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[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.

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Darumb / wenn wir angeborne böse Lüste nennen / meynen wir nicht allein die Actus, böse Werck oder Frücht / sondern inwendig die böse neigung / welche nicht auffhöret / so lang wir nicht new geborn werden / durch Geist vnd Glauben. Aber darnach wollen wir mit mehr worten anzeigen / daß wir von der Erbsünde / Nemlich / Was dieselbige sey / oder nicht / auch auff geübte alte weise der Scholasticen / vnd nicht so vngewönlich geredt haben. Ich muß aber erst anzeigen / aus was vrsachen ich an dem Ort fürnemlich / solcher vnd nicht ander Wort hab brauchen wöllen.

Die Wiedersacher selbst / reden also dauon in jhren Schulen / vnd bekennen daß die Materien oder Materiale der Erbsünde / wie sie es nennen / sey böse Lust / darumb so ich habe wöllen sagen / was Erbsünde sey / ist das nicht zu vbergehen gewest / Sonderlich dieser zeit / da etliche von derselbigen angebornen bösen Lust mehr heydnisch / aus der Philosophi / denn nach dem Göttlichen Wort / oder nach der heiligen Schrifft reden. Denn etliche reden also dauon / daß die Erbsünde an der Menschlichen Natur / nicht sey eine angeborne böse Arth / Sondern allein ein Gebrechen / vnd auffgelegte Last oder Bürde / die alle Adams Kinder / vmb frembder Sünde willen / Nemlich / Adams Sünde halben tragen müssen / vnd darumb alle sterblich seyn / nicht daß sie selbst alle von art / vnd aus Mutter Leib Sünde ererbeten.

Darüber sagen sie dazu / daß kein Mensch ewig verdampt werde / allein vmb der Erbsünde oder Erbjammers willen / sondern gleich / wie von einer leibeigen Magd / leibeigene Leut / vnd Erbknecht geboren werden / nicht jhr eigen Schuld halben / sondern daß sie der Mutter Vnglücks vnd Elends entgelten / vnd tragen müssen / so sie doch an jhn selbst wie ander Menschen / ohn wandel geborn werden / so sey die Erbsünd auch nicht ein angeborn Vbel / sondern allein ein Gebrechen vnd Last / die wir von Adam tragen / aber vor vns selbst / darumb nicht in Sünden / vnd Erbungnaden stecken.

Damit ich nu anzeigete / daß vns solche vnchristliche Meinung nicht gefiele / hab ich dieser Wort gebraucht / alle Menschen von Mutterleibe an / sind alle voll böser Lüste vnd Neigung / Vnd nenne die Erbsünde auch darumb eine Seuche / anzuzeigen / daß nicht ein Stücke / sondern der gantze Mensch / mit seiner gantzen Natur / mit einer Erbseuche / von art in Sünden geboren wird / Darumb nennen wir es auch nicht alleine ein böse Lust / Sondern sagen auch / daß alle Menschen in Sünden ohn Gottes Furcht / ohn Glauben geboren werden / Dasselbige setzen wir nicht ohn Vrsach dazu. Die

Darumb / wenn wir angeborne böse Lüste nennen / meynen wir nicht allein die Actus, böse Werck oder Frücht / sondern inwendig die böse neigung / welche nicht auffhöret / so lang wir nicht new geborn werden / durch Geist vnd Glauben. Aber darnach wollen wir mit mehr worten anzeigen / daß wir von der Erbsünde / Nemlich / Was dieselbige sey / oder nicht / auch auff geübte alte weise der Scholasticen / vnd nicht so vngewönlich geredt haben. Ich muß aber erst anzeigen / aus was vrsachen ich an dem Ort fürnemlich / solcher vnd nicht ander Wort hab brauchen wöllen.

Die Wiedersacher selbst / reden also dauon in jhren Schulen / vnd bekennen daß die Materien oder Materiale der Erbsünde / wie sie es nennen / sey böse Lust / darumb so ich habe wöllen sagen / was Erbsünde sey / ist das nicht zu vbergehen gewest / Sonderlich dieser zeit / da etliche von derselbigen angebornen bösen Lust mehr heydnisch / aus der Philosophi / denn nach dem Göttlichen Wort / oder nach der heiligen Schrifft reden. Denn etliche reden also dauon / daß die Erbsünde an der Menschlichen Natur / nicht sey eine angeborne böse Arth / Sondern allein ein Gebrechen / vnd auffgelegte Last oder Bürde / die alle Adams Kinder / vmb frembder Sünde willen / Nemlich / Adams Sünde halben tragen müssen / vnd darumb alle sterblich seyn / nicht daß sie selbst alle von art / vnd aus Mutter Leib Sünde ererbeten.

Darüber sagen sie dazu / daß kein Mensch ewig verdampt werde / allein vmb der Erbsünde oder Erbjam̃ers willen / sondern gleich / wie von einer leibeigen Magd / leibeigene Leut / vnd Erbknecht geboren werden / nicht jhr eigen Schuld halben / sondern daß sie der Mutter Vnglücks vnd Elends entgelten / vnd tragen müssen / so sie doch an jhn selbst wie ander Menschen / ohn wandel geborn werden / so sey die Erbsünd auch nicht ein angeborn Vbel / sondern allein ein Gebrechen vnd Last / die wir von Adam tragen / aber vor vns selbst / darumb nicht in Sünden / vnd Erbungnaden stecken.

Damit ich nu anzeigete / daß vns solche vnchristliche Meinung nicht gefiele / hab ich dieser Wort gebraucht / alle Menschen von Mutterleibe an / sind alle voll böser Lüste vnd Neigung / Vnd nenne die Erbsünde auch darumb eine Seuche / anzuzeigen / daß nicht ein Stücke / sondern der gantze Mensch / mit seiner gantzen Natur / mit einer Erbseuche / von art in Sünden geboren wird / Darumb nennen wir es auch nicht alleine ein böse Lust / Sondern sagen auch / daß alle Menschen in Sünden ohn Gottes Furcht / ohn Glauben geboren werden / Dasselbige setzen wir nicht ohn Vrsach dazu. Die

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[172/0369] Darumb / wenn wir angeborne böse Lüste nennen / meynen wir nicht allein die Actus, böse Werck oder Frücht / sondern inwendig die böse neigung / welche nicht auffhöret / so lang wir nicht new geborn werden / durch Geist vnd Glauben. Aber darnach wollen wir mit mehr worten anzeigen / daß wir von der Erbsünde / Nemlich / Was dieselbige sey / oder nicht / auch auff geübte alte weise der Scholasticen / vnd nicht so vngewönlich geredt haben. Ich muß aber erst anzeigen / aus was vrsachen ich an dem Ort fürnemlich / solcher vnd nicht ander Wort hab brauchen wöllen. Die Wiedersacher selbst / reden also dauon in jhren Schulen / vnd bekennen daß die Materien oder Materiale der Erbsünde / wie sie es nennen / sey böse Lust / darumb so ich habe wöllen sagen / was Erbsünde sey / ist das nicht zu vbergehen gewest / Sonderlich dieser zeit / da etliche von derselbigen angebornen bösen Lust mehr heydnisch / aus der Philosophi / denn nach dem Göttlichen Wort / oder nach der heiligen Schrifft reden. Denn etliche reden also dauon / daß die Erbsünde an der Menschlichen Natur / nicht sey eine angeborne böse Arth / Sondern allein ein Gebrechen / vnd auffgelegte Last oder Bürde / die alle Adams Kinder / vmb frembder Sünde willen / Nemlich / Adams Sünde halben tragen müssen / vnd darumb alle sterblich seyn / nicht daß sie selbst alle von art / vnd aus Mutter Leib Sünde ererbeten. Darüber sagen sie dazu / daß kein Mensch ewig verdampt werde / allein vmb der Erbsünde oder Erbjam̃ers willen / sondern gleich / wie von einer leibeigen Magd / leibeigene Leut / vnd Erbknecht geboren werden / nicht jhr eigen Schuld halben / sondern daß sie der Mutter Vnglücks vnd Elends entgelten / vnd tragen müssen / so sie doch an jhn selbst wie ander Menschen / ohn wandel geborn werden / so sey die Erbsünd auch nicht ein angeborn Vbel / sondern allein ein Gebrechen vnd Last / die wir von Adam tragen / aber vor vns selbst / darumb nicht in Sünden / vnd Erbungnaden stecken. Damit ich nu anzeigete / daß vns solche vnchristliche Meinung nicht gefiele / hab ich dieser Wort gebraucht / alle Menschen von Mutterleibe an / sind alle voll böser Lüste vnd Neigung / Vnd nenne die Erbsünde auch darumb eine Seuche / anzuzeigen / daß nicht ein Stücke / sondern der gantze Mensch / mit seiner gantzen Natur / mit einer Erbseuche / von art in Sünden geboren wird / Darumb nennen wir es auch nicht alleine ein böse Lust / Sondern sagen auch / daß alle Menschen in Sünden ohn Gottes Furcht / ohn Glauben geboren werden / Dasselbige setzen wir nicht ohn Vrsach dazu. Die

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Zitationshilfe: [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/369>, abgerufen am 12.06.2024.