Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.gegen England kosteten die span. Seemacht und viele der kleineren Kolonien, was die Nation mißstimmte, die ohnehin durch das Verhältniß der Königin zu Alcudia geärgert wurde. Das Zerwürfniß der königl. Eltern mit dem Kronprinzen Ferdinand benutzte Napoleon, der den Herzog von Alcudia vollständig gewonnen hatte, zu einem tückischen Gewaltstreiche; er rief die königl. Familie 1808 nach Bayonne, wo er sich von dem halb blödsinnigen König die span. Krone übertragen u. den Kronprinzen in Frankreich zurückhalten ließ. Die span. Nation nahm aber Napoleons Bruder Joseph nicht als König an u. ließ sich nicht zum Werkzeug der napoleonischen Herrschsucht mißbrauchen, sondern erhob sich u. setzte einen beispiellosen Krieg von 1808 bis 14 fort; sie wurde von England unterstützt, eigentlich aber 1809 durch den Krieg Oesterreichs gegen Napoleon gerettet, weil dieser dadurch von seinem Siegeslaufe in S. mit dem Kern seiner Streitkräfte an die Donau gerufen wurde; später hinderte ihn der Krieg gegen Rußland an einem wiederholten nachdrücklichen Stoße gegen S. und seine Niederlagen in Deutschland zwangen ihn sein Heer in S. sich selbst zu überlassen. Als Ferdinand VII. im März 1814 nach S. zurückkehrte, fand er von den Cortes, die während seiner Gefangenschaft S. regiert hatten, eine Constitution eingeführt, welche selbst nach dem Urtheile der entschiedenen Anhänger des Constitutionalismus die königl. Gewalt übermäßig beschränkte. Ferdinand VII. warf dieselbe am 4. Mai um u. verhieß eine neue Verfassung, die mit den alten Cortes vereinbart werden sollte. Bald erfolgten Verschwörungen und Aufstände, besonders unter den Offizieren (s. Porlier, Mina), die mit Strang u. Galeeren bestraft wurden. Gleichzeitig erklärten auch die meisten Kolonien in Amerika ihren Abfall und der zu ihrer Unterwerfung begonnene Krieg erschöpfte vollends die Finanzen, während der fortwährende Ministerwechsel zeigte, daß der König die Kraft S. zu regieren nicht besitze. Am 1. Januar 1820 rief ein Theil der Truppen, welche zu Cadix nach Amerika eingeschifft werden sollten, die Constitution von 1812 aus (s. Quiroga und Riego) u. der König wurde zu der Annahme derselben durch das Militär und die Bürgerschaft von Madrid gezwungen. Die Mehrzahl der Nation war jedoch gegen eine solche Schmälerung der königl. Autorität, zumal sie auch die Rechte u. das Eigenthum der Kirche von der in den Cortes herrschenden Majorität bedroht sah. So entstanden gegen die Cortes zahlreiche Aufstände, die sich hauptsächlich unter dem Landvolke rekrutirten; dieselben wurden zwar von den Truppen unterdrückt, als aber nach Beschluß des Congresses zu Verona 1823 eine franz. Armee intervenirte, fand dieselbe nirgends energischen Widerstand. Es erfolgte nun eine Reaction gegen den Liberalismus od. vielmehr eine allgemeine Anarchie, indem Ferdinand VII. der entschiedenen reactionären Partei, welcher sein Bruder und wahrscheinlicher Nachfolger Carlos angehörte, so wenig traute als der constitutionellen und gerne einen Mittelweg eingeschlagen hätte. Seit 1828 kam etwas Ordnung in den Staatshaushalt, 1829 aber vermählte der König sich in 4. Ehe mit der neapolitan. Prinzessin Maria Christina und hob am 29. März 1830 das salische Gesetz auf, welches die Erbfolge in männlicher Linie feststellte. So war sein Bruder Don Carlos der Nachfolge verlustig, nachdem am 10. Octbr. desselben Jahres die Kronprinzessin Isabella geboren worden. Der König wurde von Maria Christina geleitet, der Bruch in der königl. Familie unheilbar gemacht und Marie Christine mußte in den Constitutionellen eine Stütze suchen, da die Absolutisten für Don Carlos waren. Ferdinand VII. st. 29. Sept. 1833, nachdem er der Königin die Regentschaft übergeben und die früher verfolgten Constitutionellen theilweise begnadigt hatte. Die Protestation des Don Carlos, der sich zu Dom Miguel nach Portugal gewendet hatte u. der auf allen Punkten S.s organisirte Aufstand der Carlisten, zwangen Marie Christine sich gänzlich in die Arme der constitutionellen Partei zu werfen. Die Städte schlossen sich dieser entschieden an und bewaffneten sich, während selbst das Landvolk sich nur in wenigen Bezirken allgemein gegen England kosteten die span. Seemacht und viele der kleineren Kolonien, was die Nation mißstimmte, die ohnehin durch das Verhältniß der Königin zu Alcudia geärgert wurde. Das Zerwürfniß der königl. Eltern mit dem Kronprinzen Ferdinand benutzte Napoleon, der den Herzog von Alcudia vollständig gewonnen hatte, zu einem tückischen Gewaltstreiche; er rief die königl. Familie 1808 nach Bayonne, wo er sich von dem halb blödsinnigen König die span. Krone übertragen u. den Kronprinzen in Frankreich zurückhalten ließ. Die span. Nation nahm aber Napoleons Bruder Joseph nicht als König an u. ließ sich nicht zum Werkzeug der napoleonischen Herrschsucht mißbrauchen, sondern erhob sich u. setzte einen beispiellosen Krieg von 1808 bis 14 fort; sie wurde von England unterstützt, eigentlich aber 1809 durch den Krieg Oesterreichs gegen Napoleon gerettet, weil dieser dadurch von seinem Siegeslaufe in S. mit dem Kern seiner Streitkräfte an die Donau gerufen wurde; später hinderte ihn der Krieg gegen Rußland an einem wiederholten nachdrücklichen Stoße gegen S. und seine Niederlagen in Deutschland zwangen ihn sein Heer in S. sich selbst zu überlassen. Als Ferdinand VII. im März 1814 nach S. zurückkehrte, fand er von den Cortes, die während seiner Gefangenschaft S. regiert hatten, eine Constitution eingeführt, welche selbst nach dem Urtheile der entschiedenen Anhänger des Constitutionalismus die königl. Gewalt übermäßig beschränkte. Ferdinand VII. warf dieselbe am 4. Mai um u. verhieß eine neue Verfassung, die mit den alten Cortes vereinbart werden sollte. Bald erfolgten Verschwörungen und Aufstände, besonders unter den Offizieren (s. Porlier, Mina), die mit Strang u. Galeeren bestraft wurden. Gleichzeitig erklärten auch die meisten Kolonien in Amerika ihren Abfall und der zu ihrer Unterwerfung begonnene Krieg erschöpfte vollends die Finanzen, während der fortwährende Ministerwechsel zeigte, daß der König die Kraft S. zu regieren nicht besitze. Am 1. Januar 1820 rief ein Theil der Truppen, welche zu Cadix nach Amerika eingeschifft werden sollten, die Constitution von 1812 aus (s. Quiroga und Riego) u. der König wurde zu der Annahme derselben durch das Militär und die Bürgerschaft von Madrid gezwungen. Die Mehrzahl der Nation war jedoch gegen eine solche Schmälerung der königl. Autorität, zumal sie auch die Rechte u. das Eigenthum der Kirche von der in den Cortes herrschenden Majorität bedroht sah. So entstanden gegen die Cortes zahlreiche Aufstände, die sich hauptsächlich unter dem Landvolke rekrutirten; dieselben wurden zwar von den Truppen unterdrückt, als aber nach Beschluß des Congresses zu Verona 1823 eine franz. Armee intervenirte, fand dieselbe nirgends energischen Widerstand. Es erfolgte nun eine Reaction gegen den Liberalismus od. vielmehr eine allgemeine Anarchie, indem Ferdinand VII. der entschiedenen reactionären Partei, welcher sein Bruder und wahrscheinlicher Nachfolger Carlos angehörte, so wenig traute als der constitutionellen und gerne einen Mittelweg eingeschlagen hätte. Seit 1828 kam etwas Ordnung in den Staatshaushalt, 1829 aber vermählte der König sich in 4. Ehe mit der neapolitan. Prinzessin Maria Christina und hob am 29. März 1830 das salische Gesetz auf, welches die Erbfolge in männlicher Linie feststellte. So war sein Bruder Don Carlos der Nachfolge verlustig, nachdem am 10. Octbr. desselben Jahres die Kronprinzessin Isabella geboren worden. Der König wurde von Maria Christina geleitet, der Bruch in der königl. Familie unheilbar gemacht und Marie Christine mußte in den Constitutionellen eine Stütze suchen, da die Absolutisten für Don Carlos waren. Ferdinand VII. st. 29. Sept. 1833, nachdem er der Königin die Regentschaft übergeben und die früher verfolgten Constitutionellen theilweise begnadigt hatte. Die Protestation des Don Carlos, der sich zu Dom Miguel nach Portugal gewendet hatte u. der auf allen Punkten S.s organisirte Aufstand der Carlisten, zwangen Marie Christine sich gänzlich in die Arme der constitutionellen Partei zu werfen. 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Nation nahm aber Napoleons Bruder Joseph nicht als König an u. ließ sich nicht zum Werkzeug der napoleonischen Herrschsucht mißbrauchen, sondern erhob sich u. setzte einen beispiellosen Krieg von 1808 bis 14 fort; sie wurde von England unterstützt, eigentlich aber 1809 durch den Krieg Oesterreichs gegen Napoleon gerettet, weil dieser dadurch von seinem Siegeslaufe in S. mit dem Kern seiner Streitkräfte an die Donau gerufen wurde; später hinderte ihn der Krieg gegen Rußland an einem wiederholten nachdrücklichen Stoße gegen S. und seine Niederlagen in Deutschland zwangen ihn sein Heer in S. sich selbst zu überlassen. Als Ferdinand VII. im März 1814 nach S. zurückkehrte, fand er von den Cortes, die während seiner Gefangenschaft S. regiert hatten, eine Constitution eingeführt, welche selbst nach dem Urtheile der entschiedenen Anhänger des Constitutionalismus die königl. Gewalt übermäßig beschränkte. Ferdinand VII. warf dieselbe am 4. Mai um u. verhieß eine neue Verfassung, die mit den alten Cortes vereinbart werden sollte. Bald erfolgten Verschwörungen und Aufstände, besonders unter den Offizieren (s. Porlier, Mina), die mit Strang u. Galeeren bestraft wurden. Gleichzeitig erklärten auch die meisten Kolonien in Amerika ihren Abfall und der zu ihrer Unterwerfung begonnene Krieg erschöpfte vollends die Finanzen, während der fortwährende Ministerwechsel zeigte, daß der König die Kraft S. zu regieren nicht besitze. Am 1. Januar 1820 rief ein Theil der Truppen, welche zu Cadix nach Amerika eingeschifft werden sollten, die Constitution von 1812 aus (s. Quiroga und Riego) u. der König wurde zu der Annahme derselben durch das Militär und die Bürgerschaft von Madrid gezwungen. Die Mehrzahl der Nation war jedoch gegen eine solche Schmälerung der königl. Autorität, zumal sie auch die Rechte u. das Eigenthum der Kirche von der in den Cortes herrschenden Majorität bedroht sah. So entstanden gegen die Cortes zahlreiche Aufstände, die sich hauptsächlich unter dem Landvolke rekrutirten; dieselben wurden zwar von den Truppen unterdrückt, als aber nach Beschluß des Congresses zu Verona 1823 eine franz. Armee intervenirte, fand dieselbe nirgends energischen Widerstand. Es erfolgte nun eine Reaction gegen den Liberalismus od. vielmehr eine allgemeine Anarchie, indem Ferdinand VII. der entschiedenen reactionären Partei, welcher sein Bruder und wahrscheinlicher Nachfolger Carlos angehörte, so wenig traute als der constitutionellen und gerne einen Mittelweg eingeschlagen hätte. Seit 1828 kam etwas Ordnung in den Staatshaushalt, 1829 aber vermählte der König sich in 4. Ehe mit der neapolitan. Prinzessin Maria Christina und hob am 29. März 1830 das salische Gesetz auf, welches die Erbfolge in männlicher Linie feststellte. So war sein Bruder Don Carlos der Nachfolge verlustig, nachdem am 10. Octbr. desselben Jahres die Kronprinzessin Isabella geboren worden. Der König wurde von Maria Christina geleitet, der Bruch in der königl. Familie unheilbar gemacht und Marie Christine mußte in den Constitutionellen eine Stütze suchen, da die Absolutisten für Don Carlos waren. Ferdinand VII. st. 29. Sept. 1833, nachdem er der Königin die Regentschaft übergeben und die früher verfolgten Constitutionellen theilweise begnadigt hatte. Die Protestation des Don Carlos, der sich zu Dom Miguel nach Portugal gewendet hatte u. der auf allen Punkten S.s organisirte Aufstand der Carlisten, zwangen Marie Christine sich gänzlich in die Arme der constitutionellen Partei zu werfen. Die Städte schlossen sich dieser entschieden an und bewaffneten sich, während selbst das Landvolk sich nur in wenigen Bezirken allgemein </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [266/0267]
gegen England kosteten die span. Seemacht und viele der kleineren Kolonien, was die Nation mißstimmte, die ohnehin durch das Verhältniß der Königin zu Alcudia geärgert wurde. Das Zerwürfniß der königl. Eltern mit dem Kronprinzen Ferdinand benutzte Napoleon, der den Herzog von Alcudia vollständig gewonnen hatte, zu einem tückischen Gewaltstreiche; er rief die königl. Familie 1808 nach Bayonne, wo er sich von dem halb blödsinnigen König die span. Krone übertragen u. den Kronprinzen in Frankreich zurückhalten ließ. Die span. Nation nahm aber Napoleons Bruder Joseph nicht als König an u. ließ sich nicht zum Werkzeug der napoleonischen Herrschsucht mißbrauchen, sondern erhob sich u. setzte einen beispiellosen Krieg von 1808 bis 14 fort; sie wurde von England unterstützt, eigentlich aber 1809 durch den Krieg Oesterreichs gegen Napoleon gerettet, weil dieser dadurch von seinem Siegeslaufe in S. mit dem Kern seiner Streitkräfte an die Donau gerufen wurde; später hinderte ihn der Krieg gegen Rußland an einem wiederholten nachdrücklichen Stoße gegen S. und seine Niederlagen in Deutschland zwangen ihn sein Heer in S. sich selbst zu überlassen. Als Ferdinand VII. im März 1814 nach S. zurückkehrte, fand er von den Cortes, die während seiner Gefangenschaft S. regiert hatten, eine Constitution eingeführt, welche selbst nach dem Urtheile der entschiedenen Anhänger des Constitutionalismus die königl. Gewalt übermäßig beschränkte. Ferdinand VII. warf dieselbe am 4. Mai um u. verhieß eine neue Verfassung, die mit den alten Cortes vereinbart werden sollte. Bald erfolgten Verschwörungen und Aufstände, besonders unter den Offizieren (s. Porlier, Mina), die mit Strang u. Galeeren bestraft wurden. Gleichzeitig erklärten auch die meisten Kolonien in Amerika ihren Abfall und der zu ihrer Unterwerfung begonnene Krieg erschöpfte vollends die Finanzen, während der fortwährende Ministerwechsel zeigte, daß der König die Kraft S. zu regieren nicht besitze. Am 1. Januar 1820 rief ein Theil der Truppen, welche zu Cadix nach Amerika eingeschifft werden sollten, die Constitution von 1812 aus (s. Quiroga und Riego) u. der König wurde zu der Annahme derselben durch das Militär und die Bürgerschaft von Madrid gezwungen. Die Mehrzahl der Nation war jedoch gegen eine solche Schmälerung der königl. Autorität, zumal sie auch die Rechte u. das Eigenthum der Kirche von der in den Cortes herrschenden Majorität bedroht sah. So entstanden gegen die Cortes zahlreiche Aufstände, die sich hauptsächlich unter dem Landvolke rekrutirten; dieselben wurden zwar von den Truppen unterdrückt, als aber nach Beschluß des Congresses zu Verona 1823 eine franz. Armee intervenirte, fand dieselbe nirgends energischen Widerstand. Es erfolgte nun eine Reaction gegen den Liberalismus od. vielmehr eine allgemeine Anarchie, indem Ferdinand VII. der entschiedenen reactionären Partei, welcher sein Bruder und wahrscheinlicher Nachfolger Carlos angehörte, so wenig traute als der constitutionellen und gerne einen Mittelweg eingeschlagen hätte. Seit 1828 kam etwas Ordnung in den Staatshaushalt, 1829 aber vermählte der König sich in 4. Ehe mit der neapolitan. Prinzessin Maria Christina und hob am 29. März 1830 das salische Gesetz auf, welches die Erbfolge in männlicher Linie feststellte. So war sein Bruder Don Carlos der Nachfolge verlustig, nachdem am 10. Octbr. desselben Jahres die Kronprinzessin Isabella geboren worden. Der König wurde von Maria Christina geleitet, der Bruch in der königl. Familie unheilbar gemacht und Marie Christine mußte in den Constitutionellen eine Stütze suchen, da die Absolutisten für Don Carlos waren. Ferdinand VII. st. 29. Sept. 1833, nachdem er der Königin die Regentschaft übergeben und die früher verfolgten Constitutionellen theilweise begnadigt hatte. Die Protestation des Don Carlos, der sich zu Dom Miguel nach Portugal gewendet hatte u. der auf allen Punkten S.s organisirte Aufstand der Carlisten, zwangen Marie Christine sich gänzlich in die Arme der constitutionellen Partei zu werfen. Die Städte schlossen sich dieser entschieden an und bewaffneten sich, während selbst das Landvolk sich nur in wenigen Bezirken allgemein
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