſter, welcher die große Maſſe der Bevölkerung mit Schuhen und Stiefeln verſorgt, ſondern dies geſchieht von maſchinell eingerichteten und mit Kraftbetrieb verſehenen Schuhfabriken, von denen die größten deutſchen Betriebe je 1000 und mehr Arbeiter und Arbeiterinnen beſchäftigen. Kürzlich, ſo ſchreibt uns ein Leſer, hatte ich Gelegenheit, Einblick in einen ſolchen Schuhfabrik- betrieb zu erhalten. Das Fabriksgebäude ſtellt einen impo- ſanten Bau dar mit fünf übereinanderliegenden Arbeitsſälen von je 56 Meter Länge. In dieſer Fabrik werden Tag für Tag 1000 bis 1200 Paar Schuhe und Stiefel fertiggeſtellt, und zwar nur feinere Sorten. Faſt zu allen Arbeitsver- richtungen dienen Spezialmaſchinen, welche durch Dampf- kraft betrieben werden. Lediglich das Zuſchneiden der Ober- leder wird noch von Handarbeitern ausgeführt, bei allen anderen Arbeitsverrichtungen tritt jedoch die Maſchine in Funktion. Es iſt ganz erſtaunlich, welche große Zahl von komplizierten Maſchinen zur Herſtellung eines modernen Stiefels erforderlich iſt. Ich will nur einige Beiſpiele an- führen: Die Kanten der Leder werden mit Hilfe einer be- ſonderen Maſchine auf jede beliebige Stärke beſchnitten oder „geſchärft“, wie es der Fachmann nennt. Das Zuſammen- nähen der Lederteile geſchieht von Arbeiterinnen auf Näh- maſchinen, welche für jeden beſonderen Zweck konſtruiert ſind. An einer anderen Stelle ſah ich eine Arbeitergruppe, welche das Ueberziehen der Oberteile auf den Leiſten mit Hilfe von ſinnreichen Zwickmaſchinen ausführte. Dieſe Maſchinen be- ſorgten alles mit automatiſch bewegten Zangen, die Arbeiter hatten das Arbeitsſtück lediglich der Maſchine entgegenzu- führen. Wieder andere Arbeiter beſchäftigen ſich nur mit dem Annähen der Rahmen und Sohlen, was wiederum mit Hilfe von beſonderen Maſchinen in erſtaunlicher Schnelligkeit vor ſich ging. Ferner ſah ich Maſchinen, welche das Be- ſchneiden der Sohlenkanten mit rotierenden Meſſern aus- führten, dann ſolche, welche die Abſätze auf die Schuhe nagelten und preßten, wieder andere, welche die Sohlen der Schuhe mit Tinte und Wachs ſauber verputzten. Es würde zu weit führen, jeden einzeinen Teil der Fabrikation anzu- führen. Nur will ich noch bemerken, daß mir dieſe moderne Schuſterei Reſpekt einflößte, denn es iſt darin eine Summe von Intilligenz und techniſchem Können enthalten.“ [Pariſer Enten.] Ueber kleine Geheimniſſe der Pariſer Reſtaurants plaudert das „Petit Journal“: Ein Engländer und ſeine drei Töchter nahmen dieſer Tage in einem mo- dernen Reſtaurant in der Nähe des Obſtbahnhofes Platz. Der Engländer ſah die Speiſekarte durch und ſchien nichts zu finden, das ihm paßte. Plötzlich hörte er eine Donner- ſtimme an der Kaſſe melden: „Viermal Ente!“ „Geben Sie uns auch viermal Ente,“ ſagte er zu dem Kellner, der ihn bediente. Ente iſt heute nicht da, mein Herr,“ antwortete der Kellner, „vielleicht wählen ſie etwas anderes!“ Da ſchallte aus dem Hintergrunde des Zimmers eine Stimme herüber: „Und dreimal Ente auf 61.“ Der Engländer wurde wütend. „Ich will Ente haben! Warum werden hier beſtimmte Gäſte vorgezogen? Der Beſitzer des Reſtaurants hatte große Mühe, dem Gaſt zu erklären, daß das verlangte Gericht an dieſem Tage tatſächlich nicht zu haben war und daß „Enten“ in der Pariſer Reſtaurantſprache die Gäſte ſind, die nur Waſſer trinken. Man meldet ſie an der Kaſſe, weil ſie für jede Speiſe 10 Centimes „Zuſchlag“ zu zahlen haben. Czernowitzer Angelegenheiten. Czernowitz, 20. Auguſt. Der Vogel- und Baumtag in Ungarn. Von Dr. Mironovici. Des Volkes Wohlfahrt iſt die höchſte Pflicht. — (Schiller.) Der ungariſche Miniſter für Kultus und Unterricht, Graf Albert Apponyi, hat mit Verordnung vom 27. April 1906, Z. 26.120 den Vogel- und Baumtag für ſämtliche Elementar- Volksſchulen des Landes inſtituiert. Dieſe Verfügung des Miniſters wurde im ganzen Lande günſtig aufgenommen und erweckt auch im Auslande ein großes Intereſſe. Umſo erfreulicher iſt dieſe Idee zu begrüßen, als ſie nicht nur die Hebung des Bildungsweſens bezweckt, ſondern ſie ſoll auch in der Schule der heranwachſenden Generation die erſten Begriffe über die Bedeutung und Tragweite der Volkswirtſchaft geben. Das Reelle und Ideelle dieſer Verordnung liegt aber auch darin, daß die der Jugend eingeimpften Begriffe der ſelbſtändige, an Grund und Boden angewieſene Mann, im praktiſchen Leben zu verwerten wiſſe. Anregung zu dieſer Verordnung des Miniſters für Kultns

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Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 784, Czernowitz, 21.08.1906, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer784_1906/3>, abgerufen am 21.11.2024.