Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.

Bild:
<< vorherige Seite

vnd Gerechtigkeit / so wenig als Gelt vnd Gut / genommen / oder verkürtzt haben / auff daß ein jeglicher für sein Weib / Kind / Gesind / vnd Nachbar ehrlich bestehe. Vnd zum Ersten / ist der gröbste Verstand dieses Gebots / wie die Wort lauten: (Du solt nicht falsch Zeugniß reden.) Auff öffentlich Gericht gestellet / da mann ein armen vnschüldigen Man verklagt / vnd durch falsche Zeugen vnterdrückt / damit er gestrafft werde an Leib / Gut oder Ehre.

Das scheinet nun jetzt / als gehe es vns wenig an / aber bey denFalsch Zeugniß im Gericht. Jüden ists gar ein trefflich gemein ding gewesen. Denn das Volck war in feinem ördentlichen Regiment gefasset / vnd wo noch ein solch Regiment ist / da gehets ohn diese Sünde nicht abe. Vrsach ist diese / Denn wo Richter / Bürgermeister / Fürst / oder andere Obrigkeit sitzet / da fehlet es nimmer / es gehet nach der Welt lauff / daß man niemand gerne beleidigen wil / heuchlet / vnd redet nach Gunst / Gelt / Hoffnung oder Freundschafft / darüber muß ein arm Man mit seiner Sache verdruckt / Vnrecht haben / vnd Straffe leiden. Vnd ist ein gemeine Plage in der Welt / daß im Gerichte selten frommeIm Gericht sitzen selten fromme Leute. Leute sitzen. Denn es gehöret für allen andern dingen / ein frommer Man zu einem Richter / vnd nicht allein ein frommer / sondern auch ein weiser / bescheidener / ja auch ein küner vnd kecker Man / Also auch gehöret ein kecker / dazu fürnemlich ein frommer Man zum Zeugen. Denn wer alle Sachen recht richten / vnd mit dem Vrtheil hindurch reissen sol / wird offtmals gute Freunde / Schwäger / Nachbar / Reiche / vnd Gewaltige erzürnen / die jhm viel dienen / oder schaden können / darumb muß er gar blind seyn / Augen vnd Ohren zugethan / nicht sehen noch hören / denn stracks für sich / was jhm fürkompt / vnd demnach schliessen.

Darumb ist nu erstlich diß Gebot gestellet / daß ein jeglicher seinemDes Nehesten Recht fördern vnd schützen. Nehesten helffe zu seinem Rechten / vnd nicht hindern noch beugen lasse / sondern fördere vnd stracks darüber halte / Gott gebe / es sey Richter oder Zeuge / vnd treffe an was es wölle. Vnd sonderlich ist hiemit vnsern Herrn Juristen ein Ziel gesteckt / daß sie zusehen / recht vnd auffgericht mit den Sachen vmbgehen / was Recht ist / Recht bleiben lassen / vnd wiederumb nicht verdrehen noch vermenteln / oder schweigen / vnangesehen Gelt / Gut / Ehre / oder Herrschafft. Das ist ein Stück / vnd der gröbste Verstand dieses Gebots / von allem das für Gericht geschiehet.

DArnach greifft es gar viel weiter / wenn mansFalsch Zeugnis in Geistlichen sachen. sol ziehen ins Geistliche Gericht oder Regiment / Da gehets

vnd Gerechtigkeit / so wenig als Gelt vnd Gut / genom̃en / oder verkürtzt haben / auff daß ein jeglicher für sein Weib / Kind / Gesind / vnd Nachbar ehrlich bestehe. Vnd zum Ersten / ist der gröbste Verstand dieses Gebots / wie die Wort lauten: (Du solt nicht falsch Zeugniß reden.) Auff öffentlich Gericht gestellet / da mann ein armen vnschüldigen Man verklagt / vnd durch falsche Zeugen vnterdrückt / damit er gestrafft werde an Leib / Gut oder Ehre.

Das scheinet nun jetzt / als gehe es vns wenig an / aber bey denFalsch Zeugniß im Gericht. Jüden ists gar ein trefflich gemein ding gewesen. Denn das Volck war in feinem ördentlichen Regiment gefasset / vnd wo noch ein solch Regiment ist / da gehets ohn diese Sünde nicht abe. Vrsach ist diese / Denn wo Richter / Bürgermeister / Fürst / oder andere Obrigkeit sitzet / da fehlet es nimmer / es gehet nach der Welt lauff / daß man niemand gerne beleidigen wil / heuchlet / vnd redet nach Gunst / Gelt / Hoffnung oder Freundschafft / darüber muß ein arm Man mit seiner Sache verdruckt / Vnrecht haben / vnd Straffe leiden. Vnd ist ein gemeine Plage in der Welt / daß im Gerichte selten frommeIm Gericht sitzen selten from̃e Leute. Leute sitzen. Denn es gehöret für allen andern dingen / ein frommer Man zu einem Richter / vnd nicht allein ein frommer / sondern auch ein weiser / bescheidener / ja auch ein küner vnd kecker Man / Also auch gehöret ein kecker / dazu fürnemlich ein frommer Man zum Zeugen. Denn wer alle Sachen recht richten / vnd mit dem Vrtheil hindurch reissen sol / wird offtmals gute Freunde / Schwäger / Nachbar / Reiche / vnd Gewaltige erzürnen / die jhm viel dienen / oder schaden können / darumb muß er gar blind seyn / Augen vnd Ohren zugethan / nicht sehen noch hören / denn stracks für sich / was jhm fürkompt / vnd demnach schliessen.

Darumb ist nu erstlich diß Gebot gestellet / daß ein jeglicher seinemDes Nehesten Recht fördern vnd schützen. Nehesten helffe zu seinem Rechten / vnd nicht hindern noch beugen lasse / sondern fördere vnd stracks darüber halte / Gott gebe / es sey Richter oder Zeuge / vnd treffe an was es wölle. Vnd sonderlich ist hiemit vnsern Herrn Juristen ein Ziel gesteckt / daß sie zusehen / recht vnd auffgericht mit den Sachen vmbgehen / was Recht ist / Recht bleiben lassen / vnd wiederumb nicht verdrehen noch vermenteln / oder schweigen / vnangesehen Gelt / Gut / Ehre / oder Herrschafft. Das ist ein Stück / vnd der gröbste Verstand dieses Gebots / von allem das für Gericht geschiehet.

DArnach greifft es gar viel weiter / wenn mansFalsch Zeugnis in Geistlichen sachen. sol ziehen ins Geistliche Gericht oder Regiment / Da gehets

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0231" n="103"/>
vnd Gerechtigkeit / so wenig als Gelt vnd Gut /                          genom&#x0303;en / oder verkürtzt haben / auff daß ein jeglicher für                      sein Weib / Kind / Gesind / vnd Nachbar ehrlich bestehe. Vnd zum Ersten / ist                      der gröbste Verstand dieses Gebots / wie die Wort lauten: (Du solt nicht falsch                      Zeugniß reden.) Auff öffentlich Gericht gestellet / da mann ein armen                      vnschüldigen Man verklagt / vnd durch falsche Zeugen vnterdrückt / damit er                      gestrafft werde an Leib / Gut oder Ehre.</p>
        <p>Das scheinet nun jetzt / als gehe es vns wenig an / aber bey den<note place="right">Falsch Zeugniß im Gericht.</note> Jüden ists gar ein                      trefflich gemein ding gewesen. Denn das Volck war in feinem ördentlichen                      Regiment gefasset / vnd wo noch ein solch Regiment ist / da gehets ohn diese                      Sünde nicht abe. Vrsach ist diese / Denn wo Richter / Bürgermeister / Fürst /                      oder andere Obrigkeit sitzet / da fehlet es nimmer / es gehet nach der Welt                      lauff / daß man niemand gerne beleidigen wil / heuchlet / vnd redet nach Gunst /                      Gelt / Hoffnung oder Freundschafft / darüber muß ein arm Man mit seiner Sache                      verdruckt / Vnrecht haben / vnd Straffe leiden. Vnd ist ein gemeine Plage in der                      Welt / daß im Gerichte selten fromme<note place="right">Im Gericht sitzen                          selten from&#x0303;e Leute.</note> Leute sitzen. Denn es gehöret für                      allen andern dingen / ein frommer Man zu einem Richter / vnd nicht allein ein                      frommer / sondern auch ein weiser / bescheidener / ja auch ein küner vnd kecker                      Man / Also auch gehöret ein kecker / dazu fürnemlich ein frommer Man zum Zeugen.                      Denn wer alle Sachen recht richten / vnd mit dem Vrtheil hindurch reissen sol /                      wird offtmals gute Freunde / Schwäger / Nachbar / Reiche / vnd Gewaltige                      erzürnen / die jhm viel dienen / oder schaden können / darumb muß er gar blind                      seyn / Augen vnd Ohren zugethan / nicht sehen noch hören / denn stracks für sich                      / was jhm fürkompt / vnd demnach schliessen.</p>
        <p>Darumb ist nu erstlich diß Gebot gestellet / daß ein jeglicher seinem<note place="right">Des Nehesten Recht fördern vnd schützen.</note>                      Nehesten helffe zu seinem Rechten / vnd nicht hindern noch beugen lasse /                      sondern fördere vnd stracks darüber halte / Gott gebe / es sey Richter oder                      Zeuge / vnd treffe an was es wölle. Vnd sonderlich ist hiemit vnsern Herrn                      Juristen ein Ziel gesteckt / daß sie zusehen / recht vnd auffgericht mit den                      Sachen vmbgehen / was Recht ist / Recht bleiben lassen / vnd wiederumb nicht                      verdrehen noch vermenteln / oder schweigen / vnangesehen Gelt / Gut / Ehre /                      oder Herrschafft. Das ist ein Stück / vnd der gröbste Verstand dieses Gebots /                      von allem das für Gericht geschiehet.</p>
        <p>DArnach greifft es gar viel weiter / wenn mans<note place="right">Falsch                          Zeugnis in Geistlichen sachen.</note> sol ziehen ins Geistliche Gericht oder                      Regiment / Da gehets
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[103/0231] vnd Gerechtigkeit / so wenig als Gelt vnd Gut / genom̃en / oder verkürtzt haben / auff daß ein jeglicher für sein Weib / Kind / Gesind / vnd Nachbar ehrlich bestehe. Vnd zum Ersten / ist der gröbste Verstand dieses Gebots / wie die Wort lauten: (Du solt nicht falsch Zeugniß reden.) Auff öffentlich Gericht gestellet / da mann ein armen vnschüldigen Man verklagt / vnd durch falsche Zeugen vnterdrückt / damit er gestrafft werde an Leib / Gut oder Ehre. Das scheinet nun jetzt / als gehe es vns wenig an / aber bey den Jüden ists gar ein trefflich gemein ding gewesen. Denn das Volck war in feinem ördentlichen Regiment gefasset / vnd wo noch ein solch Regiment ist / da gehets ohn diese Sünde nicht abe. Vrsach ist diese / Denn wo Richter / Bürgermeister / Fürst / oder andere Obrigkeit sitzet / da fehlet es nimmer / es gehet nach der Welt lauff / daß man niemand gerne beleidigen wil / heuchlet / vnd redet nach Gunst / Gelt / Hoffnung oder Freundschafft / darüber muß ein arm Man mit seiner Sache verdruckt / Vnrecht haben / vnd Straffe leiden. Vnd ist ein gemeine Plage in der Welt / daß im Gerichte selten fromme Leute sitzen. Denn es gehöret für allen andern dingen / ein frommer Man zu einem Richter / vnd nicht allein ein frommer / sondern auch ein weiser / bescheidener / ja auch ein küner vnd kecker Man / Also auch gehöret ein kecker / dazu fürnemlich ein frommer Man zum Zeugen. Denn wer alle Sachen recht richten / vnd mit dem Vrtheil hindurch reissen sol / wird offtmals gute Freunde / Schwäger / Nachbar / Reiche / vnd Gewaltige erzürnen / die jhm viel dienen / oder schaden können / darumb muß er gar blind seyn / Augen vnd Ohren zugethan / nicht sehen noch hören / denn stracks für sich / was jhm fürkompt / vnd demnach schliessen. Falsch Zeugniß im Gericht. Im Gericht sitzen selten from̃e Leute. Darumb ist nu erstlich diß Gebot gestellet / daß ein jeglicher seinem Nehesten helffe zu seinem Rechten / vnd nicht hindern noch beugen lasse / sondern fördere vnd stracks darüber halte / Gott gebe / es sey Richter oder Zeuge / vnd treffe an was es wölle. Vnd sonderlich ist hiemit vnsern Herrn Juristen ein Ziel gesteckt / daß sie zusehen / recht vnd auffgericht mit den Sachen vmbgehen / was Recht ist / Recht bleiben lassen / vnd wiederumb nicht verdrehen noch vermenteln / oder schweigen / vnangesehen Gelt / Gut / Ehre / oder Herrschafft. Das ist ein Stück / vnd der gröbste Verstand dieses Gebots / von allem das für Gericht geschiehet. Des Nehesten Recht fördern vnd schützen. DArnach greifft es gar viel weiter / wenn mans sol ziehen ins Geistliche Gericht oder Regiment / Da gehets Falsch Zeugnis in Geistlichen sachen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/231
Zitationshilfe: [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/231>, abgerufen am 23.11.2024.