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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2216, Czernowitz, 07.06.1911.

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7. Juni 1911. Czernowitzer Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]
Bunte Chronik.


Die Choleraepidemie in Venedig.
Sanitäre Ueberwachungsmaßnahmen Oesterreichs.

KB.

Infolge einer telegraphischen
Anordnung des Handelsministeriums entfallen gegen-
über der Provenienzen aus Venedig die usuellen
Erleichterungen bei der Behandlung nicht verdächtiger
Schiffe. Die Vergnügungsfahrten nach Ve-
nedig wurden aufgehoben.

Widersprechende Meldungen.

Nach Meldungen aus Venedig soll
die Cholera dort insbesondere unter den ärmeren Schichten
auftreten. Die Regierung bietet alles auf, um der Seuche
entgegenzutreten. Die Sanitätskommission arbeite Tag
und Nacht. Doch werden alle choleraverdächtigen Fälle als
gastrische Fiebererscheinungen erklärt. Einige Aerzte, die
darauf drangen, es möge die Wahrheit bekanntgegeben
werden, wurden niedergestimmt und traten daher aus der
Kommission aus. Auch im Vorjahr sei die Cholera von
den Behöden verheimlicht worden. In Triester
Kreisen wird vorgeschlagen, daß im Interesse der Allge-
meinheit und zur Beruhigung der Gemüter eine Abord-
nung von neutralen Deputierten nach Venedig entsandt
werden soll, damit diese auf Grund eigener Wahrnehmung
ein Gutachten über den wahren Stand der Epidemie ab-
gebe. Im Gegensatz zu diesen Meldungen erhält die "Poli-
tische Korrespondenz" von amtlicher Seite aus
Rom
die Mitteilung, daß der öffentliche Gesundheitszu-
stand in Venedig, sowie im ganzen Italien normal
sei und daß man seit dem vergangenen Jahr nicht aufge-
hört hat, die notwendigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen.
Die Nachricht über eine verdächtige Erkrankung in Vene-
dig beziehe sich bloß auf zwei Fälle von gastrischer Enderi-
tis, was durch amtliche bakteriologische Untersuchung fest-
gestellt sei. Es ist daher absolut ausgeschlossen, daß sich in
Venedig Cholerafälle ereignet hätten und der österreichi-
sche Staatsbürger Franzky könne sich unmöglich die
Cholera in Venedig, wo er sich auch nur ganz kurze Zeit
aufhielt, zugezogen haben, wie dies durch eine amtliche
Untersuchung der italienischen Behörden erwiesen wor-
den ist.

Beunruhigung in Triest.

Die äußerst spärlichen Nachrichten
aus Benedig über die choleraverdächtigen Erkrankungen
werden von der Bevölkerung mit großer Beunruhigung
aufgenommen, da man nunmehr die Ueberzeugung ge-
winnt, daß in Venedig tatsächlich zahlreiche Choleraer-
krankungen konstatiert wurden. An den amtlichen Stellen
sucht man jedoch diese Fälle lediglich als Brechdurchfälle
hinzustellen und leugnet jede Gefahr. Reisende, die
aus Venedig kommen, erzählen, daß sie davon gehört
hätten, daß in Venedig mindestens 60--70 cholera-
verdächtige Erkrankungen
vorgekommen seien.
In den hier aus Venedig und anderen Städten Italiens
eintreffenden Zeitungen wird mit keiner Silbe das Auf-
treten von choleraverdächtigen Erkrankungen in Venedig
erwähnt.

Ein unterschlagenes Telegramm.

Aus Anlaß der jüngsten Meldungen
über einige Cholerafälle in Venedig hat das "Berliner
Tageblatt" seinen venezianischen Korrespondenten aufge-
fordert, ihm genaue Informationen über diese Angelegen-
heit zukommen zu lassen. Wie die Telegraphendirektion
in Berlin mitteilt, ist seitens der venezianischen Tele-
graphendirektion die Mitteilung eingelangt, daß auf
Grund der getroffenen Dispositionen die telegraphische
Aufforderung dem Adressaten nicht ausgehändigt
wurde.




Luftschiffahrt.
Eine Ueberseefahrt Nizza-Korsika.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der
Aviatiker Bague ist heute um 5 Uhr früh von Nizza in
der Richtung nach Korsika aufgestiegen. Bisher ist über
das Schicksal Bagues nichts bekannt.




Eisenbahnunfälle.
KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Bei Linares ist ein Kurierzug entgleist. Vierzehn Personen
wurden verletzt, davon drei schwer.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Beim Entgleisen eines Straßenbahnwagens wurden 40 Personen,
meist Arbeiter, verletzt, darunter einige schwer.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Am 2. Juni nachts entgleiste auf der anatolischen
Eisenbahn ein Lastzug beim Passieren der Brücke zwischen
Vesirhan und Biledschik, welche infolge Ueberschwemmung
des Kurussuflusses beschädigt war. Die Lokomotive und
einige Waggons fielen ins Wasser. Der Maschinist und
der Heizer wurden getötet und drei Personen verletzt.




Ein Mann mit 5 Frauen.

Hier wurde der Riemermeister
Hermann Berglaubter verhaftet, weil er mit fünf
Frauen in verschiedenen Städten Galiziens rituelle
Ehen
eingegangen war und sie darauf um ihr Vermögen
betrogen hatte. Zum ersten Male heiratete er unlängst in
Lemberg, darauf in Turka, zum dritten Male in Brody,
[Spaltenumbruch] hernach in Tarnow und endlich in Jaroslau. Von keiner
einzigen Gattin hatte er sich scheiden lassen. Der vierten
Gattin nahm er 400 Kronen Bargeld und verschiedene
Kostbarkeiten ab, weshalb sie gegen ihn die Anzeige bei
der Polizei erstattete. Dadurch kam das fünffältige Ehe-
leben Berglaubters an den Tag.




Schwere Gewitter in Südrußland.

KB.

In den Gouvernements
Kiew und Cherson sind schwere Gewitter niederge-
gangen. Die Saaten wurden durch den Hagel ver-
nichtet.
Viele Windmühlen wurden vom Sturm
umgerissen
und mehrere Objekte durch den Blitz in
Brand gesteckt.



[Die Blume im Knopfloch der Dame.]

Die Frau von heute, die in nichts mehr hinter dem Herrn
der Schöpfung zurückstehen will, hat sich nun auch des
Knopflochs, dessen Schmuck bisher ein Vorrecht des
Mannes zu sein schien, bemächtigt. Die Mode verlangt von
den Damen, daß sie ein oder zwei Blumen im Knopfloch
tragen, um den monotonen Ernst des Promenadenkostüms
dadurch reizvoll zu unterbrechen. Doch immer strenger
verlangt das laute Modegebot, den künstlichen Blumen
Valet zu sagen, und nun muß die Modedame ihre Ehre
darein setzen, eine ntürliche Blume im Knopfloch zu
tragen, die ebenso entzückend, ebenso zart, ebenso duftend
und teuerer sein muß, als eine künstliche. Orchideen, das
Stück zu zehn Francs, Nelken zu fünf Francs, die selten-
sten und kostbarsten Rosenarten erscheinen den Pariser
Schönen gerade gut genug, um an ihrem Busen in einer
Stunde hinzuwelken. Was die Wahl der Blumen fürs
Knopfloch anbetrifft, so bevorzugt man rote Nelken, doch
werden zu den jetzt beliebten dunkelblauen Kostümen auch
gern kleine Sträuße von Kornblumen getragen. Das tiefe
Rot oder Weiß der Levkojen ist ebenfalls sehr wirkungs-
reich. Zu Beginn des Frühlings wurden hauptsächlich
Parmaveilchen, Kamelien und Gardenien getragen, aber
jetzt tritt eine andere Auswahl der Blumen an ihre Stelle,
vor allem die "Königin", die Rose. Vielleicht die beliebteste
Blume dieser Saison ist aber die Wicke, die feine so man-
nigfaltige, leuchtende Färbung dieser Blume wird durch
einige Stengel von Frauenhaar hervorgehoben, mit dem
die Wicken zusammengebunden sind. Vergißmeinnicht und
Reseda, deren Farbentöne so kleidsam sind, erscheinen gern
mit anderen Blumen zusammen, wie man überhaupt bei
Sträußen eine bunte Mischung verschiedener Blumen be-
vorzugt. Ein paar lose gewundene Feldblumen. zusammen
mit ein paar Getreideähren, sind der schlichteste und zu-
gleich feinste Schmuck der Morgentoilette.

[Eine schöne Abenteurin im Gefängnis].

Aus London wird berichtet: Lady Murcia zieht sich für
etliche Monate ins Gefängnis zurück, um über die Grau-
samkeit ihrer Gläubiger nachzudenken: die ungalanten
Herren haben sie eine Schwindlerin genannt und ihr, ohne
Rücksicht auf den glorreichen Namen, den sie trägt, den
Prozeß gemacht. Lady Murcia ist nämlich -- sie behauptet
es wenigstens -- ein unmittelbarer Sproß der hochedlen
Herzöge von Somerset; mit diesem Titel zog sie seit zehn
Jahren durch die Städte Englands, begleitet von einem
Herrn, de,r je nach Bedürfnis, als Gatte, Bruder oder
Kammerdiener auftrat. Wenn Lady Murcia eine Stadt mti
ihrer Anwesenheit beglückte, nahm sie immer in dem vor-
nehmsten Hotel Wohnung, und es wäre keinem Menschen
eingefallen, vor ihr auch nur einen Pfennig Anzahlung
zu verlangen. Auf ihren eleganten Koffern, auf ihren
Reisetaschen und auf ihrer Wäsche sah man Wappen und
Herzogskronen. Dazu kam nach, daß sie sich mit solchem
Luxus kleidete, daß niemand zu zweifeln wagte, daß sie
wirklich aus einer herzoglichen Familie stammte. Tat-
sächlich, -- dieses Geheimnis ist jedoch erst während des
Prozesses entdeckt worden -- ist Lady Murcia nur die
Tochter eines Wagenhändlers und die Enkelin eines bie-
deren Polizisten aus einer kleinen Provinzstadt. Der
Mann, der auf ihren abenteuerlichen Fahrten ihr Beglei-
ter war, ist der Sohn eines Landarztes. Besonders merk-
würdig ist die Tatsache, daß Lady Murcia durch ihre au-
ßerordentliche Schönheit und ihre glänzenden Geistes-
gaben einige der bekanntesten Staatsmänner zu bezau-
bern wußte; man sah sie oft auf der Terasse von West
minster mit bekannten Abgeordneten den Tee nehmen.



Unsere geehrten P. T. Abonnenten
werden aus Anlaß des - - - - - - -
Monatswechsels
dringend gebeten, das Abonnement durch Ein-
sendung des Pränumerationsbetrages recht-
zeitig zu erneuern. Rückstände ersuchen wir
gleichfalls bis zum 10. Juni zu begleichen.
Zugleich laden wir zum Bezuge unseres Blattes
höflichst ein. Neueintretende Abonnenten er-
halten auf Wunsch die bereits erschienenen
Teile des laufenden Romans gratis nachgeliefert.

Hochachtungsvoll
Administration der "Cz. Allg. Ztg."



[Spaltenumbruch]
Czernowitzer Angelegenheiten.


Die Reichsratswahlen

Der Landtagsabgeordnete Nikolaj von Wassilko ver-
öffentlicht einen offenen Brief an den sozialdemokratischen Kan-
didaten für Czernowitz-West, Georg Grigorovici, in welchem
er die Behauptung des Letzteren, daß er Wassilko) nur aus
persönlichen Motiven bekämpfte, zurückweist. Die markanteste
sachliche Stelle dieses Briefes ist diejenige, in welcher Herr von
Wassilko darauf hinweist, daß Hofrat Skedl aus den
Städten sich zurückzog, um einen jüdischen Kandidaten Platz zu
machen und daß den Deutschen in Czernowitz-West das Mandat
restituiert werden müsse. Tatsächlich greift diese [A]nschauung
in den weitesten Kreisen der jüdischen Wähler Platz. Bei
dieser Gelegenheit sei mitgeteilt, daß auch für den 13 Juni wie
seinerzeit für die Landtagswahlen die umfassendsten Sicherheits-
vorkehrungen getroffen sind und daß die Wählerschaft ungehindert
zur Wahlurne wird schreiten können.




In der Städtegruppe Radautz--Suczawa--Sereth
gestaltet sich der Wahlkampf täglich interessanter. Zu den beiden
bereits vorhandenen jüdischen Kandidaturen, Dr. Mahler und
Dr. Sommer, ist ein dritter hinzugetreten, Herr Lucian
Vrunner aus Wien, der in Sereth und Radautz bereits
Wählerversammlungen abhielt. Herrn Brunners Programm
können wir nicht, man sagt ihm bloß nach, er sei ein Millionär.
In den drei Städten kandidieren bekanntlich außerdem ein
Christlichsozialer und ein Sozialdemokrat.




In Czernowitz Ost fanden am Sonntag nachmittag
fast zu gleicher Zeit drei Versammlungen statt (Ippen,
Kellner
und Straucher). Weitaus am stärksten war die
Kellner'sche Versammlung besucht. Die diesbezügliche Resolution
wurde von den Tausenden Anwesenden einstimmig angenommen.




Ein am 4. d. M. abgehaltener Delegiertentag der Kanzlei-
offizianten beriet unter dem Vorsitze des Obmannes Liquornik
Standesangelegenheiten und gab auch für die Reichsratswahl
eine Wahlparole aus.




Am 7. d. M. um 8 Uhr abends findet im Gewerbemuseum
eine Versammlung von Gewerbetreibenden statt, welche zu den
Reichsratswahlen Stellung nehmen wird.




Bekanntlich hatte der "Jüdische Volksrat" die
Forderung erhoben, daß der neu zu gründende jüdische
Landtagsklub in seinen Statuten die Bestimmung auf-
nehme, daß das Landesausschußmandat unvereinbarlich
sei mit einem Reichsratsmandat. Diese Bestimmung
wurde von Straucher'scher Seite nicht akzeptiert, worauf
Professor Dr. Kellner seine Kandidatur in Czernowitz-
Ost anmeldete. Heute fand neuerlich eine Sitzung sämt-
licher jüdischer Landtagsabgeordneten statt und in dieser
wurde nach längerer Beratung einstimmig nach-
stehender Beschluß gefaßt: 1. Einen jüdischen Landtags-
klub zu gründen und in denselben einzutreten. 2. In der
gegenwärtigen Landtagswahlperiode kein Mitglied des
jüdischen Landtagsklubs als Beisitzer in den Landesaus-
schuß zu wählen, welches ein Reichsratsmandat bekleidet.

Professor Dr. Kellner erklärte hierauf, daß er von
seiner Kandidatur für das Reichsratsmandat Czernowitz-
Ost zurücktrete und sowohl er, als Dr. Fokschaner
sich verbindlich machen, eine andere Kandidatur für dieses
Mandat gegenüber Dr. Straucher weder direkt noch
indirekt zu unterstützen.

Die Versammelten beschlossen als jüdischer Land-
tagsklub, daß sie die Kandidatur des Hofrates Skedl
für das Reichsratsmandat Czernowitz-West unterstützen
werden.

Damit ist diese Episode in dem Wahlkampfe erledigt.
Der jüdische Volksrat hat in der prinzipiellen Frage der
Aemterkumulierung einen vollständigen Sieg
davongetragen.




Der Czernowitzer Blumentag.

Am Pfingstsonntag sah Czernowitz festlich aus. Es
bot einen eleganten, frischen, herzerfreuenden Anblick dar,
denn es hatte seine hübschesten Mädchen, viele Hundert an
Zahl ausgestellt. Keines derselben blieb aber auf dem ihr
zugewiesenen Platze stehen und keines trug in sichtbarer
Schrift die Warnung: "Es wird ersucht, die Ausstellungs-
gegenstände nicht zu berühren." Hurtig, frisch, munter
und mit lachenden Augen walteten die jungen Mädchen
innerhalb der ihnen zugewiesenen Rayons ihres Amtes.
Eigentlich ihres Berufes: sie suchten einen Mann ...
Sie fragten nicht nach Alter, Stand und Rang, und die
schlichten Handwerker, Arbeiter und Vorstädter, Greise
und Knaben fanden Gnade in ihren Augen. Nicht einmal
nach dem -- Einkommen fragten sie, sondern überreichten
mit zärtlichem Augenaufschlag mit mehr oder minder
sanftem Erröten ihr Blümlein und bereitwillig öffnete die
von galanter Männerhand bereitgehaltene Sammelbüchse
ihren Mund, in welchen sich dann die Nickel- und Silber-
münzen schoben. Die Folgen blieben auch nicht aus: Wie
die besten Tänzer und die "guten Partien" im Ballsaal mit
Kotillonorden, so war die ganze männliche Welt von Czer-
nowitz mit Blumen -- es wurde die Margarethe gewählt
-- geschmückt. Für manche war es eine süße Vorahnung
beseitigter Knopflochschmerzen. Als sich am Sonntag die
Abendschatten auf die lebensvolle Stadt niedersenkten,
waren alle Blumen ausverkauft und alles Kleingeld ver-
schwunden. Niemand konnte eine Krone oder einen Gul-
den wechseln. Der nächste Morgen -- der Blumentag wurde

7. Juni 1911. Czernowitzer Allgemeine Zeitung

[Spaltenumbruch]
Bunte Chronik.


Die Choleraepidemie in Venedig.
Sanitäre Ueberwachungsmaßnahmen Oeſterreichs.

KB.

Infolge einer telegraphiſchen
Anordnung des Handelsminiſteriums entfallen gegen-
über der Provenienzen aus Venedig die uſuellen
Erleichterungen bei der Behandlung nicht verdächtiger
Schiffe. Die Vergnügungsfahrten nach Ve-
nedig wurden aufgehoben.

Widerſprechende Meldungen.

Nach Meldungen aus Venedig ſoll
die Cholera dort insbeſondere unter den ärmeren Schichten
auftreten. Die Regierung bietet alles auf, um der Seuche
entgegenzutreten. Die Sanitätskommiſſion arbeite Tag
und Nacht. Doch werden alle choleraverdächtigen Fälle als
gaſtriſche Fiebererſcheinungen erklärt. Einige Aerzte, die
darauf drangen, es möge die Wahrheit bekanntgegeben
werden, wurden niedergeſtimmt und traten daher aus der
Kommiſſion aus. Auch im Vorjahr ſei die Cholera von
den Behöden verheimlicht worden. In Trieſter
Kreiſen wird vorgeſchlagen, daß im Intereſſe der Allge-
meinheit und zur Beruhigung der Gemüter eine Abord-
nung von neutralen Deputierten nach Venedig entſandt
werden ſoll, damit dieſe auf Grund eigener Wahrnehmung
ein Gutachten über den wahren Stand der Epidemie ab-
gebe. Im Gegenſatz zu dieſen Meldungen erhält die „Poli-
tiſche Korreſpondenz“ von amtlicher Seite aus
Rom
die Mitteilung, daß der öffentliche Geſundheitszu-
ſtand in Venedig, ſowie im ganzen Italien normal
ſei und daß man ſeit dem vergangenen Jahr nicht aufge-
hört hat, die notwendigen Vorſichtsmaßregeln zu treffen.
Die Nachricht über eine verdächtige Erkrankung in Vene-
dig beziehe ſich bloß auf zwei Fälle von gaſtriſcher Enderi-
tis, was durch amtliche bakteriologiſche Unterſuchung feſt-
geſtellt ſei. Es iſt daher abſolut ausgeſchloſſen, daß ſich in
Venedig Cholerafälle ereignet hätten und der öſterreichi-
ſche Staatsbürger Franzky könne ſich unmöglich die
Cholera in Venedig, wo er ſich auch nur ganz kurze Zeit
aufhielt, zugezogen haben, wie dies durch eine amtliche
Unterſuchung der italieniſchen Behörden erwieſen wor-
den iſt.

Beunruhigung in Trieſt.

Die äußerſt ſpärlichen Nachrichten
aus Benedig über die choleraverdächtigen Erkrankungen
werden von der Bevölkerung mit großer Beunruhigung
aufgenommen, da man nunmehr die Ueberzeugung ge-
winnt, daß in Venedig tatſächlich zahlreiche Choleraer-
krankungen konſtatiert wurden. An den amtlichen Stellen
ſucht man jedoch dieſe Fälle lediglich als Brechdurchfälle
hinzuſtellen und leugnet jede Gefahr. Reiſende, die
aus Venedig kommen, erzählen, daß ſie davon gehört
hätten, daß in Venedig mindeſtens 60—70 cholera-
verdächtige Erkrankungen
vorgekommen ſeien.
In den hier aus Venedig und anderen Städten Italiens
eintreffenden Zeitungen wird mit keiner Silbe das Auf-
treten von choleraverdächtigen Erkrankungen in Venedig
erwähnt.

Ein unterſchlagenes Telegramm.

Aus Anlaß der jüngſten Meldungen
über einige Cholerafälle in Venedig hat das „Berliner
Tageblatt“ ſeinen venezianiſchen Korreſpondenten aufge-
fordert, ihm genaue Informationen über dieſe Angelegen-
heit zukommen zu laſſen. Wie die Telegraphendirektion
in Berlin mitteilt, iſt ſeitens der venezianiſchen Tele-
graphendirektion die Mitteilung eingelangt, daß auf
Grund der getroffenen Dispoſitionen die telegraphiſche
Aufforderung dem Adreſſaten nicht ausgehändigt
wurde.




Luftſchiffahrt.
Eine Ueberſeefahrt Nizza-Korſika.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der
Aviatiker Bague iſt heute um 5 Uhr früh von Nizza in
der Richtung nach Korſika aufgeſtiegen. Bisher iſt über
das Schickſal Bagues nichts bekannt.




Eiſenbahnunfälle.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Bei Linares iſt ein Kurierzug entgleiſt. Vierzehn Perſonen
wurden verletzt, davon drei ſchwer.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Beim Entgleiſen eines Straßenbahnwagens wurden 40 Perſonen,
meiſt Arbeiter, verletzt, darunter einige ſchwer.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Am 2. Juni nachts entgleiſte auf der anatoliſchen
Eiſenbahn ein Laſtzug beim Paſſieren der Brücke zwiſchen
Veſirhan und Biledſchik, welche infolge Ueberſchwemmung
des Kuruſſufluſſes beſchädigt war. Die Lokomotive und
einige Waggons fielen ins Waſſer. Der Maſchiniſt und
der Heizer wurden getötet und drei Perſonen verletzt.




Ein Mann mit 5 Frauen.

Hier wurde der Riemermeiſter
Hermann Berglaubter verhaftet, weil er mit fünf
Frauen in verſchiedenen Städten Galiziens rituelle
Ehen
eingegangen war und ſie darauf um ihr Vermögen
betrogen hatte. Zum erſten Male heiratete er unlängſt in
Lemberg, darauf in Turka, zum dritten Male in Brody,
[Spaltenumbruch] hernach in Tarnow und endlich in Jaroslau. Von keiner
einzigen Gattin hatte er ſich ſcheiden laſſen. Der vierten
Gattin nahm er 400 Kronen Bargeld und verſchiedene
Koſtbarkeiten ab, weshalb ſie gegen ihn die Anzeige bei
der Polizei erſtattete. Dadurch kam das fünffältige Ehe-
leben Berglaubters an den Tag.




Schwere Gewitter in Südrußland.

KB.

In den Gouvernements
Kiew und Cherſon ſind ſchwere Gewitter niederge-
gangen. Die Saaten wurden durch den Hagel ver-
nichtet.
Viele Windmühlen wurden vom Sturm
umgeriſſen
und mehrere Objekte durch den Blitz in
Brand geſteckt.



[Die Blume im Knopfloch der Dame.]

Die Frau von heute, die in nichts mehr hinter dem Herrn
der Schöpfung zurückſtehen will, hat ſich nun auch des
Knopflochs, deſſen Schmuck bisher ein Vorrecht des
Mannes zu ſein ſchien, bemächtigt. Die Mode verlangt von
den Damen, daß ſie ein oder zwei Blumen im Knopfloch
tragen, um den monotonen Ernſt des Promenadenkoſtüms
dadurch reizvoll zu unterbrechen. Doch immer ſtrenger
verlangt das laute Modegebot, den künſtlichen Blumen
Valet zu ſagen, und nun muß die Modedame ihre Ehre
darein ſetzen, eine ntürliche Blume im Knopfloch zu
tragen, die ebenſo entzückend, ebenſo zart, ebenſo duftend
und teuerer ſein muß, als eine künſtliche. Orchideen, das
Stück zu zehn Francs, Nelken zu fünf Francs, die ſelten-
ſten und koſtbarſten Roſenarten erſcheinen den Pariſer
Schönen gerade gut genug, um an ihrem Buſen in einer
Stunde hinzuwelken. Was die Wahl der Blumen fürs
Knopfloch anbetrifft, ſo bevorzugt man rote Nelken, doch
werden zu den jetzt beliebten dunkelblauen Koſtümen auch
gern kleine Sträuße von Kornblumen getragen. Das tiefe
Rot oder Weiß der Levkojen iſt ebenfalls ſehr wirkungs-
reich. Zu Beginn des Frühlings wurden hauptſächlich
Parmaveilchen, Kamelien und Gardenien getragen, aber
jetzt tritt eine andere Auswahl der Blumen an ihre Stelle,
vor allem die „Königin“, die Roſe. Vielleicht die beliebteſte
Blume dieſer Saiſon iſt aber die Wicke, die feine ſo man-
nigfaltige, leuchtende Färbung dieſer Blume wird durch
einige Stengel von Frauenhaar hervorgehoben, mit dem
die Wicken zuſammengebunden ſind. Vergißmeinnicht und
Reſeda, deren Farbentöne ſo kleidſam ſind, erſcheinen gern
mit anderen Blumen zuſammen, wie man überhaupt bei
Sträußen eine bunte Miſchung verſchiedener Blumen be-
vorzugt. Ein paar loſe gewundene Feldblumen. zuſammen
mit ein paar Getreideähren, ſind der ſchlichteſte und zu-
gleich feinſte Schmuck der Morgentoilette.

[Eine ſchöne Abenteurin im Gefängnis].

Aus London wird berichtet: Lady Murcia zieht ſich für
etliche Monate ins Gefängnis zurück, um über die Grau-
ſamkeit ihrer Gläubiger nachzudenken: die ungalanten
Herren haben ſie eine Schwindlerin genannt und ihr, ohne
Rückſicht auf den glorreichen Namen, den ſie trägt, den
Prozeß gemacht. Lady Murcia iſt nämlich — ſie behauptet
es wenigſtens — ein unmittelbarer Sproß der hochedlen
Herzöge von Somerſet; mit dieſem Titel zog ſie ſeit zehn
Jahren durch die Städte Englands, begleitet von einem
Herrn, de,r je nach Bedürfnis, als Gatte, Bruder oder
Kammerdiener auftrat. Wenn Lady Murcia eine Stadt mti
ihrer Anweſenheit beglückte, nahm ſie immer in dem vor-
nehmſten Hotel Wohnung, und es wäre keinem Menſchen
eingefallen, vor ihr auch nur einen Pfennig Anzahlung
zu verlangen. Auf ihren eleganten Koffern, auf ihren
Reiſetaſchen und auf ihrer Wäſche ſah man Wappen und
Herzogskronen. Dazu kam nach, daß ſie ſich mit ſolchem
Luxus kleidete, daß niemand zu zweifeln wagte, daß ſie
wirklich aus einer herzoglichen Familie ſtammte. Tat-
ſächlich, — dieſes Geheimnis iſt jedoch erſt während des
Prozeſſes entdeckt worden — iſt Lady Murcia nur die
Tochter eines Wagenhändlers und die Enkelin eines bie-
deren Poliziſten aus einer kleinen Provinzſtadt. Der
Mann, der auf ihren abenteuerlichen Fahrten ihr Beglei-
ter war, iſt der Sohn eines Landarztes. Beſonders merk-
würdig iſt die Tatſache, daß Lady Murcia durch ihre au-
ßerordentliche Schönheit und ihre glänzenden Geiſtes-
gaben einige der bekannteſten Staatsmänner zu bezau-
bern wußte; man ſah ſie oft auf der Teraſſe von Weſt
minſter mit bekannten Abgeordneten den Tee nehmen.



Unſere geehrten P. T. Abonnenten
werden aus Anlaß des ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒
Monatswechſels
dringend gebeten, das Abonnement durch Ein-
ſendung des Pränumerationsbetrages recht-
zeitig zu erneuern. Rückſtände erſuchen wir
gleichfalls bis zum 10. Juni zu begleichen.
Zugleich laden wir zum Bezuge unſeres Blattes
höflichſt ein. Neueintretende Abonnenten er-
halten auf Wunſch die bereits erſchienenen
Teile des laufenden Romans gratis nachgeliefert.

Hochachtungsvoll
Adminiſtration der „Cz. Allg. Ztg.“



[Spaltenumbruch]
Czernowitzer Angelegenheiten.


Die Reichsratswahlen

Der Landtagsabgeordnete Nikolaj von Waſſilko ver-
öffentlicht einen offenen Brief an den ſozialdemokratiſchen Kan-
didaten für Czernowitz-Weſt, Georg Grigorovici, in welchem
er die Behauptung des Letzteren, daß er Waſſilko) nur aus
perſönlichen Motiven bekämpfte, zurückweiſt. Die markanteſte
ſachliche Stelle dieſes Briefes iſt diejenige, in welcher Herr von
Waſſilko darauf hinweiſt, daß Hofrat Skedl aus den
Städten ſich zurückzog, um einen jüdiſchen Kandidaten Platz zu
machen und daß den Deutſchen in Czernowitz-Weſt das Mandat
reſtituiert werden müſſe. Tatſächlich greift dieſe [A]nſchauung
in den weiteſten Kreiſen der jüdiſchen Wähler Platz. Bei
dieſer Gelegenheit ſei mitgeteilt, daß auch für den 13 Juni wie
ſeinerzeit für die Landtagswahlen die umfaſſendſten Sicherheits-
vorkehrungen getroffen ſind und daß die Wählerſchaft ungehindert
zur Wahlurne wird ſchreiten können.




In der Städtegruppe Radautz—Suczawa—Sereth
geſtaltet ſich der Wahlkampf täglich intereſſanter. Zu den beiden
bereits vorhandenen jüdiſchen Kandidaturen, Dr. Mahler und
Dr. Sommer, iſt ein dritter hinzugetreten, Herr Lucian
Vrunner aus Wien, der in Sereth und Radautz bereits
Wählerverſammlungen abhielt. Herrn Brunners Programm
können wir nicht, man ſagt ihm bloß nach, er ſei ein Millionär.
In den drei Städten kandidieren bekanntlich außerdem ein
Chriſtlichſozialer und ein Sozialdemokrat.




In Czernowitz Oſt fanden am Sonntag nachmittag
faſt zu gleicher Zeit drei Verſammlungen ſtatt (Ippen,
Kellner
und Straucher). Weitaus am ſtärkſten war die
Kellner’ſche Verſammlung beſucht. Die diesbezügliche Reſolution
wurde von den Tauſenden Anweſenden einſtimmig angenommen.




Ein am 4. d. M. abgehaltener Delegiertentag der Kanzlei-
offizianten beriet unter dem Vorſitze des Obmannes Liquornik
Standesangelegenheiten und gab auch für die Reichsratswahl
eine Wahlparole aus.




Am 7. d. M. um 8 Uhr abends findet im Gewerbemuſeum
eine Verſammlung von Gewerbetreibenden ſtatt, welche zu den
Reichsratswahlen Stellung nehmen wird.




Bekanntlich hatte der „Jüdiſche Volksrat“ die
Forderung erhoben, daß der neu zu gründende jüdiſche
Landtagsklub in ſeinen Statuten die Beſtimmung auf-
nehme, daß das Landesausſchußmandat unvereinbarlich
ſei mit einem Reichsratsmandat. Dieſe Beſtimmung
wurde von Straucher’ſcher Seite nicht akzeptiert, worauf
Profeſſor Dr. Kellner ſeine Kandidatur in Czernowitz-
Oſt anmeldete. Heute fand neuerlich eine Sitzung ſämt-
licher jüdiſcher Landtagsabgeordneten ſtatt und in dieſer
wurde nach längerer Beratung einſtimmig nach-
ſtehender Beſchluß gefaßt: 1. Einen jüdiſchen Landtags-
klub zu gründen und in denſelben einzutreten. 2. In der
gegenwärtigen Landtagswahlperiode kein Mitglied des
jüdiſchen Landtagsklubs als Beiſitzer in den Landesaus-
ſchuß zu wählen, welches ein Reichsratsmandat bekleidet.

Profeſſor Dr. Kellner erklärte hierauf, daß er von
ſeiner Kandidatur für das Reichsratsmandat Czernowitz-
Oſt zurücktrete und ſowohl er, als Dr. Fokſchaner
ſich verbindlich machen, eine andere Kandidatur für dieſes
Mandat gegenüber Dr. Straucher weder direkt noch
indirekt zu unterſtützen.

Die Verſammelten beſchloſſen als jüdiſcher Land-
tagsklub, daß ſie die Kandidatur des Hofrates Skedl
für das Reichsratsmandat Czernowitz-Weſt unterſtützen
werden.

Damit iſt dieſe Epiſode in dem Wahlkampfe erledigt.
Der jüdiſche Volksrat hat in der prinzipiellen Frage der
Aemterkumulierung einen vollſtändigen Sieg
davongetragen.




Der Czernowitzer Blumentag.

Am Pfingſtſonntag ſah Czernowitz feſtlich aus. Es
bot einen eleganten, friſchen, herzerfreuenden Anblick dar,
denn es hatte ſeine hübſcheſten Mädchen, viele Hundert an
Zahl ausgeſtellt. Keines derſelben blieb aber auf dem ihr
zugewieſenen Platze ſtehen und keines trug in ſichtbarer
Schrift die Warnung: „Es wird erſucht, die Ausſtellungs-
gegenſtände nicht zu berühren.“ Hurtig, friſch, munter
und mit lachenden Augen walteten die jungen Mädchen
innerhalb der ihnen zugewieſenen Rayons ihres Amtes.
Eigentlich ihres Berufes: ſie ſuchten einen Mann ...
Sie fragten nicht nach Alter, Stand und Rang, und die
ſchlichten Handwerker, Arbeiter und Vorſtädter, Greiſe
und Knaben fanden Gnade in ihren Augen. Nicht einmal
nach dem — Einkommen fragten ſie, ſondern überreichten
mit zärtlichem Augenaufſchlag mit mehr oder minder
ſanftem Erröten ihr Blümlein und bereitwillig öffnete die
von galanter Männerhand bereitgehaltene Sammelbüchſe
ihren Mund, in welchen ſich dann die Nickel- und Silber-
münzen ſchoben. Die Folgen blieben auch nicht aus: Wie
die beſten Tänzer und die „guten Partien“ im Ballſaal mit
Kotillonorden, ſo war die ganze männliche Welt von Czer-
nowitz mit Blumen — es wurde die Margarethe gewählt
— geſchmückt. Für manche war es eine ſüße Vorahnung
beſeitigter Knopflochſchmerzen. Als ſich am Sonntag die
Abendſchatten auf die lebensvolle Stadt niederſenkten,
waren alle Blumen ausverkauft und alles Kleingeld ver-
ſchwunden. Niemand konnte eine Krone oder einen Gul-
den wechſeln. Der nächſte Morgen — der Blumentag wurde

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[3/0003] 7. Juni 1911. Czernowitzer Allgemeine Zeitung Bunte Chronik. Czernowitz, 6. Juni. Die Choleraepidemie in Venedig. Sanitäre Ueberwachungsmaßnahmen Oeſterreichs. KB. Trieſt, 5. Juni. Infolge einer telegraphiſchen Anordnung des Handelsminiſteriums entfallen gegen- über der Provenienzen aus Venedig die uſuellen Erleichterungen bei der Behandlung nicht verdächtiger Schiffe. Die Vergnügungsfahrten nach Ve- nedig wurden aufgehoben. Widerſprechende Meldungen. Trieſt, 4. Juni. Nach Meldungen aus Venedig ſoll die Cholera dort insbeſondere unter den ärmeren Schichten auftreten. Die Regierung bietet alles auf, um der Seuche entgegenzutreten. Die Sanitätskommiſſion arbeite Tag und Nacht. Doch werden alle choleraverdächtigen Fälle als gaſtriſche Fiebererſcheinungen erklärt. Einige Aerzte, die darauf drangen, es möge die Wahrheit bekanntgegeben werden, wurden niedergeſtimmt und traten daher aus der Kommiſſion aus. Auch im Vorjahr ſei die Cholera von den Behöden verheimlicht worden. In Trieſter Kreiſen wird vorgeſchlagen, daß im Intereſſe der Allge- meinheit und zur Beruhigung der Gemüter eine Abord- nung von neutralen Deputierten nach Venedig entſandt werden ſoll, damit dieſe auf Grund eigener Wahrnehmung ein Gutachten über den wahren Stand der Epidemie ab- gebe. Im Gegenſatz zu dieſen Meldungen erhält die „Poli- tiſche Korreſpondenz“ von amtlicher Seite aus Rom die Mitteilung, daß der öffentliche Geſundheitszu- ſtand in Venedig, ſowie im ganzen Italien normal ſei und daß man ſeit dem vergangenen Jahr nicht aufge- hört hat, die notwendigen Vorſichtsmaßregeln zu treffen. Die Nachricht über eine verdächtige Erkrankung in Vene- dig beziehe ſich bloß auf zwei Fälle von gaſtriſcher Enderi- tis, was durch amtliche bakteriologiſche Unterſuchung feſt- geſtellt ſei. Es iſt daher abſolut ausgeſchloſſen, daß ſich in Venedig Cholerafälle ereignet hätten und der öſterreichi- ſche Staatsbürger Franzky könne ſich unmöglich die Cholera in Venedig, wo er ſich auch nur ganz kurze Zeit aufhielt, zugezogen haben, wie dies durch eine amtliche Unterſuchung der italieniſchen Behörden erwieſen wor- den iſt. Beunruhigung in Trieſt. Trieſt, 4. Juni. Die äußerſt ſpärlichen Nachrichten aus Benedig über die choleraverdächtigen Erkrankungen werden von der Bevölkerung mit großer Beunruhigung aufgenommen, da man nunmehr die Ueberzeugung ge- winnt, daß in Venedig tatſächlich zahlreiche Choleraer- krankungen konſtatiert wurden. An den amtlichen Stellen ſucht man jedoch dieſe Fälle lediglich als Brechdurchfälle hinzuſtellen und leugnet jede Gefahr. Reiſende, die aus Venedig kommen, erzählen, daß ſie davon gehört hätten, daß in Venedig mindeſtens 60—70 cholera- verdächtige Erkrankungen vorgekommen ſeien. In den hier aus Venedig und anderen Städten Italiens eintreffenden Zeitungen wird mit keiner Silbe das Auf- treten von choleraverdächtigen Erkrankungen in Venedig erwähnt. Ein unterſchlagenes Telegramm. Berlin, 4. Juni. Aus Anlaß der jüngſten Meldungen über einige Cholerafälle in Venedig hat das „Berliner Tageblatt“ ſeinen venezianiſchen Korreſpondenten aufge- fordert, ihm genaue Informationen über dieſe Angelegen- heit zukommen zu laſſen. Wie die Telegraphendirektion in Berlin mitteilt, iſt ſeitens der venezianiſchen Tele- graphendirektion die Mitteilung eingelangt, daß auf Grund der getroffenen Dispoſitionen die telegraphiſche Aufforderung dem Adreſſaten nicht ausgehändigt wurde. Luftſchiffahrt. Eine Ueberſeefahrt Nizza-Korſika. KB. Paris, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Aviatiker Bague iſt heute um 5 Uhr früh von Nizza in der Richtung nach Korſika aufgeſtiegen. Bisher iſt über das Schickſal Bagues nichts bekannt. Eiſenbahnunfälle. KB. Madrid, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Bei Linares iſt ein Kurierzug entgleiſt. Vierzehn Perſonen wurden verletzt, davon drei ſchwer. KB. Salibridge, 6. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Beim Entgleiſen eines Straßenbahnwagens wurden 40 Perſonen, meiſt Arbeiter, verletzt, darunter einige ſchwer. KB. Konſtantinopel, 5. Juni. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Am 2. Juni nachts entgleiſte auf der anatoliſchen Eiſenbahn ein Laſtzug beim Paſſieren der Brücke zwiſchen Veſirhan und Biledſchik, welche infolge Ueberſchwemmung des Kuruſſufluſſes beſchädigt war. Die Lokomotive und einige Waggons fielen ins Waſſer. Der Maſchiniſt und der Heizer wurden getötet und drei Perſonen verletzt. Ein Mann mit 5 Frauen. Jaroslan, 5. Juni. Hier wurde der Riemermeiſter Hermann Berglaubter verhaftet, weil er mit fünf Frauen in verſchiedenen Städten Galiziens rituelle Ehen eingegangen war und ſie darauf um ihr Vermögen betrogen hatte. Zum erſten Male heiratete er unlängſt in Lemberg, darauf in Turka, zum dritten Male in Brody, hernach in Tarnow und endlich in Jaroslau. Von keiner einzigen Gattin hatte er ſich ſcheiden laſſen. Der vierten Gattin nahm er 400 Kronen Bargeld und verſchiedene Koſtbarkeiten ab, weshalb ſie gegen ihn die Anzeige bei der Polizei erſtattete. Dadurch kam das fünffältige Ehe- leben Berglaubters an den Tag. Schwere Gewitter in Südrußland. KB. Petersburg, 5. Juni. In den Gouvernements Kiew und Cherſon ſind ſchwere Gewitter niederge- gangen. Die Saaten wurden durch den Hagel ver- nichtet. Viele Windmühlen wurden vom Sturm umgeriſſen und mehrere Objekte durch den Blitz in Brand geſteckt. [Die Blume im Knopfloch der Dame.] Die Frau von heute, die in nichts mehr hinter dem Herrn der Schöpfung zurückſtehen will, hat ſich nun auch des Knopflochs, deſſen Schmuck bisher ein Vorrecht des Mannes zu ſein ſchien, bemächtigt. Die Mode verlangt von den Damen, daß ſie ein oder zwei Blumen im Knopfloch tragen, um den monotonen Ernſt des Promenadenkoſtüms dadurch reizvoll zu unterbrechen. Doch immer ſtrenger verlangt das laute Modegebot, den künſtlichen Blumen Valet zu ſagen, und nun muß die Modedame ihre Ehre darein ſetzen, eine ntürliche Blume im Knopfloch zu tragen, die ebenſo entzückend, ebenſo zart, ebenſo duftend und teuerer ſein muß, als eine künſtliche. Orchideen, das Stück zu zehn Francs, Nelken zu fünf Francs, die ſelten- ſten und koſtbarſten Roſenarten erſcheinen den Pariſer Schönen gerade gut genug, um an ihrem Buſen in einer Stunde hinzuwelken. Was die Wahl der Blumen fürs Knopfloch anbetrifft, ſo bevorzugt man rote Nelken, doch werden zu den jetzt beliebten dunkelblauen Koſtümen auch gern kleine Sträuße von Kornblumen getragen. Das tiefe Rot oder Weiß der Levkojen iſt ebenfalls ſehr wirkungs- reich. Zu Beginn des Frühlings wurden hauptſächlich Parmaveilchen, Kamelien und Gardenien getragen, aber jetzt tritt eine andere Auswahl der Blumen an ihre Stelle, vor allem die „Königin“, die Roſe. Vielleicht die beliebteſte Blume dieſer Saiſon iſt aber die Wicke, die feine ſo man- nigfaltige, leuchtende Färbung dieſer Blume wird durch einige Stengel von Frauenhaar hervorgehoben, mit dem die Wicken zuſammengebunden ſind. Vergißmeinnicht und Reſeda, deren Farbentöne ſo kleidſam ſind, erſcheinen gern mit anderen Blumen zuſammen, wie man überhaupt bei Sträußen eine bunte Miſchung verſchiedener Blumen be- vorzugt. Ein paar loſe gewundene Feldblumen. zuſammen mit ein paar Getreideähren, ſind der ſchlichteſte und zu- gleich feinſte Schmuck der Morgentoilette. [Eine ſchöne Abenteurin im Gefängnis]. Aus London wird berichtet: Lady Murcia zieht ſich für etliche Monate ins Gefängnis zurück, um über die Grau- ſamkeit ihrer Gläubiger nachzudenken: die ungalanten Herren haben ſie eine Schwindlerin genannt und ihr, ohne Rückſicht auf den glorreichen Namen, den ſie trägt, den Prozeß gemacht. Lady Murcia iſt nämlich — ſie behauptet es wenigſtens — ein unmittelbarer Sproß der hochedlen Herzöge von Somerſet; mit dieſem Titel zog ſie ſeit zehn Jahren durch die Städte Englands, begleitet von einem Herrn, de,r je nach Bedürfnis, als Gatte, Bruder oder Kammerdiener auftrat. Wenn Lady Murcia eine Stadt mti ihrer Anweſenheit beglückte, nahm ſie immer in dem vor- nehmſten Hotel Wohnung, und es wäre keinem Menſchen eingefallen, vor ihr auch nur einen Pfennig Anzahlung zu verlangen. Auf ihren eleganten Koffern, auf ihren Reiſetaſchen und auf ihrer Wäſche ſah man Wappen und Herzogskronen. Dazu kam nach, daß ſie ſich mit ſolchem Luxus kleidete, daß niemand zu zweifeln wagte, daß ſie wirklich aus einer herzoglichen Familie ſtammte. Tat- ſächlich, — dieſes Geheimnis iſt jedoch erſt während des Prozeſſes entdeckt worden — iſt Lady Murcia nur die Tochter eines Wagenhändlers und die Enkelin eines bie- deren Poliziſten aus einer kleinen Provinzſtadt. Der Mann, der auf ihren abenteuerlichen Fahrten ihr Beglei- ter war, iſt der Sohn eines Landarztes. Beſonders merk- würdig iſt die Tatſache, daß Lady Murcia durch ihre au- ßerordentliche Schönheit und ihre glänzenden Geiſtes- gaben einige der bekannteſten Staatsmänner zu bezau- bern wußte; man ſah ſie oft auf der Teraſſe von Weſt minſter mit bekannten Abgeordneten den Tee nehmen. Unſere geehrten P. T. Abonnenten werden aus Anlaß des ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Monatswechſels dringend gebeten, das Abonnement durch Ein- ſendung des Pränumerationsbetrages recht- zeitig zu erneuern. Rückſtände erſuchen wir gleichfalls bis zum 10. Juni zu begleichen. Zugleich laden wir zum Bezuge unſeres Blattes höflichſt ein. Neueintretende Abonnenten er- halten auf Wunſch die bereits erſchienenen Teile des laufenden Romans gratis nachgeliefert. Hochachtungsvoll Adminiſtration der „Cz. Allg. Ztg.“ Czernowitzer Angelegenheiten. Czernowitz, 6. Juni. Die Reichsratswahlen Der Landtagsabgeordnete Nikolaj von Waſſilko ver- öffentlicht einen offenen Brief an den ſozialdemokratiſchen Kan- didaten für Czernowitz-Weſt, Georg Grigorovici, in welchem er die Behauptung des Letzteren, daß er Waſſilko) nur aus perſönlichen Motiven bekämpfte, zurückweiſt. Die markanteſte ſachliche Stelle dieſes Briefes iſt diejenige, in welcher Herr von Waſſilko darauf hinweiſt, daß Hofrat Skedl aus den Städten ſich zurückzog, um einen jüdiſchen Kandidaten Platz zu machen und daß den Deutſchen in Czernowitz-Weſt das Mandat reſtituiert werden müſſe. Tatſächlich greift dieſe Anſchauung in den weiteſten Kreiſen der jüdiſchen Wähler Platz. Bei dieſer Gelegenheit ſei mitgeteilt, daß auch für den 13 Juni wie ſeinerzeit für die Landtagswahlen die umfaſſendſten Sicherheits- vorkehrungen getroffen ſind und daß die Wählerſchaft ungehindert zur Wahlurne wird ſchreiten können. In der Städtegruppe Radautz—Suczawa—Sereth geſtaltet ſich der Wahlkampf täglich intereſſanter. Zu den beiden bereits vorhandenen jüdiſchen Kandidaturen, Dr. Mahler und Dr. Sommer, iſt ein dritter hinzugetreten, Herr Lucian Vrunner aus Wien, der in Sereth und Radautz bereits Wählerverſammlungen abhielt. Herrn Brunners Programm können wir nicht, man ſagt ihm bloß nach, er ſei ein Millionär. In den drei Städten kandidieren bekanntlich außerdem ein Chriſtlichſozialer und ein Sozialdemokrat. In Czernowitz Oſt fanden am Sonntag nachmittag faſt zu gleicher Zeit drei Verſammlungen ſtatt (Ippen, Kellner und Straucher). Weitaus am ſtärkſten war die Kellner’ſche Verſammlung beſucht. Die diesbezügliche Reſolution wurde von den Tauſenden Anweſenden einſtimmig angenommen. Ein am 4. d. M. abgehaltener Delegiertentag der Kanzlei- offizianten beriet unter dem Vorſitze des Obmannes Liquornik Standesangelegenheiten und gab auch für die Reichsratswahl eine Wahlparole aus. Am 7. d. M. um 8 Uhr abends findet im Gewerbemuſeum eine Verſammlung von Gewerbetreibenden ſtatt, welche zu den Reichsratswahlen Stellung nehmen wird. Bekanntlich hatte der „Jüdiſche Volksrat“ die Forderung erhoben, daß der neu zu gründende jüdiſche Landtagsklub in ſeinen Statuten die Beſtimmung auf- nehme, daß das Landesausſchußmandat unvereinbarlich ſei mit einem Reichsratsmandat. Dieſe Beſtimmung wurde von Straucher’ſcher Seite nicht akzeptiert, worauf Profeſſor Dr. Kellner ſeine Kandidatur in Czernowitz- Oſt anmeldete. Heute fand neuerlich eine Sitzung ſämt- licher jüdiſcher Landtagsabgeordneten ſtatt und in dieſer wurde nach längerer Beratung einſtimmig nach- ſtehender Beſchluß gefaßt: 1. Einen jüdiſchen Landtags- klub zu gründen und in denſelben einzutreten. 2. In der gegenwärtigen Landtagswahlperiode kein Mitglied des jüdiſchen Landtagsklubs als Beiſitzer in den Landesaus- ſchuß zu wählen, welches ein Reichsratsmandat bekleidet. Profeſſor Dr. Kellner erklärte hierauf, daß er von ſeiner Kandidatur für das Reichsratsmandat Czernowitz- Oſt zurücktrete und ſowohl er, als Dr. Fokſchaner ſich verbindlich machen, eine andere Kandidatur für dieſes Mandat gegenüber Dr. Straucher weder direkt noch indirekt zu unterſtützen. Die Verſammelten beſchloſſen als jüdiſcher Land- tagsklub, daß ſie die Kandidatur des Hofrates Skedl für das Reichsratsmandat Czernowitz-Weſt unterſtützen werden. Damit iſt dieſe Epiſode in dem Wahlkampfe erledigt. Der jüdiſche Volksrat hat in der prinzipiellen Frage der Aemterkumulierung einen vollſtändigen Sieg davongetragen. Der Czernowitzer Blumentag. Am Pfingſtſonntag ſah Czernowitz feſtlich aus. Es bot einen eleganten, friſchen, herzerfreuenden Anblick dar, denn es hatte ſeine hübſcheſten Mädchen, viele Hundert an Zahl ausgeſtellt. Keines derſelben blieb aber auf dem ihr zugewieſenen Platze ſtehen und keines trug in ſichtbarer Schrift die Warnung: „Es wird erſucht, die Ausſtellungs- gegenſtände nicht zu berühren.“ Hurtig, friſch, munter und mit lachenden Augen walteten die jungen Mädchen innerhalb der ihnen zugewieſenen Rayons ihres Amtes. Eigentlich ihres Berufes: ſie ſuchten einen Mann ... Sie fragten nicht nach Alter, Stand und Rang, und die ſchlichten Handwerker, Arbeiter und Vorſtädter, Greiſe und Knaben fanden Gnade in ihren Augen. Nicht einmal nach dem — Einkommen fragten ſie, ſondern überreichten mit zärtlichem Augenaufſchlag mit mehr oder minder ſanftem Erröten ihr Blümlein und bereitwillig öffnete die von galanter Männerhand bereitgehaltene Sammelbüchſe ihren Mund, in welchen ſich dann die Nickel- und Silber- münzen ſchoben. Die Folgen blieben auch nicht aus: Wie die beſten Tänzer und die „guten Partien“ im Ballſaal mit Kotillonorden, ſo war die ganze männliche Welt von Czer- nowitz mit Blumen — es wurde die Margarethe gewählt — geſchmückt. Für manche war es eine ſüße Vorahnung beſeitigter Knopflochſchmerzen. Als ſich am Sonntag die Abendſchatten auf die lebensvolle Stadt niederſenkten, waren alle Blumen ausverkauft und alles Kleingeld ver- ſchwunden. Niemand konnte eine Krone oder einen Gul- den wechſeln. Der nächſte Morgen — der Blumentag wurde

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2216, Czernowitz, 07.06.1911, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2216_1911/3>, abgerufen am 25.04.2024.